Von Abschiebung bedrohter Vietnamese: Antrag abgelehnt
Pham Phi Son, seine Frau und seine Tochter müssen aus Deutschland ausreisen. Die sächsische Härtefallkommission hat seinen Antrag abgelehnt.
Die Sächsische Härtefallkommission hat den Antrag des Chemnitzer Vietnamesen Pham Phi Son und seiner Familie auf ein humanitäres Bleiberecht am Freitag abgelehnt. Sie entschied nach intensiver Beratung mehrheitlich, „dass kein Härtefall vorliegt“, hieß es aus Dresden. Eine Begründung erfolgte nicht, die Kommission tagt vertraulich. Damit sind Son, seine Frau und die sechsjährige Tochter Emilia ausreisepflichtig.
Pham Phi Son kam 1987 als Vertragsarbeiter in die DDR und lebte als unbescholtener Bürger in Chemnitz. Er arbeitete sein halbes Leben in der Gastronomie und hatte eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. 2016 machte er einen Fehler: Er verlängerte seinen Vietnam-Urlaub aus gesundheitlichen Gründen auf neun Monate. Erlaubt sind allerdings maximal sechs Monate, sonst erlischt das Aufenthaltsrecht.
Der Fehler fiel den Chemnitzer Behörden ein Jahr später auf, als Son Vater geworden war. Sie löschten den Aufenthaltstitel der Familie und kündigten von Amts wegen Sons Arbeitsplatz und seine Wohnung. Gerichte und die Sächsische Härtefallkommission lehnten 2019 den Antrag auf ein Aufenthaltsrecht ab, die Chemnitzer Ausländerbehörde lehnte ihn erneut 2022 ab, nachdem sich mehr als 80.000 Menschen bundesweit in einer Onlinepetition für ein Bleiberecht für die Familie eingesetzt hatten.
Allerdings hatte Chemnitz den Eltern letzten Herbst endlich eine Arbeitserlaubnis ausgestellt. Beide Ehepartner arbeiteten seitdem als dringend benötigte Arbeitskräfte in einem Gastronomiebetrieb. Mit der Entscheidung der Härtefallkommission vom Freitag sind sie die Arbeitserlaubnis allerdings wieder los, das Restaurant verliert zwei Arbeitskräfte.
„Ich bin sehr enttäuscht von der demokratischen Gerechtigkeit in Deutschland“, sagt Son Phi Pham der taz. „Die Härtefallkommission sollte die Menschenrechte vertreten. Haben die Leute kein Herz?“ Er sei besorgt um seine Zukunft, in Panik und könne nicht schlafen.
Die Chemnitzer Ausländerbeauftragte Etelka Kobuß, die die Familie unterstützt, kommentiert auf ihrer Facebookseite: „In Sachsen steht Härtefallkommission offensichtlich für Härte und nicht dafür, die Härte des Gesetzes zu korrigieren, wenn die Verhältnismäßigkeit zwischen Schuld und Strafe nicht in der Waage stehen.“ Die Entscheidung sei unmenschlich.
Kobuß weiter: „Welche Signale senden wir als Land in die Welt? Kommt her, wir brauchen Arbeitskräfte! Fühlt euch aber nie sicher! Richtet euch gar nicht häuslich ein. Welche Signale senden wir an die Menschen, die ebenfalls so lange schon hier leben? Macht bloß keinen Fehler! Ein kleiner Fehler, und es ist auch für euch vorbei.“
Theoretisch hätte die Familie noch die Chance, den Petitionsausschuss im Sächsischen Landtag anzurufen. Allerdings hat die CDU bereits erklärt, so einen Antrag nicht zu unterstützen. Sie hat dort mit der AfD gemeinsam eine rechnerische Mehrheit. Somit bleibt der Familie als letzter Ausweg das Kirchenasyl. Sie sind gläubige Katholiken. Ob das neue Chancenaufenthaltsrecht greift, ist wenig wahrscheinlich.
Die Entscheidung löst bereits Panik unter VietnamesInnen in Chemnitz aus, die Deutschland kürzlich als Pflegekräfte anwarb. Zwei Pflegeschülerinnen schrieben: Dass jemand, der 36 Jahre in Deutschland gelebt und „zum Aufbau Deutschlands beigetragen hat“ im Alter wegen eines kleinen Fehlers sein Bleiberecht verliere, löst „bei uns Angst aus, weil wir junge Menschen sind, die lernen, um später zu arbeiten und Deutschland zu dienen.“
Der sächsische SPD-Abgeordnete Frank Richter, der die betroffene Familie unterstützt hat, spricht von einem „vernichtenden Schlag gegen das Vertrauen“ in die Humanität Sachsens. „Nun stehen die Unterstützer aus der Zivilgesellschaft den Phams zur Seite. Sie müssen das Schlimmste verhindern und den menschlichen Schaden abfangen, den die Härtefallkommission angerichtet hat.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut