Oben-Ohne-Demo in Berlin: Freie Nippel
Beschriebene Brüste statt Plakate – in Berlin demonstrieren Menschen für die Gleichbehandlung nackter Körper. Anlass ist ein Vorfall am Spielplatz.
Die Demonstrierenden wollen darauf aufmerksam machen, dass männliche und weibliche Oberkörper nicht gleich behandelt werden. Unter dem Motto „No nipple is free until all nipples are free“ hatte die nur für diesen Zweck entstandene Sektion „Wilde Möpse“ der Hedonistischen Internationalen zur Demo aufgerufen. Auf Fahrrädern zieht der Zug ab Mittag quer durch Kreuzberg und Neukölln bis zum Tempelhofer Feld. Gekommen sind laut Veranstalter*innen rund 700 Menschen, laut Polizei rund 350.
Hintergrund des Protests ist ein Ereignis Ende Juni: Weil eine Frau sich oben ohne am Wasserspielplatz Plansche im Plänterwald gesonnt hatte, während ihr Sohn im Wasser spielte, war zunächst die Parkaufsicht und schließlich die Polizei gekommen. Beide hatten sie aufgefordert, einen BH oder ein T-Shirt anzuziehen, weil ihre Brüste „stören“ würden und es „hier Kinder“ gebe. Die Frau namens Gabrielle Lebreton weigerte sich. „Das ist Diskriminierung“, habe sie laut ihrem Gedächtnisprotokoll gesagt. Schließlich sei sie gegangen, weil die Polizei sie des Platzes verweisen wollte. Zur Demo kam Lebreton nicht, sie wolle sich nicht in den Vordergrund drängen. Aber sie hat eine Nachricht geschickt, die bei der Anfangskundgebung zu hören ist.
CDU? Cool damit
Dass die Teilnehmerinnen oben ohne sind, wurde zur Überraschung der Veranstalter*innen schon im Vorfeld genehmigt. Für eine der Organisator*innen, die als Rosa Nippel-frei zitiert werden will, bestätigt das nur, wie absurd der Vorfall im Plänterwald war: „Selbst die CDU hat nichts hiergegen. Das zeigt die ungeschriebene Gesellschaftsordnung in Berlin. Der Konsens zu oben ohne ist da.“ Deswegen fordern die Wilden Möpse, das politisch umzusetzen.
Rosa, Demonstrierende
Lebreton war wegen Belästigung der Allgemeinheit gemäß §118 des Ordnungswidrigkeitengesetzes des Platzes verwiesen worden – dass ihr nackter Oberkörper darunter fällt, sei die persönliche Auslegung des Polizisten gewesen. Damit so etwas nicht wieder vorkomme, sei eine verwaltungsinterne Richtlinie, die diese Auslegung unterbindet, eine Lösung.
Für eine junge Teilnehmerin der Demo ist es damit jedoch noch nicht getan. „Das Gesetz zu ändern reicht nicht, um das gesellschaftliche Bild zu ändern“, sagt Rosa, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte. Aktuell werde die Brust zu sehr als sexuelles Symbol gesehen. „Brüste sind basically da, um Babys zu füttern. Ich kann nicht nachvollziehen, warum das sexualisiert wird“, sagt sie. „Free the titties“ steht in schwarzer Farbe auf ihrem Oberkörper.
Überhaupt gibt es auf dieser Fahrraddemo nur wenige Plakate aus Pappe, dafür umso mehr Sprüche auf Körpern: „I am not your porn“, „Chill mal deine Nippel“ oder „Free the nipple“.
Am Rande des Fahrradzuges bringt ein männlicher Demoteilnehmer – oben ohne – seiner Begleiterin – auch oben ohne – ein Bier aus dem Späti. Kurz verweilen sie vor dem Geschäft. Da kommt ein Mitarbeiter und bittet die Frau mit eindeutigen Gesten zu gehen. Oben ohne, so normal das heute in der Masse der Protestierenden wirkt, so anstößig ist es noch in der Realität.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau