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Elitärer LiteraturkanonKein „bok“ auf Faust I

Es wird viel über diversere Literatur im Schulunterricht diskutiert. Aber das Problem ist der Kanongedanke an sich.

Kein BOK auf Faust Foto: Donatella Loi/plainpicture

M eine erste „Faust“-Ausgabe war ein kleines braunes Heft mit einer Illustration vorne drauf. Ich erinnere mich nicht mehr daran, was die Illustration zeigte, aber die Farbe hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Mit einem Filzstift, ebenfalls braun und eine halbe Nuance dunkler, schrieb ich in Großbuchstaben das türkische Wort „bok“ vorne drauf.

Ich war in der elften Klasse und durchlebte eine Reihe von unangenehmen Gefühlen, als wir im Deutschunterricht gezwungen wurden, uns mit Goethes Drama über den Teufelspakt auseinanderzusetzen: Langeweile, Ekel, Wut. Nicht nur Wut auf diesen unleserlichen Text, dem ich keine zwei Zeilen lang folgen konnte, ohne mir peinlich und dumm vorzukommen. Sondern auch auf meinen Schlaumeier-Banknachbarn, der sich sichtlich bemühte, so zu tun, als würde er den Text verstehen. Ich kritzelte auch auf seine Ausgabe, er war sauer und übermalte meine Schrift, bis das „bok“ nicht mehr erkennbar war.

Was mein Mitschüler von damals wohl dazu sagen würde, dass ich heute aus freien Stücken an meinem Schreibtisch sitze und den „Faust I“ lese? Zugegeben, auch heute noch macht mir Goethes Sprache größtenteils zu schaffen, aber ich entdecke Dinge in dem Text, über die ich als 16-Jährige mit meiner Deutschlehrerin niemals hätte sprechen können: die homoerotische Ebene zwischen Faust und Mephisto etwa, oder die Pro-Choice-Dimension in Gretchens Kindsmord.

Hin und wieder finde ich sogar einen wunderschönen Satz, den ich mir ins Notizheft schreibe. Mein Auge hat sich über die Jahre eben verändert, im Gegensatz zu damals lese ich jetzt nicht nur freiwillig Bücher, sondern auch noch für mein Leben gern. Allerdings entdeckte ich diese Liebe eher zufällig und erst nach meiner Schulzeit, in der mir ein Klassiker nach dem anderen aufgezwungen und mir somit jegliches Interesse an Literatur früh versaut wurde.

Pflichtlektüre macht das Leben schwer

Nun wird der „Faust“ nach und nach aus den Lehrplänen der Bundesländer verbannt, zuletzt in Bayern. Während die Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar in einem offenen Brief an Markus Söder darum bat, die Entscheidung rückgängig zu machen, und noch ein paar weitere Philologen vehement auf die Aktualität der Themen in dem Klassiker hinwiesen, war von Kommentator_innen in der Presse in den vergangenen Monaten höchstens ein Schulterzucken zu vernehmen. Zu viele sind womöglich selbst gebeutelt von dem Drama, das seit 47 Jahren als Pflichtlektüre Schüler_innen das Leben schwer macht.

In der bürgerlichen Presse ist seit Jahren eine Auseinandersetzung mit der Kritik zu lesen, unser Kanon sei zu weiß, männlich, heteronormativ, eurozentristisch, und das alles stimmt natürlich. Aber das Problem sind gar nicht „Faust I“ oder Goethe, und auch nicht Schiller, Lessing und wie sie alle heißen. Das Problem ist der Kanongedanke an sich. Und dieses Problem wird sich nicht lösen, indem wir den Kanon um ein paar diverse Quotenautor_innen erweitern.

Denn der Kanon ist in sich eine elitäre Erzählung, die identitätsstiftend für bestimmte Schichten, ja gar für eine Nation ist, seine Bedeutung thront immer auch auf dem Stolz auf eine Zugehörigkeit zu diesen, und somit gehört er gänzlich abgeschafft – wenn wir denn den literarischen Werken auf ihm jemals gerecht werden wollen. Denn nicht nur die Schüler_innen müssen vom Kanon befreit werden, sondern auch die Texte selbst.

Wie schön wäre es, wenn wir uns in der Schule unsere Lektüren selbst aussuchen könnten? Selbst herausfinden, welche Text uns interessieren und dann lernen zu formulieren, warum das so ist? Zwanzig Jahre habe ich gebraucht, um zu verstehen, warum ich dachte, der „Faust“ sei „bok“ – und warum er es möglicherweise doch nicht ist.

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Fatma Aydemir
Redakteurin
ehem. Redakteurin im Ressort taz2/Medien. Autorin der Romane "Ellbogen" (Hanser, 2017) und "Dschinns" (Hanser, 2022). Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift "Delfi" und des Essaybands "Eure Heimat ist unser Albtraum" (Ullstein, 2019).
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99 Kommentare

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  • Zum Glück durfte ich Faust erstmals in der 12. Klasse als Film im Kino kennenlernen. Die Bühnenverfilmung mit Gustav Gründgens ist so gut, dafür bin ich meinem Deutschlehrer heute noch dankbar.

    de.wikipedia.org/wiki/Faust_(1960)

    Verstanden hab ich die Faust Thematik allerdings erst 23 Jahre später beim lesen von "Geld und Magie" von Hans Chrtistoph Binswanger:

    www.amazon.de/Magi...aust/dp/3938017252

  • Sie hat Faust in der Schule gelesen! Das finde ich bemerkenswert. Das Anspruchsvollste, was mein Elftklässler bisher gelesen hat, war die "Schachnovelle". Viel mehr Lektüre war bislang auch nicht. Und selbst da hat die Lehrerin, mitten in der Pandemie - Achtung, kein Scherz - einen Link mitgeschickt, damit sie das auch als Hörbuch hören können, falls sie zum Lesen keine Lust haben. Man möchte weinen über so viel Idiotie.

  • Ich hatte Glück



    Jugend ohne Gott und die Blechtrommel haben mich über die Schule hinaus begleitet und mein Lehrer ließ "alternative" interpretation zu.



    Das deutsche "Bildungsbürgertum"wollte sich mit den Kamellen immer abheben.



    Denn es geht darum eigenständig denken zu lernen, das geht sogar mit einem Comic

  • Dem will ich mich so nicht anschließen. Muss aber vorher sagen, dass ich weder Faust erster und zweiter Teil gelesen habe. Und wahrscheinlich habe ich was verpasst. So wie ich sehr viel Literatur verpasst habe.



    Aber zum "Türöffner". Habe die Erfahrung gemacht, dass ein den "Türöffnier" anbieten, ober genommen wird oder nicht das eine ist. Wenn er genommen wurde, ist das Türöffnen aus freihen Stücken dann die andere Sache. Die Schule ist Pflicht. Es ist nun mal so, dass die Erwachsenen die Kinder dazu bringen, zwingen?, Schreiben und Lesen zu lernen, wann es die Erwachsenen für richtig halten. Und fast möchte ich sagen und fragen: Anders geht es wohl nicht?



    Trotzdem:



    Ich habe mit Kitakindern (Vorleser) und Grundschulkindern auf einem Naturerlebnispfad gearbeitet. Unsere Vorleseangebote waren immer FREIWILLIG. *Erleben* lässt sich nicht erzwingen. Wenn eine Klasse zu uns "auf den Pfad" kam, haben wir nie ein Kind gezwungen, an einem unserer Angebote teilzunehmen. Egal aus welchen Gründen. Sehr oft kam die Neugier später. Oft kamen wichtigere Anliegen oder drängende Erlebnisse zu Tage bei diesen Kindern. Auf die wir sehr begrenzt aber eben doch eingehen konnten, weil das aktuell für das Kind das drängendere war. Die allermeißten taten aber mit.



    Bei manchen Angeboten waren die Kinder von sich aus wettbewerbs- u. Leistungsorientiert. Wir haben immer darauf geschaut, dass das Kind aber bei sich bleiben konnte, bei dem was es kann und will. Und das haben wir versucht zu fördern.



    Beim Vorlesen war es oft so, dass sich einzelne Kinder von der Gruppe absonderten, still vor sich hin spielten. UND DIE HÖRTEN TROTZDEM ZU UND KONNTEN UNS SPÄTER DIE GESCHICHTE ERZÄHLEN.

    Kindern Angebote an Erlebnissen und (geistigen) Erfahrungen machen,. Ihnen den Schlüssel geben wenn sie wollen. Und wenn es gute Erfahrungen sind: Sie werden Jahre um Jahre später SELBST entscheiden, welche Türen damit öffen wollen.

  • Die Forderung, die kulturelle Identität gehöre abgeschafft, ist dann doch ein dickes Brett. Was soll das denn Positives bewirken?



    Finde ich auch eher albern, wenn an anderer Stelle gerade die Verteidigung der kulturellen Identität aller möglichen Minderheiten, Volksgruppen etc. eingefordert wird.



    Die der Deutschen aber nicht, weil das die Deutschen sind? Oder warum?

  • Na ja, auch Goethe war ja irgendwann mal neu und hat andere Autoren verdrängt, das passiert doch andauernd. Man muss heute nicht mehr unbedingt Faust lesen, eigentlich ist er auch nicht dazu gedacht, ist ja schließlich ein Theaterstück. Man kann ihn sogar auch einfach im Theater oder im Kino ansehen, geht schneller und ist vermutlich einprägsamer.



    Und dass selbst Kolonisierte in z.B. Afrika einen europäischen Literaturkanon in der Schule lesen mussten (und auch heute noch in der Sprache der Kolonisatoren über europäische Geschichte unterrichtet werden statt über ihre eigene), sollte einem in Bezug auf den Wert eines Kanons auch zu denken geben. Literatur ist eben mehr als europäische Klassiker. Lesen kann man die ja trotzdem auch, aber eben nicht primär. Geschichte der Biologie ist ja auch kein Schwerpunkt im Biologieunterricht.

  • Die Autorin hat mein ganzes Mitgefühl – ihr Text offenbart die ganze Misere des gegenwärtigen deutschen Bildungswesens: entsetzlich, das sie den Faust erst in der 11. Klasse (!) lesen durfte. Was um alles in der Welt haben die denn die ganze Zeit davor im Deutschunterricht gelesen – "Conny geht zum Ballett" oder "Bibi und Tina"? Und was konnte denn danach noch kommen, in den knapp 2 Jahren? Wir lasen wir in den 1970ern den Faust I noch vor der gymnasialen Stufe, also spätestens in der 8. Klasse (jaja, im Osten ging die Abiturstufe erst in der 9. Klasse los – es lasen ihn also nicht nur die "elitären" Gymnasiasten; der Faust II war dann tatsächlich den Gymnasiasten vorbehalten). Und er öffnete mir nicht nur die Tür zur klassischen Literatur, sondern auch zur Antike, zur Geschichte und zur Philosophie. Ich frage mich also, was da VORHER in der Schule schiefläuft, dass 16jährige nicht in der Lage sind (und zu Frau Aydemirs Schulzeiten auch schon nicht waren), den Wert dessen, was sie in der Schule angeboten bekommen, zu wertschätzen und FÜR SICH SELBST eine Essenz heraus zu ziehen. Auf die inhaltlichen Argumente von Frau Aydemir mag ich da gar nicht mehr eingehen ("Nationalstolz", "Heteronormativität", "alte weiße Männer" etc.), dieses ungelenke Entlanghangeln an zeitgeistigen Buzzwords scheint mir lediglich die Folge dieser geistigen Mangelernährung zu sein.

    • @Schusterjunge:

      Naja. Das klingt auch etwas elitär.



      Es gibt durchaus noch Literatur, die anspruchsvoller und lehrreicher (und interessanter) als "Conny" und "Bibi" und trotzdem wesentlich jünger als 200 und sogar jünger als 30 Jahre ist...wer das verkennt, verpasst auch einiges. Und interessante, sprachlich verständlichere Literatur kann sehr viel mehr bewirken im Hinblick auf Heranführen an Literatur als das zwanghafte Plagen mit Uralt-Lassikern, weil's der Kanon will.



      Aber früher war ja alles besser. Natürlich auch die Schulbildung. Hm.

      • @blutorange:

        Nein, so wollte ich das nicht vermittelt haben – das allermeiste war früher tatsächlich schlechter. Das mit der öffentlichen, staatlich organisierten Bildung aber etwas nicht stimmt, beweist die Autorin mit ihrem Text. Und desgleichen lässt sich ja mühelos an diversen Bildungsstudien der letzten Jahre ablesen, zuletzt am IQB-Bildungstrend-Bericht 2021.

  • Elitär ist kein Literaturkanon. Elitär ist das Schulsystem, dass einen großen Teil der Bevölkerung mit Schreib- und Leseschwächen aus den Schulen entläßt.

    Es wäre toll, wenn alle Schüler fähig wären Faust lesen und verstehen zu können.

    • @Rudolf Fissner:

      Klar - nachts isset auch kälter als übern Berg.

      • @Lowandorder:

        "Bremer Viertklässler fast überall Schlusslicht ... Mehr als 40 Prozent erreichen den Mindeststandard bei der Rechtschreibung nichts"

        Was finden Sie daran witzig?

        • 9G
          95820 (Profil gelöscht)
          @Rudolf Fissner:

          "Was finden Sie daran witzig?" Das "'nichts'"

        • @Rudolf Fissner:

          Werner Enke hat recht.

          Was fehlt “ein Worteaneinanderreihgewissen!“



          Witzig is das nicht! Wie immer auf dem Holzweg - sturmriemenfest.

          • @Lowandorder:

            Sturmriemenfest? Worteaneinanderreihgewissen ! 🤪

            Hier ein Rätsel für den ungeschlagenen Meister der Worträtsel damit Sie was zum knabbern haben:

            ge+



            🕸



            n=s







            👄



            -m







            👂



            -h



            +dn +



            👦



            -j



            -e







            🪨



            -te



            +d d+



            🍦



            -i







            🛋



            s=h



            a=n



            + ar+



            🌧



            -ge



            l+



            🪟



            f=i



            n=b



            r=s







            🪞



            -ge







            🤓

  • In meiner Vorstellung werden in den 16 Kultusministerien Jahr um Jahr neue Meter Lehrplan verfasst. Das hehre Lernziel und Menschenbild, das die Pädagog*innen in diesen Lehrplänen kondensieren, scheint mir, um es mit der schönen Formulierung von Lezama Lima im Roman »Paradiso« zu sagen, »Teil ebenso weitgespannter wie fernliegender Systeme und so ungreifbarer Kausalität, daß nur noch sterbende Funken einer hyperboräischen Feuerstelle zu erkennen (sind)«. Zeitgemäße Pädagog*innen wissen eigentlich wie es geht (selbstständiges Denken zu vermitteln), ja es gibt sogar Leuchtturm-Schulen, die sich gegen den Widerstand des Apparats bilden konnten, aber wer Gremien wie die KMK kennt weiss, dass dort niemals die beste Lösung, seltenst die zweitbeste, eher die drittschlechteste Lösung beschlossen wird.

  • Meine persönliche Empfehlung für jeden Kanon-Skeptiker: "Die Frösche" von Aristophanes sollte schon jeder gelesen haben, der sich dazu äußert, was ein Staat an gemeinsamem kulturell-literarischen Wissen braucht. Denn wer das noch nicht getan hat ... – "... kam um seinen Pomadentopf." (Übersetzung H. Heubner).

    Das Wort "bok" musste ich – der türkischen Sprache nicht kundig – übrigens nachschlagen. Das erste Ergebnis meiner Internetsuche war dann: "bok" heiße im Türkischen "kitap". Auf Schwedisch, Frau Aydemir, passte das dann ja offenbar: "Faust" är jo faktiskt en bok!

    Kurzum: Geschriebene wie gesprochene Sprache stellt Bezüge her, ermöglicht eine Verständigung miteinander. Daher ist es nicht so wichtig, WAS, sondern WIE es gelesen wird. Darin war Schule bislang selten gut und scheint seit meiner Zeit nicht besser geworden zu sein.

  • Verlängerung von Aydemirs Liste zur Modernität Fausts:

    - ,,die homoerotische Ebene zwischen Faust und Mephisto etwa, oder

    - die Pro-Choice-Dimension in Gretchens Kindsmord.'' (Aydemir)

    oder

    - Gretchens ,,Me too - nahe" (?) Manipulierbarkeit durch den ,,male gaze" (und durch Geschenke) oder

    - Fausts psychische Abhängigkeit vom Vater, in seinem ,,ersten Leben'', was verhindert, dass er sich bei einem tödlichen medizinischen Massenexperiment an Patient*innen verweigert und stattdessen brav die väterlichen Befehle ausführt.

    Kanon-reife Qualität von Fatma Aydemirs aktuellem Roman ,,Dschinns":

    - Erwachsenwerden als (unmögliche?!) Aufgabe, sich von den elterlichen Projektionen zu befreien

    - die Nachkriegsgeschichte Deutschlands ist auch die Geschichte von Brandanschlägen. Polizei und Zivilgesellschaft schauen weg.

    -

    -

    (Wer ist auch so begeistert und verlängert die Liste (?!))

    Danke jedenfalls für die sehr zu Herzen gehende Lektüre!

    • @gleicher als verschieden:

      Ist es jetzt ein Qualitätsmerkmal eines knapp 200 Jahre alten Textes, dass man einfach das rein- oder rauslesen kann, was gerade durch die Twittertimeline rauscht? So rein zeitlosmäßig jetzt?

      Tendenziell ja, aber der Text kürzt sich dann irgendwie raus wie beim Bruchrechnen...

      • @Meister Petz:

        Jan Kott sagte, glaube ich, über Shakespeare, dass die Größe seiner Texte auch darin bestünde, dass sich jedes Zeitalter darin finden kann.

        Welche der Interpretationen/ Aktualisierungen ,,Fausts" auf dieser Seite würden Sie am liebsten ,,rauskürzen", weil sie nicht zum ,,Faust" gehören? Wie lesen Sie den ,,Faust"?

    • @gleicher als verschieden:

      Drogen; Drogen, Drogen:. "(...) mit diesem Trank im Leibe siehst du Helenen in jedem Weibe (...) - das hört sich ja schon etwas Extasymäßig an ... bis abschließend zum orgiastischen und orgastischen (Pilz-) Partyexzess auf dem Blocksberg.

      • @Waage69:

        Wir hatten den Faust im Abi-LK gelesen (Overberg- Kolleg, zweiter Bildungsweg: alle hatten zuvor eine Ausbildung und z.T. in Berufen gearbeitet) und durften ihn uns zuvor aussuchen. Das war allerdings auch ein Reflex gegen unsere damalige Lehrerin, die lieber etwas Moderneres hätte lesen lassen wollen.



        Letztlich hat sie aber gute Miene zum Spiel gemacht und die Lektüre kenntnisreich begleitet.



        Es hat dann allen sehr viel Spaß gemacht, da wir ein kleiner und sehr motivierter LK waren.

        Aus der Lektüre heraus kam dann die Idee, direkt nach der Wende eine Stufenfahrt nach Weimar zu machen.



        Dort das Goethemuseum und natürlich der legendäre Gartenpavillon. Das war supergut. Und abends natürlich in den Kasseturm und andere "Studentenclubs". Durchgeführt haben wir auch eine Fahrt zur Gedenkstätte Sachsenhausen. Da konnte man sich viele Gedanken machen, wie Bildungsbürgertum und Menschheitsverbrechen zusammenpassen und vielleicht sich sogar z.T. bedingen.

        Ich habe damals also, wie ich heute noch meine, viel aus dem Faust und dem ganzen drumherum herausziehen können.

        @Meister Petz: natürlich muss so ein Werk immer und zuerst aus der Zeit heraus interpretiert werden, klar, fast Binse. Es führt ja auch kein "Fahrstuhl in die Römerzeit"... Einiges hat aber eben auch eine bleibende Relevanz. Das ist auch die Aufgabe der Lehrkraft, dafür zu sensibilisieren und immer wieder auch zwischendurch diskutieren zu lassen.

        Die Versuchung ist oft, auch direkte Bezüge herzustellen und herauszulesen, was man herauslesen möchte. Getriggert haben uns die Gedanken zur Einteilung der inneren und äußeren Welt, was eventuell des Pudels Kern sei und wann denn Augenblick sein mag, der so schön ist, dass man die Welt anhalten möchte.

  • "Wie soll das „selbst aussuchen“ in der Praxis aussehen?"

    Ich bin selber Lehrer (für Geschichte und SoWi) und habe in Zeiten des Zentralabiturs darauf keine Antwort.

    Ein Blick auf meine eigene Erfahrung im Leistungskurs Deutsch in den 70er Jahren: Ich erinnere mich lediglich daran (wir müssen viel mehr gemacht haben), dass es eine Unterrichtsreihe zum Thema "Kitsch" gab und dass wir uns ein halbes Jahr mit Büchners "Dantons Tod" herumgeschlagen haben. Nach den ersten zwei Monaten beteiligte sich nur noch der Klassenprimus im Unterricht, alle anderen begriffen nicht, warum wir in den langen Analysestunden begreifen sollten, dass Dantons Tod k e i n Revolutionsdrama, sondern? war. Ich habe gern gelesen, den Unterricht aber nur ertragen. Ausnahme: Zu Beginn jeder (?) Deutschstunde durfte/musste ein Schüler in 5 - 10 Minuten ein selbstgewähltes Buch vorstellen. Ich habe das mit Begeisterung vorbereitet, Dinge aus dem Unterricht einbezogen (etwa bei der Klassifizierung eines vorgestellten Simmel Romans als Kitsch), meinen Lehrer verblüfft (er kannte das sowjetische Pendant zu "Brave New World", Samjatins "Wir" nicht) und mich mit ihm bei der Vorstellung eines Geschichtsbuchs aus der DDR heftig streiten dürfen. Kurz: D a s hat Spaß gemacht und ich hab was gelernt dabei. Ich/wir durften u n s e r e Bücher vorstellen. Ob das jetzt für ein Abi in Deutsch reichen kann? Don't know.

  • Haste recht mit! Nathan habe ich im Gegensatz zu Jim Hawkins gelesen, Horvaths jüngsten Tag auch. Sehr gut gefallen: Homo Faber von Max Frisch, Dürrenmatt der Richter und sein Henker. Auch das eine oder andere Stück von Ilse Aichinger war ok, Jandl sowieso.



    Nicht gelesen und trotzdem Abi:



    Schillers Maria Stuart



    Goethe Faust



    Dann das eine Buch da mit Empfindsamkeit, bei dem irgendein Typ sich am Ende versucht zu erschiessen. Goethe? Google: Werther 😹 Nur den Anfang und den Sch(l)uss gelesen.



    Gelesen und unerträglich: Hermann Hesse, unterm Rad.



    Die alten Schmöcker von Goethe und Schiller soll mal Tino Schrupalla lesen, zusammen mit ein paar Gedichten zum Auswendiglernen (wir erinnern uns an das Schülerinterview vor der Wahl). Lessing auch, da könnte er was von lernen.



    Biografie meinerseits dann weiter: Dann während eines Studiums der Naturwissenschaften mit viel Freude Literatur gelesen. Auch Englisch machte nach der Schule mit ihrer unseligen Pflichtlektüre (1984, Lord of the Rings, …) Spaß und ist heute verinnerlichte Zweitsprache.



    Fazit: als Jugendlicher wäre es nett, eher zeitgenössische Literatur zu lesen oder zumindest mit einen viel größten Anteil. Die großen o.g. Literaten wurden teilweise anhand von Kriterien ausgewählt, die wohl mit den Gefühlen in der Jugend zu tun haben sollen. Allerdings, so mein Gefühl damals, wer so schwulstig empfindet wie der Typ aus unterm Rad oder Werther, sollte sich dringend einem Psychologen anvertrauen.

  • Es ist falsch, den Kanongedanken aufzugeben.



    Abgesehen davon, dass er nichts mit Diversität zu tun hat, denn es gab leider kaum verlegte deutsche Autorinnen aus der Zeit, birgt es die Gefahr, dass wir uns als Gesellschaft nicht auf einen Ausgangspunkt unserer Kultur mehr einigen können. Während meiner Schulzeit wurde alles mögliche gelesen, Heinrich Mann mit "Der Untertan", "Sansibar oder der letzte Grund" von Andersch, Mitglied der Gruppe 47, wie auch Böll mit "Die verlorene Ehre der Katharina Blum", einiges von Schiller, kein Goethe. Einiges habe ich vergessen. Dann noch "Macbeth" im Englisch-Unterricht.



    Aber die Wahrnehmung der Judenverfolgung im 3. Reich, der Begriff 'entartete Kunst', der Bildhauer Ernst Barlach, die Unterdrückungsstrukturen einer Gesellschaft, wie Boulevard-Medien funktionieren und teilweise der Gesellschaft schaden, und einiges mehr, das hat mir alles Literatur nahegebracht, die ich in der Schule gelesen habe. Die Literatur, die sich kritisch mit der Vergangenheit auseinandersetzte und ein Gewahrwerden, was Freiheit der Kunst und des Wortes in einer Gesellschaft bedeutet, die sich als junge Demokratie von autoritären reaktionären Verkrustungen löst.



    Um als demokratische Gesellschaft zu bestehen, bedarf es eines Kanons aus der vielfältigen Literatur, besonders der Nachkriegs-Literatur.

  • Ja, es wäre schön, wenn man mehr selbst entscheiden könnte, was zu lesen ist. Als Schüler*in oder als Lehrer*in - doch der dem Zentralabitur inhärente Normierungsdruck verstärkt den Kanongedanken noch. Tja. Und so unterrichtet man, worauf keiner mehr Lust hat, außer unsichtbare Gestalten in irgendwelchen Kultusministerien.

  • Ich habe mich durch die Oberstufe gemogelt ohne "Faust" oder "Nathan der Weise" auch nur aufgeschlagen zu haben.

    Einzig den "Kohlhaas" fand ich cool.

    Ich war sicher eine faule Sau, aber die pädagogische Gabe, einem diese Literatur nahezubringen, war dem Pauker auch nicht gerade gegeben.

    Richtig angefangen zu lesen, habe ich erst nach der Schule und so im Alleingang einen Kosmos nach dem anderen entdeckt.

    Und die Reise ist nie zu Ende.

  • Faust 1 ist also für heutige Gymnasiasten kaum lesbar. Okay, Faust 2 ist schwer zu verstehen und wenn man da nicht wenigstens 'Die schönsten Sagen des klassischen Altertums' von Gustav Schwab kennt, dann ist man wohl mit Faust 2 total überfordert. Aber die Gretchentragödie (Faust 1) als schwer verständlich zu bezeichnen und sie aus dem Lehrplan zu nehmen, ist wirklich kaum nachvollziehbar. Aber da die meisten Germanisten schon nichts mehr von Thomas Mann gelesen haben, ist es wohl nur "logisch" auch gleich noch Goethes Faust über Bord zu werfen. Man stelle sich einmal vor, dass die Engländer William Shakespeare in den Papierkorb werfen oder die US-Amerikaner Herman Melville. Faust ist aber nicht nur schöne Literatur, sondern besteht auch aus genialen Sätzen, die viele Menschen auswendig können: "Dassicherkenne,wasdieWelt imInnerstenzusammenhält" wird zum Beispiel gerne von Elementarteilchenphysikern gebracht.

