taz-Genossen stimmen „Seitenwende“ zu: Bloß nicht in Schönheit sterben
Als erste überregionale Tageszeitung beendet die taz unter der Woche das Drucken. Die Versammlung der taz-Genoss:innen akzeptierte den Schritt nach lebhafter Aussprache.
Berlin taz | Die letzte auf Papier gedruckte werktägliche Ausgabe der taz erscheint am 17.10.2025. Auf der Generalversammlung der taz Verlagsgenossenschaft im Berliner Festsaal Kreuzberg verkündete die Geschäftsführung der taz am Samstag, 14.09., den Zeitpunkt der sogenannten „Seitenwende“ für die seit 1979 täglich erscheinende Tageszeitung aus Berlin.
Dem vorangegangen waren mindestens sechs Jahre seit dem großen Knall: 2018 verkündete der damalige taz-Geschäftsführer Kalle Ruch, dass der Journalismus der taz „im Netz“ weiterlebe und die geschichtsträchtige linke Zeitung daher eines Tages in der Woche rein digital und nur noch am Wochenende als Printzeitung erscheinen könnte. Andere Medien nahmen Ruch beim Wort, berichteten direkt im Anschluss, es könne „möglicherweise bald“ so kommen, dass die taz ihren werktäglichen Druck einstellt. Ein solches „Szenario“, wie der Geschäftsführer es nannte, gab es in der deutschen Medienbranche kein zweites Mal.
Kein zweites Mal gibt es auch die Art und Weise, wie die taz sich nun zu diesem historischen Schritt durchgerungen hat. Freilich kann ein Schritt wie die „Seitenwende“ in einer genossenschaftlich organisierten Zeitung nicht einfach durchgesetzt werden. Daher ist es zum Ritual auf der jährlichen Genossenschaftsversammlung geworden, ausgiebig über das Für und Wider dieses Schritts zu diskutieren.
So ernst wurde es aber noch nie: „Ich glaube, dass der Weg, die tägliche Zeitung ab 17. Oktober 2025 digital erscheinen zu lassen und nur noch die wochentaz zu drucken, der richtige Weg ist, um das Fortbestehen der taz zu sichern“, so lautete der Satz, über den knapp 800 Genoss*innen vor Ort und digital abstimmen durften. Das Ergebnis fiel bemerkenswert aus: rund 77 Prozent stimmten mit „Ja“, 13 Prozent mit „Nein“ und weitere 10 Prozent enthielten sich.
Was ist die Seitenwende und warum machen wir das? Unser Info-Portal liefert ihnen weitere Hintergründe, Einblicke und Ausblicke: taz.de/seitenwende
„Ein Treppenwitz“
Dass eine solch große Mehrheit zusammenkommen könnte, schien dabei zunächst alles andere als klar. Der Abstimmung unmittelbar vorangegangen war ein Redebeitrag des taz-Genossen Junge-Hülsing, der ausführlich begründete, warum er die „Seitenwende“ ablehnt: „Eigentlich sind einige von uns, vielleicht ich selbst, ein bisschen schizophren: Wir halten Genossenschaftsanteile, damit eine linke Tageszeitung gedruckt werden kann, und wir bezahlen hohe Abogebühren, damit wir sie auch kriegen. Aber das einzige Signal ist: Wann hört ihr endlich auf mit dem Zeitunglesen?“
Junge-Hülsing meinte, es sei ein „Treppenwitz“, dass ausgerechnet die progressive taz nun mit „Alternativlosigkeit“ argumentiere. Letztlich rief er die Chefredaktion und Geschäftsführung dazu auf, eine neue Strategie vorzulegen, die sowohl das Fortbestehen der täglichen Printausgabe als auch die digitale Transformation mit einschließt.
Es folgte eine Dreiviertelstunde Aussprache mit den Genoss*innen, von denen einige Junge-Hülsings Kritik zustimmten, viele aber mit Verve widersprachen: Es gebe durchaus eine Alternative zur Einstellung des werktäglichen Drucks, merkte eine Genossin an, und zwar: „in Schönheit zu sterben“. Es gelte aber zu bewahren „wofür die taz steht“, und das ginge nur, indem man „jetzt diesen Weg geht“, subsumierte sie unter Applaus.
Eine zweite Abstimmung forderte von den Genoss*innen schon mehr als gute Stimmung. Weit hergeholt war es daher nicht, dass Vize-Chefredakteurin Katrin Gottschalk vom „Ja-Wort“ sprach, und sich anschließend fast im Freud’schen Sinne versprach, als sie die Formulierung „bis ans Ende unserer Tage“ andeutete. Aber auch auf die Frage, ob die Genoss*innen „in den nächsten zwei Jahren“ auch Abonnent*innen bleiben wollen, antworteten 69 Prozent mit „Ja“.
Ein Blatt wendet sich
Folglich geht die taz ihren ungewöhnlichen Weg nun aus einer „Position der Stärke“ heraus, wie Geschäftsführerin Aline Lüllmann betonte. Damit erhält der größte Schritt im Prozess der digitalen Transformation der taz nach sechs Jahren Vorbereitungszeit nicht nur ein Datum, sondern auch breite Unterstützung seitens der Genossenschaft.
Seit 2018 verfolgt die taz das strategische Ziel, den Rückgang im traditionellen Print-Abo-Geschäft zu kompensieren und dabei die Leser:innen-Reichweite zu steigern: Inzwischen ist die ehemalige Wochenend-Ausgabe zur Wochenzeitung „wochentaz“ ausgebaut – sie wird auch weiterhin immer samstags bundesweit gedruckt erscheinen.
Die tägliche Zeitungsausgabe hat bereits ihre eigene App: Das ePaper in der taz-App wird auch nach der Einstellung des Drucks von Montag bis Freitag als abgeschlossenes Zeitungsprodukt erscheinen. Darüber hinaus wird auch die Website der taz weiter ausgebaut und Mitte Oktober 2024 einen umfangreichen Relaunch erfahren.
Schritt in die Zukunft der taz
„Wir sind glücklich und erleichtert, dass alle Zukunftsprodukte der taz jetzt so weit entwickelt und auch so erfolgreich sind, dass wir diesen wichtigen Schritt in die publizistische Zukunft der taz gehen können. Es war ein langer Weg bis hierhin und er ist weder uns noch der taz insgesamt leichtgefallen. Mit der Festlegung des Datums der letzten gedruckten werktäglichen Ausgabe haben wir nun eine wichtige Entscheidung getroffen, um die wirtschaftliche Zukunft der taz zu sichern“, erklären Aline Lüllmann und Andreas Marggraf, die beiden taz-GeschäftsführerInnen.
Natürlich sei dieser Prozess für das konzernunabhängige Haus ein Kraftakt, sagen Lüllmann und Marggraf. Aber: „Mit Stolz können wir sagen, dass wir die wirtschaftlichen Kennzahlen, nach denen wir unsere Seitenwende orchestriert und jetzt auch terminiert haben, bereits erreicht haben oder absehbar erreichen werden. Die gesamte taz zieht mit, das wissen wir – und unsere LeserInnen und GenossInnen werden uns unterstützen, davon sind wir insbesondere nach den Reaktionen auf der heutigen Generalversammlung überzeugt.“
Kräfte für noch mehr Journalismus
Auch die taz-Chefredaktion ist zuversichtlich: „Wir wissen ja längst, dass taz-Journalismus auf allen Kanälen funktioniert – digital ebenso wie in print“, erklären die Chefredakteurinnen Barbara Junge und Ulrike Winkelmann. „Unsere Analysen, Kommentare und Recherchen, unsere Haltung und Ironie bleiben auf mindestens bekanntem Niveau. Die technischen Umbrüche können sogar Kräfte für noch mehr Journalismus freisetzen, damit die taz die wichtigste linke, progressive Stimme in der deutschen Medienlandschaft bleibt.“
Vize-Chefredakteurin Katrin Gottschalk erklärte am Samstag in ihrer Rede vor der Genossenschaft: „Vor 46 Jahren endet das Editorial der ersten taz mit dem Ausruf: Die taz ist kein Papiertiger! Heute stimmt dies für uns in doppelter Hinsicht. Die taz bleibt relevant und geht als erste überregionale Zeitung diesen wichtigen Schritt in die Zukunft. Wir freuen uns darauf!“
Leser*innenkommentare
Andreas Vogel
Wenn schon aus Kostengründen Abschied von Print, dann wäre es von der Verlagsleitung schlüssiger gewesen, beschließen zu lassen, aus der taz eine woz zu machen - also eine Wochenzeitung mit (wie inzwischen üblich) angeschlossenem täglichen Newsletter. Denn es ist absehbar, dass die Wochentags-PDFs nicht viel mehr Leser finden werden, als heute schon digital auf die taz auf diesem Weg zugreifen. Schließlich lesen immer mehr Menschen digital nur noch auf ihrem Mäusekino-Smartphone. Was soll da ein PDF mit Zeitungs-Layout?
Heute werden zwar 58,1 Prozent aller verkauften Exemplare der taz in der Woche digital gelesen. Doch hiervon sind 37,8 Prozent "Sonstiger Verkauf" - der Verlag erhält also (deutlich) weniger als 35 Prozent des Normalabo-Preises. Vollbezahlt sind also an Print-Abos und Print-Einzelverkauf 18.554 Exemplare sowie an Digital-Abos und Digital-Einzelverkauf 16.572 Exemplare. Das sind bisher 47,2 Prozent des harten Verkaufs. Wie da die GF sicher ist, man erreiche in einem Jahr die Zielzahl 85 Prozent, ist mir ein Rätsel. Wie begehrt ePaper in der Gesellschaft wirklich sind, zeigt sich am Einzelverkauf mit 1.134 gedruckten Verkäufen, aber nur 9 ePaper-Verkäufen. Daher ist der Erfolg einer Nur-Digital-Strategie fraglich.
Prof.Dr. Andreas Vogel, Wiss. Institut für Presseforschung, Köln
Helmut van der Buchholz
Zeitung lesen am Frühstück mit dem Laptop werde ich mir nicht angewöhnen wollen. Wahrscheinlich bin ich zu alt für sowas. Aber dann lieber was anderes aus Papier oder eben gar nix mehr. Schade
meerwind7
Gibt es noch mehr, die beim oberflächlichen Lesen zuerst den Eindruck hatten, es wäre schon diesen Oktober Ende mit der Printausgabe?
meerwind7
Der Unterschied zwischen e-Paper und Webseite ist schwer verständlich. Die Zeitung im Kiosk kann ich kurz anschauen, bevor ich mich zum Kauf entschließe.
Sinnvoll erscheint mir eine Aufgabenverteilung mit Webseite mit aktuellen Berichten und Wochen-taz mit einer Zusammenfassung des Nachrichtengeschehens der gesamten Woche. Dort sollte dann auch drinstehen, wer die EM am vorigen Sonntag gewonnen hat und wie oft Söder im Lauf der Woche seine Positionen gewechselt hat.
Zuversicht
Die Tagesausgaben gab es hier eh nie vor Ort.
Der nächste Schritt Plusabo wird aber auch noch kommen. Wirtschaftlich notwendig, deshalb mit Mehrheit beschlossen.
Volker Scheunert
Ich arbeite in einem Verlag, und mir ist klar, dass der Trend weg vom Papier geht. Insofern ein konsequenter Schritt der Taz. Das bedeutet dann aber auch eine Paywall für die Online-Leser:innen. Gibt es dazu schon Konkretes?
Annette Thomas
@Volker Scheunert So wie ich das verstanden habe, soll es die weiterhin nicht geben, denn einer der Grundgedanken ist ja, dass der linke Journalismus für alle zur Verfügung stehen soll.
Man will aber natürlich versuchen (wie die anderen auch), die Bereitschaft zu freiwilligen (monatlich festen) Beiträgen zu erhöhen. Ob es eine Paywall geben wird oder nicht, hängt sicher auch vom Erfolg dieser Strategie ab.
Reiner Schwope
Liebes TAZ-Team,
Entscheidungen werden immer aus sich selbst heraus vorgenommen, da ist mein Kommentar eigentlich nicht erforderlich.
Ich lese die TAZ seit geraumer Zeit online, ich würde sie hier auf Korfu auch sonst nur sehr verspätet lesen können. Und doch empfinde ich einen leichten Pein mit einem Schuss Nostalgie. Und noch ein Punkt mehr, an dem ich spüre, wie man beim älter werden gewohnte Dinge verliert, dabei die Lust auf das Neue aber nicht mehr so groß ist wie früher.
Gesunder Menschenverstand
Als Genosse und Abonnent bin ich schon seit einiger Zeit bei dem Modell digital in der Woche und Print am Wochenende. Funktioniert gut und mache ich gern so weiter.
