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Rechtsruck im politischen DiskursDas Problem reicht bis in die Mitte

Dinah Riese
Kommentar von Dinah Riese

Beim Fokus auf die Demokratiefeindlichkeit der AfD wird übersehen, was in der Mitte passiert. Dort imitieren Parteien zunehmend AfD-Rhetorik.

Breites Bündnis gegen die AFD in Schwerin: Lichtermeer auf dem Marktplatz Foto: Ulrich Perrey/dpa

N och ein paar Monate, dann gibt es in Deutschland den Doppelpass. Ein Schritt, der in einer globalisierten Welt und in einem Einwanderungsland längst überfällig ist – und der dennoch nur gegen heftige Widerstände aus Teilen des politischen Spektrums durchgesetzt werden kann.

Die Ampel setze sich ein „für eine Einbürgerung der Falschen, statt für eine Ausbürgerung der Richtigen“. Klingt nach rechtsextremen Deportationsfantasien? Ist aber „christlich-demokratische“ Union. Diesen Satz sagte der CDU-Politiker Phillip Amthor Ende November, als der Bundestag erstmals über die Gesetzentwürfe zu schärferen Abschieberegelungen und liberaleren Einbürgerungen debattierte.

Der politische Diskurs in Deutschland steht sperrangelweit offen, und zwar nach rechts. Die offene Gesellschaft ist akut bedroht. Allzu einfach ist es in dieser Situation, nur die AfD in den Blick zu nehmen, deren Abgeordnete rechtsextreme Schlagworte wie „Remigration“ längst nicht nur auf geheimen Treffen bedienen, sondern schon seit Monaten in aller Öffentlichkeit – auch im Deutschen Bundestag. Es ist löblich, dass der Bundeskanzler und andere Spi­tzen­po­li­ti­ke­r*in­nen ­gegen rechte Umsturzfantasien auf die Straße gehen. Aber den Kampf gegen rechts gewinnt man nicht nur am rechten Rand, man muss ihn auch in der Mitte führen.

Die Union tut seit Monaten so gut wie alles dafür, solchen Inhalten den Boden zu bereiten. Tagtäglich gibt sie der AfD recht, wenn sie behauptet: Das Hauptproblem im Lande sind Migrant*innen, egal, ob es um Antisemitismus geht, um Wohnungsnot oder um den Haushalt. Von Amthors Ausbürgerungswünschen zur „Remigration“ ist es am Ende nicht weit.

Die Ampelkoalition hat sich in den vergangenen Monaten davon zu sehr treiben lassen. Davon zeugen die vielen restriktiven Maßnahmen im Migrationsbereich – gerade auch das in dieser Woche anstehende sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz. Es wäre zu hoffen, dass die Union ihren zerstörerischen Kurs ändert. Doch darauf warten darf der Rest des Landes nicht.

Aufgabe der Ampelkoalition wäre es, das Momentum der Straße ohne Wenn und Aber ins Parlament zu tragen

Tausende gehen in diesen Tagen gegen rechts auf die Straße. Aufgabe der Ampelkoalition wäre es, dieses Momentum ohne Wenn und Aber ins Parlament zu tragen – nicht nur in ihrem Widerspruch gegen AfD und Union, sondern auch im eigenen Regierungshandeln. Dazu würde gehören, das Bekenntnis zu einem modernen Einwanderungsland selbstbewusst für sich stehen zu lassen – statt es mit massiven Grundrechtseingriffen und Abschreckungsmaßnahmen gegenüber ­Geflüchteten direkt wieder zu untergraben.

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Dinah Riese
Ressortleiterin Inland
leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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39 Kommentare

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  • Wieso nur bis in die Mitte?

    Wir erleben gerade eine Abspaltung der Linkspartei, deren Programm von AfDlern beklatscht wird.

    Wir erleben offenen Antisemitismus von links.

    Beim Rechtsruck nur bis zur Mitte zu kommen, heißt, das linke Auge zugemacht zu haben.

  • Mitte Rechts

    Zitat: „Das Problem reicht bis in die Mitte.“

    Da hat Dinah Riese wohl sehr recht und bürstet mit dieser Erkenntnis dankenswerterweise gehörig gegen den Strich.

    Allerdings war es dort schon immer angesiedelt. Neulich versprach Söder, die AfD „ernster zu nehmen“( Tagesspiegel, 23. 9. 2023). Am „ernstesten“ haben die C-Parteien politische Formationen vom Geisteszustand der Afd in der Frühzeit der Bonner Republik genommen, als Relativierungen des „Nationalsozialismus'“ (welch verlogener Euphemismus!), Rassismus, Antisemitismus, Revanchegelüste gegenüber dem Kreml nach dem verlorenen Krieg usw. keine Randphänomene waren, sondern sich in der politischen Mitte behaglich räkelten:

    Der FDP-Landesverband NRW entpuppte sich bald als Quasi-Nachfolgepartei der NSDAP und wurde folgerichtig von der britischen Besatzungsmacht aufgelöst.

    Die AfD-Vorgängerparteien «Deutsche Partei» und BHE saßen nicht nur in allen Länderparlamenten, sondern auch im Bundestag und bildeten mit der Union sogar mehrere Koalitionsregierungen. DP-Chef H. C. Seebohm, unter Hitler ein Chef-Arisierer jüdischen Eigentums, saß bis 1966 im Bundeskabinett und war kurz gar Vize-Kanzler. Seine Fusionspläne mit der NPD scheiterten nur am Widerstand der Besatzungsmächte. Seine Reden troffen vor Ehrfurcht vor den Hakenkreuzlern und Abscheu vor dem Grundgesetz („von den Alliierten aufgezwungen“). Der Sozialdemokratie dichtete er „asiatische Wurzeln“ an, die daher nicht zum „Deutschtum“ führen könne.

    Bundesvertriebenenminister T. Oberländer (NSDAP-Mitglieds-Nr. 2331552), zunächst FDP, dann BHE, schließlich CDU mit Direktmandat, warnte vor dem „Anschwellen der slawischen Bevölkerung als Gefahr für Europa“, nachdem er bereits 1937 im Judentum die Wurzeln des Kommunismus sah.

    Wie zu sehen, bedeutet die Höchststufe der Union im „Ernstnehmen“ der Rechtsrandigen aller Erfahrung nach, mit ihnen zu koalieren. So wird es auch diesmal kommen. Alles andere wäre „contre nature politique“.

  • 6G
    681667 (Profil gelöscht)

    Klar, man kann auch die gesellschaftliche und politische Mitte anbräunen. Schon mal über die Folgen nachgedacht?

    Wenn man die neuesten Umfragen zugrundelegt, sind nur noch höchstes ein Drittel der Bevölkerung mehr oder weniger links. Mitte-rechts hat eine satte Mehrheit. Wenn sich die politsch manifestiert... Das wird sicher lustig.

    Früher konnten Linke strategisch denken.

  • "Die Ampel setze sich ein „für eine Einbürgerung der Falschen, statt für eine Ausbürgerung der Richtigen“. Klingt nach rechtsextremen Deportationsfantasien?"

    Ausbürgerungen sind mit Sicherheit zu kritisieren. Wer aber die Position, dass Antisemiten und Nazis mit einer doppelten Staatsbürgerschaft ausgebürgert werden sollen mit "rechtsextremen Deportationsfantasien", hat nicht verstanden, was Rechtsextremismus ist. Rechtsextreme an der Macht werden sicherlich nicht sich selbst ausbürgern.

  • Das muss ich leider bestätigen, ich habe mich gestern mit einem Arbeitskollegen* über den Euphemismus "Remigration" unterhalten und dass die Union das verklausuliert aufnimmt, da kam dann ein "ja aber" bezüglich der gehypten Silvesterkrawalle und das "Remigration" dann doch angemessen wäre.



    Ich war sprachlos und kann das immer noch nicht richtig einordnen. Vielleicht liegt es daran, das es in seiner biodeutschen Familie niemanden mit Migrationshintergrund gibt und es auch keine Flucht- und Vertreibungsgeschichte gibt und es diesbezüglich an Empathie fehlt.

    *) linker Grünenwähler der sich früher noch mit Nazis geprügelt hat

  • Können Parteien, die rechte Rhetorik verbreiten, überhaupt noch als Mitte bezeichnet werden?

    • @Besorgte_Bürger:

      > Können Parteien, die rechte Rhetorik



      > verbreiten, überhaupt noch als Mitte



      > bezeichnet werden?

      Mitte des politischen Spektrums? Oder Mitte der Gesellschaft?

      Ist halt beides nicht deckungsgleich und entwickelt sich in eine zunehmend unappetitliche Richtung ...

    • @Besorgte_Bürger:

      Dann wären sie ja links der Mitte?



      Die Mitte bedingt Rechte und Linke Positionen, sonst kann man nicht in der Mitte dazwischen stehen.

    • @Besorgte_Bürger:

      Diese von Ihnen bezeichnete "rechte Rhetorik" war noch bis Mitte der 80er gebräuchliches Vokabular von CDU und SPD. War das nie die Mitte?

  • Komisch, seit die Ampel regiert (Dezember 2021) haben sich die Umfragewerte der AFD bundesweit mehr als verdoppelt.....Mal darüber vielleicht nachdenken.

    • @Ömeg:

      Und die Beiträge in Konservativen Medien, welche der AFD nach dem Mund reden, gefühlt verhundertfacht, was jetzt natürlich nicht als Entschuldigung für die abschnittsweise desaströse Regierngspolitik hinhalten soll, nachdenken sollte man trotzdem!

  • Wenn es gesellschaftlicher Mitte im Krisenmodus beim Diskurs im öffentlichen Raum, Parlamenten zu eng wird, gerät sie in Panikmodus mit Tunnelblick, setzt sie auf Wagniskapital in Joint Venture verbalradikaler Rabulistik Sprache des Unmenschen mit Rechtsaußen bei Geheimtreffen in Hinterzimmern, wie es SPD Fraktionsvorsitzender Herbert Wehner (1906-1990) wiederholt in Richtung UNION im Bundestag auf den Punkt brachte. Statt z. B. globale Geflüchteten- , Migrationsfragen, s. UNHCR Bericht 2022, in dem von 110 Millionen Geflüchteten inner-außerhalb ihrer Länder, 280 Millionen Arbeitsmigranten ohne gesicherten Status in Aufnahmeländern, noch Aussicht, ihre Versetzung in vorherigen Stand zu betreiben, die Rede ist, an Weltgipfel wie bei Klimakrise zu adressieren.



    Da die Mitte d Drive Richtung verbalradikal Rabulistik Sprache des Unmenschen als solche öffentlich nicht kenntlich machen will, verlegt sie sich mit Sinn für Ausweitung verbaler Kampfzonen auf amtliche Sprachreglung von akrobatischen Wortschöpfungsungetümen wie „Rückführungsverbesserungsgesetz“ durch Regierungssprecher mit dem scheinbar alles gesagt ist, nur nicht das Eigentliche.



    Bis zur Wahl an die Macht bleiben die Rechtaußen, seit 2013 hierzulande die AfD die nützlichen Idioten, Stichwortgeber gesellschaftlicher Mitte ohne salonfähig zu gelten. Bis ein Schwarzer Schwan am Horizont auftaucht, einem Ereignis mit dem Niemand rechnen konnte. So geschehen 1927 in Weimarer Republik, als militante Landvolkbewegung in Itzehoe Norddeutschland sog. Bonzen der Mitte Rathäuser unterm Amts-Arsch mit Bomben wegsprengte, „Holland in Not“ war, auf Druck der NSDAP Gauleiter, denen die Landvolk Rebellion zur Unzeit kam, man wollte doch legal an die Macht seit gescheitertem Hitler/Ludendorff Putsch München 9.11.1923, Adolf Hitler sich genötigt sah als Streitschlichter zu fungieren, was ihm geschmeidig gelang als hätte der Wolf Kreide gefressen, so wie jetzt Alice Weidel/AfD bei bundesweiten Bauern Traktoren Demonstrationen?

  • Interessant. Das habe ich gestern erst wieder gesagt. Es ist gut, dass wir gegen die AfD auf die Straße gehen. Aber noch wichtiger und effektiver wäre es, gegen die CDU auf die Straße zu gehen.

    Schön, dass ihr aus meiner Meinung einen Artikel gemacht habt! ;-)

  • Die Abschiebeampel hält ihre kleine, eher verhaltene Reform wohl selber für eine 'Verramschung', wenn sie es für notwendig erachtet diese im Paket zusammen mit erleichterter Abschiebungen verabschieden zu müssen. Nein danke.

  • Das Problem ist die Vermischung von gewollter Einwanderung (als Vorbild immer genannt: Kanada) und der Asylpolitik.



    Wir wollen eine Einwanderung in die Arbeit (Stichworte Kranken- und Altenpflege, (Bau-)Handwerk, IT), bekommen aber vor allem ungelernte und für die Arbeit ungeeignete Arbeitskräfte.

    Grund: Die Asylpolitik dient sehr oft als Schlupfloch für Arbeitsmigranten (eher selten -migrantinnen), die in ihrer Heimat nicht verfolgt werden, deswegen eigentlich kein Asylrecht haben, aber in ihrer Heimat keine wirtschaftliche Zukunft sehen. Deren Asylanträge werden dann abgelehnt, aber zur Ausreise kommt es nicht, da dann plötzlich keine Papiere mehr da sind o.ä. Diese Menschen werden dann hier befristet geduldet, und dürfen keine Arbeit aufnehmen, müssen also über den Sozialstaat finanziert werden.

    Aber auch für Asylberechtigte oder vor einem Krieg geflohene und damit aufenthaltsberechtigte Menschen ist es schwer, in vernünftige Arbeit zu kommen, denn hier fehlen einfach oft die Qualifikationen.

  • "... imitieren Parteien zunehmend AfD-Rhetorik."

    Sie müssen das verstehen.

    Parteien wollen ja für alle wählbar sein.



    Auch für die tumben Toren dieser Welt.

    Und damit Die nicht an den rechten Rand abdriften, muss man denen such was bieten.

  • In den letzten Tagen wird das Treffen in Potsdam mit seinen Teilnehmern immer wieder thematisiert.



    Mir persönlich kommt die Teilnahme der Unionsmitglieder und die der "Werteunion" aber leider etwas zu kurz.



    Davon ist in den öffentlich Rechtlichen nicht viel zu hören.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Tom Lehner:

      „Das Problem reicht bis in die Mitte"



      ---



      Das Problem stammt aus der Mitte!



      „Alternativlos.“ So hieß es dort immer.



      AfD will bewiesen: „Es geht noch viel schlimmer.“

  • Die Linke und auch die Autorin macht es sich viel zu einfach, wenn sie jetzt die Verantwortung auch und ausschließlich bei der CDU und nur bis in die Mitte reichend sieht; denn auch links der Mitte trägt meinen einen großen Anteil am Erstarken der AfD.

    Ein Teil des Problems ist doch vielmehr, dass die CDU in der Vergangenheit einige konservative Positionen aufgegeben und weiter in die Mitte gerückt ist, damit hat sie zwangsläufig eine Flanke rechts von ihr geöffnet. Mir wäre es recht, wenn sie diese wieder schließt und damit der AfD Stimmen entzieht. Den anders als bei den ***Geigen der AfD kann es an der Verfassungskonformität der CDU keinen ernsthaften Zweifel geben.

    Wenn jetzt aber die links der Mitte sofort aufgeschrien wird, wenn die CDU versucht diese Rolle wieder zu erfüllen, dann zeigt sich das, wo ich die Mitverantwortung der Linken sehe. Jeden der sich für die schnellere und stringentere Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern reflexartig in die Naziecke zu schieben wie es auch hier durchklingt ist nicht hilfreich, sondern extrem kontraproduktiv.

    Das ist halt die Crux mit der Demokratie: Es braucht Mehrheiten. Und wenn eine Mehrheit nun mal der Meinung ist, dass in der Migrationspolitik einiges gewaltig schief läuft, dann ist es die Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik darauf zu reagieren indem man etwas ändert oder deutlich besser kommuniziert und die Mehrheit davon überzeugt, warum es so wie es ist doch richtig ist. Aber einfach weder das eine noch das andere zu tun treibt er noch zu dumpfen AfD zu meinem großen Leidwesen die Wähler in die Arme.

    Insofern gibt es viele Schuldige an der jetzigen untragbaren Situation, dass eine in weiten Teilen gesichert rechtsextreme und in meinen Augen ebenso gesichert lösungsunfähige AfD sich im Aufwind befindet.

    Alle demokratischen Parteien sollten sich daher aufhören sich gegenseitig zu beschuldigen und endlich die Probleme angehen; das gilt auch für links der Mitte.

