Als Muslima in Österreich: Ich bin keine Person of Color

Als Muslima bin ich in Österreich in der Hierarchie eher unten. Doch es fühlt sich trotzdem falsch an, mich als nicht weiß zu bezeichnen.

Geschäftiges Treiben in der Wiener Innenstadt

Sie kann sich in der Öffentlichkeit bewegen, ohne dass sich Leute fragten, woher sie komme Foto: Georges Schneider/photonews.at/imago

„Du bist doch nicht weiß!“, sagt meine ägyptischstämmige Hijab-tragende Freundin empört. „Was sonst, schau mich an?“ Ich habe weiße Haut und blaue Augen, als Baby war ich blond. Nur weil ich nicht bei den ersten Sonnenstrahlen einen Sonnenbrand bekomme, macht mich das nicht zu einer Person of Color. Meine Freundin versteht nicht: „Aber du bist muslimisch, deshalb vor dem Bosnienkrieg nach Österreich geflohen. In Österreich erlebst du Diskriminierung.“ Ja, aber dafür muss ich keine Person of Color sein.

Ich weiß, dass Weißsein nicht nur auf die Hautfarbe abzielt, sondern auf Machtverhältnisse, und ich weiß, dass ich als Muslima in Österreich in der Hierarchie eher unten bin. Ich weiß aber auch, dass ich einen Raum betreten kann, ohne dass sich Leute fragen, woher ich komme. Ich kann um die Welt reisen und gehe als Italienerin, Kanadierin, Bosnierin – als Weiße, egal aus welchem Land, durch und werde so behandelt.

Vergangene Woche hat mir jemand die Instagram-Story von Sinthujan Varatharajah geschickt. Varatarajah hat Politische Geografie studiert, die Familie ist tamilisch, in den 80ern aus Sri Lanka nach Deutschland geflohen. Sinthujan schreibt, dass Menschen wie ich, Südosteuropäer:innen, aber auch Menschen aus Westasien, nicht dieselben Diskriminierungserfahrungen machen wie Sinthujan. Auch in einem türkischen Supermarkt, einem vietnamesischen Restaurant sei Sinthujan Schwarz, selbst wenn die Haare blond gefärbt wären. Sinthujan spricht niemandem seine Diskriminierungserfahrungen ab und trotzdem ist der erste Reflex vieler blasser Menschen mit Migrationsgeschichte: „Na ja, Moment …“

Ich hab einen Tag vor Varatarajahs Instagram-Story den Oscar-nominierten Film „Quo Vadis, Aida“ gesehen, über das Massaker von Srebrenica. Im Juli 1995 wurden in Srebrenica über 8.000 Männer bestialisch ermordet, Frauen und Mädchen vergewaltigt – weil sie Mus­li­m*in­nen waren. Das gehört zur Geschichte meines Herkunftslandes, einer, vor der meine Mutter und ich 1992 nach Österreich geflohen sind, während mein Vater bleiben musste.

In Österreich wurden wir wie minderwertige Menschen behandelt. In uns Mi­gran­t:in­nen stecken Erfahrungen, die plötzlich in Begriffen wie People of Color kollektiviert zu werden scheinen. Endlich wird unser Schmerz gesehen. Deshalb quetschen sich wohl so viele in diesen Begriff, weil sie sonst nirgends reinpassen. Aber so unterschiedliche Lebensrealitäten können nicht in einem Begriff vermengt werden, sie müssen es auch nicht.

Wenn ich weiß, dass Schwarze Menschen in Bosnien aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert werden würden und dass beispielsweise eine Schwarze Muslima in der Diaspora andere Diskriminierungserfahrungen macht als ich, fühlt es sich falsch an, mich als nicht weiß zu bezeichnen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Autorin "Generation haram", Journalistin, ehemalige Lehrerin, lebt in Wien

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.