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Abrechnung mit linker IdentitätspolitikÜberall Opfer

Judith Sevinç Basads Buch „Schäm dich“ ist eine polemische Abrechnung mit der neuen Wokeness – und ihrer Teilung der Welt in Gut und Böse.

Hat als Kind selbst Ausgrenzung erlebt: Autorin Judith Sevinç Basad Foto: Björn Engeloch/Westend Verlag

Wer sich heute zu Identitätspolitik und Antirassismus äußert, kann aufs Glatteis geraten. Zumindest dann, wenn die Person nicht auf den ersten Blick als diskriminiert „gelesen“ wird. Wenn sie also keinen offensichtlichen Migrationshintergrund hat, nicht schwarz, zumindest nicht reinweiß und/oder eine Transperson ist.

Dann hören jene „Nichtbetroffenen“ von den migrantisch geprägten und rassismuserfahrenen Ak­ti­vis­t:in­nen nicht selten Sätze wie „Dazu darfst du nicht sprechen“ oder „Du hast keine Ahnung, weil du weiß bist“. Das führt mitunter zu fragwürdigen Rollenverständnissen, Zuschreibungen und Selbstwahrnehmungen.

Das alles schaut nach einer großen Abrechnung mit einer linksliberalen Identitätspolitik aus

So weigert sich die österreichisch-bosnische und diskriminierungserfahrene Autorin Melisa Erkurt, sich als Person of Color zu bezeichnen. Sie sei zwar muslimisch und migrantisch, habe aber eine weiße Haut, schrieb sie kürzlich in der taz. Und da ist Ijoma Mangold, Literaturkritiker der Zeit mit nigerianischem Vater, der äußerlich so sehr Person of Color ist, dass sich An­ti­ras­sis­mus­ak­ti­vis­t:in­nen immer wieder wundern, wenn Mangold sich selbst als einen Richard Wagner liebenden „Gesinnungspreußen“ bezeichnet.

Und da ist Judith Sevinç Basad. Germanistin, Philosophin und Autorin des gerade erschienenen Buchs „Schäm dich!“ Sevinç Basad ist weiß und dunkelblond, aber sie hat einen türkischen Migrationshintergrund und als Kind Ausgrenzung erfahren. Darf sie nun sprechen oder nicht?

Sie wehrt sich gegen Sprechverbote

Sie tut es einfach. Ihr Buch, das den Untertitel „Wie Ideologinnen und Ideologen bestimmen, was gut und böse ist“ trägt, ist eine wütende und polemische Abrechnung mit den sogenannten Woken, den „Aufgewachten“, mit jenen Menschen also, die sich antirassistisch und queerfeministisch engagieren und vorgeben, so Basad, was gerecht und ungerecht sei. Oder um es mal in dem Tenor des Buches zu formulieren: die es damit übertreiben.

Basads Stoßrichtung kommt nicht von ungefähr. Als Mitbegründerin der Initiative Liberaler Feminismus, der Frauen als leistungswillige und fähige Individuen definiert, hält sie nicht viel von einem Opferstatus, ob als Frau oder als Migrantin. Sie wehrt sich gegen Sprechverbote und -vorgaben und will sich nicht von den „Social-Justice-Warriors“ (den Gerechtigkeitskämpfer:innen) zurechtweisen lassen.

Die Autorin spannt den Bogen von Denkverboten über Unschärfen im Diskurs (vor allem der „weiße Mann“ und „die Strukturen“ seien für das Leid von Mi­gran­t:in­nen verantwortlich) bis hin zu einer zum Teil vereinfachten Täter-Opfer-Relation, die die Welt in Gut und Böse einteilt. Sie verwendet Begriffe wie Totalitarismus, wenn etwa ein „woker“ Autor fordert, „den Privilegierten“ sollten die Jobs weggenommen werden. Sie kritisiert, dass aus Einzelpersonen Gesamtschicksale werden und Individualität dadurch abhanden komme.

Das alles klingt nach einer großen Abrechnung mit einer linksliberalen Identitätspolitik, die eher spalten als integrieren will. Und das ist es auch. Damit ist Basad immer weniger allein. In jüngster Zeit mehren sich identitätspolitisch kritische Texte von Au­to­r:in­nen wie jüngst etwa der Französin Caroline Fourest, des Zeit-Chefredakteurs Giovanni di Lorenzo und der FAZ-Redakteurin Anna Prizkau. Sie geißeln Identitätspolitik als – zugespitzt formuliert – zwar gut gemeintes, aber eben doch Gebrüll, das mehr spaltet als zusammenführt.

Basad nimmt die „Woken“ heftig auseinander: die amerikanische Soziologin, Aktivistin und Buchautorin Robin DiAngelo, die deutsche Antirassismustrainerin Tupoka Ogette, die gerade mit Morddrohungen überzogene Comedy-Autorin Jasmina Kuhnke, die deutsche Buchautorin und Podcasterin Alice Hasters. Auch mit der taz und ihren aktivistischen Au­to­r:in­nen wie Hengameh Yaghoobifarah, Sibel Schick, Mohamed Amjahid geht Basad ins Gericht.

Am kritischsten setzt sich Basad mit Amjahid auseinander und weist ihm nicht nur eine ausgrenzende Aggressivität nach, sondern falsche Aussagen. Dessen Rede „Wie Schwarze und PoC deutschen Journalismus retten können“ auf der Digitalkonferenz re:­pu­bli­ca im Oktober 2020, deren Aussagen später in der taz erschienen sind, ist in Basads Augen so hanebüchen, dass sie das nur noch mit „unfassbar“ kommentieren kann.

Kein Hineindenken möglich?

Amjahid zufolge sind in den deutschen Medien „rein homogene, weiß cismännliche und heteronormative Führungsfiguren“ für „die Medienkrise“ verantwortlich. Denn ein „weißer Ressortleiter aus einem gutbürgerlichen Haus“ könne sich nicht in „gewisse Lebensrealitäten“ beispielsweise eines Arbeiterkindes oder eines PoC hineindenken. Was zu „langweiligem Content“ und zu einem schlechten Produkt führe.

Das Buch

Judith Sevinç Basad: „Schäm dich! Wie Ideolo­ginnen und Ideologen die Welt in Gut und Böse einteilen“. Westend Verlag, Frankfurt am Main, 18 Euro

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass deutsche Medienhäuser vor allem mit Weißen besetzt sind und kaum proaktiv gegen Rassismus vorgehen. Aber das ändert sich gerade grundlegend. „Alte weiße Kommentatoren wie Heribert Prantl oder Patrick Bahners werden nicht müde, in ihren Texten die eigene Männlichkeit und das eigene Weißsein in Frage zu stellen“, schreibt Basad. Zudem würden in deren Blättern die Bücher von Ogette und Hasters „als Bestseller gefeiert“.

Natürlich darf und sollte man kritikwürdige Zustände weiterhin hart anprangern. Aber haben die einschlägigen Autoren und Autorinnen sich „die Medien“ eigentlich einmal etwas genauer angesehen? Ob taz, Zeit, der Deutschlandfunk, die Süddeutsche Zeitung oder Spiegel Online – sie alle befassen sich regelmäßig und ausführlich mit Antirassismusthemen. Was richtig und wichtig ist. Die lange Marginalisierten und Ausgegrenzten müssen zu Wort kommen, „die Weißen“ sollten ihnen genau zuhören.

Ständiges Aushandeln

Deutschland ist längst ein Ein­wan­de­r:in­nen­land – mit Erfolgs- und Misserfolgsgeschichten migrantischer Menschen. Die Debatte über Identitätspolitik ist mehr als ein Kulturkampf, nämlich ein ständiges Aushandeln von Macht und Hinterfragen von Privilegien aller Beteiligter. Das Ziel sollte nicht nur der Abbau von Diskriminierungen sein, sondern auch ein fruchtbares Nebeneinander verschiedener Kulturen.

Auf nicht mehr oder weniger versucht Basad hinzuweisen. Ihr Buch ist nicht in jedem Fall tiefgründig oder erschließt neue Denkräume. Aber es dürfte nicht das letzte Werk zu diesem Komplex bleiben.

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106 Kommentare

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  • Oje. Was die Zunahme von Antisemitismus im Aktivistenmilieu anbertifft - bei dem Thema bin ich empfindlich, vielleicht auch überempfindlich - habe ich auch ziemlich Grausiges erlebt. Aber auch sonst bekommen Debatten und Diskurse eine Schärfe, die ich beängstigend finde und die eher mit Bilderstürmerei als mit gesellschaftlicher Solidarität zu tun haben.

    • @Henriette Bimmelbahn:

      Sollte an: Anja Böttcher, Dienstag, 10:44

  • Krass wie nun die Distanzierungen zur Identitätspolitik reinschneien wie Austrittserklärungen im Bistum Köln

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      Weil inzwischen fast alle Opfer sind, werden immer mehr Täter benötigt. Das endet in Hexenverfolgung und das wird den Leuten langsam bewusst.

  • Bezeichnungen wie POC führen den Rassismus durch die Hintertür wieder ein und reduzieren soziale Ungleichheit auf Hautfarbe.

  • Mit der zusammengesetzten Begrifflichkeit „linke Identitätspolitik“ habe ich schon ideologisch-definitorisch meine größten Schwierigkeiten. Vermutlich schon beginnend damit, dass damit soziologische und politische Begrifflichkeiten und Themen etwas „wild“ vermischt werden.



    Beispiel: 1. es ist doch eine gesellschaftspolitische Aufgabe Rassismus in all seinen Ausgestaltungen zu be-kämpfen, und nicht die Aufgabe einer politischen Strömung; egal ob links oder rechts. Oder 2. Im Ergebnis wollen wir doch soziale Gerechtigkeit für ALLE, und nicht (nur) für die von der jeweiligen politischen Strö-mung (gemeint) Vertretenen.



    Natürlich sind damit jeweils auch Überlappungen der Soziologie zur Politik verbunden. Dennoch verorte ich die Begrifflichkeit „linke Identitätspolitik“ mehr im ideologischen-, als im realpolitischen Sektor.



    Und deshalb sollten politisch linksgerichtete Kräfte SEHR vorsichtig sein sich unter dieser Begrifflichkeit ver-einnahmen zu lassen, welche doch hinsichtlich ihres ja auch AUSGRENZENDEN Teils und ideologischen Ansatzes deutlich mehr den RECHTEN zuzuordnen ist.

    😉

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @tazeline:

      Es gibt doch auch rechte Identitätspolitiken. Bei denen geht es um Nationalismus, Heimatliebe, Normalität, Leitkultur, Männlichkeit bis hin zu expliziter Weißheit oder Ariertum.

    • @tazeline:

      Was meinen Sie mit "Wir"?



      Ich denke im Privaten wird es immer Bevorzugung von jeweils ähnlichen Menschen geben. Das ist einfach "menschlich" und zum Teil evolutionär, zum Teil psychologisch bedingt.



      Im Handeln des Staates und in Gesetzen darf es eine solche Ungleichheit aber nicht geben.

      Ich finde, gerade Linke tun sich oft schwer, die beiden Bereiche nicht zu vermengen ("Das Private ist politisch"...).



      Das kann dann totalitär werden, da nicht mehr menschengemäß im Sinne eines vollständigenen Menschenbildes.

  • Jahrzehnte und Jahrhunderte haben fortschrittliche Kräfte daran gearbeitet, die Hautfarbe eines Menschen bedeutungslos zu machen. Nicht ohne Erfolg, wie wir alle wissen. 2021 ist nicht 1945 ist nicht 1935.

    ‘Farbenblindheit’ war das Ziel M. . Kings. (‘Farbenblindheit’ heißt nicht, ‘Farben’ nicht ‘zu sehen’, sondern der Hautfarbe bei der Bewertung eines Menschen, bei unseren Handlungen keine Bedeutung zuzumessen.)

    Im Unterschied zur sinnvollen und moderaten Identitätspolitik eines M.L. Kings – die das ‘wir’ temporär verstand - handelt es sich bei der aktuellen Identitätspolitik 2.0 - die das ‘wir’ in ehernen Identitäten fixiert - um eine Identitätspolitik ‘on steroids’, deren Theorie(n) von maßlosen Übertreibungen, Verzerrungen und simplistischem Schwarz-Weiß-Denken gekennzeichnet sind, und deren Praxis illiberal und autoritär ist sowie deutliche revanchistische Züge hat.

