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: Dünger für den Hass

Die FDP fordert populistisch, dass die Behörden immer die Herkunft von Verdächtigen nennen sollen.Wohin solche Forderungen führen können, zeigen die rechtsextremen Mobs in Großbritannien

So funktioniert nüchterne Ermittlung: ein Forensiker bei der Arbeit in Southport Fotos: James Speakman//PA Wire/dpa

Von Mohamed Amjahid

Da in Deutschland abermals eine Debatte über die Nennung der Herkunft von Verdächtigen bei Straftaten entbrannt ist, gehören zwei Fakten an den Anfang dieses Texts.

Erstens: Valide wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Soziologie und Kriminologie zeigen, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Herkunft von Tä­te­r*in­nen und Kriminalität gibt. Andere Faktoren spielen da eher eine Rolle: Sozialisierung, Alter oder das Geschlecht.

Zweitens: Der geltende Pressekodex ist in Deutschland sehr deutlich, wann die Herkunft ei­nes*­ei­ner Tä­te­r*in genannt werden soll und wann eben nicht. Diese Richtlinie kann wie folgt zusammengefasst werden: Ist die entsprechende Herkunft relevant, um die Tat selbst zu kontextualisieren, sollte sie unbedingt erwähnt werden. Beispiel: Wenn ein Täter sein Opfer entführt und ins Ausland verschleppt, ist es unter Umständen wichtig zu wissen, woher dieser Täter stammt. Noch ein Beispiel: Wenn ein Täter als Spion unterwegs ist, spielt die Herkunft mit hoher Wahrscheinlichkeit eine wichtige Rolle. Wenn die Herkunft für die Tat aber irrelevant ist, ist sie es für die Berichterstattung ebenfalls.

Doch diese durch unzählige Studien und kriminologische Praxis erprobten Erkenntnisse werden wieder mal bei der aktuellen Debatte missachtet, ja sogar von jenen ins Lächerliche gezogen, die es nicht interessiert, dass sie nach Wahlkämpfen verbrannte Erde hinterlassen. So hat FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai populistisch gefordert, die Behörden sollten die Herkunft von Verdächtigen immer nennen.

Diese gefährliche Forderung bringt mehr Unsicherheit für die Gesellschaft: Verdächtige gelten bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig. Ihre Herkunft zu nennen, gleicht eher einer Kategorisierung von Kriminalität nach Hautfarbe in „gut“ (wenn der Täter zum Beispiel Müller heißt und weiß-deutsch ist) oder „schlecht“ (wenn der Täter zum Beispiel Djir-Sarai heißt). Auch ist die viel diskutierte polizeiliche Kriminalstatistik mit Vorsicht zu lesen: Sie bezieht sich auf Verdächtige und spiegelt die Perspektive der Polizei wider. Die pauschale Nennung der Herkunft von Verdächtigen sät Hass in der Gesellschaft und kippt noch braune Gülle als Dünger nach. Eine pauschale Umsetzung in den Sicherheitsbehörden und/oder im Journalismus wäre ein großer Sieg für den Rechtsextremismus.

Die Wissenschaft zeigt, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Herkunft von Tä­te­r*in­nen und Kriminalität gibt

Wo solche Debatten enden können, zeigt sich derzeit in Großbritannien. Dort über­ziehen seit Tagen gewalttätige rechts­extreme Mobs das Land mit rassistischer ­Gewalt. Sie greifen Unterkünfte für Geflüchtete an, plündern Supermärkte und demolieren Moscheen. Auslöser war eine Debatte über die Herkunft eines jungen Täters, der vor wenigen Tagen in der Stadt Southport drei Kinder getötet hatte. Längst kursierten Falschinformationen über seine Herkunft im Netz. In rechtsextremen Kreisen wurde er intendiert-fälschlich als muslimischer Asylbewerber betitelt. ­Tatsächlich handelte es sich um einen im Vereinigten Königreich geborenen Sohn einer christlich geprägten Einwandererfamilie.

Nun könnte man argumentieren: Gerade deswegen sollte man immer die Herkunft nennen. Doch so einfach ist es nicht. Die kontextbefreite und pauschale Betonung der Herkunft würde schlicht als Rampe für Rassismus dienen und nichts zur Bekämpfung von Kriminalität oder zum Opferschutz beitragen. Klare Regeln, die in Deutschland über den Pressekodex schon existieren, sollten auch klar kommuniziert und angewendet werden. Die Herkunft des Täters spielt in diesem und in sehr vielen anderen Fällen keine signifikante Rolle. Die Aufklärung von Kriminalität sollte im Mittelpunkt stehen, nicht die rassistische Projektion radikalisierter Gruppen und einer Hass säenden Politik.