Ingo Arzt über Siemens’ Geschäft mit der Kohle
: Kaeser verarscht Neubauer

Siemens-Chef Joe Kaeser hat die Klimaaktivistin Luisa Neubauer und die Fridays-for-Future-Bewegung geschickt für seine Zwecke instrumentalisiert: Am Freitag noch traf er sich mit Neubauer, bot ihr einen Job im Aufsichtsrat des künftigen Unternehmens Siemens Energy an, redete übers Klima. Das alles, um am Sonntag zu verkünden: Siemens wird sich nicht aus dem Geschäft um die australische Kohlemine Adani zurückziehen.

Aus Sicht von Siemens macht das alles viel Sinn. Die Rage des klimabewegten Teils der deutschen Öffentlichkeit nimmt der Konzern in Kauf, er verkauft keine Produkte an Endkund*innen. Wer „Siemens“ kauft, kauft eigentlich Bosch. Kaeser muss keine sinkenden Umsätze aufgrund von Boykotten fürchten. Stattdessen verkauft Siemens etwa Software für Gebäude oder Fabrik­automatisierung, Schienenfahrzeuge, Kraftwerke, Windräder oder liefert Infrastruktur für Öl- und Gasfirmen. Dieses Kraftwerksgeschäft soll im Herbst an die Börse. Siemens wird weiter Anteile daran halten und kann deshalb vor allem eines nicht brauchen: Aufträge aus der Öl- und Gasindustrie verlieren, weil Geschäftspartner weltweit das Signal erhalten, der Konzern werde wegen ein paar wütender Schüler*innen vertragsbrüchig.

All das ist Kaeser sicher nicht am Sonntag beim Frühstückskaffee aufgefallen. Er wusste es bereits, als er sich zum Treffen mit Neubauer verabredete. Kaeser hat die Klimaaktivistin auf gut Deutsch nach Strich und Faden verarscht. Das Treffen diente nur einem einzigen Zweck: institutionellen Investoren wie Pensionsfonds, Kirchenfonds oder Versicherungsunternehmen zeigen, dass Klima Chefsache bei Siemens ist und der Chef sich sorgt. Denn diese Kapitalgeber pochen darauf, dass sich Unternehmen wie Siemens allmählich wandeln. Ihr Kapital abziehen werden sie kaum, sonst haben sie kein Mitspracherecht mehr. Ob sie mehr als Klimaschutz- Maulhelden sind, wird sich am 5. Februar auf der Siemens-Hauptversammlung zeigen. Sollten sie Kaeser dort wegen des Adani-Geschäfts grillen, wäre das doch noch ein Sieg für Neubauer.

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