    Diese Identitätspolitik lädt die Hautfarbe eines Menschen wieder mit sozialer Bedeutung auf. Sie ist im wörtlichen Sinne ‘reaktionär’.

    Und sie ist reaktionär, indem sie einen Tribalismus befördert, den die westlichen Gesellschaften glücklicherweise weitgehend überwunden haben, eine Tribalismus, der immer noch in weiten Teilen der Welt eine Spur der Verwüstung hinterläßt: Gesellschaften in Bürgerkriege - zwischen Stämmen, Clans, Warlords – hineinzieht.

    Wir sind alle immer in Gefahr des Rückfalls in den Tribalismus. Er ist uns sehr nahe. Er ist unser jahrhunderttausende altes Erbe. Erst die modernen Gesellschaften haben versucht, das aufzubrechen und den tribalistischen Bürgerkriegen, die Europa über Jahrhunderte Schrecken und Elend, Mord und Totschlag und Verwüstung bebracht haben, (weitgehend) ein Ende bereitet.

    Eine Gesellschaft zu retribalisieren: sie zu kategorisieren nach Hautfarbe und Ethnie etc. ist ein Spiel mit dem Feuer. In Deutschland hatten wir das zuletzt im Nationalsozialismus (1933-1945). - Die Folgen sind bekannt.

    • @Weber:

      Sehr gut beschrieben. Anders ausgedrückt: Identitätspolitik lebt von dem Unterschied den zu überwinden sie vorgibt.

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @Galgenstein:

        "Farbenblindheit" lebt von der gesellschaftlichen Ignoranz den Unterschieden gegenüber, die sie überwunden zu haben vorgibt.

  • Über die Hälfte meiner Familie kommt aus Südamerika. Alle Phänotypen sind vertreten und das ist auch gut so. Die meisten haben in Deutschland ( zumindest im Westen ) wenig bis keine Erfahrung mit Diskriminierung gemacht, wenn dann nur im Umgang mit anderen Migranten vom selben aber vor allem von anderen Kulturkreisen. Diese sind nicht PoC aber Indigenous. Woke PoC`s und ihre Combatanten beanspruchen aber durch lautes Geschrei, durch Aus- und Abgrenzung in der Hierarchie der Diskriminierten die obersten Plätze. Aus dieser entstandenen Opferkonkurrenz hat sich ein Run um die besten Plätze an den Fördertöpfen, Bestseller-Listen und Einladungen zu Talkshows entwickelt. Wenn ich die einfachen, hart arbeitenden Menschen aus meiner Nachbarschaft mit vielfältigem Migrations-Background und Hautfarbe nach Diskriminierung frage, dann haben die auf jeden Fall noch nie etwas von dieser woken PoC - Comunity gehört und können schon gar nichts mit diesem akademischen Geschwätz aus dem Elfenbeinturm vollgestopft mit Anglizismen und soziologischen Begriffenen etwas anfangen. Wo sie aber auf jeden Fall Erfahrung mit Benachteiligung und Diskriminierung gemacht haben, ist durch ihre geringen Einkünfte und daraus bescheidenen bis schlechten Lebensverhältnisse.



    Deshalb gilt ein wichtiger Satz.



    It is the class that count`s, not the idendity stupid.

  • Was, liebe Simone Schmollack, ist daran "fragwuerdige... Selbstwahrnemung", wenn Melisa Erkurt sich nicht als Person of Color (so der Singular von People of Color) sieht? Und warum solle Ijoma Mangold, nur weil er schwarz ist, kein Wagner-Fan sein? Zugegeben, was ein "Gesinnungspreusse" im 21. Jahrhundert sein soll, erschliesst sich mir auch nicht so einfach - ob sich nun ein Schwarzer oder ein Weisser so bezeichnet...

    • @Volker Scheunert:

      Jede Wette: Würde man zum Parteitag der NPD gehen und die Anwesenden fragen, wie sie es finden, dass eine Schwarze Wagner-Fan ist, würden die meisten der Neo-Nazis dort das auch fragwürdig finden und sich daran stören.

      • @Sylkoia Sal:

        "Jede Wette: Würde man zum Parteitag der NPD gehen und die Anwesenden fragen, wie sie es finden, dass eine Schwarze Wagner-Fan ist, würden die meisten der Neo-Nazis dort das auch fragwürdig finden und sich daran stören."

        Da wäre ich mir nicht mal sicher. Es gab auch einige schwarze Pegidaanhänger und Xavier Naidoo hat auch teils sehr fragwürdige Kumpel. Ich glaube, daß das für die Neonazis viel weniger Bedeutung hat als man glaubt.

      • @Sylkoia Sal:

        Sie wollen mir doch nicht erzaehlen, dass das NPD-Volk Wagner überhaupt kennt und eifersüchtig wird, wenn ein Schwarzer ihn mag?!

      • 9G
        97287 (Profil gelöscht)
        @Sylkoia Sal:

        Ist nicht mal eine Schwarze, großartige Sängerin, in Bayreuth aufgetreten und hat Winnie Wagner zu Begeisterungsstürmen hingerissen?



        Grace Bumbry in den 60ern.



        Die Wette würden Sie verlieren, da der Säulenheilige der NPD in Bayreuth seine größten Erfolge feierte.

  • Rassissmus ist es Menschen nach Äusserlichkeiten zu beurteilen.



    Wo ist der Unterschied zuwischen Person of Coulor (was für ein Schwachsinn, jedr Mensch hat eine Farbe)oder jemanden als Farbig zu bezeichnen.

    "erst wenn die Farbe der Haut genau so wichtig ist, wie die Farbe der Augen, wird Frieden herrschen"

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Münchner:

      Setzen Sie sich mal in eine Nazikneipe, dann merken Sie es schnell, wenn Sie Person of Color sind.

    • @Münchner:

      Tja, wenn Sie die Theoretiker_innen dazu nehmen, liegen da Welten zwischen.

  • Ich bin weiß (ziemlich - Sonnenbrandprobleme), männlich, cis usw. (ein paar Diskriminierungspunkte könnte ich anführen, was ich aber tunlichst nicht tun werde): Ich werde mich trotzdem politisch äußern, und zwar zu allen Themen, die ich für mich relevant halte und so, wie ich es für mich für richtig halte. Job oder Freunde verlieren wäre sehr Schade, aber kein Grund davon abzuweichen. Eingesperrt werden oder Gewalt allerdings schon, aber das liegt ja zum Glück nicht an.

    Klar sind PoC in D diskriminiert, Kanzler, Minister, Taz-Chefs, alles weiß und biodeutsch. Aber die entwicklungen sind neu - was erwartet man. Wenn wir in Zukunft PoC und muslimische Minister, Kanzler, Chefs haben, sind die ja auch knallhart diskriminierend, weil hier auch 50 Mio Chinesen leben könnten, denen mit allen möglichen Regeln und nicht gewährter Unterstzützung die Einreise, Wahlrecht und Repräsentanz bis jetzt nicht zuteil wurden. Über Diskriminierung kann und muss man immer reden. Aber im Moment sind viele Diskriminerungsdebatten in D einfach eine neue Runde, das durchsetzungstarke Pressuregroups ihre Interessen gegen den Rest durchhämmern. Das ist zumindest meine Wahrnehmung.

  • Ich finde es gut, wenn sich alle aneinander anpassen.



    Dann gibt es keine Anpassung mehr.

  • "Spalten" bedeutet hier, dass eine Person, die einer Minderheit angehört, fordert, korrekt behandelt zu werden. Ist ja mittlerweile schick, sich tapfer dem Strohmann der "übertriebenen" Identitätspolitik entgegenzustellen und in der TAZ und auch der Jungen Welt salonfähig.

    Die Rechten reiben sich die Hände.

    • @JoSte:

      Das Gute ist, dass wenn man es weit genug herunterbricht, jeder eine Minderheit ist.

    • @JoSte:

      Die Rechte reibt sich vor allem darüber die Hände, dass das was sie in die Welt gesetzt hat, geradezu gierig von anderen übernommen wird. Die Identitäre Bewegung kam von rechts aussen und wird nun begeistert im linken Lager kopiert. Die Unterscheidungsmerkmale die eingesetzt werden sind anders, die Methode dieselbe.

      • @Galgenstein:

        Unglaublich - ein Post von ihnen, dem ich mal zusstimmen kann.

        Aber da ich die Entwicklung dieses neuen Essentiazialismus von ihrem Anfang, seit dem linguistic turn der französischen Poststrukturalisten, die den durch Sartre und Camus geprägten Existenzialismus ablösten, seit den späten 1980ern mitbekommen habe, fürchte ich, dass die Entstehung dieses Denkens bei der dadurch nicht mehr Linken (Foucault, Derridas, Barthes, Lacan) und bei der Rechten (Alain de Benois) ziemlich gleichzeitig stattfanden.

        Theoretisch berufen sich beide Seiten auf NIetzsche, Heidegger - und methodisch lugt überall Carl Schmitt um die Ecke - neben der gemeinsamen intensiven Rezeption Antonio Gramscis.

        Im Ergebnis - vor allem der noch durch Judith Butler verflachten Version dieses Denkens - herrscht tatsächlich eine erschreckende Analogie zwischen dem sogenannten Intersektionalismus der Butler-Fans und dem Konzept des Ethnopluralismus bei den identitären Rechten.

        Beide Seiten lehnen das universalistische Denken und den Subjektbegriff des Emanzipationsideals von Liberalismus und klassischen Linken komplett ab. Es gibt nur noch ein Freund-Feind-Denken à la Schmitt - und der Wunsch auf Zerstörung der anderen Seite.

        Eine erschreckende Parallele zum ideologischen Gebräu im Zwischenkriegsitalien kurz bevor Mussolinis Aufstieg. 30er Jahre re-visited.

    • @JoSte:

      Leider eine falsche Analyse...

    • @JoSte:

      Klar, die freuen sich über den gemeinsamen Nenner gruppenbezogener Merkmale. Als Teil der Mehrheitsgesellschaft pfeiffen die zwar eher auf Minderheiten oder widmen sich ihnen auf Faschistenart, aber über ein Framing, dass ihnen soviele "Mitglieder" beschert, wird natürlich nicht geklagt. Deshalb kommt die valide Kritik am Wokismus auch stark von links, von rechts hört man den Beifall für die Grundidee.

    • @JoSte:

      Die Identitätspolitik ist rechts. Linke verändern Strukruren zur Erlangung von Emanzipation für alle Menschen aufgrund universaler Kriterien.

      Tribalismus und Esssentialismus dagegen gehörten schon immer zum Arsenal der völkischen Rechten. Das erkennt schon daran, dass die Päpste der aktuellen Identitätspolitik dengleichen Vordenkern, nämlich Heidegger und Carl Schmitt folgen, wie die völkischen Ideologen der 1930er Jahre.

      Der neoliberale Kahlschlag der 1990er hat ziemlich gründliche Arbeit geleistet: Das studentische Milieu der Milleniums hat seitdem lechts und rinks vorrständig velwechsert.

      • @Anja Böttcher:

        Aus Ihnen werde ich nicht so recht schlau. So sehr ich mit Ihnen einer Auffassung bin, dass Identitätspolitik ein Erbe aus der rechten Ecke, so sehr wundere ich mich dann doch wieder, dass Sie andere Inhalte der Identitären Bewegung durchaus verteidigen, namentlich deren Ethnopluralismus, der uns erklärt, dass Menschenrechte und deren Verteidigung ein Bevormundung anderer Kulturen darstelle.

        • @Galgenstein:

          Wie kommen Sie auf den Unfug, ich hätte mich je auf den "Ethnopluralismus" der identitären Rechten bezogen? Ich habe schon mit anderen zu Studentenzeiten in den 1980ern studentische Veranstaltungen gegen die sich an Alain de Benois und dem Front National orientierenden Wiederbelebungsversuchen der Rechten (damals die Republikaner) an deutschen Hochschulen gemacht.

