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Drohender XXL-BundestagSchafft die Wahlkreise ab!

Kommentar von Gunnar Hinck

Nach der Wahl wird es vermutlich einen XXL-Bundestag geben. Es wird Zeit für ein radikale Reform: das Ende des merkwürdigen Mischwahlsystems.

Wasser auf die Mühlen nicht nur von PopulistInnen: Der Bundestag dürfte weiter wachsen Foto: Florian Gärtner/photothek/imago

N ach der Wahl wird es nicht nur eine neue Regierung geben, sondern auch einen sehr großen Bundestag. Über 800 Abgeordnete sind wahrscheinlich. Zum Vergleich: 328 Millionen US-BürgerInnen werden von 435 Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus vertreten. Der XXL-Bundestag, der er mit über 700 Abgeordneten jetzt schon ist, ist Wasser auf die Mühlen nicht nur von PopulistInnen, die auf die Kosten hinweisen. Und die Arbeitsfähigkeit wird leiden: Ein Fach­ausschuss wird nicht besser arbeiten können, wenn auf ihn immer mehr Abgeordnete verteilt werden müssen.

Weil gerade CDU und CSU inzwischen weit mehr Direktmandate holen, als ihnen nach der Zweitstimme zustehen, bekommen die anderen Parteien Ausgleichsmandate. Aber man kann nicht gleichzeitig alle Direktmandate berücksichtigen, die Sitze nach den Prozentzahlen der Zweitstimmen verteilen und eine feste Obergrenze an Mandaten einziehen. Ein echte Reform des komplizierten Wahlrechts scheiterte im vergangenen Jahr kläglich. Hier hilft nur eine radikale Reform: Das merkwürdige Mischsystem aus Wahlkreisen und Verhältniswahlrecht muss ein Ende haben, die Wahlkreise sollten abgeschafft werden und der Bundestag nur aus den Wahllisten der Parteien gespeist werden.

Das Bild vom volksnahen, direkt gewählten Abgeordneten, der anders als die Partei-Apparatschiks auf den Listen weiß, wo vor Ort der Schuh drückt, ist ohnehin nur noch ein Mythos. Inzwischen können BewerberInnen mit 23 Prozent direkt einen Wahlkreis gewinnen, weil Grüne, Union und SPD oft eng beieinander liegen. Ein Direktmandat mag ein Prestigegewinn in der eigenen Partei sein – aber die meisten sind sowieso auf der Liste abgesichert, was im Wahlkampf nicht so laut gesagt wird.

Natürlich braucht ein Parlament unabhängige Köpfe wie früher Hans-Christian Ströbele, der mehrfach direkt in den Bundestag einzog. Aber wenn gleichzeitig die parteiinternen Listenaufstellungen aus der Mauschel-Ecke geholt und transparenter gemacht werden, werden auch sie weiter im Bundestag sitzen – ganz ohne Wahlkreis.

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ist Redakteur im taz-Ressort Meinung.

74 Kommentare

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  • Was ist an der direkten Wahl von Abgeordneten merkwürdig? Der Artikel läßt einem im Dunkeln, wieso er den persönlichen Aspekt bei Wahlen für "merkwürdig" erachtet. Was soll der Vorteil von anonymen Listen sein?

    • @Rudolf Fissner:

      Listen sind nicht anonym. Die Personen auf einer Liste sind genauso bekannt oder unbekannt wie die Direktkandidat/inn/en. Bzw. oft sogar bekannter. Anonyme Listen sind in Deutschland nicht erlaubt, vermutlich auch nicht anderswo.

      • @Toto Barig:

        Mit "anonym" meinte ich nicht namenlos.

        Die regionalen Medien berichten nie über das was 1000 Abgeordnete täglich treiben. Das kann selbst wenn es so wäre niemand überblicken.

        Auch kann keiner der tausend die regionalen Besonderheiten aus den Wahlkreisen der anderen vertreten oder überblicken.