Senza Parole
Ich finde das gut. Ich lese alle Zeitungen nur digital.
Ich vermeide so den Papierverbrauch und Altpapierberge.
Was ist eigentlich der große Unterschied, ob ich nun das Tablett oder die Papierzeitung vor der Nase habe? Aber klar, dem Menschen fällt es schwer sich von Gewohntem zu verabschieden. Müssen wir ja auch bei anderen Themen (z.B. CO2 Vermeidung) leidvoll feststellen.
Die TAZ macht das sicherlich nicht aus purer Freude, sondern aus wirtschaftlich notwendigen Gründen.
Andreas Vogel
@Senza Parole Guten Tag,
leider unterlaufen Sie demselben Irrtum wie viele ökologisch bewusste Menschen. Eine gedruckte Tageszeitung, gefertigt wesentlich in einem Kreislaufsystem, ist dann deutlich ökölogischer als ein ePaper, wenn sie
* länger als 30 Minuten gelesen wird
* von mehr als einer Person gelesen wird.
Viele Menschen machen sich nicht klar, wie hoch
* die ökologischen Produktionskosten für die Geräte der digitalen Welt sind (Smartphone, PV, Server, IT-Infrastruktur, Leitungsnetz, etc.) - auch dann anteilig für ein ePaper;
* die Stromkosten für die Nutzung des Internets sind.
Mit jeder zusätztlichen lesenden Person (selbst in einem Haushalt) verdoppeln sich die ökologischen Kosten vieler Elemente. Bei jeder zusätzlich lesenden Person eines gedruckten Zeitungs- oder Zeitschriftenexemplars halbieren, dritteln, vierteln sich hingegen die Produktions- und Distributionskosten.
Freundliche Grüße
PRf. Dr. Andreas Vogel, Institut für Presseforschung, Köln
Senza Parole
@Andreas Vogel Überzeugt mich nicht.
Ich nutze Ökostrom aus der PV Anlage.
Das Tablet habe ich als digitaler Mensch eh. Auch kann es an Mitlesende im Haushalt weitergereicht werden.
Dagegen stehen: Abholzung von Wäldern, Druckkosten, CO2 bei dabei und bei der Distribution, Papierabfall.
meerwind7
@Senza Parole Das Tablet ist im Format viel kleiner, das Blättern ist langsamer und mühsamer, einzelne Abschnitte der Zeitung sind nicht als getrennte "Bücher" erkennbar, man kann Artikel nicht herausreißen oder ankreuzen und kann sie auch nicht ohne weiteres jemand anderem einen Teil geben.
Krösa Maja
Ich freue mich über die Entscheidung, online publizieren bedeutet weniger Papierverschwendung und mehr personelle Ressourcen für die eigentliche journalistische Arbeit. Seit ich zuhause ausgezogen bin, lese ich die taz per Website und seit ich keine Studentin mehr bin, mache ich beim freiwilligen Bezahlmodell mit. Die meisten Leute in meinem Umfeld und meiner Altersgruppe ("geriatric millenials" und "GenX") lesen ihre Zeitung ebenfalls ausschließlich online.
Thomas Köchy
Schade. Wieder ein Teil Kultur verloren. Wie ereicht die TAZ künftig Menschen, die zunehmend ausgegrenzt werden, weil sie sn der Digitalisierung nicht teilnehmen können oder wollen? Die Beispiele ziehen sich durch alle Bereiche (Bezahlung, ÖPNV …). Ich kann auch nicht mehr meine Zeitung dem Nachbarn hinlegen und damit die Reichweite erhöhen.
Dietmar Rauter
Die taz im Blindflug durch die kapitalistische ZEITENWENDE: Technik ersetzt MENSCH, auch wenn die Zeitungsausträgerin nur bezahlbar war durch das Huckepacksystem mit anderen Tageszeitungen. Aber der Trend geht dahin, dass nicht nur Mensch, sondern auch Technik zu teuer werden,
wenn Mensch keinen Job mehr hat und sich die Technik (PC) nicht mehr leisten kann. Und dann brauchen wir auch keine Schreiber mehr, wenn die Leser wegbleiben. Zurück zur Papyros-Rolle, die der goldene Reiter durch die Provinz trägt. Ich danke jeden Tag der Frau, die zwischen 4 und 5 Uhr nachts fast täglich die Frühstücks-taz bringt (damit ich um 9 Uhr meine Kommentare auf taz.de formulieren kann und hoffe, dass sie der Redaktion auch genehm sind). Sie lebt davon, so gut es eben geht!
