Werben um Wechselwähler*innen: Grüne entdecken Gefahr von Links
Die Linke steigt in Umfragen, die Grünen reagieren. In einer Anzeigen-Kampagne warnen sie vor verlorenen Stimmen und sinkenden Verteidigungsausgaben.
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„Eine Partei zu wählen, die von vornherein ausschließt zu regieren, drückt sich vor der Verantwortung, in schwierigen Situationen das Richtige zu tun“, sagt Außenministerin Annalena Baerbock in einem der Clips. Dazu wird ein Wahlplakat der Linken eingeblendet, auf dem steht: „Alle wollen regieren. Wir wollen verändern.“
Ähnlich hatte sich Baerbock am Montag schon bei einem Wahlkampfauftritt in Darmstadt geäußert. In einem anderen Werbevideo behaupten die Grünen, die Linkspartei komme sicher in den Bundestag. „Ob die Opposition 6 oder 8 Prozent hat, macht nicht so einen großen Unterschied.“ Ob die Grünen 12 oder 14 Prozent bekämen, entscheide dagegen über ihren Einfluss in einer möglichen neuen Bundesregierung.
Auch von Kleinparteien wie Volt raten die Grünen in ihren neuen Anzeigen ab: Stimmen für Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, seien verlorene Stimmen.
Allein auf den Plattformen Instagram und Facebook erreichten die entsprechenden Anzeigen laut Daten des Mutterkonzerns Meta bis Mittwochnachmittag knapp 2 Millionen Nutzer*innen.
Lange Zeit hatten die Grünen und ihr Kanzlerkandidat Robert Habeck in diesem Wahlkampf stärker auf Wähler*innen in der politischen Mitte abgezielt – etwa auf frühere Anhänger*innen von Angela Merkel, die mit der CDU unter Friedrich Merz fremdeln. Die Linke, die in Umfragen bis vor wenigen Wochen unter 5 Prozent lag, tauchte höchstens am Rande auf. Nachdem ihre Zahlen zuletzt gestiegen sind und die der Grünen stagnieren, ändert sich das.
Man habe nichts gegen die Linken, aber …
CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz habe durch seine gemeinsame Abstimmung mit der AfD im Bundestag die Linke wiederbelebt, heißt es aus der Grünen-Zentrale. Die Empörung über sein Vorgehen habe bei ihr am sichtbarsten eingezahlt. Einen Wiedereinzug der Linken in den Bundestag fände man bei den Grünen gut. In der eigenen Kommunikation wolle man jetzt aber klar machen, dass es zur Umsetzung progressiver Ziele eine progressive Kraft mit Machtoption brauche.
Tatsächlich sind zwar auch die Machtoptionen der Grünen beschränkt. Sie selbst würden nach der Wahl gerne Regierungsgespräche mit der Union führen, die CSU schließt das jedoch aus. Noch geringer ist aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Linke regiert. Eine lagerübergreifende Koalition ist mir ihr nicht denkbar und eine rot-rot-grüne Mehrheit nicht in Sicht.
Neben dem taktischen Argument bringen die Grünen in ihren Anzeigen auch zwei inhaltliche Kritikpunkte vor. Auf einem Sharepic heißt es, die Menschen in der Ukraine würden „von der Linkspartei im Stich gelassen“, da sie aus der Nato aussteigen und Verteidigungsausgaben zurückfahren wolle. Auf einer anderen Grafik steht, die Linke behandele die Klimakrise „oft als zweitrangig“.
Linkspartei kritisiert die Kritik
Allerdings beschränken sich die Grünen in der letzten Wahlkampfwoche nicht auf Kritik an der Linkspartei. In einer weiteren aktuellen Werbegrafik führen sie in ähnlicher Weise Argumente gegen die SPD auf. In einem Video lassen sie eine Rentnerin sprechen, die berichtet, sie sei aus der CDU ausgetreten und habe festgestellt, dass sie mit ihren Ansichten bei den Grünen besser aufgehoben sei.
Kritik an der Grünen-Kampagnen kommt von den Linken selbst. „Es ist klar, dass bei der Wahl jede Partei zuerst für das eigene Programm wirbt. Aber: In einer Zeit, in der eine schwarz-blaue Mehrheit droht, sollten Parteien links der CDU nicht gegeneinander Wahlkampf machen“, sagte Bundesgeschäftsführer Janis Ehling der taz.
Außerdem könne man Veränderungen auch ohne Regierungsverantwortung erwirken, so Ehling weiter. „Für uns ist entscheidend, dass wir nicht um jeden Preis regieren wollen, sondern nur dann, wenn wir dort mehr verändern können als in der Opposition.“ Den Mindestlohn (2015 unter der Großen Koalition eingeführt) habe die Linke „aus der Opposition heraus durchgesetzt“ und als Nächstes werde man auch ohne Regierungsbeteiligung für einen Mietendeckel sorgen. Die eigenen Grundsätze werde man allerdings „nicht für einen Ministerposten opfern“.
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