  • Das ginge doch wohl auch anders: Der Wahlkreise sind zu viele - wären es deutlich weniger, gäbe es auch weniger Direktmandate per Erststimme. Mit der Zweitstimme lediglich Listen der Parteien als Block wählen zu können, ist wenig demokratisch. Da wäre dann Kumulieren und Panaschieren ein Mehr an Demokratie - und bliebe übersichtlich, wenn Wählende bspw. ein Guthaben von einem Zehntel der Parlaments-Gesamtstärke hätte, also bspw. 50 Stimmen/ zu verteilende Kreuzchen bei einer gedeckelten Gesamtstärke von etwa 500 Sitzen. Über weitere Einzelheiten zu hinten runterfallenden Listenplatz-Stimmen in den einzelnen Bundesländern mögen sich Berufenere Gedanken machen. Man könnte ja auch eine maximale Anzahl von Direktmandaten festsetzen, die eh mit unterschiedlich vielen bzw. wenigen Stimmen errungen werden, was dann den aus den Listen hervorgehenden Gewählten zugute käme - wo Direktkandidat;innen ja oft nochmals wählbar sind …

  • Es gibt die Grundmandatsklausel.



    letztmalig profitierte die PDS 1994 davon:

    www.bundeswahlleit...andatsklausel.html

  • Kann mich ja täuschen, aber ich dachte immer, es wäre für die politische Teilnahme von Vorteil, Menschen zu wählen, die man auch im Ansatz kennt, einzuschätzen weiß und mit denen man sich auch regional verbunden fühlt.

    Die generelle Abschaffung von Wahlkreisen würde eine weitere Entfremdung vieler Menschen von der Politik nach sich ziehen.

    Für viele Menschen, besonders auf dem Land, ist der "volknahe Abgeordnete" eben kein Mythos. Viel eher halte ich es für einen Mythos, dass Wähler in erster Linie Parteiprogramme wählen.

    Und sorry, weil eine "echte Reform" an SPD und Union Parteien gescheitert ist, brauchts ein "radikale Reform?" Wieso sollte die denn einfacher durchzusetzen sein? Die Logik erschließt sich mir -gerade mit Blick auf die Umfragewerte- kein Stück.

    • @Deep South:

      "die man auch im Ansatz kennt"

      Ich kenne niemanden den ich je gewählt habe. Wie auch?

      • @danny schneider:

        Jemanden "im Ansatz kennen" bedeuted nicht, zu wissen, wieviel Stück Zucker er morgens im Kaffee haben will und welche Musik er am liebsten hört.

        Natürlich weiß ich für welche Politik der Kandidaten stehen, die ich die letzten Jahre kommunal und in den Landtag gewählt hab und an welchen Projekten er beteiligt war.

        Was interessiert mich das schwammige Parteiprogramm einer Landes- oder Bundesregierung, wenn ich keine Ahnung davon habe, mit welche Ideen, Ansätzen und Konzepten Derjenige arbeitet, dem ich meine Stimme gebe?

        Ich hab noch nie etwas davon gehalten, sich kardinalstreu an den Rockzipfel irgendeiner Partei zu klammern.

      • 8G
        86548 (Profil gelöscht)
        @danny schneider:

        wer sich für politik interessiert, kennt ihre abgeordnete, einfach mal ins bürgerbüro gehen und mit den leuten sprechen

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Das Amt des Bundeskanzlers sollte auf 5 Jahre begrenzt werden. Wenn dann das Volk mit 2/3 Mehrheit diesen Kanzler/Kanlerin erneut haben will, dann sollte das möglich sein.

    Und nicht vergessen, all diese unsäglichen Gesetze verbessern, an der ein Projekt nach dem anderen scheitert - zuerst mit dem Brandschutz anfangen. Auch der Datenschutz ist völlig aus dem Ruder gelaufen.

    Mein größter Wunsch aber wäre die Steuererklärung auf einer Seite.



    Bierdeckel nicht, weil ich um Himmels Willen diesen arroganten und engstirnigen Merz nicht haben will. Arbeitslose Steuerberater sind in der Verwaltung sehr willkommen!

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Wenn Sie mit pauschalen Aussagen anfangen, bitte: Brandschutz rettet Leben.

      Das heißt nicht, dass man über einzelne Regeln nicht reden kann, aber so pauschal ist Ihre Aussage Quatsch und nicht hilfreich.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      * Der Kanzler ist der unwichtigste aller Posten... das sieht man daran das seit Kohl alle Kanzler im Prinzip den Job des Außenministers übernehmen....

      Datenschutz? der ist an manchen Stellen noch zu lasch - richtig, aber sonst, in den meisten Ländern ist es schlechter wie hier.

      Ja, mal alle Steuerausnahmen abschaffen... mehr Pauschalen. Aber es gibt was, das liebt der Deutsche mehr als Autos: Einzelfallgerechtigkeit!