    Und hatte Mephisto nicht recht (?), als er zu Faust sagte: "Nun sind wir schon wieder an der Grenze unsres Witzes, da wo euch Menschen der Sinn überschnappt. Warum machst du Gemeinschaft mit uns, wenn du sie nicht durchführen kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?" So ist es doch auch gekommen, denn wir haben jetzt eine Seuche durch Globalisierung und einen Klimawandel durch immer mehr Gier nach Wirtschaftswachstum. Und dass wir Menschen uns seit Tausenden von Jahren in Kriegen gegenseitig umbringen, ist doch auch kein Geheimnis. Mephisto hat den Menschen erkannt, aber der Mensch erkennt sein infantiles und dummes Tun und Handeln immer noch nicht und lässt sich auch im 21. Jahrhundert noch vom Teufel an der Nase herumführen. Auch wenn jugendliche Schüler und unsere "Volksvertreter" - die Lehrpläne für die Bundesländer erstellen - Goethes Faust nicht verstehen, so ist es dennoch unser wichtigstes literarisches Werk, das in Schulen gelesen werden sollte.

    • @Ricky-13:

      Was ist denn hier passiert? "Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält", liest sich natürlich einfacher.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Ist denn schon wieder Buchmesse? Ja.



    Vom Kanon befreit sind Schule und Lehrplan



    durch der Fatma holden belebenden Blick.



    Goethe kehrt jährlich nach Frankfurt zurück.



    "Oh glücklich, wer noch hoffen kann,



    Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen..“



    Schön, dass Schule nicht verhindern konnte, dass sie zur Literatur (zurück) gefunden hat.



    "Das Theater als moralische Anstalt" (Schiller). Wann kommt endlich das große Drama über die Kämpfer*innen wider den Klimawandel? Dürrenmatt ist tot, und ich hoffe auf ein Ende der Nabelschau-Literatur. Es ist doch zum großen Teil die „Nabelschnur“, es ist der Aufkleber „SPIEGEL-Bestseller“, der das Geschäft in der (Frucht)-Blase am Leben hält? Ach, enge Literatenwelt! Wenn die wenigstens vom Papier wegkommen würden. Wäre besser für Klima und Umwelt.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      & Däh!



      “ Goethe kehrt jährlich nach Frankfurt zurück.“



      Und - trank gern sei 🍷 unfein - Vermischt mit Wasse - dee Nasse! Gelle. In Sachsenhausen! Burschenschafter tat dess Grausen!



      Er aber stritt wider Purischte - Kanoniere & Philischte!

      “Wasse allein macht stumm.



      Das beweisen im Teiche die Fische.

      Wein allein macht dumm.



      Das beweisen die Herren am Tische.

      Weil beides ich will nicht sein.



      Trink ich Wasse vermischt mit 🍷.

  • "Denn nicht nur die Schüler_innen müssen vom Kanon befreit werden, sondern auch die Texte selbst."

    Doch welche Freiheit soll das sein? Ohne eine Vorannahme an einen Text heranzugehen zu können? (Z.B. ohne gegesagt bekommen zu haben, dies sei Weltliteratur?)

    Lesekompetenz zeichent sich doch nicht durch die Abwesenheit gesellschaftlicher oder individueller Annahmen aus, sondern eben gerade darin, dass man diese durch Reflektion nutzbar macht. Auch, weil das Gegenteil gar nicht möglich ist: Es gibt keinen Denken ohne gesellschaftlicher Bezüge, es gibt nur die Mögllichkeit zur Distanzierung über deren Reflektion.

    In diesem Sinne ist auch die Sorge vor identitätsstiftendem Kanon unbegründet: Identität ist ein komplexes, vielschichtiges Ding und nicht wird nicht einfach verursacht.



    Frau Aydemir ist dafür selbst ein Beispiel: Konfrontiert mit kanonischer Literatur im Jugendalter entschied sie, dass dies bok sei. So hat die Faust-Lektüre ihrer Identität eine Facette geschenkt, die ihr Deutschlehrer vermutlich nicht im Sinn hatte.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @pitpit pat:

      „(Z.B. ohne gegesagt bekommen zu haben, dies sei Weltliteratur?)“



      Dafür gibt's doch den Aufkleber "SPIEGEL-Bestseller". 😈

      • 0G
        06455 (Profil gelöscht)
        @95820 (Profil gelöscht):

        Ja, damit man weiss, was man meiden soll😊🐑

      • @95820 (Profil gelöscht):

        anschließe mich - heilige Einfalt.

      • @95820 (Profil gelöscht):

        Wer glaubt "SPIEGEL-Bestseller" Weltliteratur sehen, hat, mit Verlaub, keine Ahnung!

        • @Hatespeech_is_not_an_opinion:

          🦉 🦉 - 🙀🥳 -

  • Wer Sprache oder auch Musik liebt, dabei nicht die Asche bewahrt, sondern Feuer weiter trägt, wird überall moderne Dinge im Kanon entdecken. Die Menschen vor 1,2 3 Hundert Jahren hatten die selben Bedürfnisse, Leidenschaften und Enttäuschungen wie jetzt. Das mal heraus arbeiten wäre spannender Unterricht. Schuberts Winterreise als einen modernen Liebeskummer deuten und den Faust, wie von Aydemir beschrieben. Schon interessiert es auch junge Menschen. Sie können sich ja dann auf den Weg machen und Entsprechungen der Jetztzeit finden, von mir aus auch bei Netflix, das kann dann wieder ein Thema im Unterricht sein.

    • @Maria Burger:

      Sehr schön und klug!



      Aus einem l.v. Land, des Zentralabiturs, stammend gab es die Modernisierung-Liebeskummer schon.



      Die neuen Leiden des jungen W.



      ...Die neuen Leiden des jungen W. ist ein Roman und Bühnenstück von Ulrich Plenzdorf, das Parallelen zwischen Werther (aus Goethes Die Leiden des jungen Werthers), Holden (aus Salingers Der Fänger im Roggen), Robinson (aus Daniel Defoes Robinson Crusoe) und Edgar Wibeau zieht, der Hauptfigur des Werks: ein siebzehnjähriger Ostdeutscher in der DDR. .....



      de.wikipedia.org/w...eiden_des_jungen_W.



      .. Sind die neuen Leiden vielleicht die Alten?..



      www.youtube.com/watch?v=R3DbrzWgAnY



      Hier finde ick Klaus Hoffmann jut obwohl nicht aus Lichtenberg...;-)

    • @Maria Burger:

      Klug gesprochen

  • Wir hatten schon einen guten Mix aus bildungsbürgerlicher Pflichtlektüre und Stoff wie „The Graduate“, „Die letzten Kinder von Schewenborn“, „Sansibar oder der letzte Grund“, „Der Steppenwolf“ etc. Die Klassiker sind schon wichtig, um auch Bezüge in aktueller Literatur zu erkennen und zu verstehen. Was mir das Interesse an Literatur versauert hatte, war die Botschaft, dass es ohne die aufwändige Analyse aus dem Deutschunterricht nicht statthaft sei, einzig so draufloszulesen wie ein Banause, ebenso wie es sich nicht gehörte, klassische Musik zu hören, ohne eine musikalische Ausbildung genossen zu haben.

    • @K2BBQ:

      The Graduate, Sansibar, oder auch Das Feuerschiff, waren wirklich Highlights. Soviel anderes leider nicht.

  • Faust & Co im Unterricht leiden nicht am staatl. verordneten Kanon i.e.S. Unzeitgemäßheit, sondern am dogmatischen Interpretationsrahmen des Lehrplanes. Ich kann mich an meine Schulzeit erinnern: ein Diskurs hat da nicht stattgefunden, und wie meine Kinder berichten, bis heute nicht. Kontroversen wurden mit schlechten Noten abgestraft. Da hat man keinen Bock drauf.



    Ich sehe überhaupt kein Problem darin, wenn Dispositive aus bspw Goethes Zeiten mit heutigem hier und da kollidieren. Das schult ganz nebenbei den kritischen Umgang damit.



    Dazu verweist es die Klassiker auf ihre Plätze und gibt Gegenwartsliteratur die Chance, sich in einem modernisierten Kanon zu etablieren.

    • @zeroton :

      "sondern am dogmatischen Interpretationsrahmen des Lehrplanes."

      Ich kenne keinen Lehrplan, der so etwas vorgibt.

  • Die Ursünde bei Faust und allen Theaterstücken im Deutschunterricht ist, dass man die Schüler zwingt das Stück zu lesen. Man stelle sich vor man würde versuchen Schülern den Zugang zur Musik mittels Partiturstudium zu vermitteln.

    Faust ist immer noch eine sprachliche Sensation und neben Bibel und Glocke eine der Hauptquellen für deutsche Sprichwörter. Der Plot enthält auch alles was Helden- und Fantasygeschichten brauchen, dazu als Protagonist ein alter, weisser Mann, der nur um eine geile Braut flachzulegen seine Karriere aufgibt und seine Seele verkauft.

    So etwas muss man sich von Könnern vorspielen lassen. Drehbücher lesen ist Mist.