          Aus den gleichen Gründen, nämlich einer gründlichen Kenntnis der deutschen Geschichte, kann man mir nicht einen erneuten Versuch eines Expansionismus nach Osten - nach dergleichen Begehrlichkeiten seitens der Alldeutschen ab 1915, Ludendorffs "Ober Ost", vor allem aber einen deutschen Vernichtungskrieg zur Gewinnung von "Lebensraum im Osten" - mit universalistischer Rhetorik verkaufen, wo die, die das vorangetrieben haben (da spielten die Deutschen freilich nur Co-Piloten) ihre geopolitischen Begehrlichketien in eindeutigen strategischen Schriften (u.a. von Z. Brzezinski) ja nicht ansatzweise verborgen haben.

          Wer da eine deutsche Beteiligung nicht als eine hausbackene Schweinerei erkennt. dem geht offenbar historische Bildung ab. Googeln Sie mal "Paul Rohrbach- Freie Ukraine - da sieht man Parallelen von 1915 u. 2014.

      • @Anja Böttcher:

        Ich kann Ihnen nur zustimmen, liebe Frau Böttcher!



        Ergänzend möchte ich noch anmerken, dass Verwirrung und Desorientierung bereits so groß sind, dass so mancher ZeitgenossIn sich dazu versteigt "Links" dort zu verorten, wo halt nicht "Rechts" ist. Eine komplett inhaltsleere Versimplifizierung, die dadurch zustande kommt dass orientierende Werte und Inhalte verlustig gegangen sind.



        Das führt dann immer wieder mal auch dazu dass man perverserweise Orientierung ausgerechnet bei den Rechten sucht um "Links" zu verorten. Beispiel: Eine/r Linke/r erhält für irgendewas auch mal Applaus von Rechts - und wird dann todsicher von der eigenen Seite angegriffen, (weil angeblich "Rechts") - ohne sich mit Inhalt und Sache überhaupt zu beschäftigen.



        Hier lassen sich immer wieder Linke von den Rechten am Nasenring durch die Manege führen. Ein manipulatives Spiel, das gerade die AfD hervorragend beherrscht und mit Absicht, Häme und Schadenfreude seit Jahren betreibt. Es fallen ja auch immer wieder genug NaivlingInnen darauf herein.



        "Links" bemißt sich halt nicht daran dass an der linken Hand der Daumen rechts sitzt, sondern an Werten deren Wurzeln in der Aufklärung, im Humanismus und sozialer Verantwortung begründet liegen. Das ist mithin also auch ein Bildungsproblem.

  • Identitätspolitik' erfährt mittlerweile umfassende Kritik:

    - aus einer konservativen Position von dem (schwulen) Autor Douglas Murray oder vom (schwarzen) Wissenschaftler Glenn Loury sowie vom (schwarzen) Intellektuellen Coleman Hughes.

    - aus einer liberalen Position vom (schwarzen) Linguisten John McWhorter, oder von einem der besten Kenner der Materie: James Lindsay sowie vom Philosophen Peter Boghossian

    - aus einer sozialdemokratischen Position von Helen Pluckrose, aus einer eher traditionel linken Position von Bernd Stegemann, oder aus einer feministischen Position von Caroline Fourest.

    In den angelsächsischen Ländern ist die Kritik an dieser 'Obsession mit Identität' weit fortgeschritten. Dort wird die identitäre Bewegung auch ‘authoritarian left’ oder ‘regressive left’ genannt.

    Zu viele VERKENNEN den Charakter dieser – neuimportierten – Ideologie. Ihre Propagandamethode beruht darauf, die Herzen zu öffnen mit Forderungen, denen wir nur zustimmen können, wie 'Anti-Rassismus' oder 'Anti-Sexismus' - dann äußerst problematische bis abstrusen Theorien sukzessive 'nachzuladen'. - Die westliche Zivilisation wird im Kern abgelehnt.

    Identitätspolitische Theorie(n) und Praxis sind in hohem Maße illiberal, und autoritär bis totalitär (vgl. Hughes’ Kritik an Ibram X. Kendi)

    Der puritanische Reinigungsgeist 'woker’ Akteure, die die soziale Wirklichkeit unermüdlich abscannen, um noch in den feinsten Verästelungen v.a. der Sprache, des Denkens, der Symbole Spurenelemente eines rassistischen, sexistischen etc. - 'sündigen' - Bias aufzuspüren, verweist noch auf die Herkunft des Wokeismus aus 'God's Own Country'.

    John McWhorter u.a. sehen in der woken Bewegung eine Religion.

    Und wie in allen Religionen stehen die Glaubensartikel NICHT zur Diskussion.

    Kritiker können nur (bestenfalls) ignorant bzw. moralisch defizient - ‘böse’- sein. Sie sollen schweigen.

    Das liberale Konzept des ‘Marktplatzes der Ideen’ ist der Ideologie fremd.

    • @Weber:

      Boghossian scheint von "Marktplatz der Ideen" selbst nicht viel zu halten, wenn er fordert, dass ihm nicht genehmen Sozialwissenschaften die finanziellen Mittel entzogen werden sollen und er dafür ausgerechnet Victor Orban als positives Beispiel anführt: twitter.com/i/stat...387956533967966209



      Von Trumpfan Lindsay, der die "Great Reset" Verschwörungstheorie propagiert hat und "Woke Jews" für Antisemitismus verantwortlich macht, fangen wir besser gar nicht an.

    • @Weber:

      danke, Sie haben das extrem gut komprimiert und auf den Kern zurückgeführt, was die Kritik (mE. zu Recht) moniert.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Weber:

      Der "Marktplatz der Ideen" ist Ideologie pur und d i e Identitätspolitik gibt es nicht. Ein identitäres Um-Sich-Selbst-Drehen ist falsch, aber nicht jede Identitätspolitik ist identitär.



      Als Alternativen für "die" Identitätspolitik werden ständig nur andere Identitätspolitiken angeboten: nationale Identität, Klassenidentität, liberalistische Identität.

    • @Weber:

      Lieber Weber, ich kann Sie beruhigen - Was sie hier beschreiben ist hauptsächlich eine Medienkonstruktion, die, abgesehen von Online-Spaces wie Twitter (die eine Problemkategorie für sich sind) wenig mit realer linker - und dieses Adjektiv ist hier essentiell - Identitätspolitik zu tun hat. Die schafft es nämlich, ganz abseits von all dem Geschrei, dass um sie gemacht wird, für das einzustehen, für was sie schon immer einstand: 'Wir zusammen für gleiche Rechte'.

      • @Armos:

        "Die schafft es nämlich, ganz abseits von all dem Geschrei, dass um sie gemacht wird, für das einzustehen, für was sie schon immer einstand: 'Wir zusammen für gleiche Rechte'."

        Die prägnanten negativen Beispiele für Identitätspolitik, die man so kennt, zeigen auf, dass an einem "wir zusammen" oft gar kein Interesse besteht.

        Ihre Aussage kann nur stimmen für Bereiche außerhalb der Identitätspolitik.

      • @Armos:

        Stimmt nicht. In Amerika verlieren sie als Uni-Prof. schnell mal eben ihren Job, wenn sie nicht 1:1 mit der Identitätspolitik der Linken übereinstimmen. Was auch immer Identitätspolitik überhaupt mit links sein zu tun haben soll... Ging’s nicht mal darum, alle gleich zu behandeln? Unabhängig von Merkmalen wie Geschlecht, Hautfarbe usw? Und Meinungsfreiheit ist auch ein hohes Gut... Wie passt das zusammen mit „dazu darfst du nichts sagen“? Oder mit dem Versuch, jede*n dazu zu bringen, seine/ihre SprachEX zu verstümmeln? Und jedem, der das für unnötig, unpraktisch, irrelevant oder einfach melodisch unerträglich hält, direkt rassismus und sexismus vorzuwerfen? Vollkommen unabhängig davon, WAS die Person sagt? Neusprech lässt grüßen, Orwell wäre erstaunt- Big Brother braucht niemand, wenn sich alle gegenseitig kontrollieren.



        Und nur um das klar zu stellen: ich bin für den Schluss des gender pay gap, anonymisierte Bewerbungen (sowohl Geschlecht als auch Herkunft), mehr Steuern für global Players und sehr hohe Einkommen, mehr Geld für die Pflege, Immigration, höheren Mindestlohn, deutlich radikaleren Klimaschutz, effektive Pandemiebekämpfung und eine Abkehr von der Privatisierung der Grundversorgung (Energie, Wasser, Gesundheit, Pharma).



        DAS ist links.

        • @Vincent Braun:

          Zwei Dinge: Erstens wollte ich mit meinem Kommentar zum Ausdruck bringen, dass die mediale Diskussion über Identitätspolitik oft nur wenig mit der Realität linker identitätspolitisch-aktivistischer Kreise, wie ich sie (primär in der queerfeministischen Ecke) aus Innensicht kenne, zu tun hat. Da war nämlich eine Haltung, wie Sie sie am Ende Ihres Kommentars beschreiben, eine Selbstverständlichkeit und Sprechverbote und co. kamen bestenfalls als lästige Nebenschauplätze vor. Wichtiger war da immer die konkrete Arbeit, etwa Aufklärung in Schulen, Hilfe für queere Migranten und auch Protestaktionen gegen die zunehmende Kommerzialisierung von CSDs/Prides.



          Das andere ist, und da bin ich weiter unten in einem anderen Kommentar näher drauf eingegangen, dass man sehr genau zwischen Identitätspolitik um der Identitätspolitik willen und sinnvoller linker Identitätspolitik unterscheiden muss. Erstere rangiert von sinnvoller wissenschaftlicher Analyse bis völliger Blödsinn, letztere ist ein nützliches Set an Werkzeugen, um den Blick auf die Soziale Frage zu schärfen, blinde Flecken aufzuzeigen und Bevölkerungsgruppen zu aktivieren, die sich von reiner Klassenpolitik nicht angesprochen fühlen - eben auch gerade dort, wo ein universalistischer Ansatz, der selbstverständlich das Endziel sein sollte, zu kurz greift.



          Und klar gibt es da genug, gerade auf kommunikativer Ebene, was man berechtigt kritisieren kann, insbesondere in den USA, denn da wird in vielen Fällen tatsächlich Identitätspolitik um der Identitätspolitik willen gemacht, aber das ändert eben nichts an der grundsätzlichen Berechtigung linker identitätspolitischer Positionen.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Das Theater wird von beiden Seiten übertrieben.



    Auf der einen Seite ist ein Essentialismus in der Identitätspolitik zu kritisieren. Ihre Kultur lässt sich Menschen nicht an der Hautfarbe ablesen. Die critical-whiteness-Theorie kritisiert eine Kultur der "Weißheit", als könnten sich nicht auch Menschen mit dunkel- oder hellbrauner Hautfarbe einen beträchtlichen Teil dieser Kultur zulegen und als könnten Menschen mit rosa Hautfarbe nicht auch weitgehend eine andere Kultur haben als eine "weiße". In Deutschland geht es außerdem schon immer mehr um die "Deutsche Rasse", als um die "Weiße Rasse".



    Die Fixierung auf ein einziges Merkmal ist realitätsfern und ob "weiß" als Code für die Unterdrücker schlechthin angebracht ist, lässt sich mit Blick auf die Geschichte auch infragestellen.



    Allerdings lässt sich die Hautfarbe nicht einfach ablegen wie ein Blaumann oder ein Anzug oder ein Name. Sie lässt sich auch nicht einfach wegdiskutieren. Die Deutschen wählten - so wird von den Neuen Rassisten behauptet - schließlich nicht aus Rassismus seit der Wende mehrheitlich Parteien, die ihre Verantwortung für das planvolle Ersaufen Zehntausender am "antimigrantischen Schutzwall" hinter von ihnen selbst entworfenen EU-Verträgen verstecken und die die Menschenrechte an rechtsradikale (formal-demokratische oder autokratische) Regime in und an der EU-Peripherie aussourcen. Es gehe einfach nur im Staatsbürgerschaft.



    Wenn jedes Jahr mit Reden vom "Unrechtsstaat" die deutschen Mauertoten geehrt werden und jedes Jahr mit Reden vom Rechtsstaat abertausende Nicht-Weiße dem Tod im Mittelmeer überlassen werden, habe das mit Rassismus gar nichts zu tun. Wenn jedoch die Ertrinkenden weiße Deutsche wären, würden die "Schlepper" als "Fluchthelfer" für ihren Verdienst an der Freiheit mit Bundesverdienstkreuzen geehrt.



    Rassistische Normalität, völkische Renaissance, neokoloniale Kontinuität. Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich fast nix.



    Derweil wird hierzulande übers Beleidigtsein diskutiert.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Stattdessen sollte man über Putin reden, der mit sei en Bombardierungen in Syrien und der Unterstützung Asads die Flüchtlingswelle wesentlich mit zu verantworten hat. Man sollte darüber debatieren, wieso die extreme Linke da den Mund nicht auf bekommt.

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Fassen Sie sich mal an die eigene Nase.



        Haben Sie denn schon einmal hier eine Kritik an der US-Politik verlauten lassen? Oder an der NATO? Nein. Im Gegenteil. Sie diskreditieren permanent jede Kritik an diesen Mächten als rechts.



        Das ist bei Linken und Russland anders. Linke, die fordern, dass Deutsche die russische Geschichte und die russischen Sichtweisen zu verstehen versuchen sollten, sagen offen, dass Putin ein rechter Autokrat ist, der Oppositionelle unterdrückt und Bomben schmeissen lässt.



        Wann hört man denn Liberale mal sagen, dass USA und NATO-Staaten seit dem Ende des zweiten Weltkriegs einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nach dem anderen führen und in unzähligen Staaten der Welt faschistische Regime an die Macht gebracht haben?



        Zur Erinnerung:



        - Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen Lybien hat die Flüchtlingskatastrophe dort erst ausgelöst, während das Land unter Gadaffi immerhin noch ein Ort war, in dem Migranten aus fast allen afrikanischen Ländern leben und (im informellen Sektor) arbeiten konnten.



        - Die EU hat daraufhin lybische Milizen dafür bezahlt, ihr die Flüchtenden vom Territorium zu halten, was bedeutete, dass diese in Konzentrationslagern eingesperrt wurden.



        - Der IS ist durch das Machtvakuum nach dem Abzug der US-Truppen aus dem Irak an die Macht gekommen, nachdem Obama im Wahlkampf versprochen hatte, dass im Irak nach Angriffskrieg und Besatzung keine US-Soldaten mehr sterben sollten.



        - NATO-Staaten haben in Syrien "moderate" Islamisten mit hochmodernen Waffen ausgerüstet, die nach Auflösung der FSA teils zum IS, teils zu islamofaschistischen Milizen gegangen sind, die für den NATO-Staat Türkei unter Erdogan in Nordsyrien ethnische "Säuberung" betreiben. Der SPD-Außenminister hat die völkerrechtswidrige Okkupation ein "legitimes Sicherheitsinteresse" genannt.



        - Derselbe Erdogan hat den IS unterstützt, führt seine Kriege mit deutschen Waffen und hat einen Flüchtlingsdeal mit der EU.



        Wer ist denn hier der Tyrannenfreund?

  • Tribalismus vs. Universalismus

    Nichts macht den Bruch der aktuellen Identitätspolitik mit universellen Gleichheitsprinzipien deutlicher als das Schicksal der Forderung nach 'Farbenblindheit': Menschen nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter zu beurteilen.

    Zur Zeit M. L. Kings galt sie als 'radikal', in den 80er Jahren als 'liberal' - heute gilt sie den Anhänger der (woken) Identitätspolitik als 'rassistisch'.

    Insofern steht die heutige Identitätspolitik NICHT in der Tradition der frühen Bürgerrechtsbewegungen der Schwarzen, der Frauen, der Schwulen.

    Auch diese Bewegungen betrieben eine Form von Identitätspolitik, aber im Gestus: 'Wir zusammen für gleiche Rechte'.

    Die Perspektive war 'Farbenblindheit'. Das Programm war, den Kategorien der Hautfarbe (des Geschlechts) soziale Bedeutung zu entziehen.

    Alle Menschen, gleich welcher Hautfarbe, gleich welchen Geschlechts, gleich welcher sexuellen Orientierung sollten nicht (in erster Linie) als 'Weiße', 'Frauen', 'Lesben' gelten - sondern als Menschen.

    Mit ihrem versöhnenden Gestus hatte diese (eher liberale) Identitätspolitik die Herzen der Mehrheit der Bevölkerung gewinnen können. Sie hat Spaltungen reduziert.

    Der Gestus der heutigen Identitätspolitik scheint eher: 'Wir zusammen gegen die anderen.' Statt der ausgestreckten Hand der Versöhnung die gereckte Faust der Revanche.

    Während in der früheren Identitätspolitik das 'Wir-Zusammen' nur als taktisches, temporäres Konstrukt in der Perspektive seiner Überwindung (Farbenblindheit) gedacht wurde, pflanzt die woke Identitätspolitik (Opfer-)'Identität' als zentrale Kategorie in die Seele der Menschen ein.

    Sie lädt die Kategorien der Hautfarbe, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung wieder mit sozialer Bedeutung auf.

    Das ist ein gefährliches Spiel.

    • @Weber:

      "Sie lädt die Kategorien der Hautfarbe, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung wieder mit sozialer Bedeutung auf."



      Das Problem dabei ist, dass sie diese Bedeutung ja nie verloren haben. Dass die Prävalenz vielfältiger alltäglicher wie sturktureller Diskriminierungen von BIPoC in den USA seit den Zeiten MLKs nur unwesentlich abgenommen haben ist ja nun durch etliche Studien und Statistiken belegt. Wenn man nun aber die Betrachtung entlang dieser Kategorie als Identitätspolitik zugunsten des Universalismus verwirft, lassen sich diese Diskriminierungen nur noch als Zu- und Einzelfälle betrachten, die Systematik der Ungleichheit weder benennen, noch bekämpfen. Auf diesem Weg wird aus dem Ideal des Universalismus, schlicht ein Herrschaftsinstrument das die Kritik der realen Verhältnisse unmöglich macht.

      • @Ingo Bernable:

        "Dass die Prävalenz vielfältiger alltäglicher wie sturktureller Diskriminierungen von BIPoC in den USA seit den Zeiten MLKs nur unwesentlich abgenommen haben ist ja nun durch etliche Studien und Statistiken belegt."

        Really?

        • @Weber:

          War auch erstaunt darüber, dass das von jemandem so gerade und ohne Zweifel behauptet wird. Keine wesentlichen Veränderungen seit der Segregation. Ich meine, wo besteht da schon der Unterschied? Das wird auch so auf sich selbst übertragen, man stilisiert sich regelrecht.

          • @Hampelstielz:

            Ich muss ihnen insoweit Recht geben, als dass diese Formulierung ist in der Tat nicht ganz glücklich geraten ist. Um einen Versuch der Präzisierung zu unternehmen: Natürlich hat sich zwischen den Zeiten des "Separate but Equal" und 2021 einiges geändert, was aber noch immer besteht ist eine massive Ungleichheit, etwa bei Inhaftierungsrate, Bildungs- und Aufstiegschancen, etc. Dennoch sollte auffallen, dass schon das Credo der Seggregation ja eine Gleichheit behauptete, sich letztlich sogar über diese legitimierte, die es nicht mal ansatzweise gab. Ähnlich gibt es heute formale Gleichheit und Antidiskriminierungsgesetze aber der Blick auf die Statistiken straft dies weiterhin Lügen. Wer in diesem Kontext auf Universalismus und die formale rechtliche Lage rekurriert wird damit deshalb kaum die reale Gleichheit erreichen.



            "Das wird auch so auf sich selbst übertragen, man stilisiert sich regelrecht."



            Bitte verzichten sie auf Unterstellungen und Mutmaßungen das bringt die Debatte nicht weiter.

            • @Ingo Bernable:

              Die Inhaftierungsrate ist ein schlechtes Beispiel, da nicht primär Ausdruck einer rassistischen Justiz sondern der sozioökonomischen Ungleichheit in der Bevölkerung, die durch strukturelle Benschteiligung der schwarzen Bevölkerung zu mehr Kriminalität unter schwarzen führt. Da kommt dann noch dazu, dass die Jurys meist härter gegen Schwarze sind. Das primäre Problem ist allerdings die gesellschaftliche Benachteiligung, da niedriger sozioökonomischer Status (vollkommen unabhängig von der Hautfarbe) zu mehr Kriminalität führt - ein Zusammenhang, den die Republikaner gerne ausblenden.

              • @Vincent Braun:

                Keine rassistische Justiz aber "Jurys sind meist gegen schwarze"?

                nicht nur die Jurys auch die Polizei geht farbige US Bürger härter an. Ich bin mir sicher auch die Richter sind im Strafmaß und der Kaution rassistisch.

                Ja ein Sehr großer Teil kommt aus der Strukturellen Benachteilig und wirtschaftlichen Ungleichheit. Diese wiederum hat Ihren Ursprung in einer Strukturellen Diskriminierung.

                Das schwarze 10x so oft bei Insolvenz das objektiv schlechtere Verfahren bekommen zeigt sehr gut das es auch massiven Strukturellen Rassismus gibt der vollkommen unabhängig ist vom Einkommen oder der sozialen Schicht.

                Ihre Argumente widersprechen Ihrer Aussage.

  • Das größte Problem der Identitätspolitik ist, dass sie individuelle Lebensrealitäten ignoriert und sozialen Fragen oftmals mit einer vereinfachenden Verachtung begegnet, die für eine gerechtere und solidarische Gesellschaft einfach abträglich sind.

    Man wird sozial Abgehängten, Niedriglöhnern oder Hartz4 Empfängern kein Bewußtsein über strukturelle Ungerechtigkeiten vermitteln können, indem man sie aufgrund von Hautfarbe oder Geschlecht mit den oberen 2 Prozent der Gesellschaft in einen Sack steckt und sie grundsätzlich als priviligiert bezeichnet.

    Zudem bedient sie sich oft einer Sprache, die weniger gebildete und sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen offensichtlich gar nicht mehr erreichen will und offene Debatten nicht zulässt.

    Sogesehen ist Identitätspolitik schon mal nur sehr schwer als "links" zu betrachten und aufgrund der meist unversöhnlichen Vorwurfs- und Empörungsrhetorik als liberal.

    Struktureller Ungerechtigkeiten werden nicht erfolgreich bekämpft werden können, wenn sie von sozialen Fragen entkoppelt und gegeneinander ausgespielt werden.

    • @Deep South:

      Weniger in Bezug auf das Buch und die Autorin - die sich durch ihre Reduktion von 150 Jahren Kampf für Frauenrechte auf 'Du hast dich halt nicht genug angestrengt, Schätzchen' und Ihr Twitter-Profil (Kritik an #allesdichtmachen ist linker Mob?) selbst deutlich genug positioniert - als auf die Kommentare hier und die linke Diskussion zum Thema Identitätspolitik allgemein bezogen, irritiert mich die pathologische Unfähigkeit und manchmal auch Unwilligkeit, zwischen dem Themenbereich Identitätspolitik als solchem und linker Identitätspolitik zu unterscheiden. Erstere rangiert von sinnvoller wissenschaftlicher Analyse bis völliger Blödsinn, letztere ist ein nützliches Set an Werkzeugen, um den Blick auf die Soziale Frage zu schärfen, blinde Flecken aufzuzeigen und Bevölkerungsgruppen zu aktivieren, die sich von reiner Klassenpolitik nicht angesprochen fühlen. Beispiel dazu aus dem US-Kontext wäre der Stuss, den Frau DiAngelo labert versus die politische Kampagne, die dazu geführt hat, dass in Georgia zwei demokratische Senatoren gewählt wurden.



      Ich sehe dabei, gerade im deutschsprachigen Kontext, durchaus auch die problematischeren Aspekte identitätspolitischer Herangehensweisen, etwa das unkritische Übernehmen amerikanischer Begrifflichkeiten und in gewissen Bereichen auch eine Tendenz zur Diskursverweigerung und Empörung um der Empörung willen - und ist das nicht eher ein gesamtgesellschaftliches Problem? - und bin auch der Meinung, dass sehr genau unterschieden werden muss, was Identitätspolitik um der Identitätspolitik willen und was wirklich linke Identitätspolitik ist, aber all das gereicht eben nicht, um linke Identitätspolitik als Ganzes zu diskreditieren, denn diese schafft es ja gerade, Strukturelle Ungerechtigkeit und Soziale Frage zu verknüpfen.

      • @Armos:

        Seh ich ziemlich ähnlich. Partikularinteressen zu vertreten sowie Benachteigungen und strukturelle Diskriminierung von Minderheiten aufzuzeigen ist erstmal überhaupt nicht falsch.

        Es wird eben dann falsch, wenns halt zum Selbstzweck wird und undifferenziert als moralische Waffe im Diskurs benutzt wird. Und ich finde, von diesen Auswüchsen müssen sich erstmal auch die moderaten Vertreter von Identitätspolitik freimachen bzw. distanzieren, damit die positiven Ideen nicht hinter spaltenden Kampfrhetorik und blinder Schubladenargumentation abfallen.

        Am Meisten stört mich der Ton der oft angeschlagen wird und die "no discussion" Haltung, mit der differenzierte Sichtweisen abgewatscht werden.

        • @Deep South:

          Es freu mich, dass wir hier offenbar ganz ähnliche Positionen einnehmen, das stützt meine Vermutung, dass es bei der Diskussion oft weniger um reale als imaginierte Meinungsunterschiede geht.



          Dem was Sie bezüglich klarer Abgrenzung von sinnvoller linker Identitätspolitik und zum Umgangston in der Diskussion schreiben, kann ich nur zustimmen.



          Was ich mir im Gegenzug wünschen würde, wäre zum einen, dass im Sinne von MLKs 'Letter from a Birmingham Jail'* genauer hingesehen wird, was für inhaltliche Forderungen im Raum stehen, statt sich gleich über die Empörung zu empören - eben auch dann, wenn diese Forderungen laut und unangenehm daherkommen.



          Das andere wäre, dass der Kontext, aus dem heraus Identitätspolitik kritisiert wird, mehr Beachtung findet, den vielen der lautesten Kritiker scheint es eben gerade nicht um eine konstruktive Diskussion zu gehen, sondern um Selbstprofilierung, 'Woke-Bashing' und den Import eines 'Culture Wars', wie Ihn die US-Republikaner oder die Regierung um Johnson in England zu etablieren versuchen. Da wäre es schön, wen man gerade als Linker auch mal die Grösse hätte, hinzustehen und zu sagen: 'Ja, man kann Identitätspolitik berechtigt kritisieren, aber was hier gerade geschieht, versucht gar keinen Dialog und hilft am Ende wirklich nur der rechtskonservativen Ecke.' (Um auch mal wieder auf den Artikel zu sprechen zu kommen: Die Autorin scheint mir eher in die Ecke zu gehören.)

          • @Armos:

            Und bevor es jemand falsch versteht: Ich wollte der Autorin des Buches nicht vorwerfen, aus dem rechtkonservativen Lager zu kommen, sondern aus demjenigen, dass nicht sonderlich an konstruktivem Dialog interessiert ist.

          • @Armos:

            *Die Stelle, auf die ich mich insbesondere beziehen möchte, wäre die folgende:



            I must make two honest confessions to you, my Christian and Jewish brothers. First, I must confess that over the past few years I have been gravely disappointed with the white moderate. I have almost reached the regrettable conclusion that the Negro's great stumbling block in his stride toward freedom is not the White Citizen's Counciler or the Ku Klux Klanner, but the white moderate, who is more devoted to "order" than to justice; who prefers a negative peace which is the absence of tension to a positive peace which is the presence of justice; who constantly says: "I agree with you in the goal you seek, but I cannot agree with your methods of direct action"; who paternalistically believes he can set the timetable for another man's freedom; who lives by a mythical concept of time and who constantly advises the Negro to wait for a "more convenient season." Shallow understanding from people of good will is more frustrating than absolute misunderstanding from people of ill will. Lukewarm acceptance is much more bewildering than outright rejection.



            Martin Luther King Junior, Letter from a Birmingham Jail, via www.africa.upenn.e...er_Birmingham.html

  • Es gibt eine Identitätspolitik, die leitet sich daraus ab, dass in Gesellschaften wie den USA hinter einer vorgeblichen "Farbenblindheit" der Verfassung und der Institutionen von Anbeginn ein rassisches Kastendenken verborgen hat, welches phänotypisch markierten Gruppen ("Blacks," "Hispanics" "Indians") systematisch Grundrechte, Gleichberechtigung, Zugang zu Bildung und Kapital u.v.m. vorenthalten halt. Identitätspolitik hieß diesen Zustand zu beschreiben, sichtbar zu machen und ihn zu bekämpfen. Es gibt aber auch eine vorgeblich linke Identitätspolitik, besonders im akademischen Milieu, die den Essentialismus der rechten IP übernommen hat und nach der gleichen Logik handelt. Also etwa, dass nur PoC Black Studies betreiben dürften, dass die Validität eines Argumentes an die Identität des Spechers gebunden ist u.ä. Und es gibt eine neoliberale Identitätspolitik, die Diversity als Markt sieht und als Vorwand nutzt, um nicht über soziale Ungleichheit reden zu müssen (siehe Walter Benn Michaels, The Trouble with Diversity). Und gerade viele "angekommene" PoC aus der gebildeten Mittelschicht sind eher PMC (professional m,anagerial class) und nutzen identitätspolitische Diskurse zur strategischen Positionierung in Verteilungskämpfen, also ganz normaler und völlig legitimer Interessenpluralismus. Denen gehen aber die Lebenswelten und die spezifischen Probleme von Unterschichten-PoC so am Arsch vorbei, wie den meisten GrünwählerInnen das Schicksal von "biodeutschen" Hartzern.

    • @hessebub:

      Sie sprechen von einem Anteil der GRÜNEN-Wählerschaft, deren Lebenswelt weit von der Lebenswelt in der Grundsicherung entfernt ist. Das bewirkt schon auch eine andere Fokussierung auf marginalisierte Gruppen in der Gesellschaft (Erwerbslose sind eine Statusgruppe, keine soziokulturelle Schicht). Ich erlebe es so, dass die gegenwärtig dominierende Politik noch immer eine ist, die mit den Erwerbslosen Politik macht, überdeutlich formuliert, sie benutzt. Erwerbslose machen keine Politik, sie kämpfen darum, „mitzumachen“. Politik kann Wählerstimmen gewinnen, wenn sie z. B. „neo-liberal“ Gestimmte/Gesinnte dadurch anspricht, dass sie die Steuergelder verzehrenden Erwerbslosen diskreditiert. Z. B. in dem sie zwar propagiert, Kinderarmut zu bekämpfen, das aber so tut, dass sie die Hartz-IV-Eltern dieser Hartz-IV-Kinder als im Grunde „unwürdig“ oder „unfähig“ abstempelt, für ihre Kinder zu sorgen und also spaltet. Die AfD macht solche Spaltungen zum Programm und täuscht die Erwerbslosen. Sie verspricht den „Autochthonen“ unter ihnen Verbesserungen, von der völkischen Seite her. Unterwirft die dann aber ihren neoliberalen Leistungsidealen. Diesen gilt der eben noch umworbene biodeutsche Erwerbslose dann plötzlich nicht mehr viel.



      Meine Sorge ist, dass sich diese Politik des Benutzens in der einen oder anderen Weise fortsetzen könnte, egal von welchen Parteien, nach der nächsten Bundestagswahl. Sie könnte die Gruppe der Erwerbslosen innerhalb spalten, indem sie sich die dortigen ja leider existierenden Ressentiments zwischen Gruppen von Erwerbslosen untereinander zu Nutze macht. Auch in dem sie Ressentiments in der Bevölkerung „nutzt“ um spaltend gegeneinander auszuspielen. Linke Identitätspolitik kann da nicht außer Acht gelassen werden – schon deshalb nicht, um Rechts, um einer AfD keine Chance zu geben.



      Unglückliche Ressentiments unvermutet zwischen Gruppen: Interview www.zdf.de/kultur/...4-10-2020-100.html

  • Nein, Frau Schmollack: Identitätspolitik ist nicht linksliberal, sondern antiliberal und antiemanzipatorisch. Denn eine sich als liberal begreifende societas civilis basiert auf dem Verständnis der Würde jedes Einzelnen, durchzusetzen auf der Grundlage an universalen Prinzipien orientierter Grundrechte.

    Das impliziert freilich, dass in einer multiethnischen Gesellschaft im Falle einer Diskrepanz zwischen der Multiethnizität der Gesellschaftsbasis und einer auffällig davon abweichenden Zusammensetzung der Repräsentationsphäre zu überprüfen ist (allerdings zählen hier nur Staatsbürger eines Landes), ob hier nicht Aufstiegsmechanismen wirken, die dem rechtlich egalitären Gesellschaftsverständnis immanent entgegenwirken. Das aber gilt für jedes Kriterium innergesellschaftlichetr Gruppenformationen - d.h. auch etwa sozialer. (Die Domiinanz etwa von Juristen und gesellschaftswissensschaftlicher Akademiker, beim Fehlen von Handwerkern, praktischen Sozialberufen oder physisch Arbeitenden in Parlamenten und staatlichen Gremien ist der entscheidende Grund für die wachsende Entfremdung von Basis und Repräsentationsphäre seit der neoliberalen Deregulierung mithilfe der Parteien, die behaupteten, linke Demokraten zu sein.)

    Wer aber Gesellschaft durch die Brille essentialistischer und tribalistischer Kriterien betrachtet, wirkt mit auf die Schaffung einer segregierten und explosiv gesspaltenen Gesellschaft hin, die auf eine gewaltige Krise steuern muss, von der nur autoritäre Kräfte profitieren können.

    Es gehört zu dem deutschen Erbe, das Aufschwitz hervorgebracht hat, die Demokratie nie tief genug begriffen zu haben, um zu erkennen, dass die Basis einer wirklich demokratischen Res Publica immer ein politisch gefügter Demos ist. Wieder wird Staat - von rechts und von pseudolinks völkisch dekliniert. Manche haben aus dem Zivilistionsbruch schlicht gar nichts gelernt.

    • @Anja Böttcher:

      Die inflationäre Verwendung pseudo-bildungssprachlicher Neologismen in Ihrem Beitrag macht ihn nicht besser - im Gegenteil, Sie schließen damit nur bestimmte Gruppen aus.

      Ihre indirekte Unterstellung, dass die Benennung real vorhandener Diskriminierunggstrukturen zu Ausschwitz führt ist einfach nur abenteuerlich, um es mal ganz vorsichtig auszudrücken.

  • "Das alles klingt nach einer großen Abrechnung mit einer linksliberalen Identitätspolitik"

    Wie kommen Sie, Frau Schmollack, darauf, dass es sich bei Identitätspolitik um eine speziell linksliberale Politik handelt? Kommt Kritik an Identitätspolitik nicht gerade aus diesem Bereich?

  • Ein Blick auf das Twitter-Profil der Autorin zeigt, dass sie keine differenzierte Sicht auf das Thema hat, sondern sich offenbar in einem Feldzug gegen "Woke", "SJW" und auch "Linke"wähnt, während sie rechte Positionen verteidigt.

    Die Forderung nach Schutzräumen für nicht cis-Personen findet sie "sexistisch". Menschen, die auf eine weiße Herrschaftsstruktur aufmerksam machen vergleicht sie mit Corona-Leugnern. Rassistische Strukturen gäbe es gar nicht. Dafür wähnt sie hinter der Kritik an #allesdichtmachen einen "linken Mob, der alle Andersdenkenden als Rechtsextreme diffamiert "

    • @harrydus:

      Danke für die Zusammenfassung. Ist ja eine nicht gerade an Differenzierung interessierte Person, um es mal noch freundlich zu formulieren!

  • An Ingo Bernable, Montag, 21.44



    Kann ich nicht erkennen. Nehmen wir doch einfach den vorliegenden Artikel.



    Gegen eine Identitätspolitik, die spaltet und sich verrannt hat, 4:



    Caroline Fourest, Giovanni di Lorenzo, Anna Prizkau und eben Judith Sevinc Basad.



    Autoren, die Identitätspolitik befürworten zähle ich 8.



    Ich sehe sie (die Identitätspolitik) auch mit Sorge, bin nicht priviligiert, auch relativ nicht.

    • @Henriette Bimmelbahn:

      Die linke Kritik an der eben gar nicht linken Identitätspolitik reicht viel weiter: Ich nenne hier nur die aus der Szene selbst stammende Publikation von Patsy L'Amour und Koschka Linkerhand, Beißreflexe, die deutlich aufzeigt, in welches autoritäre Gebahren sich die Szene verrannt hat. Dann den 500 Seiten Schmöker "Freiheit ist keinen Metapher", herausgegeben von Vojin Sasa Vukadinovic, der auch aufzeigt, dass sich hier ein Gedankengut zusammengebraut hat, dass von dem der völkischen Rechten kaum noch uu unterscheiden ist. Zudem die Veröffentlichung von Bernd Stegemann, einem Linken, der tatsächlich noch Kapitalismuskritik betreibt und in "Die Öffentlichkeit und ihre Feinde" nachweist, wie sehr die pseudolinke Identitätspolitik den sozialen Spaltungs- und Marginalisierungsbestrebungen der Kapitallobbyisten in die Hände spielt. Und bei Vertretern der kritischen Theorie wie Alex Gruber, Ingo Elbe, Detlev Clausen und vielen anderen kann man nachlesen, dass die ideologischen Ingredienzen der identitätspolitischen akademischen Päpste und Päpstinnen (wie Judith Butler) von Carl Schmitt und Heidegger stammen und zu einer Renaissance des Antisemitismus im Aktivistenmilieu geführt haben, die sich gewaschen hat. Dieses Milieu ist eine politische Regeression, eine Wendung nach Rechts, die durch ihr Geschrei andere daran hindert, analytich genau hinzugucken, was da eigentlich vertreten wird.

  • "... sie alle befassen sich regelmäßig und ausführlich mit Antirassismusthemen ..."



    Ja das tun sie. Und zwar rein akademisch. Als ob man nur den richtigen Schalter finden muss und schon kann man diesen Rassismus ausschalten. Aber diesen Schalter gibt es nicht. Hier wären z.B. Kindergärten, Kirchen und Schulen gefragt, die verstärkt ein menschliches Weltbild vermitteln sollten wie "Alle Menschen sind gleich". Und das nicht nur so einfach dahergesagt, sondern auch gelebt. Da könnte eine Generation heranwachsen mit reduziertem Rassismus.



    Ein weiteres Problem ist, dass viele der PoC selber Rassismus aus ihren Herkunftsländern mitgebracht haben. Die haben auch jemanden auf dem sie herabschauen. Und die, auf die da herabgeschaut wird, haben wiederum auch jemanden dem man die kalte Schulter zeigt. Ganz zu schweigen von dem Frauenbild, welches Genital Verstümmelung gut findet und Vergewaltigung vielerorts als Kavaliersdelikt ansieht.



    Doch auch da gilt der goldene Leitfaden aller Erziehung. Nicht gross und gescheit daherlabbern, sondern vorleben.

    • @chinamen:

      Ihre Beschreibung von PoC trieft nur so vor rassistischen Vorurteilen und Relativierungen. Zeigt wie wichtig und gerechtfertigt die aktuelle Diskussion ist.

      • @Andreas J:

        Ich war noch nicht fertig: Es ist absurd, Migranten nur als Opfer, damit Objekte, zu betrachten, wenn man sich mit vielen ihrer Selbstdeutungen befasst.

        Wer Menschen mit türkischem Hintergrund als PoCs viktimisiert, begreift nicht, dass aus der Türkei stammenden kurdische oder aramäische Minderheiten nationalistische Türken als Vertreter einer Hegemonie erfahren - aber nicht einer deutschen.

        Wer Genitalverstümmelung abstreitet oder runterspielt, verweigert den jungen Frauen, die davon betroffen sind, Solidarität und das Recht auf Unversehrtheit.

        Ideologische Verallgemeinerungen stellen Verachtung der Erfahrungen von Einzelnen dar, aus denen sich alle Bevölkerungsgruppen zusammensetzen. Die Schematisierung von Menschen, egal welcher, bedeutet, sie als Individuen verschwinden zu lassen.

        • @Anja Böttcher:

          Niemand spielt Genitalverstümmelung herunter oder leugnet sie. Man sollte sie aber auch nicht Instrumentalisieren um PoC zu diskeditieren um seinen rassistischen Vorurteilen eine Legitimation zu geben. Sind alles böse Menschen, also sollen sie die Klappe halten. Ich bin schon oft in Westafrika gewesen und auch dort kommt Beschneidung vor. Aber der weitaus größte Teil der Bevölkerung lehnt diese Praktik genauso ab wie wir in Europa. Das ist so als würde man alle Europäer als Sadisten und Mörder bezeichnen, wegen dem Umgang mit Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen. Übrigens, die Identitätsdebatte wird on einer kleinen Minderheit geführt und spricht nicht im Namen aller. Die meisten versuchen sich hier ein Leben aufzubauen, müssen sich aber täglich mit Rassismus auseinander setzen. Deutschland gibt sich offener und toleranter als es in der Realität ist. Meine meisten Freunde sind PoC und ich bekomme mit wie für sie der Alltag als leicht erkennbarer dunkelhäutiger ist. Ich werde als Deutscher in Afrika freundlicher und respektvoller behandelt als ein Afrikaner in Deutschland. Da liegen Welten dazwischen!

    • @chinamen:

      Ich bin entsetzt über die Gedankenkette die hier formuliert wird: BIPoC = Migration = Rassismus/Genitalverstümmelung/Vergewaltigung.



      Wer sich BPIoC nur in Zusammenhang mit Migration vorstellen kann, zeigt damit letztlich, dass er diese Menschen eben nicht als Teil dieser Gesellschaft begreift, sondern sie nur als fremd denken kann, selbst dann wenn sie bereits seit X Generationen hier leben.



      Der Rassismus in dieser Gesellschaft ist nun wirklich kein importiertes Problem, sondern ein autochthones, das nicht zuletzt aus Identitäten wie "besorgten Bürger", "Patrioten", Leitkulturfans, ... resultiert.



      Auch ihre Zuschreibungen was denn in den vermeintlichen Herkunftsländern angeblich Kultur und Sitte ist, nämlich Genitalverstümmelung und Vergewaltigung ist eine so direkte Fortschreibung von kolonialistischen Überlegenheitsnarrativen und Othering, dass es fast schon verwundert, dass sich nicht auch Kannibalismus und Vielweiberei in dieser Liste finden.

      • @Ingo Bernable:

        Passen Sie bitte mit den Verallgemeinerungen auf, wenn wenn Sie das schon so spitz dem Vorposter vorwerfen. Dass es PoC gibt, die Dieses und Jenes tun, bedeutet nicht, dass alle PoC Dies und Jenes tun, nur dass es falsch ist, diejenigen, die es tun, von jedem Vorwurf freizusprechen, weil sie PoC sind.

        @Chinamen hat ja in der Sache nicht unrecht: Es GIBT Rassismus, Misogynie und Nationalismus nicht nur bei "alten weißen Männern" sondern völlig unabhängig von der Identität. Und es gibt einen Mindestkonsens an ethischen Werten in diesem Land, der in seinen Gesetzen steht.

        Es hat nichts mit postkolonialer Überlegenheit zu tun, wenn man beobachtet, dass es anderswo offenbar andere Standards gibt und diese bei Migranten aus diesen Gegenden auch teilweise noch in den Köpfen stecken. Dass das anderswo zur Kultur gehören mag, heißt nicht, dass wir es hier dulden müssen. Und dass die Leute, die es mitbringen, schutzwürdige Migranten sind, ist eben KEIN Entscheuldungsargument, wenn es zu Verstößen kommt.

      • @Ingo Bernable:

        Sehr geehrter Herr Ingo und auch sehr geehrter Herr Andreas,



        Ich bin nun doch sehr betroffen und versuche nachzuvollziehen wo sie Rassismus aus meinem Beitrag herausgelesen haben. Ich kann ihnen versichern dass ich keiner bin. Dennoch, selbst auf die Gefahr hin wieder ihren heiligen Zorn anzufachen, sehe ich Rassismus auch als ein sehr menschliches Attribut, der genauso wie Neid, Eifersucht und Falschheit zu den dunklen Seiten unseres Sein gehört. Rassismus ist Menschenverachtung und diese richtet sich halt leider oft gegen die schwachen der Gesellschaft, z.B. Frauen. Aber die gute Nachricht ist, das ist therapierbar. Nein, nicht durch Gesetze und Verordnungen, sondern durch Erziehung und Vermittlung von Werten. Ich hatte mir Gedanken gemacht und in meinem Beitrag einen Lösungsansatz geliefert. Also denke ich, dass wir uns ihre merkwürdigen Antworten sparen sollten und lieber auf etwas konstruktives von ihrer Seite hoffen.

        • @chinamen:

          Alle PoC für Genitalverstümmelung in Afrika verantwortlich zu machen bzw. daraus abzuleiten das sie schlechte Menschen sind, ist Rassismus. Ich war schon oft in Westafrika. Auch dort kommt es zu Fällen von Genitalverstümmelung. Aber der weitaus größte Teil der Bevölkerung lehnt das aus den gleichen Gründen ab, wie wir Europäer. Instrumentalisieren sie nicht die Opfer um eigene Vorurteile zu untermauern. Das ist kein Lösungsansatz und ganz gewiss nicht im Sinne der betroffenen Frauen. In manchen Regionen sind es die Frauen die diese grausame Tradition aufrecht erhalten. Die afrikanische Kultur lässt sich nicht auf Genitalverstümmelung reduzieren und es werden auch nicht an jeder Ecke Frauen vergewaltigt weil das Justizsystem nicht wie unseres ist. Überhaupt ist das westliche Bild der unterdrückten wehrlosen afrikanischen Frau eine Stereotype. Ich war in Westafrika sehr beeindruckt von der Stärke und dem Selbstbewusstsein der Frauen. Die können sich auch gut gegen Männer durchsetzen. Gewalt gegen Frauen kommt leider in fast allen Kulturen vor. Tun sie sich mal den Gefallen und machen sie ein Sensibilisierungsseminar mit. Es ist schwer als nicht betroffener deutscher Alltagsrassismus nachzuvollziehen. Man neigt schnell zur Relativierung und Bagatellisierung. Ich bin in afrikanischen Verbänden und Vereinen aktiv und habe einen großen Freundeskreis unter den PoC. Mit der Zeit musste ich leider feststellen das rassistische Vorurteile in Deutschland verbreiterter sind als ich früher annahm. Es ist oft unterschwellig aber dauerhaft präsent, was nur Betroffene oder Sensibilisierte mitbekommen. Oft ist es in Form eines dämlichen Witzes mit anschließendem Vorwurf der Humorlosigkeit bei Protest. War nicht so gemeint, bleib mal locker, ich bin doch kein Rassist.

          • @Andreas J:

            "Alle PoC für Genitalverstümmelung in Afrika verantwortlich zu machen bzw. daraus abzuleiten das sie schlechte Menschen sind, ist Rassismus."

            Jo. Und alle Weißen für Polizeigewalt in Minneapolis verantwortlich zu machen ist Identitätspolitik.

      • @Ingo Bernable:

        Das ist ziemlicher Unfug.

        Die Kommentatorin stellt klar dar, dass es sich bei rassistischen Überlegenheitserzählungen um ein globales Phänomen handelt - was wenig wundert, wenn man sich vergegenwärtigt, dass globalen Kapitalbewegungen eben nicht symmetrische Institutionen der Abwehr sozioökonomischer Zumutungen entgegenstehen.

        Dass es zudem historisch merkwürdig anmutet - und wenig mit der Würdigung von Menschen zu tun hat, Migranten nur noch als Opfer und damit als Objekte von Macht, durchzudeklinieren, weil dies der Selbstinszenierung eines akademischen Aktivistenmilieus entspricht

  • also ich sehe die Beiträge von Mohamed Amjahid sehr gerne und sehe darin gar nichts Ausgrenzendes.



    im Ton finde ich Hengameh Yaghoobifarah oft etwas albern und überheblich.



    Die Texte von Robin DiAngelo enthalten fast nur Unterstellungen: 'Weiße wollen nur Böses.'



    Die Beiträge von Caroline Fourest in ihrem Buch und dt. Zeitungen laufen nur darauf hinaus, der "Islam-Linken" vorzuwerfen, mit Menschen in den Banlieues überhaupt zu reden. die Linke sei mit verantwortlich an der Enthauptung Samuel Patys - eine absurde Erfindung.



    Das was Sevinç und Schmollack hier bringen ist wieder viel zu ungenau und außerdem sollte der verschwörungstheoretische Westend-Verlag mit seinem Willy Wimmer gemieden werden.



    Anders:



    es entstehen überall neue Bündnisse, in erster Linie gegen Zwangsräumungen.



    Im Linken Spektrum ist der Kampf um Respekt in Reaktion auf die rechtsradikale Hetze angekommen und es ist keineswegs so, dass weiße Männer nicht mehr kritisieren dürften.



    Nein, Sarah Wagenknecht und Aufstehen sind nicht die Stimme der Prekären, sondern Funken zu migrationsfeindlichen Milieus.



    Ja Bündnisse sind schwierig und entstehen in erster Linie nicht über Medien.

  • Auf jeden Fall ist nach der Lektüre der Rezension klar, dass der identitätspoltische Grabenkampf in der Taz noch nicht vorbei ist.

    • @relation:

      Zum Glück. Da von SZ und ZEIT (mit Ausnahme der im Austrag geduldeten alten weißen Männer Prantl und Martenstein) in der Hinsicht keine Gegenrede oder gar Kontroverse zu erwarten ist, wäre es doch schade, wenn auch die taz den Weg in den woken Einheitsbrei mitgehen würde. Vielleicht hilft das sogar den Woken selber, mal ein bisschen ihre Argumente zu schärfen. Also über ein #WTF #gehtjagarnicht hinaus ;)

  • 1G
    14390 (Profil gelöscht)

    „ Deutschland ist längst ein Ein­wan­de­r:in­nen­land“ - bei einer Zeitung wie der taz, die immer wieder Wert auf begriffliche Genauigkeit legt, sollte der Unterschied zwischen einem „Einwanderungsland“ und einem „Einwandererland“ eigentlich bekannt sein: ersteres bezeichnet einen grundsätzlichen Status, letzteres ein Eigentums- bzw. Herrschafts- oder Dominanzverhältnis. Sollte die taz den Begriff „Einwandererland“ tatsächlich ernst meinen, würde sie sich erschreckenderweise die Theorie zu eigen machen, die in bestimmten politischen Zirkeln als „Umvolkung“ bezeichnet wird.

    • 1G
      11758 (Profil gelöscht)
      @14390 (Profil gelöscht):

      OMG, Sie kommen ja mit Spitzfindigkeiten daher. Ich kannte den Unterschied zwischen "Einwanderer:innenland" und "Einwanderungsland" bisher auch nicht, dachte das wären Synonyme. Aber dank Ihrer kompetenten Aufklärung können wir uns jetzt über Wortendungen streiten und so schön wahre Probleme ignorieren.

      • @11758 (Profil gelöscht):

        Weiß nicht, der Unterschied liegt auf der Hand und dass man in einer Diskussion, in der man allen ständig Vorhaltungen macht und dabei häufig mit unsinnigen Wortgebilden hantiert, die richtige Einordnung zweier Begriffe erfährt, gleich so schnippisch, beleidigt und unseriös reagieren muss.



        So schießt man Eigentore.

        • 1G
          11758 (Profil gelöscht)
          @Hampelstielz:

          Wiso liegt der Unterschied auf der Hand?

  • "So weigert sich [...] Melisa Erkurt, sich als People of Color zu bezeichnen. Sie [...] habe [...] eine weiße Haut"

    Alle Menschen, die ich je gesehen habe, hatten irgendeine Hautfarbe. Manche sind stärker pigmentiert, manche schwächer. Aber niemand ist farblos. Wir sind alle People of Colour.

  • Auf "linke Identitätspolitik", "Cancel-Culture", oder sonstige Strohmänner zu schießen ist derzeit Volkssport. Auch die Kombination den anderen "totalitäre Tendenzen", "Redeverbote" und "Prangerung" vorzuwerfen und ihnen damit gleichzeitig das Wort verbieten zu wollen oder sie namentlich in Reichweitenstarken Zeitungen oder Publikationen zu nennen ist dabei populär (und in dieser Kombination natürlich vollkommen absurd).

    Schade das es auch bei der taz eher nicht zu stören scheint das dabei Logik und Talking-Points der extremen Rechten aufgegriffen werden.

    • @Medardus:

      Und da gibt es die 100 Punkte für:

      Natürlich will niemand ein Redeverbot, aber man framed trotzdem jegliche Kritik als Rechtsextremismus (damit will man natürlich keine Stigmatisierung als Drohkulisse beschwören, nimmer nie...).

      Dann wartet man noch auf die Gelegenheit zum nächsten Shitstorm (was man auch Cybermobbing nennen kann, aber da lassen wir den Begriff lieber - Gleichheitsgrundsatz gilt nicht, wenn man woke, erwacht und erleuchtet ist) und klopft sich selbst, nachdem einfach jeder Grundsatz der Logik und Argumentationstheorie mit Füssen getreten wurde, stolz und selbstverliebt auf die Schulter.

       

    • @Medardus:

      Ich lese die Rezension eher anders. Es wird doch immer wieder darauf hingewiesen, dass Diskriminierungsabbau wichtig ist und Gleichheit angestrebt werden sollte, die jetzt noch nicht gegeben ist.



      Trotzdem sollte man auch Teile der linken Debattenkultur kritisieren dürfen, ohne direkt mit solchen Argumenten wie „aufgreifen von rechten Talkingpoints“ konfrontiert zu werden.



      Zusätzlich sollten nicht radikale Stimmen jeglicher politischen Strömungen nicht komplett mundtod gemacht werden, auch wenns nervt mitte-rechts Gelaber zuzuhören. Ohne Dialog gehts doch nicht.

      • @fxs:

        Ich lese die Rezension ähnlich wie Sie. Es ist die kritische Auseinandersetzung mit einem Buch, welches selbst eine kritische Auseinandersetzung ist, hier mit linken identitätspolitischen Positionen. Darin halte ich diese Rezension für gelungen. Als kritische Auseinandersetzung mit einem Buch, ist eine Rezension auch die positionierte Stellungnahme einer Rezensentin, eines Rezensenten dazu. Wichtig gerade für einen Leser wie mich, den identitätspolitische Inhalte und Positionen interessieren, gerade weil er wenig damit „vertraut“, ist, dass die Position von Rezensentin/Rezensent die inhaltliche (distanzierte) Auseinandersetzung erst einmal mit Inhalten und Positionen des Buches selbst nicht vernachlässigt. Auch das sehe ich bei dieser Rezension erfüllt. Mit anderen Worten: Mit Interesse gelesen.



        Mit etwas Rhetorik oder gar Polemik aber meinem Wunsch nach Information folgend gefragt: Ist ein simpler Wunsch nach Information, nach informativer Auseinandersetzung mit Denkströmungen, pol. Positionen und Sachfragen eigentlich nichts mehr, was im Journalismus beachtet werden soll? Ich brauche Information, brauche Wissen zur Meinungsbildung, die auch meine Position nicht bloß bestätigt. Da dürfte es eine selbstverständliche Notwendigkeit sein, unterschiedliche „Talkingpoints gekennzeichnet aufzugreifen. Eine Rezensentin, ein Rezensent macht sich deshalb doch nicht gleich mit denen, solchen oder solchen, gemein. Im Gegenteil: Mit denen setzt man sich journalistisch-kritisch auseinander. Ehrlich: Wenn es anders wäre, müsste ich Zeitungen von vornherein als „toxisch“ begreifen. Wer will sowas?

  • "Sie verwendet Begriffe wie Totalitarismus" letztlich gegen jene die sich erdreisten bestehende Ungerechtigkeiten und Ungleichheit zu benennen, hat aber, soweit im Artikel ersichtlich, auch kein alternative Angebot wie diese aus der Welt zu schaffen sind.



    "Als Mitbegründerin der Initiative Liberaler Feminismus, der Frauen als leistungswillige und fähige Individuen definiert, hält sie nicht viel von einem Opferstatus, ob als Frau oder als Migrantin. [...] Die Autorin spannt den Bogen von Denkverboten über Unschärfen im Diskurs (vor allem der „weiße Mann“ und „die Strukturen“ seien für das Leid von Migrant:innen verantwortlich)"



    Aber wohin führt das? Wenn man 'identitätspolitische' Kategorien wie Frau,Migrant*in, ... ebenso ablehnt wie die Analyse gesellschaftlicher Strukturen bleibt statt der Identität nur noch das Individuum. Dass Frauen* in Führungspositionen noch immer stark unterrepräsentiert sind wäre demnach also nicht sturktureller Diskriminierung entlang von Identität zuzuschreiben (denn man hat ja allein schon das Instrumentarium dies auch nur zu benennen aus der Hand gegeben), sondern einzig dem Umstand, dass sie sich nicht genug anstrengen und eben nicht qualifiziert genug sind. Analoges gilt etwa für die Bewerbung von Menschen mit nicht-deutschem Namen um einen Job oder eine Wohnung, sowie für letztlich jede Art von Diskriminierung.

    • @Ingo Bernable:

      Ihr Post ist ein schöner Beweis dafür, wie regressiv der identitätspolitische Diskurs ist.

      Denn, nein, nicht das Fehlen von Frauen oder Migranten in Fürhungspositionen zeigt den Mangel an Egalität in unserer Gesellschaft aus, sondern die Existenz von Führungspositionen.

      Wenn nicht etwa die extreme Konzentration gesellschaftlicher Resssourcen und die Hierarchisierung und Konzentration des Zugriffs darauf als Problem gesehen wird, sondern nur noch Geschlechtszugehörigkeit und Hauttönung der Gesichter, in denen sich die Hierarchiespitze öffentlich zeigt, dann haben Geschlecht und Hautfarbe als Fetische die Kritik der Inegalität und das Ziel gesellschaftlicher Emanzipation aller endgültig ersetzt.

      Das ist das postmoderne Denken eines neoliberalen Zeitalters, das den Menschen die eigene soziale Marginalisierung als Fortschritt verkauft, wenn sie sich nur an den Gender- oder Hautfarbenfetisch klammern.

      Was haben die Marginalisierten davon, wenn für DAX-Konzerne öffentliche Führungsfiguren gleichen Geschlechts und gleicher Hautfarbe das Börsenplus ihrer Unternehmen durch eine weiter radikalisierte Prekarisierung ihrer Arbeitsverhältnisse verkünden?

      Überbaukosmetik ändert an gesellschaftlichen Machtverhältnissen schlichts GAR NICHTS.

      • @Anja Böttcher:

        "nicht das Fehlen von Frauen oder Migranten in Fürhungspositionen zeigt den Mangel an Egalität in unserer Gesellschaft aus, sondern die Existenz von Führungspositionen."



        Was das angeht wäre ich sogar bei ihnen, allerdings kommt die Kritik von Leuten wie Judith Sevinç Basad, Giovanni di Lorenzo, ... eben nicht unbedingt aus einer anarchistischen oder herrschaftskritischen Ecke. Vielmehr geht es ihnen darum der Forderung nach Teilhabe der Marginalisierten kein Gehör schenken zu müssen. Natürlich kann man diese Forderungen oder auch linke Gewerkschaften die nur mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen fordern als "regressiv" verdammen. Man kann aber auch aus dem Umstand, dass die linke Revolution sich derzeit nicht so ganz akut abzeichnet, schließen, dass auch kleinere aber konkretere Verbesserungen einen Fortschritt darstellen.