  • Es wäre schon viel gewonnen, wenn die Parteien nicht mit Landeslisten sondern mit je einer Bundesliste antreten würden. Es gäbe zwar immer noch Überhangmandate, aber weit weniger davon. Natürlich müsste man dafür mal wieder eine Föderalismusdebatte führen, und sowas kann dauern...

  • Die Förderung nach der Abschaffung des Mischwahlsystems finde ich gut. Nur sollte - wie in den USA - jeder Abgeordnete direkt gewählt werden. Das Verhältniswahlrecht sollte dagegen abgeschafft werde. Überhangmandate wären dann Geschichte, die 5 Prozenthürde ebenfalls.

    • @DiMa:

      Ja, weil man dann faktisch eine 30-%-Hürde hätte. Auf Dauer gäbe es nur noch zwei, drei Großparteien. Kleine bzw. neue hätten keine Chance mehr. Bei einem solchen Wahlsystem gingen immer mehr Menschen gar nicht mehr wählen, weil Minderheiten nicht zählten.

  • Viel wichtiger ist das die 5% Hürde wegfällt.



    Es ist nicht demokratisch zu legitimieren, wie ein guter teil eienr pluralistischen denkenden Bevölkerung ausgeschlossen wird.



    Es gibt dafür keine Gründe ausser Machterhalt.

    • @BlackHeroe:

      Es gibt massive Gründe siehe Weimarer Republik mit dem "zuviel Parteien"

      de.wikipedia.org/w...publik_(1918/1919)

      • @Justin Teim:

        Sie fallen auf zwei Narrative, man kann auch sagen: Lügen, herein, die uns (mir jedenfalls) im Geschichtsunterricht oft erzählt wurde.

        1. Die Behauptung, die Weimarer Republik sei an den Kleinparteien gescheitert, ist eine Rechtfertigungslüge aus den (konservativen) Kreisen, die den Nazis letztlich die Macht überlassen haben. Um von der eigenen Verantwortung abzulenken wurde die Schuld der pösen, radikalen Kleinparteien erfunden.

        2. Die Einführung der 5-%-Hürde erfolgte einzig und allein um die KPD aus dem Bundestag rauszukriegen. 1953 drohte keine Zersplitterung in viele Kleinparteien, sondern es herrschte der Kalte Krieg. Darum war so eine undemokratische Maßnahme durchzusetzen.

    • @BlackHeroe:

      Im Niederländischen Parlament sitzen 18 Parteien. Im März wurde zuletzt gewählt. Auf eine neue Regierungskoalition konnten sich die Parteien bis heute nicht verständigen.

  • Ich will keinen stumpfen Konservativismus predigen, aber ich glaube, man sollte mit einer Abschaffung des deutschen Mischwahlrechts in Bausch und Bogen vorsichtig sein.



    Der Mütter und Väter des Grundgesetzes haben sich etwas dabei gedacht. Und das sollte man vor Änderungen in beide Richtungen bedenken. Beide Extreme schaffen eine vollkommen andere politische Kultur.



    Das Problem des zu großen Bundestags ist ernst und hat seine Wurzeln in der Wiedervereinigung.



    Wäre es nicht damit getan, einfach Wahlkreise im Verhältnis 2:1 zu vergrößern, will sagen 350 Abgeordnete plus X für Überhangmandate etc. Dass das nicht einfach wird, ist klar ... da geht es knallhart an die urpersönlichsten Intressen der Parlamentsclique ... sprich: Die Hälfte von euch fliegt rauß!

    • @Tinus:

      "Der Mütter und Väter des Grundgesetzes haben sich etwas dabei gedacht."



      Nun waren aber die politischen Verhältnisse in Trizonesien gerade mal zwei, drei Jahre nach dem Ende des NS in einer Gesellschaft die sich politisch wie kulturell erst einmal wieder orientieren musste und der bereits am Horizont heraufdämmernden Blockkonfrontation doch sehr anders als heute und das was sich die 4 Mütter und die 61 Väter des GG dabei dachten war als Interimslösung für die nächsten Jahre angelegt. Wozu es führt ein politisches System als sakrosankt zu erklären und deshalb über Jahrhunderte keine grundlegenden Reformen durchzuführen lässt sich gut in den USA beobachten.