    • @Carine Salazar:

      Ich bin ganz bei Ihnen, wenn Sie vorschlagen, dass Schüler Faust oder andere Theaterstücke auch ansehen sollten; der Vergleich mit der Partitur geht aber nicht auf - und zwar nicht nur, weil beide Medien zu verschieden sind: klassische Dramen waren auch und manchmal sogar primär als Lesedramen konzipiert, d.h. die traditionelle Lektüre im Deutschunterricht ist durchaus die intendierte Rezeptionsform.

    • @Carine Salazar:

      "So etwas muss man sich von Könnern vorspielen lassen. Drehbücher lesen ist Mist."

      Dann fangen wir doch gleich mal mit Faust 1 an. Das Faust-Projekt ist eine Theaterproduktion des deutschen Regisseurs Peter Stein anlässlich der Expo 2000 in Hannover. Peter Stein inszenierte den komplettenFaustvon Goethe – ungekürzt mit allen 12.110 Versen deserstenundzweiten Teiles.

      ***Faust 1*** www.youtube.com/watch?v=iz6n0misfkY

    • @Carine Salazar:

      Partiturstudium ist für bestimmte Musik auch wichtig; das erleichtert das Verständnis für Aufbau und Struktur. Selbst fürs Jazzstudium wird für die Basis auf Vor-Jazz-Musik zurückgegriffen.

  • Speziell der Faust ist nun wirklich ein Muss. Nach der Lutherbibel hat kein Werk die deutsche Sprache so stark geprägt. Man kann das also auch einfach aus der Perspektive betrachten: das Buch ist eine der Grundlagen der Sprache und kann daher einfach nicht wirklich weggelassen werden.

    • @Suryo:

      Inwiefern hat der Faust die deutsche Sprache geprägt? Die meisten geflügelten Worte entstammen eher den Werken Shakespeares. Und als Katholik habe ich natürlich die Einheitsübersetzung gelesen und nicht die Lutherbibel.

    • @Suryo:

      Für die heutige Zeit extrem wichtig, denn es betrifft so vieles um uns herum, ist Quantenmechanik. Ich empfehle für den Einstieg dringend Cohen-Tanoudji. Pflicht für alle / leider sträuben sich viele auch mir persönlich bekannte Geisteswissenschaftler / ergo: nein!! Man muss nicht die vermeintlichen Ursprünge dessen, was uns im Alltag begegnet, kennen.

  • Immer, wenn ich solche Ideen lese, die grundsätzlich diskutierenswert sind, wundere ich mich, warum das Hauptproblem dabei nicht erwähnt wird: das Zentralabitur. Das leistet nämlich gar nichts von dem, das es vorgibt (Vergleichbarkeit, Niveausicherung), schadet aber im Alltag immens (teaching to the test, starrer Kanon).

    Ich grüße also dankbar aus dem gallischen Dorf Mainz, wo es das nach wie vor nicht gibt.

  • Ich fand den ganzen Literaturunterricht in der Schule grauenvoll, es wurde einem eher die Lust aufs Lesen genommen, als das man neugierig gemacht wurde, es wurde erwartet, nach vorgegebenen Schema zu interpretieren, statt eigene Eindrücke zu gewinnen, es wurde kaputt interpretiert, aber die eigentliche Tiefe von Texten gar nicht betrachtet. Das lag aber meist nicht an den gelesenen Werken sondern am schlechten Unterricht und unfähigen Lehrerinnen. Da sollte man viel eher ansetzen, als am Kanon.

    Es gibt viel altes Zeug, das für die heutige Zeit keinerlei Relevanz mehr hat und das nur von einem Schulkanon am Leben erhalten wird, die ganzen bürgerlichen Trauerspiele zum Beispiel. Aber der Faust? Da sind doch wirklich zeitlose Themen drin, der hat eine weit über das Aktuelle hinausgehende philosophische Tiefe.

    Das ist vielleicht kein Text, der sich einfach erschließt, aber es geht hier auch nicht um einfache, aktuelle Texte, es geht um gymnasiale Oberstufe. Die Fähigkeit, schwierige Texte zu verstehen, die Schüler hier idealerweise erwerben, brauchen sie selbst wenn sie nie wieder mit Literatur oder Philosophie beschäftigen an der Uni und im Berufsleben.

    Wir leben nicht in einem luftleeren Raum, wir leben in einer bestimmten Kultur (manche auch in mehreren), mit einer spezifischen Geschichte, Sprache, Redensarten, Denkweisen, Traditionen etc. Damit darf sich die Schule gerne kritisch auseinandersetzen, aber dafür muss man die eigene Kultur ja auch kennen. Hier geht es wieder um die Art des Unterrichts, nicht um den Kanon.

    Natürlich ist auch die Auseinandersetzung mit andern Kulturen wichtig, weil kulturelle Aneignung eine wichtige Kulturtechnik ist. Aber welches große literarische Werk, das mehr als 200 Jahre alt ist und eine dem Faust vergleichbare Tiefe hat, stammt denn aus einer "diversen", "nicht-weißen", vielleicht "nicht-cis" Feder? Dieser Anspruch entstammt einem Denken, das historische Begebenheiten ignoriert.

    • @Ruediger:

      Zeitlose Themen und Ansätze zur philosophischen Auseinandersetzung lassen sich zwischen Gilgamesch und Breaking Bad in nahezu beliebiger Vielfalt, Tiefe und Diversität finden. Und wenn die 'Klassiker' zu lesen um die eigene Kultur kennenzulernen, wäre schon auch zu fragen wie weit die tatsächliche kulturelle Kontinuität in die heute gelebte Alltagskultur tatsächlich trägt. Historisch hatte das alles unbestreitbar seine Relevanz, aber vieles davon ist heute eben doch eher etwas götzenhaft versteinert und von eher begrenzter alltagspraktischer Bedeutung. Man verlangt ja auch von niemandem einen Nachweis darüber eine Droschke lenken zu können um den Führerschein machen zu dürfen.

      • @Ingo Bernable:

        "Alltagspraktische Bedeutubg" ist sicher kein Merkmal für gute Kunst und Literatur.

        • @Ruediger:

          Also Kunst um der Kunst Willen, die nichts will als Kunst zu sein, dem Irdischen hermetisch wie hermeneutisch entschwebt, ohne Relevanz und Bedeutung für das tatsächliche Leben der Menschen? So etwas ist keine Kunst, sondern geistige Masturbation die man niemanden zwangsweise zumuten sollte. Dann lieber die begrenzte Unterrichtszeit für Dinge vewenden von der die Menschen mehr haben als mit ein paar ausgewählten Zitaten humanistische Bildung und Weltläufigkeit vortäuschen zu können.

          • @Ingo Bernable:

            Zwischen l'art pour l'art und in Fiktion verpackten Alltagsratgeber gibt es nichts? Dass Kultur Gedanken beflügeln kann, dass das Leben nicht nur aus Alltag besteht, dass es tiefere Dimensionen gibt als Allzagstauglichkeit soll man in unserer oberflächlichen, durchoptimierten Welt Gymnasiasten nicht mehr vermitteln?

            (Und was spricht eigentlich gegen geistige Masturbation? Darf Sexualität auch nur noch zweckdienlich sein?)

          • 6G
            652134 (Profil gelöscht)
            @Ingo Bernable:

            Das Bundesverfassungsgericht hat Kunst in dem Mephistourteil grob verkürzt als schöpferische Leistung definiert.

            Während es bei der Philosophie um das Erkennen der Wahrheit geht, verschleiert die Kunst die (höchste) Wahrheit durch Schönheit, lässt sie also über andere Kanäle als die Philosophie in den menschlichen Geist eindringen. Schönheit ist der Schleier der höchsten Wahrheit, weil diese höchste Wahrheit unbeschreiblich schön ist und aus diesem -letztlich metaphysischen- Pool, der in der Seele der Menschen mal mehr und mal weniger deutlich wahrgenommen werden kann, schöpft der Künstler.

            Letztlich ist Kunst daher m.E. eine Möglichkeit, die Verzückung über die höchste Wahrheit mit anderen Menschen teilen zu können, sie für eine bestimmte Zeit zu konservieren, damit Menschen immer wieder der Atem stockt, weil das Unbeschreibliche flüchtig aber manchmal auch sehr nachhaltig, vermittelt über die Sinne in ihre Seele einsickern kann. Kunst hat daher immer auch Bedeutung für das (soziale) Alltagsleben, weil sie uns die höchste Wahrheit, die zerstört, destruiert, pervertiert und erniedrigt in allem steckt, in einem Grashalm ebenso wie in einer Vergewaltigung oder einem Terroranschlag, erkennen lässt. Damit ist Kunst auch sehr moralisch, weil sie uns hilft Gut und Böse voneinander zu unterscheiden (ohne Wahrheit geht das nicht). Ohne Moral lässt sich aber auf Dauer keine Alltagsgesellschaft aufrecht erhalten.

  • Gibt doch auch Filme. Statt Fast lesen, Rocky schauen.

    Das Problem sind glaube ich nicht die Bücher, das Problem sind verstaubte Deutschlehrer.



    Ich hatte einen, der konnte begeistern. Faust zum Trotz.