Euromeyer
@Dietmar Rauter Die Arbeitslosigkeit ist fast rekordniedrig, selbst Obdachlose haben Handys und E-reader oder Tablets kosten wenige dutzend €. Wer sich das nicht leisten kann, hat auch kein Geld für ein Print Abo.
Umgekehrt wird die Umwelt geschont, es wird weder Papier noch Druckerfarbe für ein Einwegprodukt verschleudert.
Und wer unbedingt den haptischen Wust benötigt kann es sich ja ausdrucken lassen. Conciergeservices liefern auch gebügelt und parfümiert aus. Lifestyle kostet eben.
(N.B. der Vorläufer vom e-reader war die wiederverwendbare Wachs- Schiefer- oder Tontafel, Papyrus war teuer)
Dietmar Rauter
@Euromeyer Ein Beispiel dafür, für 'Mehrheit' zu Verflachung führt: Die taz HATTE ihre Bedeutung, weil sie an nahezu JEDEM Zeitungskiosk auslag und erhältlich war und damit auch medial für talk-shows etc wichtige Beiträge lieferte. Esoteriker interessieren nicht mehr. Mein Eindruck war, dass viele GenossInnen das noch nicht verstanden hatten und die taz nur für ein persönliches greenwashing diente. Dann ist halt Schluss damit.
Euromeyer
@Dietmar Rauter Die gedruckte Wochenausgabe kann doch weiterhin im Kiosk ausliegen - wie z.B. der Spiegel seit jeher.
Ein Reichweitenproblem hatte der dadurch auch nicht.
Spitzbube
Zum Frühstück eine Zeitung lesen, das ist dann vorbei - das kann ich mir mit einer digitalen Ausgabe nicht vorstellen.
Aber vielleicht bin ich ja ein Dinosaurier.
Vidocq
Die anachronistische Seite in mir, die das Rascheln der Blätter, den Duft der Druckerschwärze und die Morgengymnastik des Umschlagens der Seiten so schätzte hat kapituliert: die Verführung zur Aufbewahrung wichtiger Ausgaben führte nur zu periodischen Entrümpelungsaktionen voller Wehmut.
Danke, daß mein Instinkt zur Abkehr, hin zur Digitaz, so belohnt wird.
Zumal ja auch die Kioske sterben: einer aus Bonn ist schon Exponat des Freilichtmuseums Kommern...
was ist frieden
Meine Mutter (91), Genossin und tägliche Leserin wird die Taz dann nicht mehr lesen können. Aber vielleicht stirbt sie ja vor euch.
NoMeansNo
Schade. Dann werde auch ich im Oktober 2025 nach fast 30 Jahren mein taz-Abo kündigen. Eine App kann für mich eine gedruckte Zeitung leider nicht ersetzen.
Und das Solidarmodell stirbt damit dann vermutlich auch. Ist wohl der Zeitgeist.
Thomas Koll
Mir reicht die Webseite, schon allein weil man hier in Österreich die Druckausgabe nicht pünktlich bekommen kann.
Michael84
Gute Entscheidung.
Philippe Ressing
Es geht ums Kostensparen in Druck und Vertrieb und das stellt ihr dann als bahnbrechende publizistische Neuigkeit hin. Peinlich: das Neue Deutschland praktiziert das bereits seit Monaten....ob mit Erfolg? Wie hoch ist denn die verkaufte Auflage der Wochentaz und die Rendite?
Kein Wort darüber, ob denn dann alle Online-Angebote nur noch kostenpflichtig zu lesen sind. Tja da freuen sich Döpfner, Funke und die anderen Verleger: ihr seid ja sooo normal...
Annette Thomas
@Philippe Ressing Doch, auch über die Fragen der Kostenpflicht wurde diskutiert. Und niemand will sich kampflos dem Neoliberalismus ergeben, so klingt es bei Ihnen. Aber Solidarität geht nur dann, wenn der finanzielle Rückhalt dafür vorhanden ist. Genau darum ging es, und um die Frage, wie Soli-Abos und Paywall-Freiheit weiterhin möglich sind.