      • @Ingo Bernable:

        Lieber Ingo,



        du hast vollkommen recht. Ich meine nur, es wäre gut, 2 Probleme zunächst getrennt zu betrachten: A das der Größe des Parlaments und B das des Mischwahlsystems... und da meine ich schon: Ein Parlament sollte nicht nur Meinungen sondern auch die Regionen eines Landes repräsentieren, um legitim darzustehen.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Interessant, in der taz den Vorschlag zu lesen, noch mehr Bürgerferne in die Bundespolitik einziehen zu lassen. Das Direktmandat gewährleistet immerhin, dass jeder Bürger einen lokalen Ansprechpartner im Parlament hat. Auf den Gedanken kommt man vermutlich auch nur, wenn man ohnehin im politischen Zentrum der Republik sitzt und nicht in entlegenen Regionen, aus denen es nie jemand auf einen privilegierten Listenplatz einer großen Partei schafft.

    • @14231 (Profil gelöscht):

      "dass jeder Bürger einen lokalen Ansprechpartner im Parlament hat."

      Wo ist der Unterschied ob man eine Mail an Kasper X oder an Partei Y schreibt? PS: Kasper X muss hier 250k Leute Vertreten von denen bestenfalls 20-30% ihn gewählt haben. und mind. 50% seine Politik ablehnt!

      • 1G
        14231 (Profil gelöscht)
        @danny schneider:

        Es ist durchaus ein Unterschied, ob ich mit Kasper X, der meinen Wohnort, meinen Arbeitgeber oder die Schule meiner Kinder persönlich kennt, von Angesicht zu Angesicht sprechen oder nur eine E-Mail an ein Abgeordnetenbüro schreiben kann, wo man nicht mal weiß, wo mein Wohnort liegt.

        Aktuell kommt keine Partei auf 30% Zustimmung, wo ist hinsichtlich der Legitimierung also der Unterschied zu einem Direktkandidaten mit gleichen Zustimmungswerten.

  • Eine reine Verhältniswahl wäre gut, aber nur, wenn auch gleichzeitig die Sperrklausel entfällt. Warum nicht ein Bundestag von z.B. exakt 400 Parlamentarier/innen, d.h. im Schnitt kommt der erste Platz einer Liste mit 0.25 % in den Bundestag.

  • Wenn schon Direktmandate beibehalten werden, dann erwarte ich im Gegenzug Stichwahlen in allen Bezirken, die keine 50% erreicht haben; darüber hinaus gibt es nur Diäten für 600 MdB, Überhangmandate werden aus diesem Pool mitfinanziert.

  • In Israel gibt es keine Wahlkreise. Alle Parteienlisten treten landesweit an.



    Aber Israel hat ein Einkammerparlament. Ist ja auch viel kleiner.

    • @nzuli sana:

      und wie z.B. Finnland, die meisten Einwohner wohnen in 3-4 größeren Städten, die bei uns max. als mittelgroß gelten würden.

      Das kann man alles gar nicht vergleichen.

  • Eine praktikable Lösung wäre: Man nimmt der Zweitstimme ihre zentrale Bedeutung.



    Neuregelung: 300 der 600 Sitze werden nach reinem Verhältniswahlrecht vergeben.



    Die anderen 300 Sitze werden nach einem Mehrheitswahlrecht in zwei Wahlgängen vergeben, wonach beim zweiten Wahlgang (14 Tage nach den ersten Wahlen) nur noch die zwei Kandidaten antreten dürfen, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen bekommen haben ... es sei denn, sie treten für den Dritten oder Vierten zurück. Es gäbe 0 Überhangmandate und es wären interparteiliche Absprachen vor dem zweiten Wahlgang möglich.

    • @Plewka Jürgen:

      Gegenvorschlag:

      300 der 600 Sitze werden nach reinem Verhältniswahlrecht vergeben, mit einer bundesweit einheitlichen Liste und ohne jede Sperrklausel ("5%-Hürde").

      300 Sitze werden unter allen Bürgerinnen und Bürgern verlost.

  • Wenn es gelingt, die Union aus der Regierung zu werfen, gibt es eine ordentliche Mehrheit für die Reform, die sie voriges Jahr blockiert hat...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Was spricht gegen größere Wahlkreise?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      ROFL. Die SPD ist und wird Regierung sein. 🤓🤫🥸

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ja ne klar... Scholz wird progressive Politik machen. Scheiße jetzt habe ich mich naß gemacht.