    • @WeisNich:

      Stimmt. Faust muss man nicht lesen, den gibt es auch als Film. Das ändert aber nichts an der grundlegenden Kritik am Gedanken des Kanons.

    • @WeisNich:

      Auch da ist viel wahres dran. Ich hatte in Deutsch keine guten Noten bis auf die Zeit, in der ich nahe einer glatten eins stand. Lag auch am Unterricht.

  • Ach, schaffen wir doch die weiss-elitäre-eurozentristische, klassistische Leserei& Schreiberei gleich ganz ab. Lesen &Schreiben eh anstrengend und arg frustrierend: Alle TikTok und lustige Katzenvideos - freut auch die Kulturindustrie. Frage ist dann nur, auf wen man sich im Fragen nach dem schlimmen Kanon dann beruft. Auf kanonisierte Kritiken? Die stammen dann von wem?

  • Ihr Text spricht dafür, Faust gerade nicht aus dem Kanon zu verbannen. Denn im Gegensatz zu den anderen literarischen Werken, die Sie in der Schulzeit lesen mussten, hat Faust bei Ihnen ja offenbar einen Eindruck hinterlassen, der dazu führt, dass Sie sich jetzt intensiv mit dem Text auseinandersetzen. Den Kanon an sich halte ich auch für problematisch, aber Literatur im Deutschunterricht darf sich nicht auf Modeerscheinungen beschränken. Klassisches Kulturgut bildet den ganzen Menschen. Und so wie jede/r Schüler/in im Musikunterricht J.S. Bach kennenlernen sollte, gehört auch die Auseinandersetzung mit Göthe zu einem guten Deutschunterricht.

    • @Kagel :

      Goethe hat nicht nur den Faust geschrieben.

  • Leider nicht zu ende gedacht!



    Ja, der literaturunterricht, der ganze unterricht, könnte gewiss pluralistischer gestaltet werden.



    Doch ohne kanon, ohne leitkultur geht es nicht!



    Die liberalen tun ja oft so, als würde es ohne gehen. Aber es gibt, schicksal sei dank, einen roten faden der erkenntnis.



    Die wissenschaft bzw die gesamte Wissenskultur baut auf zusammenhängende prinzipien auf, die uns die welt erklären - und genau das ist der kanon und die leitkultur - der wir gar nicht entkommen können!



    Denn sonst wird jede funktionalität/sinn ad absurdum geführt.

    Das das nicht gesehen wird, von vielen, ist auch der grund, warum es die wissenschaft und die wahrheit ÜBER ALLE UD ALLES so schwer hat!!!

    Man muss endlich alle SOZIALEN notwendigkeiten und möglichkeiten besser von einander trennen, damit wir uns über den primitiven SOZIAL INEFFIZIENTEN zwang erheben können und es zu einem göttlichen zwang machen!



    Der Kultur des Wissens bis hin zur "Allwisssenheit" treiben.

    Denn ansonsten wird noch lange irgendwem irgendwas UNNÖTIG aufgebürdet, wobei man egtl was besseres machen könnte ...

    Also ja, alternative dort wo es möglich ist, aber konsequentes ganzheitliches wissen wo es notwendig ist!

    Und die literatur hat eben auch dies als ziel und deswegen hat sich faust auch so lange gehalten! Weil es wohl eines der ganzheitlichsten werke ist. Trotz seiner exklusiven sprache.

    Und zu bedauern ist, das der (neo)liberalismus sich wohl alle mähe macht, das ganzheitliche narrativ zu verhindern!!!!



    Und es ist schon absolut ironsich, das es die bayern und christen sind, die wohl eher unabsichtlich, eine gewisse ganzheitklichkeit hier am leben halten.



    Wobei es eher wohl nur blinde glückstreffer und konservierungswahn ist.

    Das Problem ist also nicht nur der feste und falsche kanon, sondern vor allem der fehlende freie und richtige kanon!



    Nämlich der sozial progressive all inklusive!



    Deutschland hat noch einiges vor sich .... ja die ganze sippe .... mensch ...

  • 6G
    652134 (Profil gelöscht)

    Der (feministische) Philosoph Otfried Eberz hat herausgearbeitet, dass Faust in okkulter Sprache die Geschichte der Degeneration des männlich-abendländischen Geistes vom (menschlichen) Humanismus zum (unmenschlichen bzw. widermenschlichen, weil die Produktion und Arbeit vergottenden) Sozialismus erzählt (Otfried Eberz, Die drei Dichtungen vom Schicksal des Abendlandes, 1. Aufl., 1959, S. 84). Die Degeneration und der Tod des männlichen Geistes folgt nach Eberz Thesen geistigen Gesetzmäßigkeiten, weil der Keim der Zerstörung in der Abwendung des sich selbst verherrlichenden Mannes von der Frau (Sinnbild für den Geist und die Metaphysik- nach Eberz die Domäne der Frau, die sie sich hat stehlen und entstellen lassen) bereits gesetzt ist. Welches Thema könnte aktueller sein? Wir können doch alle spüren, dass die Welt täglich unmenschlicher wird, dass der Mensch durch all die Datensammelei immer mehr nur noch nach seiner wirtschaftlichen Verwertbarkeit (Produktion!) beurteilt wird, wobei die - ggf. teilweise noch kreative - Arbeitskraft nur ein kleiner Teil davon ist- was nochmal entwürdigt. Das ist der Zustand des bereits eingetreten Todes. Kreativität, die nur aus der Metaphysik folgen kann (daher sind Frauen Musen) gibt es fast nicht mehr. Seit 30 Jahren wird die gleiche Technomusik gespielt, Hip-Hop wird in seine Einzelbestandteile zerlegt und immer wieder neu aufbereitet. Philosophen sind impotent geworden, können allenfalls noch mit letzter Kraft darauf verweisen, dass wir die Metaphysik wieder entdecken sollten. Die Wahrheit wird nirgendwo mehr erkannt und ausgesprochen. Ein Atomkrieg ist eine Option, der dumpf entgegen gesehen wird. Vielleicht gibt es ein Wiedersehen Faustes mit "den Müttern", wir wollen es hoffen.

  • Servus Frau Aydemir!

    Zu folgendem Absatz hätte ich ein paar Fragen:



    "Denn der Kanon ist in sich eine elitäre Erzählung, die identitätsstiftend für bestimmte Schichten, ja gar für eine Nation ist, seine Bedeutung thront immer auch auf dem Stolz auf eine Zugehörigkeit zu diesen, und somit gehört er gänzlich abgeschafft – wenn wir denn den literarischen Werken auf ihm jemals gerecht werden wollen. Denn nicht nur die Schüler_innen müssen vom Kanon befreit werden, sondern auch die Texte selbst."

    Sie lehnen den Kanon ab, weil dieser dem Stolz der Zugehörigkeit zu einer Nation fördern würden.



    Zum einen stellen Sie dies einfach ohne Belege in den Raum. Zum anderen sehe ich nicht was daran schlecht ist sich einer Nation und deren Werte zugehörig zu fühlen?

    Der Kanon dient ja nicht nur der Kulturellen-Gleichschaltung der SchülerInnen - welche Sie implizieren - sondern auch der Vergleichbarkeit von Schulergebnissen über Bundesländer hinweg. Wollen Sie diese aufgeben? Und was was ist Ihr Ersatz dafür?

    Sie schreiben """Wie schön wäre es, wenn wir uns in der Schule unsere Lektüren selbst aussuchen könnten?"""

    Sie schreiben selber von Ihrer Ablehung



    von Texten in Ihrer Schulzeit. Wieso projizieren Sie nun unreflektiert Ihr heutiges Ich in die Schulzeit zurück. Sie selber wären damals offensichtlich unfähig gewesen eine Lektüre auszuwählen.

    Hätten Sie damals von so einer Willkür profitiert?

    Ich bin promoviert und ertappe mich sehr häufig dabei meiner studierenden Tochter altkluge Hinweise geben zu wollen. Manchmal gelingt es mir Sie einfach machen zu lassen.

    Manchmal fragt sie mich um Unterstützung und ich helfe Ihr gerne.

    Aber noch viel häufiger höre ich von Ihr: Warum haben wir in der Schule nicht wirklich was substanziellen beigebracht bekommen?

    Jeder liest seine eigenen Lektüre ist für mich nicht wirklich substantiell. Jedenfalls so lange nicht, wie es Lehrer gibt, die damit umgehen können.

    Beste Grüße

    • @Volker Jaenisch:

      Wer nach Auschwitz noch von Nationalstolz und Kulturnation redete, sollte statt Goethe besser mal ein Geschichtsbuch zur Hand nehmen. Aber vielleicht findet sich ja auch gerade in dieser Verbindung die Antwort darauf warum das Bildungsbürgertum sich so sehr an diese Werke als Distinktionsmerkmal klammert.



      Und wie soll denn ein Kanon die Vergleichbarkeit zwischen Bundesländern gewährleisten? So ein Text lässt sich ja schließlich lediglich interpretieren, aber nicht lösen wie eine mathematische Gleichung. Sie bleiben Belege für diese Behauptung schuldig.



      "Sie selber wären damals offensichtlich unfähig gewesen eine Lektüre auszuwählen."



