Antrag auf ein Parteiverbot: Merz ist kein Opfer der AfD
Unions-Kanzlerkandidat Merz übernimmt ein zentrales Narrativ der AfD und will nun Abschiebungen vorantreiben. Er tut es aus freien Stücken.
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G eradezu lehrbuchhaft wird in dieser Woche vorgeführt, wie begrenzt der Nutzen eines AfD-Verbots wäre: Die Gefahr für Rechtsstaat und Humanität geht nicht nur von der AfD aus, sondern sie kommt aus der Mitte der Politik, angeführt vom Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.
Über den Antrag auf ein AfD-Verbot, den 124 Abgeordnete unterzeichnet haben, wird im Bundestag an diesem Donnerstag erst am späten Nachmittag in der Randzeit diskutiert. Das ist nicht unangemessen, denn der Antrag hat keine Chance auf eine Mehrheit, bei Weitem nicht.
Es wäre auch aberwitzig, eine so große Oppositionspartei verbieten zu wollen, solange sie sich nicht offen gegen Rechtsstaat, Demokratie und Menschenwürde stellt. Weite Teile der Bevölkerung würden das als Schwäche der Demokratie und als Abgleiten in autoritäres Denken verstehen. Ein Verbotsantrag wäre derzeit schlichtweg kontraproduktiv.
Zu Recht fand dagegen die Auseinandersetzung mit Friedrich Merz an diesem Mittwoch zur politischen Prime Time statt. Indem Merz das zentrale Narrativ der AfD übernahm, dass Migration zu Verbrechen führt, und indem Merz EU-Recht, das ihm nicht passt, nicht mehr anwenden will, machte er das völkische und nationalistische Denken der AfD erst richtig hoffähig.
Politiker mit Anstand verhalten sich so nicht
Manche sagen, Merz konnte nicht anders; die AfD habe ihn vor sich her getrieben. Sie konstruieren Merz als Opfer und fordern erst recht ein Verbot der AfD. Doch Merz ist kein Opfer. Es war seine eigene Entscheidung, nach den Morden von Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg die Beschränkung von Migration zum zentralen Gegenmittel zu erklären, inklusive Zurückweisung aller Asylsuchenden.
Politiker mit Anstand, die rechtsextremistisches Denken bekämpfen wollen, verhalten sich so nicht. Die meisten Flüchtlinge und Migrant:innen sind friedliche Leute. Auch abscheuliche Verbrechen Einzelner dürfen nie dazu missbraucht werden, Migration generell als gefährlich darzustellen. Zu Recht aber fordert niemand ein Verbot der CDU/CSU.
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