Impfpflicht für Pflegepersonal: Besser ungeimpft als gar nicht da

Der Protest gegen die Impfpflicht ist ein Problem mit Ansage. Wenn der Piks gegen Ansteckung kaum hilft, sinkt die Akzeptanz für die Pflichtimpfung.

Eine Pflegerin bückt sich über einen Menschen im Rollstuhl - beide sind nur von hinten zu sehen

Pflegerin mit Bewohnerin eines Pflegeheims Foto: Sebastian Willnow/dpa

Wer den Kopf in den Sand steckt, sieht die Probleme nicht. Als der Bundestag im Dezember die Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitsbeschäftigte beschloss, wurde die Frage nach der Versorgungssicherheit einfach ausgeklammert. Keiner der jetzt so kritischen Unionsabgeordneten machte den Mund auf. Auch im Bundesrat stimmten alle zu, inklusive Bayerns Markus Söder.

Dabei lag das Problem doch auf der Hand: Was ist für Kliniken und Heime gewonnen, wenn die ungeimpften Pflegekräfte einfach nicht mehr zum Dienst erscheinen? Verbessert das die Situation der Pa­ti­en­t:in­nen und Pflegebedürftigen oder verschlechtert es sie? Die Ignoranz der Politik war schon deshalb auffällig, weil die Gesundheitsministerkonferenz nur drei Wochen zuvor aus genau diesem Grund eine Impfpflicht für Pflegekräfte abgelehnt hatte.

Nun also sind alle nervös. Bayern will die Impfpflicht irgendwie aussetzen, die CDU/CSU fordert die Koalition auf, alles wieder rückgängig zu machen. Und die Bundesländer kritisierten fehlende Vorgaben durch den Bund.

Doch der Ruf nach dem Bund ist ein bloßer Vorwand, um sich zu verdrücken. Wir leben im Föderalismus, damit die Länder den Verwaltungsvollzug an die Verhältnisse vor Ort anpassen können. Und wenn die Länder lieber einheitliche Regeln wollen, dann können sie sich ja gemeinsam auf einheitliche Regeln verständigen.

Natürlich wäre es gut, wenn alle Pflegekräfte geimpft wären. Es geht hier ja nicht um ihren Schutz, sondern um den Schutz vulnerabler alter Menschen. Aber es ist auch klar, warum die gesellschaftliche Akzeptanz für die Pflege-Impfpflicht sinkt. Bei der Omikron-Variante stecken sich reihenweise auch Geimpfte und Geboosterte an und sind dann eben auch selbst ansteckend. Die Impfung reduziert zwar auch diese Gefährdung, aber der Zusatznutzen ist deutlich geringer als bei früheren Virusvarianten. Inzwischen sind in der Bevölkerung genauso viele Menschen „für“ wie „­gegen“ die Pflege-Impfpflicht.

Nun gibt es den Vorschlag, die Pflege-Impfpflicht zu verschieben und auf eine allgemeine Impfpflicht zu warten. Aber auch dabei sind die von Omikron ausgelösten Akzeptanzprobleme bereits unübersehbar. Denn das Gesundheitssystem ist trotz geringer Impfquote lange nicht so belastet wie zunächst befürchtet.

Für Extremfälle, die ja noch kommen können, sollte eine Impfpflicht gesetzlich und organisatorisch durchaus vorbereitet werden. Dann wird die Einführung auch ausreichend breit getragen werden. Aber nicht jetzt.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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