    • @Fran Zose:

      Die Flanke, die die CDU nach rechts geöffnet haben soll, deckt ja nun Frau Wagenknecht mit ihrer neuen Formation - wenn Ihnen das lieber ist? Wir werden’s ja schon bei den bevorstehenden Landtagswahlen und der Europawahl in diesem Jahr sehen, wie gut das funktioniert. Ich persönlich bleibe skeptisch.



      Aber abgesehen davon kann ich Ihre Argumentation nur in dieses immerwährende regressive „Die-Merkel-ist-schuld!”-Geplärre einordnen. Ich kann’s schon nicht mehr hören. Merkel hat alles richtig gemacht, was die programmatische Standortbestimmung der CDU betrifft. Auch in der Flüchtlingskrise von 2015. Da hat sie bewiesen, dass sie die Vorsitzende einer CHRISTdemokratischen Partei ist. Wie gut oder schlecht das jeweils in konkrete Politik umgesetzt wurde, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt.



      Wenn jetzt aktuell 53% der CDU-Wähler ein AfD-Verbot befürworten, gibt das doch eher Anlass zur Hoffnung, oder?

    • @Fran Zose:

      Das sehe ich exakt genau so. Was mich an diesem Kommentar und anderen ähnlichen Tenors in der taz immer wieder verblüfft, ist die offenbar unerschütterliche Überzeugung, dass die eigenen politischen Ziele selbstverständlich richtig seien, von der Mehrheit der Menschen im Prinzip ähnlich gesehen würden und nur einer besseren Vermittelung ohne die störende Quertreiberei und rechte Anbiederung seitens der Union bedürften.

      Wenn Dinah Riese hier tapfer ein "Bekenntnis zu einem modernen Einwanderungsland" fordert, dann fragt man sich aber, was das eigentlich konkret heißen soll: "Wir schaffen das" reloaded? Hat ja bekanntlich schon einmal prächtig funktioniert. Es war bekanntlich Angela Merkels Politik (die in großen Teilen der Union ja alles andere als populär war), die der damals doch recht siech darniederliegenden AfD wieder Auftrieb verschaffte - und zwar obwohl dieses Thema in den bisherigen Wahlkämpfen keine große Rolle spielte.

      Und die politischen Angebote liegen ja auf dem Tisch. Wer offene Grenzen haben möchte, kann "Die Linke" wählen. Die krebst aber um oder unter der 5%-Hürde herum. Aber wer glaubt bitte ernsthaft, dass sich das mit Frau Rackete an der Spitze im Europawahlkampf grundlegend ändern wird?

      Die AfD hat seit 2015/16 wie keine andere Partei offensiv und aggressiv auf das Thema "Migration" gesetzt (wie im übrigen alle rechtspopulistischen/rechtextremen Parteien in Europa - was ja hier gerne übersehen wird). Jeder, der sie wählt, weiß also, wofür sie da inhaltlich steht.

      Die Vorstellung, beim Thema Migration müsse man nur das Framing ändern (und darauf laufen ja auch andere Kommentare in der taz letztlich hinaus) und dann würden die AfD-Wähler scharenweise die Seiten wechseln, offenbart aber leider ein Ausmaß an Realitätsferne, das mich immer wieder sprachlos macht.

      • @Schalamow:

        „… ist die offenbar unerschütterliche Überzeugung, dass die eigenen politischen Ziele selbstverständlich richtig seien …“



        Naja, gegen gegen ganze Bevölkerungsgruppen gerichtete Deportationspläne auf die Straße zu gehen, kann ja nicht so ganz falsch sein. Auch das heißt: Nie wieder ist jetzt! Nichts anderes als Deportation bedeuten nämlich die Remigrations-Fantasien eines Martin Sellner. Und es sind ja längst keine bloßen Fantasien mehr, schaut man auf die Entwicklungen in der europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik.

    • @Fran Zose:

      Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes? Brecht Zitat.

  • Danke für diesen wunderbaren, leider völlig richtigen Kommentar. Es zeigt deutlichst, was sämtliche Fachleute seit langem predigen: solche Formulierungen schaufeln der AfD die Wählerstimmungen zu.

  • "Dort imitieren Parteien zunehmend AfD-Rhetorik."