Ich war die mit dem "In Schönheit sterben"-Statement, und ich wiederhole es hier nochmal: Wenn man sich die Kostenaufschlüsselung angesehen hat, wurde einem klar, dass man das Printmodell noch ein paar Jahre hätte fortführen können - aber nur auf Kosten der Substanz. Man hätte also das Kapital der Genossenschaft Stück für Stück aufgebraucht, und am Ende hätte man nichts mehr gehabt: kein Print, keine taz.de, keine bezahlten Redakteur:innen mehr. Es hätte nur ein paar Jahre länger gedauert.
Und ja: die Parallelen zur Verbrennerdebatte sind frappierend.
StefTack
Für mich ist ein wichtiger Aspekt, den ich bislang weder im Kommentar noch in den Artikeln wiederfinde: Was ist mit der jüngeren Leserschaft unter 18, die vielleicht einfach morgens durch die Eltern mit lesesozialisiert wird?
Meine Kinder wurden und werden über den Sportteil angesprochen - und lesen irgendwann auch andere Seiten und Bücher der Lokalzeitung, wie ich damals auch.
Okay, in der TAZ gibt es eh keinen Lokalsport. Aber wo und wie sollen junge Leserinnen und Leser sich je für die TAZ begeistern, wenn diese bald nur noch auf dem Ipad ihrer Eltern existiert?
Ich vermute, dass auch studentische Milieus immer weniger dazu beitragen, der TAZ neue Leserinnen und Leser zuzuführen.
Damit scheint aber auch klar: Die TAZ wird (leider) mit ihrem Publikum altern, vergreisen und irgendwann einfach aussterben. Schade drum!
Farang
@StefTack "Damit scheint aber auch klar: Die TAZ wird (leider) mit ihrem Publikum altern, vergreisen und irgendwann einfach aussterben. Schade drum!"
Das ist doch schon längst der Fall. Gab doch zum taz-Geburtstag einen Artikel hier wo die zahlende Leserschaft aufgeschlüsselt wurde - das lässt natürlich die nicht zahlende im Nebel, trotzdem - wenn ich mich recht entsinne ist der zahlende Durchschnittsleser eher männlich, Wessi, 60plus. Hat noch wer den Link zu dem Artikel?
Rudolf Fissner
Durchblättern war immer einfacher als Durchklicken. Ich hoffe daher "digital" meint PDF.
schuhwerfer
Moin,
als jemand, der seit Jahren keine gedruckte Zeitung mehr in den Händen gehalten hat, kann ich den Schritt gut nachvollziehen.
Ein Freund des E-Papers bin ich aber auch nicht geworden, sondern sehe mich lieber fast täglich hier auf der Webseite um.
Dafür zahle ich natürlich auch (freiwillig)... :-)
Ich hoffe, dass mir diese Möglichkeit in der jetzigen Form erhalten bleibt.
Viel Erfolg!
Werner2
"Unsere Analysen, Kommentare und Recherchen, unsere Haltung und Ironie bleiben auf mindestens bekanntem Niveau. "
Das ist wohl ein wenig arg viel Eigenliebe. Das Niveau der taz hat in den letzten 20 Jahren z.T. gewaltig nachgelassen. Schlimmer, wirklich kritische Kommentare just hierzu werden nicht mehr toleriert und nicht veröffentlicht.
Vielleicht sollte frau ja mit Änderungen hier beginnen und die Qualität wieder auf das alte Niveau heben.
Macsico
Meine Stimme gehörte zu den 76 Prozent - aus verschiedenen Gründen, und das sind nicht nur das wirtschaftliche notwendige Überleben dieser wichtigen Stimme in der deutschen Presselandschaft.
Selbst mitten in Berlin hat die Zustellung der Papierausgabe (Probe-Abo für ein paar Wochen) vor ein paar Jahren nicht einwandfrei geklappt. Also lese ich wie die Jahre zuvor weiterhin digital, wie und mit welchem Gerät es gerade passt & angenehm ist:
- unterwegs auf dem Smartphone. Schon mal im Stehen in der Berliner U-Bahn ne Zeitung gelesen?
- zuhause auf dem großen Computer-Bildschirm (24 Zoll). Hier kann ich vergrößern/zoomen, scrollen, wie ich will.