        "Das ist das postmoderne Denken eines neoliberalen Zeitalters, das den Menschen die eigene soziale Marginalisierung als Fortschritt verkauft"



        Gegenüber dem zwanghaften Konformismus der Moderne, der ja nicht zulezt auch mittels sozialer Kontrolle durchgesetzt wurde, würde ich die pluralistisch, fragmentierte Post-Moderne definitiv für einen Fortschritt halten. Zu glauben man käme zwangsläufig wieder zu einer starken Arbeiterbewegung wenn man nur heterogene Identitätskonstruktionen, die es vorher ja auch gab, die aber unsichtbar bleiben mussten, loswerden könnte, dürfte sich als Irrtum erweisen. Gleichzeitig ist es mE ebenfalls eine Fehlannahme zu glauben, dass diese zwangsläufig ein Hindernis für Organisierung wären, im Gegenteil viele der bislang völlig unsichtbaren Gruppen die sich nun zu Wort melden und einen Anspruch auf Teilhabe erheben können dies eben nur auf Grundlage einer gemeinsamen Identität tun.

        • @Ingo Bernable:

          Im Gegenteil! Die postmoderne Identitätskonstruktion hat den Charakter eines Fetischs. Weder Geschlechtsorgane noch die Menge der Melaninproduktion der Haut erlauben es Menschen, sich zu einem sozioökonomischen Akteur zu vereinen.

          Das einzige Mittel, sich gegen Prekarisierung zur Wehr zu setzen, ist die Verweigerung der Ausübung der Funktion, die Menschen im Verwerrtungsprozess zugewiesen wird - zum Beispiel gegen einen mächtigen Marktakteur wie Amazon die Verweigerung und Unmöglichmachung der Paketzustellung.

          Die Hierarchisierung von Menschen nach einer völlig irrelevanten Markierung in einer Opferhierarchie macht Menschen sozial handlumgsunfähig - und verunmöglicht ihnen, sich genau an den Stellen zu vereinigen, in denen sie gemeinsam etwas erzwingen können.

          Warum wohl unterstützen Firmen wie Audi identitätspolitische Markierugnsspiele wie das Gendern? Weil es sozioökonomisch völlig irrelevant ist. Das Modell für Identitätspolitik hat die Bekleidungsfirma Benneton mit den "United Colors of Benneton" gestartet. Netter Schein - hat aber an der Ausbeutung der Näherinnen in Südasien überhaupt nichts geändert. Starke Gewerkschaften dagegen tun diesen globalen Multis immer noch ziemlich weh - weshalb sie jede Menge Mühe darauf verwenden, das um jeden Preis zu verhindern, s. Amazon.

    • @Ingo Bernable:

      Das Kernproblem dieser ganzen Debatte ist, dass sie sich an einem völlig verkürzten und verdrehten Begriff von Identitätspolitik abarbeitet, dabei aber übersieht, dass nahezu jede linke Organisierung von der Arbeiterbewegung über die neuen sozialen Bewegungen des vergangenen Jahrhunderts bis zu den aktuellen wie FFF oder BLM Ergebnis von Identitätspolitik war/ist, ohne die ein politisches Handeln kaum möglich oder auch nur denkbar wäre. Und das gilt mindestens ebenso auch im rechten Spektrum. Wenn die AfD etwa propagiert was "normal" ist und was nicht oder wie denn die richtige, deutsch-heteronormative Kernfamilie auszusehen hat und wer nicht dazu gehört ist das nichts anderes als Identitätspolitik.

      • @Ingo Bernable:

        Die Arbeiterbewegung als Ergebnis von Identitätspolitik zu bezeichnen, ist eine steile These. Ich sehe auch nicht, wieso FFF Ergebnis von Identitätspolitik sein sollte (und auch nicht, wieso FFF links sein soll). Bei Ihrem Verständnis von Identitätspolitik ist so ziemlich jede Politik Identitätspolitik.

        Jedenfalls ist es Identitätspolitik, wenn man die Besetzung von Führungspositionen anhand von Gruppenzugehörigkeit als Repräsentation der betreffenden Gruppe ansieht. Frauen in Führungspositionen repräsentieren nicht die Gruppe der Frauen, sondern diejenigen, die über die Besetzung der Führungspositionen entscheiden. Das ist nicht anders als bei Männern in Führungspositionen.

      • 1G
        14390 (Profil gelöscht)
        @Ingo Bernable:

        Vielleicht wäre es einfacher, wenn statt von „Identität“ besser von „Interessengemeinschaften“ gesprochen würde.



        Bestes Beispielt: die Gruppe „LGBTQ+“. Da wird versucht, eine gemeinsame „Identität“ herbeizureden, wobei völlig außer acht gelassen wird, daß der schwule 20jährige aus Berlin-Zehlendorf oder Hamburg-Blankenese mehr mit seinem heterosexuellen 40jährigen „Alten Herrn“ aus der Studentenverbindung gemeinsam hat als mit einem 19jährigen Schwulen aus Berlin-Gesundbrunnen oder Hamburg-Wilhelmsburg.

        • @14390 (Profil gelöscht):

          "Vielleicht wäre es einfacher, wenn statt von „Identität“ besser von „Interessengemeinschaften“ gesprochen würde."



          Das würde mE zentrale Aspekte unterschlagen. Die Arbeiterbewegung war eben kein reine zweckrationale Interessengemeinschaft. Klassenbewusstsein und Arbeiterkultur spielten eben eine wesentliche Rolle dabei überhaupt politisch wirkmächtig werden zu können.



          "„LGBTQ+“. Da wird versucht, eine gemeinsame „Identität“ herbeizureden, wobei völlig außer acht gelassen wird, [...]"



          Das ist als Beobachtung zwar richtig, muss aber kein Gegenargument sein. Zentral ist, dass es so etwas wie eine Queere-Community gibt und, dass LGBTQ+ Teil der Identität sowohl ihres 19- wie des 20-jährigen ist. Identität ist eben weder homogen, noch monolithisch, sondern immer fragmentarisch und oft genug auch durch Gleichzeitigkeiten gekennzeichnet (Stichwort: Intersektionalität).

          • 1G
            14390 (Profil gelöscht)
            @Ingo Bernable:

            "Zentral ist, dass es so etwas wie eine Queere-Community gibt und, dass LGBTQ+ Teil der Identität sowohl ihres 19- wie des 20-jährigen ist."

            Und genau das halte ich für den grundlegenden Denkfehler. Es gibt keine "Queer-Community", es gibt nur eine Minderheit, die von sich behauptet, (1) die "Queer-Community" zu bilden und (2) für diese zu sprechen. Wenn Sie sich alleine in Berlin umschauen, werden Sie feststellen, daß es in dieser sogenannten "Queer-Community" (1) eine sichtbare Überrepräsentation von Personen unter 40 Jahren gibt, da Ältere in dieser sogenannten "Queen-Community" kaum mehr in Erscheinung treten, und (2) diese sogenannte "Queer-Community" eindeutig sozial und wenigstens in Teilen auch politisch klar definiert ist.



            Was die Frage der Identität angeht, stelle ich in meinem Umfeld über die letzten Jahre fest, daß "schwul" weniger ein "Sein", sondern vielmehr als ein "Tun" begriffen wird - Sätze wie "Schwul bin ich nur im Schlafzimmer!" oder "Ich bin nicht schwul, ich habe nur Sex mit Männern!" sind für mich dabei deutliche Zeichen, daß sich eine größer werdende Anzahl von Männern nicht mehr über ihre Sexualität definiert und auch nicht definieren lassen möchte.

          • @Ingo Bernable:

            Klassenbewusstsein ist die Erkenntnis einer durch die Produktionsprozesse marginalisierten Massen von Menschen, sein Aktionspotenzial als Akteur zu entdecken.

            Die Gemeinsamkeit der in der Arbeiterbewegung Aktiven rührt von dem her, was Georg Herwegh in die Worte fasste:

            "Mann der Arbeit, aufgewacht



            Und erkenne deine Macht!



            Alle Räder stehen still,



            Wenn Dein starker Arm es will!"

            Mit der von Identitätsentrepreneuren konstrierten Identitätsagenda für die akademisierte Jugend hat diese historisch gewachsene und durch sozialkämpferische Organisationen Pauperismus und Prekarisierung entgegenwirkende Aktionsgemeinschaft nicht ansatzweise irgendetwas zu tun!

            Mit einer neo-idealistischen Pop-Ideologie lassen sich die Klassenkonflikte des 19. und frühen 20. Jahrhundert wahrlich nicht begreifen.

            • @Anja Böttcher:

              Der einzelne "Mann der Arbeit" wird kein einziges Rad im kapitalistischen Getriebe anhalten und mit dem Versuch allenfalls seine Entlassung provozieren. Es braucht allso kollektives Handeln. Und wie entsteht ein Kollektiv? Genau, über die Identifikation mit der Gruppe, ergo Identitätspolitik. Warum wohl wurde den Leuten von der Linken permanent vermittelt sich als Proletarier zu betrachten? Die Unterschiede zwischen der AgitProp vor 100 Jahren und der "neo-idealistischen Pop-Ideologie" von heute sind deutlich kleiner als sie denken und auch damals schon gab es Theoretiker, Gramsci etwa, die diese Zusammenhänge begriffen hatten.

              • @Ingo Bernable:

                Das ist unsinnig, was Sie da schreiben. Eine gemeinsame Stellung im sozioökonomischen System haben Leute nicht durch das Geschlecht, nicht durch Hautfarbe, sondern durch Ausfüllen der gleichen Funktion im kapitalistischen Verwertungssystem.

                Die Arbeiterbewegung wurde durch konkretes sozioökomisches Handeln zum Kollektivsubjekt: durch Streiks, gemeinsame Streikkassen, gewerkschaftliche Absicherung im Streik, Coop-Läden zur gemeinschaftlichen Versorgung, soziale Absicherugnsmodelle (die Bismarck, um einen Aufstand zu vermeiden, später von oben durchführte usw.

                Nichts davon hat mit dem Fetisch des Identitätsgedöns zu tun. Das bietet nur den Anlass für die Selbstinszenierung abgesicherter akademischer Millenials. Das Gendersternchen hilft Pflegekräften nicht, endlich ordentlich entlohnt zu werden. Das erreichen sie nur durch den Entzug ihrer Arbeitskraft.

                • @Anja Böttcher:

                  Unsinnig ist mE eine Hierarchisierung linker Kämpfe in Haupt- und Nebenwidersprüche vorzunhemhen und die sozioökonomische Positionierung der Subjekte als die einzig wahre Quelle von Identität zu definieren. Wer das Bemühen "abgesicherter akademischer Millenials" um mehr Geschlechtergerechtigkeit am Kriterium der Entlohnung von Pflegekräften misst, spielt letztlich beides gegeneinander aus und wird damit nur Demobilisierung erreichen.

  • Es gehört jedenfalls Mut dazu, gegen den Mainstream anzuschwimmen, Respekt!

    • @Henriette Bimmelbahn:

      Das sehe ich genau so.



      Leider können viele BestandswahrerInnen der Identitätspolitik diese nicht von Interessenpolitik unterscheiden, so dass in ihren Augen alles Identitätspolitik ist.

    • @Henriette Bimmelbahn:

      Wenn man sich die Zahl der Veröffentlichungen in jüngster Zeit anschaut in denen sich Leute aus relativ privilegierter Position heraus an Identitätspolitik bzw. einem ziemlichen Zerrbild davon abarbeiten sollte man wohl eher von Gratismut sprechen.

      • @Ingo Bernable:

        Ganz schwache Analyse. Mit "Gratismut" hat das überhaupt nichts zu tun.

      • 1G
        14390 (Profil gelöscht)
        @Ingo Bernable:

        Gedanken und Ideen sollten unabhängig von der Person, die sie entwickelt hat, inhaltlich bewertet werden. Eine Idee ist aus sich selbst heraus logisch und stringent, möglicherweise sogar ethisch positiv zu bewerten - diese Qualitäten haben nichts mit der Persönlichkeit ihres Schöpfers zu tun.