  • Ich kann es nicht mehr hören. Wir haben zurzeit 709 Abgeordnete im Bundestag. Und? Das sind umgerechnet 117.000 Bürger*innen je Abgeordnete/n. Bei aller Liebe: Wie sehr sollen sich Amtsinhaber und Wahlvolk denn noch voneinander entfremden? Dieser Bundestag ist alles andere als zu klein, wenn ich eine demokratische Vertretung im Parlament noch ernst nehmen will. Wer auf die Tränendrüse drückt, weil das ja ach so teuer sein soll: Mit nur einer/einem an der Spitze wäre es noch billiger. Hat nicht funktioniert. Wer seinem Haushaltsbuch mehr traut als seinem Geschichtsbuch, der wird es wahrscheinlich nicht glauben.

    • @Markus Wendt:

      Ich glaube nicht, dass ein Abgeordneter repräsentativ für eine bestimmte Menge Wähler agierten und abstimmen kann. Für eine derartige “Zuständigkeit" fehlt es - gerade bei Listenmandaten - an der Zuordnung von Wählern zu Abgeordneten.

      Der Sinn eines Parlamentes ist es, die unüberblickbare Vielfalt aller individuellen Meinungen und Bedürfnisse auf ein arbeitsfähiges Gesetzgebungsorgan runter zu dampfen. Deshalb sollte das wesentliche Kriterium für seine Größe diese Arbeitsfähigkeit sein.

      • @Normalo:

        "Deshalb sollte das wesentliche Kriterium für seine Größe diese Arbeitsfähigkeit sein."

        und wie stellt man diese fest?

        • @danny schneider:

          Trial and error.

  • Schafft die Zweitstimme ab!

    • @FancyBeard:

      Korrektur: Schafft die Erststimme ab!

    • @FancyBeard:

      Nein. die Erststimme!

  • Der Verzicht auf Direktmandate bedeutet einen großen Verlust an Demokratie.

    Sehr traurig solche Ideen in der TAZ zu lesen....

    Dem Problem der Überhangmandate könnte man anders begegnen, zB das bundesweit zu berechnen, schon gäbe es keine mehr...

    • @berlin ist für alle da:

      Eine reine Verhältniswahl ohne Sperrklausel bedeutete, daß z.B. bei einem Bundestag mit 400 Personen nur ca. 0.25 % der Stimmen erforderlich wären. Das ist weitaus demokratischer als Direktmandate, denn eine/n Direktkandidaten/in kann ich nur wählen, wenn ich zufällig im entsprechenden Wahlkreis wohne.

    • @berlin ist für alle da:

      "Der Verzicht auf Direktmandate bedeutet einen großen Verlust an Demokratie."

      Warum? die 4 Kasper hier im Wahlgreis haben zu 90% gleiche Biographien (Politikwissenschaftler, irgendwas mit Verwaltung,...) und ich kenne keinen davon. Ich wähle die auch nicht, weil ich alle total ungeeignet halte... halt aufgrund der Biographie. Was bringt mir die Erststimme? Nix! Größter Schwachsinn ever! Außerdem haben die dann ja auch Fraktionszwang

    • @berlin ist für alle da:

      Muss mich anschließen. Sonst faselt die taz über Bürgerräte und hier hat jeder die Möglichkeit jemanden aus seiner Mitte zu wählen!



      Vielleicht einfach die Anzahl der Wahlbezirke reduzieren?

      • @Andi S:

        Richtig dann gehts los mit RätesSystemen mit Hochbubbeln von Entschuldigen ähm Entscheidungen, die dann ihren Weg hin zum ultimativen anarchistischen Konsens finden sollen.

  • Ich würde den umgekehrten Ansatz vorschlagen. Schafft die Listen ab. Hier herrscht Parteigemauschle ohne Ende. Bei lediglichen Direktwahlen hätte auch ein guter unabhängiger Kandidat Chancen. Die Parteien haben inzwischen ihren Auftrag, an der politischen Willensbildung mitzuwirken ohnehin absolutistisch pervertiert. Man denke nur an den grundgesetzwidrigen Fraktionszwang.

  • Eine radikale Reform dürfte in diesem, unserem Land nicht möglich sein. Eine weniger radikale, dafür aber konsensfähige und vom Wähler akzeptabler Justierung der Mandatsvergabe könnte ein eher gangbarer Weg sein.

    Die im Ansatz vorgesehene Gleichwertigkeit von Erst- und Zweitstimme kommt im Parlament nicht an.



