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Frieden in NahostEine Atempause, aber keine Lösung

Lisa Schneider

Kommentar von

Lisa Schneider

Der Albtraum ist vorbei – ein bisschen. Doch leider stehen derzeit alle Zeichen gegen eine langfristige Lösung des Konflikts.

Werden sie sich entwaffnen lassen? Maskierte Hamas-Kämpfer beziehen in Chan Junis im Gazastreifen Stellung, am 13.10.2025 Foto: Abdel Kareem Hana/AP/dpa

D er Albtraum ist vorbei – zumindest ein bisschen. Die 20 lebenden Geiseln sind alle zurück in Israel, die Rückführung der getöteten Geiseln wird vorbereitet. Und im Gazastreifen selbst schweigen weiterhin die Waffen, wenn auch nicht klar ist, wie lange das so bleiben wird. Die Hoffnungen liegen auf einem Abkommen, bei dem über die erste Phase hinaus nichts klar ist.

Eines scheint aber schon klar: Die Grundprobleme in diesem Konflikt – die israelische Besatzung palästinensischer Gebiete einerseits und die Militanz palästinensischer Gruppen samt Ablehnung Israels andererseits – bleiben ungelöst.

Der Trump-Deal sieht, wenn man ihn diesbezüglich wohlwollend interpretiert, die Möglichkeit vor, dass die Palästinensische Autonomiebehörde als Kontrollinstanz nach Gaza zurückkehrt und so zumindest die beiden palästinensischen Territorien wieder in einer Hand liegen. Das könnte eventuell und eines Tages – und nur bei einer signifikant geänderten Position der israelischen Regierung – zu neuen Verhandlungen für eine Zweistaatenlösung führen. Könnte. Eine echte, faire Chance auf gleichberechtigtes Leben von Palästinensern und Israels nebeneinander sieht aber anders aus.

Auf der anderen Seite sieht der Trump-Plan zwar vor, dass die Hamas keine Rolle mehr in Gaza spielt und sich entwaffnen muss. Doch gerade spielt sie eher – im Schutz der Waffenruhe vor dem israelischen Militär – ihre Stärke gegenüber der Bevölkerung aus. Sie ist wieder vermehrt auf den Straßen zu sehen – und rechnet ab mit einerseits tatsächlichen Kriminellen, die während des Krieges der Bevölkerung Hilfsgüter stahlen. Und andererseits mit Zivilisten, die es gewagt hatten, sich gegen sie zu stellen.

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Die Verhandlerteams aus den USA, Katar, Ägypten und der Türkei haben in den vergangenen Tagen Erstaunliches vollbracht: Sie haben eine erste Abkommensphase zusammenbekommen, an die noch vor Wochen kaum einer geglaubt hätte. Und gegen die alle Zeichen standen.

Leider stehen derzeit alle Zeichen gegen eine langfristige Lösung des Konflikts. In einer besseren Welt würde das Momentum der derzeitigen Verhandlungen genutzt, um noch einen Schritt weiter zu gehen: um endlich eine Perspektive für einen neben Israel existierenden, dem Frieden verpflichteten palästinensischen Staat schaffen. Das Momentum wird wohl verstreichen – auch, weil die europäischen Staaten, wie derzeit so oft, über Worte nicht hinauskommen.

Der Albtraum ist vorbei oder macht zumindest Pause. Doch das Bett, in dem die Beteiligten beider Seiten jeden Tag aufwachen, bleibt dasselbe.

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Lisa Schneider
Redakteurin für Nahost
Redakteurin für Westasien & Nordafrika. Studium in Beirut, Mainz und Paris. Alumna des Ernst Cramer & Teddy Kollek Programms (IJP) bei Times of Israel.
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