Für meine Nutzungs-Szenarien ist digital also passend und Papier fehlt mir nicht.
Das mag für Familien/WGs anders aussehen, aber ich halte es da mit der Genossin, die auf das "in Schönheit sterben" hingewiesen hat.
Angesichts der vollkommen eskalierenden Migrations-Debatte seit Solingen/Mannheim muss die taz besser den je fit für die Zukunft gemacht werden, damit Vernunft und Moral auch weiterhin eine gut hörbare Stimme haben.
Hans aus Jena
Sorry, das wird das Ende der taz. Entweder man findet sie am Kiosk oder sie wird eines der unzähligen Webportale, die irgendwann zu wenig angeklickt wird.
Im Netz überlebt die taz derzeit
nur mit der weichen Bezahlschranke, die neue Form erfodert eine harte. Dies werden viele Leser nicht mehr nachvollziehen, andere "kostenlose" Angebote werden genutzt. Die harte Papiervariante bleibt der Stock einer Zeitung.
Annette Thomas
@Hans aus Jena Ich glaube eher, dass die anderen großen Zeitungen sich das jetzt sehr genau anschauen, vielleicht ein bisschen stänkern, und wenn es die taz in 3 Jahren immer noch gibt, werden die letzten Blätter nachziehen.
Druck- und Papierkosten, insbes. bei sinkender Auflage, brechen allen das Genick. Aber so wenig, wie man der CO2-Realität ins Auge blicken will, will man diese Wahrheit hören.
Dass die taz hier vorangeht, könnte ihr Vorteil werden. Und das Soli-Modell kann sie sich nicht aufgrund einer verlustbehafteten Printausgabe leisten, sondern weil sie eine Genossenschaft ist und frei von Renditeerwartungen. Und DEN Vorteil hat nur sie!
Hubertus Storr
Gut so, die taz reagiert auf das Leseverhalten der Kunden. Die Printausgabe habe ich vor Jahren schon abbestellt, da die Zustellung per Post 1-2 Tage später erfolgte.
Egon Schmitz
wenn es so kommen sollte, dann werde ich wohl mein taz-abo kündigen.
Informierter
Liebe Taz-Leute,
ich habe die letzte gedruckte Ausgabe vor Jaaaaahren in den Händen gehabt. Ich finde, um Kosten zu senken und Reichweite auszubauen, könnt Ihr Euch das ganze Jahr doch quasi (selber) schenken - was spricht dagegen, das Ganze vorzuziehen? z B Weihnachten... mit Ankündigung, dann ist der Übergang nicht so krass. Ihr könntet ab 24.9. (oder zu Silvester, ab 31.9. entsprechend) einen Countdown auf die Zeitung drucken, und -obergeil- LIMITED EDITION drauf schreiben;-)) so oder so, viel Erfolg!
Franz Richter
Schade, dass wir nun nach über 10 Jahren die **taz** kündigen müssen. Ich empfinde es als unangenehm und äußerst unpraktisch, die Zeitung auf einem Handy oder iPad zu lesen. Das digitale Format kann für mich das Leseerlebnis einer gedruckten Ausgabe leider nicht ersetzen. Endgeräte kosten zudem auf Dauer zu viel Geld, und eine Zeitung im Sommer am See zu lesen ist so gut wie unmöglich – ganz zu schweigen von der Mitnahme eines teuren Geräts.
testen
@Franz Richter Schade, dass ich nun nach rund 40Jahren mein Abo kündigen muss.
Mir wird am Frühstückstisch was fehlen.
cyan
Ich hoffe sehr, dass die Website der taz nach dem "umfangreichen Relaunch" weiterhin so leicht und schlank ist wie jetzt, im technischen Sinne. Sie ist eine der wenigen Webseiten, die ich regelmäßig besuche, die super ohne Javascript zu lesen sind, und nicht so viel Bandbreite brauchen. So können auch Menschen mit alter Hardware oder einer nicht so schnellen Internetverbindung die Website in vollem Umfang genießen! Was auf Mainstream-Websites inzwischen normal ist, ist jenseits von Gut und Böse. (Ich habe grade zum Test einen Artikel auf medium.com aufgerufen, das waren 3.6 MB die da übertragen wurden. Der Artikel selbst besteht aus 5.1 KB Text und einem 203 KB großen Bild. Ich will gar nicht wissen, wofür die restlichen 3.4 MB alles verwendet werden...)