    Soweit ich es verstehe steht der festgesetzten Anzahl der Direktmandate eine höhere Anzahl der, über die Liste mandatierten MdB gegenüber. Die Differenz ergibt sich aus den Ausgleichsmandaten die wegen Überhangsmandaten dazukommen.

    Wir haben also schon jetzt weniger als die Hälfte der Mandate durch Direktgewählte Abgeordnete gefüllt.

    Nun sollten alle Demokraten ein mindestens so genaues Abbild des Wählerwillens im Parlament wünschen wie bisher.

    Ein Ansatz könnte die reduzierung der Wahlkreise sein, Ein anderer Ansatz könnte die Aufwertung des Prestiges für Direktgewählte Kandidaten sein: Stichwahl für die Erststimme zwischen den beiden Kandidaten.

    Verzögert das Ergebnis, macht es aber auch genauer und stärkt den Selbstwert des Direkt gewählten MdB.

    • @Mr.Henry:

      Eine radikal bessere Reform hat niemand vorgestellt und eine radikal schlechtere Reform braucht niemand,

    • @Mr.Henry:

      Die Stichwahl brächte keine Verbesserung. Zum Einen zählt auch eine "prestigereiche" Stimme am Ende im BT genau einmal. Zum Anderen würde sich allenfalls zufällig an den Überhangmandaten etwas ändern. Die resultieren ja daraus, dass die Zweitstimmen deutlich weiter aufgesplittert sind als die eindeutige Besetzung des Direktmandates abbilden kann. Ob ein Kandidat jetzt die Stichwahl mit über 50% gewinnt oder ihm 30% im ersten Wahlgang reichen, ist irrelevant für diese Diskrepanz: Am Ende nimmt er den Direktsitz zu 100% ein, seine Partei hat aber immer noch nur 20 oder 30% der Zweitstimmen im gleichen Bezirk. Die übrigen Stimmen wandern in den Überhang-Pool.

  • Eine Anmerkung zum US-Repräsentantenhaus, das ist mit Abstand das schlechteste Beispiel weil es weltweit die meisten Wähler pro Abgeordneten hat, 750tsd im Vergleich zu z.B. 250tsd Wähler pro Abgeordneten in Mexiko. Um in den USA eine gleiche Repräsentation wie in Deutschland zu erreichen bräuchten die Amis 1156 Abgeordnete. www.pewresearch.or...ze-as-in-taft-era/

    • @Thomas R. Koll:

      Hab mich sowieso gewundert, daß ausgerechnet die Taz die USA mal als Vorbild benennt.

  • Wenn man schon Reformüberlegungen anstellt, sollte man auch überlegen ob nicht auch eine Entflechtung von Exekutive und Legislative der Gewaltenteilung und Demokratie zuträglich wäre. Zudem würden dann auch bei der Parlamentswahl die Parlamentarier*innen wieder eine Rolle spielen und nicht nur die fürs Kanzler*innenamt Kandidierenden.



    Ebenso sollte man die Parteien von ihrem derzeitigen Status als Machtmaschinen wieder auf politische Vereinigungen zurückstutzen, den Fraktionszwang aufheben und damit inhaltliche Entscheidungen von den Parteizentralen zurück ins Parlament holen.

    • @Ingo Bernable:

      Jeder Abgeordnete kann Gesetze einbringen. Wenn Sie für die Gesetze, die Sie gerne hätten, niemanden finden, der sie einbringt, dann spricht das negativ für die Qualität dieser Gesetzesvorlagen.

      • @Rudolf Fissner:

        Das eigentliche Problem ist ein ganz anderes. Für den Durchschnittswähler beginnt und endet der direkte politische Einfluss beim Ankreuzen. Mit etwas Glück(5%-Hürde!) kommt die gewählte Partei oder und der Abgeordnete sogar ins Parlament. Ab da ist alles offen: Wer mit wem koaliert und am Ende die Regierung bildet ,ob und wie die Wahlversprechen umgesetzt werden, da hat der Wähler keinen Einfluß.



        Und die gewählten Abgeordneten ,sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden,nur dem eigenen Gewissen verpflichtet.Wer oder was wird denn da wirklich repräsentiert? Die bloße Anzahl der Parteidrohnen im "Herzen der Demokratie",spielt da wirklich keine Rolle.