    Warum so schüchtern? Es sind ja vor allem 2 Parteien, und die haben Namen.

    • @Ajuga:

      Es sind 3: spd grüne und FDP.



      Und die Rhetorik ist zum Beispiel das Rückführungsverbesserungsgesetz.



      Auch wieder netter Name für Remigration.

  • Mal ist in Deutschland das Gesicht zu freundlich und mal zu häßlich.



    Wie wäre es zur Abwechslung mal mit angemessenen Kommunikationsverhalten? Wir könnten uns viel Ärger ersparen.

  • Die CDU ist definitiv keine Partei der Mitte.

    • @thomys:

      Doch - mehr Mitte geht ja kaum noch. Denn alles was rechts der Mitte war ist nun AfD, dazu gehören auch diverse Positionen, die noch vor 40 Jahren ebenfalls CDU-Themen und damit Teil der Mitte waren.

  • Mich überzeugt die These nicht, dass alle Parteien angeblich AfD-Rhetorik übernehmen und sich von dieser treiben lassen.

    Konservative Parteien wie CDU/CSU stehen nicht erst seit kurzem Zuwanderung kritisch gegenüber - und die Positionen Abschiebungen/Migranten gegenüber sind heute nicht anders als vor 20 Jahren.

    Davon abgesehen ist es nicht verwunderlich, dass angesichts stark gestiegener Flüchtlingszahlen in den letzten Jahren das Thema bei allen Parteien stärker im Fokus steht als früher und die Parteien ganz von alleine (ohne AfD) restriktiven Maßnahmen als einen Baustein des richtigen Umgangs sehen.

  • Wie viele der Demonstranten werden in den kommenden Monaten und Jahren ihr Wahlrecht ausüben?



    Das hätte nachhaltige Wirkung.



    Die Halbwertzeit von politischen oder tagesaktuellen Aufregern beträgt in der Regel nämlich rund 14 Tage. Leider. Dann wird abgelöst.

  • Tausende gehen auf die Straße gegen rechts, Millionen würden lt. Umfrage rechts wählen.



    Dass es jetzt bei deren Erfolg Trittbrettfahrer gibt, ist traurig, aber Gegensteuern ist wohl zu unbequem. Wahrscheinlich finden viele bisher Verkappte es auch angebracht.

  • Leider würde ich diesem Kommentar zu 100 Prozent zustimmen.



    Siehe Friedrich Merz er hat mit einem rechtsextremen Diskurs in Sachen Asyl/Geflüchtete keinerlei Berührungsängste, solange er meint, es nütze ihm. Auch die Freien Wähler in Bayern sind nach meiner Auffassung schon auf dem Weg nach ganz Rechts. Und das finden die sogar ganz gut.

    Und Scholz sollte besser überlegen, bevor er einie Abschiebewelle ankündigt: "Wir müssen schneller abschieben" Und mussten/müssen wir das wirklich?

  • Abschiebekanzler?

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Ja. Und Kriegskanzler. Und Sozialabbaukanzler.

      • @Uns Uwe:

        Ja sowas! Wo ist die Bundeswehr denn unter Scholz' Führung einmarschiert?



        Mit Verlaub - so ungern in Scholz in Schutz nehme: hier muss ich es wirklich tun.

  • Schaut man sich die letzten Umfragen von Forsa oder Insa an, hatte die aktuelle Diskussion um die AfD Null Effekt.

    • @Pi-circle:

      Im Gegenteil. Die AFD kann sich doch genüsslich mit einer Tüte Popcorn in Ruhe anschauen, was die anderen so treiben.



      Dass die Vorsitzende einer Regierungspartei öffentlich regelmäßig inhaltlich vorgeführt wird (z.B. Durchschnittsrente nicht kennen), macht die Sache für die AFD immer einfacher.

    • @Pi-circle:

      Eventuell könnten Wähler zur Wagenknecht-Partei abwandern. Die hat ja laut letzter INSA-Sonntagsumfrage aus dem Stand heraus in Thüringen 17% und in Brandenburg 13% Stimmen-Anteil.

      Insofern Ideal, weil unter diesen Verhältnissen Schwarz-Rot-Grün selbst mit Hilfe von der Linken keine Mehrheit für eine Regierungsbildung erlangen kann.

      Endlich werden die Landtagswahlen mal wieder spannend !