      Das ist eine Unterstellung.

      • @Ingo Bernable:

        Man beachte z.B. die Anspielungen auf Faust in Paul Celans Todesfuge

  • Wenn man so etwas wie ein Zentralabitur und vergleichbare / standardisierte Prüfungen haben will, braucht man einen Katalog von verpflichteten Elementen, also einen Kanon. Der sollte jedoch immer wieder (alle 3-5 Jahre min) überprüft und angepasst werden.

    • @J_CGN:

      Das ist nicht das gleiche wie ein Kanon. Die Liste der Abiturthemen ändert sich alle paar Jahre.

    • @J_CGN:

      Und dieses "wenn" muss unbedingt mit nein beantwortet werden, denn echte Vergleichbarkeit gibt es nicht, und das Zentralabitur fördert nur teaching to the test. Es leistet nicht, was es soll, es zerstört aber manches Potenzial.

    • @J_CGN:

      Die Uni Köln lehnte die Berücksichtigung der Deutsch-Abi-Note beim Numerus clausus ab!



      Weil diese nur das Lehrer-Schüler Verhältnis widerspiegele!

      kurz - Motto: Was interessiert mich das Ergebnis?! Hauptsache ich bin in meinem System (Zentralabitur!;(( richtig!

      Na Mahlzeit

      • @Lowandorder:

        Das ist übrigens ein Grundproblem der gegenwärtigen deutschen Bildungspolitik: statt zu überlegen, wie man das Niveau hebt (etwa durch zusätzlichen Deutschunterricht), senkt man die Ansprüche - was den Betroffenen nur kurzfristig hilft (früher oder später wird man daran gemessen, was man tatsächlich kann) und irgendwann auch zum strukturellen Problem für die gesamte Gesellschaft wird.

        • @O.F.:

          P.S. Um meinen Punkt deutlicher zu machen: das Senken von Ansprüchen anstelle einer Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten geht letztlich genau auf Kosten derer, denen man angeblich den weiteren Bildungsweg erleichtern möchte. Denn die Kinder gebildeter, besser verdienender Familien haben eher Möglichkeiten, die Defizite des Schulsystems auszugleichen als andere - und wie gesagt: irgendwann kommt man an den Punkt, an dem es eben doch darauf ankommt, was man tatsächlich gelernt hat. Wie so oft verbirgt sich hinter der scheinbaren Lockerheit einfach nur Gleichgültigkeit.

  • 90er Jahre, Gymnasium. Statt Faust durften wir uns Carrie von Stephen King reinziehen. Jawoll, im Deutschunterricht. Hätt ich gut drauf verzichten können.

    Rest des Programms waren Yamba, Als Hitler das rosa Kaninchen stahl, Homo Faber *würg*, Andorra, Frühlings Erwachen, Die Physiker, und Angst ... Nix von dem ganzen noch altmodischeren Kram, der wenigstens für Zitate eignet.



    Außer Shakespeare, mit Romeo und Julia. Die einzige Zeile, die ich davon behalten habe, war "Oh, ich bin hin!", als Graf Paris stirbt. Mal gucken, ob ich Gelegenheit dazu bekomme, dieses Zitat später mal wiederzugeben. 😄

    • @Tetra Mint:

      Junge¿ - ach wie schade!



      Doch nicht gleich auskipp dess Kind mit demm Bade!



      Hier ein Versuch den ollen Jöhten - auf Schiller sein Piller ein flöten!



      1. mit spitzer Feder F.K.Wächter



      www.google.de/sear...grc=dEjbF9Ng7VSQaM



      & als Text - wat höbt wi lacht =>



      www.landtag.nrw.de...55F06F2E818E0C30F3



      servíce & Gern&Dannnichfür

      • @Lowandorder:

        Sorry - morgenverpennt - ist für



        @HAMANN gedenkt - für sein Weilchen



        Mit dem kleinen Hackebeilchen “ …und den Rest - den schmeißt er wech!“ 🙀🥳

  • „Wie schön wäre es, wenn wir uns in der Schule unsere Lektüren selbst aussuchen könnten? Selbst herausfinden, welche Text uns interessieren und dann lernen zu formulieren, warum das so ist?“



    Ja das wäre schön, aber auch eine völlige Überforderung für die meisten.



    Ich vermisse 2 Antworten in dem Artikel:



    1) Warum darf es keine Zugehörigkeitsgefühle mehr geben? Kann ein Allgemeinwesen ohne funktionieren?



    2) Wie soll das „selbst aussuchen“ in der Praxis aussehen? Ein Algorithmus von Google etwa soll das richten? Und dann folgen alle KlassenkameradInnen?

  • Stimmt - die allgemeine Kanon-Kritik. Nur was ist die Alternative? Hätte man mich als jungen Menschen die Politik machen lassen, zu der es mich gezogen hat, hätten an jeder Ecke zwei Süßigkeitenautomaten gestanden. Wäre das besser gewesen? Ich denke die Ablösungen für einen alten Kanon kommen immer von neuen Kanons und neuen Eliten. Auch ProChoice, Frauenrechte etc. sind Themen für gewisse Gruppen - alle sehr berechtigt, aber tief prinzipiell nie in der Lage eine global-universelle Gleichberechtigung in der Kunst zu erreichen. Auch der heutige Kanon war zum größten Teil mal Avantgarde gegen damalige Establishments. Gegen neue Kanons ist prinzipiell nichts zu sagen: das Leben geht weiter, Menschen ändern sich, selbst wenn nicht, will man einfach mal etwas Neues machen usw. Nur etwas ganz prinzipiell Neues, etwas jetzt final Gerechtes oder so, ist es eben nicht. Schillers Räuber kämpften auch schon gegen alle mögliche Ungerechtigkeit und für viel Progressivität, jetzt ist es eben alter Kanon und ungerecht. So wird es den neuen Kanons selbstverständlich auch gehen - was kein Grund sein sollte sie nicht zu probieren.

    • @Markus Michaelis:

      Schiller ist immer noch aktuell. Habe das aber erst lange nach meiner Schulzeit richtig verstanden.

  • "die homoerotische Ebene zwischen Faust und Mephisto"-



    Mein lieber Scholli!



    Das Gespräch zwischen Mephisto u Gott nicht studiert? Weitere Empfehlung:



    Sich mal mit den entfesselten Furiositäten im Faust II befassen. "Faust" ist schließlich nicht nur Faust I !

  • 1. Wenn sie schon die deutsche Literatur kritisiert, warum schreibt sie bok nicht auf Deutsch? 2. Ich würde einfach mal sagen, dass sie auch die türkische Kultur kennt. Wie wäre es mit einem Vergleich türkischer Oberstufenliteratur mit deutscher? Da würde man als Deutscher dazulernen. 3. Über das hier Geschriebene kann man trefflich streiten, geschenkt, insbesondere dann, wenn sie als junge Frau, deren Großeltern in einem sehr patriarchalischen Land gelebt haben, nicht bemerkt, dass Faust I auch deshalb aus der Zwangsliteratur ausscheiden sollte, weil die damalige dramatische Benachteiligung der Frau - die in der heutigen Türkei noch deutlich ausgeprägter ist als in Deutschland - nicht immer noch Zwangslektüre sein mss. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass viele Deutsch-Lehrer*innen nicht einmal Cornelia Goethe kennen, die gerade mal um ein Jahr jüngere Schwester Goethes, die aufgrund des Fehlverhaltens ihres Mannes, ihres Bruders und Ihres Vaters bereits mit 26 Jahren sterben musste. Ihr Literaturwerk wurde fast vollständig vernichtet!

  • Korrekt. “Das Problem ist der Kanongedanke an sich.“

    Vorweg: Oberstufe im “Ascheimerzug=mat.nat.“



    Den Kanon “Werther war ein. Irrtum!“ - gab der eher katolsch-reaktionäre Deutschpauker auf.



    Lessing Kafka Borchert Böll Camus Sartre etc.



    Mit einem kuriosen Ergebnis: Ich bin ein lausiger Pointilist & “Na das! werden Sie kennen!“ - “Nein. Aber kennen Sie dazu das?!“ Da capo al fine!;))



    Mit meinem 10 Jahre älteren Kanonisten Kollegen Vorsitzenden brannten wir sojet immer wieder ein derartig launiges Literarisches Feuerwerk ab - daß selbst gut belesene Kollegene schon mal meinten “da fliegen ja derart die Brocken - wagt man sich ja gar nicht dazuzusetzen!“ Was ich mit “Was ein Quatsch - in ähnlichen familiären Runden => “mehr Bildung kannste en passant doch gar nicht saufen!“

    Und die Klassiker? Gemach Gemach



    Anders als bei meinem Sidekick “Mr. Mailtütenfrisch“ - der insbesondere seinen Jöhten aber auch Shakes sein 🍺 zu meiner Freude gern zitiert & hoffentlich seine Sicht der Dinge ebenfalls einbringt - standen die in den bekannten roten & blauen etc Ausgaben rum! Schonn. But.



    Jöhten angeblättert - och nö!