Tanz in den Mai
@cyan Hier möcht ich mich anschliessen. Ist wohl aber nicht zu befürchten, es wird ja nicht umsonst so gehalten und neuer Aufwand in dem Sinn passte nicht gut zur Erwartung, dass mit der Umstellung Ressourcen für den journ. Bereich wachsen. Was viele andere fett macht, ist dann auch nicht zuletzt Werbung (selbst wenn man blockt). Alternativ kann man eine Light-Version pflegen, wie z.B. DuckDuckGo das macht, muss sich aber auch lohnen. Sonst bleibt dir nur ein Gewirr aus Filtern und Erweiterungen die selbst Ansprüche stellen, gute Browser auf mobilen Geräten haben dazu ja Sparmodi, mehr oder minder effektiv. Besser ist es, diese Trends erst gar nicht (direkt) zu unterstützen, sondern einfach Wikinews zu lesen, Feeds nutzen, Social Media. Selbst'n News/Talk Radio-Stream ist inzw. die schlankere Alternative, bei entspr. Qualität, sterben aber selbst aus.
Josef Löffel
Schade. Mit der digitalen taz werde ich nicht glücklich. Das ist eine Notlösung für den Urlaub oder wenn die Zustellung mal nicht geklappt hat. Dies hier, taz.de, ist ansprechender, hoffentlich wird das nicht kaputtverbessert.
rakader
Der Eichstätter Journalistikprofessor Klaus Meier hat schon um 2010 vorhergesagt, dass bis 2030 die gedruckte Tageszeitung verschwunden sein wird. Er ist mit dieser Vorhersage gut im Rennen.
Bernd Simon
Eine Chefredaktion aus sich als Frauen Identifzierenden, aber wieder bleibt die gelebte Vielfalt auf der Strecke.
Während ihr bei der Reichweite auch alle diversen und nonbinären Personen erreichen wollt ("und dabei die Leser:innen-Reichweite zu steigern"), legt ihr bei der Unterstützung nicht wert auf diese Menschen, sondern nur auf die, welche sich mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren ("und unsere LeserInnen und GenossInnen werden uns unterstützen")
Was wohl Capri und Roxi aus Hamburg zu dieser prominenten Ausgrenzung sagen würden...
Kayhan Rıza Arpacioglu
Schade für das Papier
vieldenker
Mal wieder ist die TAZ der Vorreiter- und alle anderen werden nachziehen. Glückwunsch zum gelungenen Durchstieg aufs Digitale Deutschland.
Gregor von Niebelschütz
@vieldenker Sorry, aber das hat NICHTS mit „Vorreiter“ zu tun. Die FAZ hat beispielsweise eine wirklich gut funktionierende App, abgekopp vom Inhalt ist diese 1. länger am Markt und 2. (meiner Meinung nach) auch deutlich besser gestaltet ist.
Die TAZ lässt sich in gedruckter Form schlicht nicht mehr refinanzieren, traurig aber wahr. Der Schritt in die (fast vollständige) Digitalisierung ist wohl der einzige Weg zum finanziellen Überleben der Zeitung. Wird anderen großen Zeitungen leider in absehbarer Zeit ebenfalls so gehen. Das als reinen „Fortschritt“ zu betrachten ist absurd.
Moritzomer
Ein Irrweg! Die taz manövriert sich selbst damit in die Bedeutungslosigkeit. Ein Verschwinden aus den Kiosken und Presseschauen lässt eine weitere linke Stimme der Gesellschaft verstummen. Außerdem begibt sich die taz noch viel weiter in die eigene Bubble.
Krumbeere
@Moritzomer Die Digitale Version lebt auch in ihrer Bubble. Es wird die linke Leserschaft angesprochen, damit ist sie überregional bedeutungslos und in ihrer Reichweite begrenzt.
Stoffel
Was sagen denn die Drucker dazu, daß sie ihre Arbeit verlieren?
Axel Berger
@Stoffel Wollen Sie ernsthaft wieder Heizer auf Elektrolokomotiven mitfahren lassen?
rakader
@Axel Berger Viel früher wurden schon die Meteure abgemeldet. Kennt das Berufsbild heute noch jemand?