Kriegsgerät für die Ukraine: Frieden schaffen mit Waffen

Die Mehrheit der Deutschen ist für eine stärkere militärische Hilfe für die Ukraine. Die Grünen machen Druck, aber der Kanzler zögert.

Schwarz/weiß Grafik eines Panzers, der sich im hinteren Teil in Friedenstauben auflöste

Die Ausbildung der Besatzung für den Schützenpanzer Marder dauert für gewöhnlich knapp sechs Monate Illustration: Adobe Stock

Die ukrainische Regierung ist nicht wählerisch. Was auch immer der Westen an Waffen entbehren könnte: Kiew würde es wohl nehmen. „Wir brauchen schwere Artillerie, gepanzerte Fahrzeuge, Luftverteidigungssysteme, Kampfflugzeuge. Alles, was die russischen Truppen aufhalten und ihre Kriegsverbrechen stoppen kann“, sagt Präsident Wolodimir Selenski in einem Youtube-Video, das am Mittwoch online ging – eingebettet in eine Website mit einer langen Wunschliste. Darunter Kampfpanzer wie amerikanische Abrams, alte sowjetische T-72, deutsche Leopards. Bei der Flugabwehr sollen es sowjetische S-300 oder BUK sein – „oder moderne westliche Systeme“.

Die schweren Waffen fordert die Ukraine für die erwartete große Schlacht im Donbass. Und inzwischen werden ihre Wünsche auch erhört: Die Slowakei schickte ein Flugabwehrsystem vom Typ S-300. Tschechien liefert die angeforderten T-72-Panzer, Polen laut unbestätigten Berichten ebenfalls. Der Vorteil jener Systeme: Sie sind sowjetischer Bauart und dem ukrainischen Militär bekannt. Aber auch die USA und Großbritannien haben der Ukraine mittlerweile schwereres Gerät zugesagt: Die Briten versprachen unter anderem Antischiffsraketen, die Amerikaner sagten am Mittwoch gepanzerte Fahrzeuge, Kamikaze-Drohnen und Haubitzen zu, Geschütze mit großer Reichweite also.

Die Bundesrepublik aber zieht nicht nach. Kurz nach Kriegsbeginn schickte sie kleinere Waffen wie Panzerfäuste, nun stockt die Unterstützung. In Umfragen spricht sich zwar eine Mehrheit der Deutschen dafür aus, auch schwere Waffen in die überfallene Ukraine zu liefern. Außenministerin Annalena Baerbock sagte in dieser Woche: „Jetzt ist keine Zeit für Ausreden.“ Und auch Koalitionsabgeordnete machen Druck, zuvörderst Toni Hofreiter (Grüne), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Michael Roth (SPD), die am Dienstag für Gespräche nach Lwiw reisten.

Doch der, auf den es am meisten ankommt, bremst: Olaf Scholz. „Ich bin beeindruckt, wie sehr viele Leute es schaffen, einmal kurz zu googeln und zu Waffenexperten zu werden“, sagte der Kanzler im Interview mit dem RBB. Schwere Waffen zu liefern, sei eben nicht so einfach.

Ersatzteile, Ausbildung: Viele Probleme werden genannt

Da ist etwas dran. Ein Problem ist, dass gebrauchte Panzer vorwiegend nicht unmittelbar einsatzbereit sind. Ein anderes, dass die ukrainische Armee für den Einsatz komplexer westlicher Systeme, mit denen sie bislang nicht gut vertraut ist, Vorlaufzeit braucht. Dabei geht es nicht nur um die Ausbildung der Besatzung, die nach deutschen Angaben beim Schützenpanzer Marder für gewöhnlich knapp sechs Monate dauert. Hinzu kommen auch die Beschaffung von Ersatzteilen und die Ausbildung von Mechaniker*innen.

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Weiß die ukrainische Seite all das nicht? Das Trio aus dem Bundestag, das am Dienstag nach Lwiw reiste, berichtet: Auf die Schnelle seien den Ukrai­ne­r*in­nen die sowjetischen Waffen zunächst lieber. Wenn der Vorrat an alten Systemen in absehbarer Zeit ausgehe, müsse jedoch Ersatz bereitstehen.

Was die Vorlaufzeit für den Einsatz deutschen Kriegsgeräts angeht, ist man in der Ukraine offenbar optimistischer als im Kanzleramt. Die FDP-Abgeordnete Strack-Zimmermann etwa sagt: „Wir haben unsere Gesprächspartnerinnen auf die möglichen Probleme hingewiesen: dass es wenig Sinn ergibt, wenn ein Panzer nach wenigen Stunden liegen bleibt und dann von den Russen zerstört wird, und dass ein Marder im Verbund eingesetzt wird. Also zu dritt oder viert in einem Zug mit 36 Soldaten im Einsatz ist, die koordiniert wirken müssen. Das wurde mit Interesse angenommen. Es wurde aber auch erklärt, dass die Ukrainer in der Lage sind, schnell zu lernen.“

Dass Marder oder Leopards Herausforderungen mit sich brächten, bezweifelt also niemand. Die eine Seite will aber glauben, dass die Probleme lösbar sind – die andere nicht. Und die Bremser bewegt noch etwas anderes: die Sorge, dass die Bundesregierung den russischen Präsidenten durch eigene Waffenlieferungen zu einem Angriff provozieren könnte. Am Donnerstag kritisierte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich die Forderung nach schwerem Gerät für die Ukraine: Eine Lieferung aus Deutschland könnte aus seiner Sicht „weitgehende Konsequenzen für die Sicherheit unseres Landes und der Nato haben“.

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