    Schiller? - ein Sonderfall => in einer grottenhäßlich pompösen FoliantenAusgabe mit wilden Zeichnungen kam er mir schon vor Lesen neben Wilhelm Buschs Folianten zu liegen! Aber Hallo! Eine tiefe Respektlosigkeit brach sich Bahn: “…die Dame - Danke - begehr ich nicht!“;)) usw usf

    Soweit mal - Schonn: Kanon - inne Tonn!

  • Tja, und ich hatte an meinem altsprachlichen Gymnasium tatsächlich das Pech, darunter zu leiden, dass meine komischen Deutschlehrer sich ganz komische Lektüren ausgesucht haben und nie sowas Tolles wie den Faust. Den musste ich dann in meiner Freizeit lesen... ich verstehe heute noch nicht, wieso. Und alle anderen jammern darüber! Die ganzen anderen Klassiker kamen auch nie dran, war alles Privatvergnügen.

    @INGO BERNABLE Selbst aussuchen ist vielleicht eine gute Idee, aber wie sollen Kinder ohne Erfahrung das machen, wenn man ihnen nicht zumindest eine Liste mit Lesenswertem vorsetzt? Das Elternhaus scheint es ja häufig nicht vorzugeben. Da gibts dann nur ein dickes Buch, was alle vorgesetzt bekommen, ebenfalls ganz historisch.

    Im Internet gibt es ja diese tollen "100 books you should have read"-Listen, daran kann man sich entlanghangeln... okay, die sind dann eher aus dem englischsprachigen Raum, aber das gibt es sicherlich auch für andere Sprachen. Oder man liest alle Literaturnobelpreisträger.

    Das mit dem Kanon = Elite = Zugehörigkeit = Nationalstolz nehme ich der Autorin btw nicht ab, immerhin werden die Texte auch in anderen Nationen/Sprachen gelesen.

    • @Cededa Trpimirović:

      Hier wurde ja nicht kritisiert, dass der gelehrte Kanon reichlich angestaubt ist und mal grundlegend modernisiert werden müsste, sondern, dass er überhaupt existiert und da sind "diese tollen "100 books you should have read"-Listen" doch genau das, ein Kanon.

  • Schule ist halt kein Freizeitvergnügen, da muss man sich auch mal mit Dingen beschäftigen, die auf den ersten Blick interessant scheinen.

  • Bliebe die Frage wie man den Kanon abschaffen kann. Man müsste ja letztlich jede Bestsellerliste, jede Aufstellung von Literaturempfehlungen sowie jegliche Verständigung darüber untersagen, um zu verhindern, dass sich so etwas wie ein common sense darüber welche Werke gemeinhin als besonders gut und damit dem Kanon zugehörig gelten (ob zu Recht oder Unrecht sei einmal dahingestellt) entstehen kann.

    • @Ingo Bernable:

      Hä? Der Autorin zuhören & wie in meiner Klasse - erfolgreich - Gelächter - das Angebot des Persetters negieren!



      (btw wie mir zu meinem bassen Erstaunen - zum 50. Abi hinterbracht wurde - gar von einem Altsprachler!;) - soll ich einen Kafka-Kongress(na na!;) organisiert haben - ( Muschg konnte nicht!;) - so geht’s doch auch!)



      Und Lessing ist doch auch ganz ok! Woll.

      • @Lowandorder:

        Bei Ihren Beiträgen gibt es fast immer die Schwierigkeit, dass Ihre experimentelle Grammatik es unmöglich macht, herauszufinden was Sie eigentlich sagen wollen. Ein mächtiges Gegenargument für die Autorin und eines für den Kanon und den regelmäßigen Schulbesuch.

        • @jens richter:

          Das wollte ich schon immer mal zu diesen Beiträgen sagen :)

      • @Lowandorder:

        Meinerseits hä? Was versuchen sie mit dieser Wortsuppe mitzuteilen? Vielleicht wäre ein wenig Grammatik und Satzbau neben Lessing und Goethe auch nicht verkehrt gewesen?

        • @Ingo Bernable:

          Ok Ok - für ehna mal löffelchen & häppchenweise. Mehr könnte scheint’s verunsichern! Gelle.

          Der Begriff des „Kanons“ leitet sich aus dem Griechischen ab, wo er als „Maßstab“ beziehungsweise als eine „Richtschnur“ bezeichnet wurde. In Bezug auf Literatur bedeutet dies, dass ein Kanon die Werke für ein bestimmtes Sachgebiet vereinigt.“



          www.uni-kiel.de/el...isches_dossier.pdf



          &



          Das hat - sicherlich auch ehna ersichtlich - mit Bestsellerlisten & Cie. nullnüscht ze donn! (Was ich da für Schrott schon vorgefunden habe &!! das war in der Vergangenheit 18./19.Jahrhundert ff nicht anders!;) mal nachlesen!



          &



          Meine Pauker haben sich - auch in Mathe & Physik - um administrative Vorgaben kaum gekümmert •



          Will sagen - Ein Deutschpauker ist klug beraten - das als wichtig angesehene anzubieten - Interesse zu wecken!



          (Gern auch derart - why not? -



          www.landtag.nrw.de...55F06F2E818E0C30F3



          So wie der Lateinlehrer Asterix statt ollen Caesar! Fällt niemand n Stein aus der Krone!)



          Und seinen “Kanon“ mit den interessierten* Oberstuflern (ergänzend) abzuchecken.



          So! Wird regelmäßig ein Schuh draus!



          (In der Musik würd frauman sagen:“dont play against the band!;))

          unterm—— * anderer Kanon—



          “Booey - jetzt weiß ich alles über Bakterien!“ Mein Jüngster. “Nicht falsch!“;) “Ja, aber Naturwissenschaften is ja nun mehr! Hatse mal was mit gemacht!“ “Ok - wieviele sind interessiert?“ “Na so sieben - acht!“



          “Ok. Setzt euch an die Rechner und klärt - was ich wissen wollt & das legt ihr vor!“ halbes Jahr später; “Und?“



          “Höer auf! Hat sich das Gebiet daneben genommen! Das war’s!“

          kurz - So halt nicht - wa!



          Kanon hin oder her



          servíce & Gern&Dannnichfür



          (Hoffe dess Süppchen mundet a weng!;))

          • @Lowandorder:

            Aber wie wird ein Kanon denn zum Kanon? Der fällt ja nicht vom Himmel, sondern etabliert sich eben dadurch, dass Leute etwas lesen und empfehlen, etwa auch über die, sicher oftmals fraglichen, Bestsellerlisten. Nur sollte man eben auch den Aspekt sehen, dass sich solche Empfehlungen im Lauf der Jahrzehnte und Jahrhunderte, zu Recht oder zu Unrecht, verselbstständigen. Wer in den Weimarer Klassikern eben keine sakrosankten Meisterwerke und Weltlitertur sieht, sondern allenfalls solide Werke im Kontext ihrer Zeit ist eben doch sehr schnell als Banause isoliert.



            "(Hoffe dess Süppchen mundet a weng!;))"



            Da waren doch immerhin schon mal ganze zwei korrekt formulierte Sätze dabei deren semantischen Gehalt auch ein tumber Idiot wie ich sich erschließen kann.

            • @Ingo Bernable:

              Helzrichen Gwücklunsch!



              ( btw - ho idios - der Handwerker der Privatmann!;) & „Pasewalk, der tumbe Tor“)



              &



              Gehört mir von Kindesbeinen zum Kanon



              Die Selbstkritik hat viel für sich.



              Gesetzt den Fall, ich tadle mich;



              So hab' ich erstens den Gewinn,



              Daß ich so hübsch bescheiden bin;



              Zum zweiten denken sich die Leut,



              Der Mann ist lauter Redlichkeit;



              Auch schnapp' ich drittens diesen Bissen



              Vorweg den andern Kritiküssen;



              Und viertens hoff' ich außerdem



              Auf Widerspruch, der mir genehm.



              So kommt es denn zuletzt heraus,



              Daß ich ein ganz famoses Haus.



              (Kritik des Herzens Wilhelm Busch;)



              Gefiel der Kritik übrigens gar nicht;)



              …un scheunen Sündach ook

  • Ich finde den Gedanken, Schüler selbst über ihre Lektüre entscheiden zu lassen, ziemlich absurd - mir graut bei der Vorstellung, wofür wir in diesem Alter gestimmt hätten und vor allem davor, was mir dabei entgangen wäre. Es ist nicht Sinn und Zweck der Schule, den Geschmack von Elftklässlern zu reproduzieren, sondern ihren Horizont zu erweitern und Ihnen die Kultur und Geschichte ihres Landes (und gerne auch ein wenig Weltliteratur) nahezubringen. Natürlich ist es im Grunde pedantisch, sich auf einen Kanon zu einigen, aber anders lässt sich kein sinnvoller Lehrplan erstellen. Über Literaturklassiker die Nase zu rümpfen, weil es - horribile dictu - weiße Männer waren, nimmt der Identitätspolitik jeden kritischen Anspruch und macht sie entgültig zu einer formalistischen Übung, die auch noch erstaunlich Neoliberalismus-kompatibel ist; denn das Kultur aussortiert werden kann, wenn sie nicht finanziell verwertbar ist, würden die Lindners dieser Welt sofort unterschreiben. Übrigens: der Literaturkanon an türkischen Gymnasien ist wesentlich umfangreicher und anspruchsvoller.