      • @Rudolf Fissner:

        Quantität und Qualität sind leider meistens zwei verschiedene Dinge.



        Bspw.hat Windows nicht das Quasi-Monopol im Desktopbereich,weil es ein so hervorragendes Betriebssystem ist. Da gibt es bessere- ich sage nur "L-Wort"! ;-) Das beruht eher auf der einstigen "Koalition" mit IBM,so wie einer "glücklichen"Geschäftspolitik und einer guten Rechtsabteilung.



        Wenn man keine Mehrheiten für seine Gesetzesvorlagen zustande bekommt,dann bedeutet das in erster Linie das man nicht die richtigen Beziehungen hat.

    • @Ingo Bernable:

      JA! Gegen die Reform der Parteirechts ist die Reform des Wahlrechts eher kosmetisch.

      Ein gutes Wahlrecht mit schlechtem Personal macht zwangsläufig schlechte Politik. Ein schlechtes Wahlrecht mit gutem Personal macht in der Regel immer noch hinreichend gute Politik.

      "Nur Idioten im Parlament. Aber Hauptsache, die Desiderata eines seit 200 Jahren verwesten Philosophietheoretikers wurden erfüllt."

  • Man könnte auch die Zweitstimme abschaffen, also die „Partei-Mauschelei“



    Hätte den Vorteil, daß Abgeordnete mehr den lokalen Wählern und weniger der zentralen Partei Hierache verpflichtet wären.



    Stabilere Mehrheiten gäbe es dann auch im Bundestag.

  • Wie entlarvend ... Abschaffung der Listen, alles andere verstärkt die Verwässerung der repräsentative Funktion des Parlamentes!!!

  • Der Autor unterschätzt massiv die Bedeutung der Wahlkreise für die Legitimation des Parlamentes. Man kann die Anzahl aber halbieren (Größe verdoppeln), was die Zahl von Überhang- und Ausgleichsmandaten deutlich veringern würde.

    • @Zahnow Gregor:

      Vermutlich nicht, weil größere Wahlkreise ja die stärksten Parteien nochmal bevorzugen.

  • Mir wäre es lieber, wenn die Wahlkreisabgeordneten gestärkt würden durch Abschaffung aller Überhang- und Ausgleichsmandate. Die Hälfte der Abgeordneten wirklich frei in ihrer Gewissensentscheidung und stärker abhängig vom Wohlwollen der Wähler ihres Wahlkreises wie vom Wohlwollen eines bürokratisierten Parteiapparats wäre ein Gewinn für die Demokratie.

  • 3G
    32533 (Profil gelöscht)

    Zustimmung zu dieser Idee.

    Säßen in diesem Parlament kluge Köpfe des Landes, sähe mein Votum vielleicht anders aus. In Anbetracht der tatsächlich Besetzung kann jeder Abgeordnete weniger gut tun.

    Im Grunde genommen ist für mich das Parteiensystem mit Lobbyisten überholt. Hier könnte viel eingespart und wirklich nützlichen Dingen zugeführt wurden.

    Letztlich könnte man den ganzen Laden dicht machen und durch Zeitgemäße Formen der TEILHABE ersetzen.

    Wer will, findet Wege, wer nicht will Gründe.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    " Inzwischen können Bewerber mit 23 Prozent direkt einen Wahlkreis gewinnen" das Problem ließe sich lösen wer in der ersten Runde nicht 50%+ kriegt muss in die zweite Runde.

    "Natürlich braucht ein Parlament unabhängige Köpfe " Ganz genau, Leute die im Volk beliebt sind sind es in den Parteien oft nicht. Das Problem ist dann, das die Loyalität der Parlamentarier in erster Linie den einflussreichen Leute in der Partei gilt.



    Damit so ein System besser würde, bräuchten wir eine offene Möglichkeit für die Parteienlisten zu kandieren und von den Mitgliedern gewählt zu werden. Genauso Spitzenkandidaten, dafür müssten die Parteien als Apparate massiv geschwächt werden, andernfalls läuft das auf eine Herrschaft von Parteibonzen hinaus. Laschet wäre niemals Kanzlerkandidat geworden hätte er sich dem Votum der Unionsmitglieder stellen müssen, Baerbock niemals Kandidatin der Grünen. Auf den Listen sitzen teilweise so inkompetente Leute die halt gute Kontakte aber weder Ahnung noch Anstand haben. Mir sind die Direktkandidaten viel lieber.