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Verfassungsgericht zu Antifa-ProtestenBlockaden gegen rechte Demos bleiben strafbar

Das Bundesverfassungsgericht lehnt die Beschwerde eines linken Demonstranten ab. Die Verhinderung anderer Demos dürfe durchaus bestraft werden.

Antifaschismus auf vier Buchstaben, gegen Fundis und Faschos, hier 2015 in Berlin, bleibt strafbar Foto: Christian Mang
Christian Rath

Aus Karlsruhe

Christian Rath

Wer mit einer friedlichen Sitzblockade eine andere Demonstration verhindern will, macht sich zurecht strafbar. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzbeschluss. Die entsprechende Strafnorm verstoße nicht gegen das Grundgesetz.

Im April 2015 traf sich die reaktionär-katholische Pius-Bruderschaft in Freiburg und plante einen "Marsch für das Leben" in der Innenstadt. Ein linkes Bündnis wollte das unter dem Motto "Piusbrüder aufmischen, blockieren, abschaffen" verhindern, insbesondere weil die Vereinigung Schwangerschaftsabbrüche bekämpft und Homosexuelle ablehnt. Am Tag der Pius-Demo setzten sich rund 70 Personen in mehreren Reihen in die Durchgänge des Freiburger Martintors und hielten die rechte Demo damit auf. Polizeiliche Aufforderungen, den Weg freizumachen, wurden ignoriert, schließlich löste die Polizei die Protestversammlung auf.

Wer sitzenblieb, bekam ein Strafverfahren, unter anderem ein 31-jähriger Physiotherapeut, der sich als Antifaschist bezeichnet. Die angebotene Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage lehnte er ab. Schließlich wurde er wegen grober Störung einer Versammlung nach Paragraf 21 Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 200 Euro (10 Tagessätze à 20 Euro) verurteilt.

Gegen diese Verurteilung erhob der Physiotherapeut mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) eine Verfassungsbeschwerde. Die Geldstrafe verletze ihn in seiner Versammlungsfreiheit, schließlich habe er friedlich gegen die Piusbrüder protestiert. Paragraf 21 dürfe nicht auf gewaltfreie Sitzblockaden angewandt werden, insbesondere nicht vor einer ausdrücklichen polizeilichen Auflösung. Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Klage nun aber ab.

Richter: Genug andere Protestformen möglich

Die Karlsruher Richter:innen stellten zunächst klar, dass sich die Gegenprotestler durchaus auf die Versammlungsfreiheit berufen konnten. Die Sitzblockade habe ein eigenes kommunikatives Anliegen gehabt, wie sich aus Sprechchören und Transparenten ergab. Dort stand zum Beispiel "Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat" oder "Eure Priester sind so schwul wie wir". Erst mit der Auflösung der Sitzblockade durch die Polizei habe der Grundrechtschutz geendet, so der Karlsruher Beschluss.

Doch zugleich mahnte das Bundesverfassungsgericht: Dass die Protestierenden grundrechtlich geschützt sind, heiße nicht, dass sie machen können, was sie wollen. Sie müssten sich an die Gesetze halten, insbesondere wenn diese dem Schutz anderer dienen, wie das Verbot, fremde Kundgebungen zu verhindern oder grob zu stören. Ausdrücklich heißt es in dem Karlsruher Beschluss: "Es ist für den Prozess der freien Meinungsbildung in einem demokratischen Gemeinwesen von zentraler Bedeutung, dass das Recht, seine Meinung gemeinschaftlich mit anderen öffentlich kundzutun, nicht zum Mittel wird, um Menschen mit anderen Überzeugungen an der Wahrnehmung desselben Rechts zu hindern."

Grundrechtsschutz bedeutet letztlich nur, dass das Bundesverfassungsgericht kontrolliert, ob der Eingriff verhältnismäßig war. Paragraf 21 sei auch verhältnismäßig, so die Richter:innen, da als "grobe Störung" nur bestraft werden kann, wenn jemand die ursprüngliche Versammlung "verhindern", "sprengen" oder "sonst ihre Durchführung vereiteln" will. Für Proteste gebe es genügend rechtmäßige "verbale und non-verbale" Ausdrucksformen.

Der 49-seitige Senatsbeschluss verändert nicht die Rechtslage, sondern bestätigt sie, indem er Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Paragraf 21 beseitigt. Das Netzwerk "widersetzen.com", das seit Frühjahr 2024 bundesweit Blockaden gegen rechte Aufmärsche und Veranstaltungen organisiert, versteht seine Aktionen ebenfalls als "zivilen Ungehorsam", also als gezielte Gesetzesverletzung.

Az.: 1 BvR 2428/20

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32 Kommentare

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  • "Blockaden gegen rechte Demos bleiben strafbar"

    Blockaden gegen linke Demos sind ebenfalls strafbar.



    Wo ist also die Nachricht?



    Gut, dass das nun klargestellt wurde.

  • Ich erinnere daran, dass in anderen Zusammenhängen gerne (vor allem von links!) das "Wir können nicht die Demokratie verteidigen, indem wir sie aufgeben"-Argument gebracht wird...

  • SPD, Grüne und Linke haben mal ein Demoverbot für Rechte an geschitsträchtigen Orten verlangt. Das kam auch.

    Und als dann die Linke mit Fackeln unter das Brandenburger Tor gehen wollten wurde das verboten. Mit Sicht auf die DDR Diktatur. Rechten wurde das aber auch verboten.

    Und wieso ist das so, man kann keine extra Gesetze nur für Rechte schaffen. Das erlaubt unsere Verfassung nicht. Und danach richtet sich das Bundesverfassungsgericht. Man kann nicht Rechten Blockaden verbieten und Linken erlauben. Es gibt kein zweierlei Strafrecht.

    in Dormund wollte mal die "Rechte" Partei durch die Dortmunder Nordstadt ziehen. Da dort 75 % Migranten wohnen hat das die Stadt verboten. Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot bestätigt.

    Rechte sagen Linke dürfen alles, und Linke sagen Rechte dürfen alles. Hier ist das auch so.

  • Wie denn sonst?



    Eine Demonstration, die angemeldet und genehmigt ist, muss auch stattfinden können - das ist nicht nur Grundrecht, sondern auch wichtig für die Demokratie.



    Will hier wirklich jemand, dass Demos Machtproben im gegenseitigen Mobbing werden? Dann ist es nicht mehr weit bis zu den Straßenschlachten der (letzten) Zwanziger.

  • Gutes Urteil, eigentlich ja auch selbstverständlich, das ist ja die Essenz der freien Meinungsäußerung und da hilft auch kein polemisches "Rassismus ist keine Meinung" und dgl.. Grundrechte gegen Grundrechte auszuspielen kann in einer Demokratie niemand als verallgemeinerbares Prinzip wollen, streng ethisch argumentiert. Von daher kann man sich in Zukunft auch gerne sparen, Polizisten als Nazis etc. zu beschimpfen, wenn sie die Grundrechte von Andersdenkenden schützen. Oder man verlässt halt den Boden der FDGO und verwirkt das Recht, als Schützer der FDGO aufzutreten.

  • Eine Demo darf nie so gestört werden, dass sie blockiert wird.



    Das Gesetzt ist da recht eindeutig.

  • Das Bundesverfassungsgericht enttäuscht mich in letzter Zeit durch seine fehlende Weitsicht.



    Wenn es der Meinung ist, für Proteste gebe es genügend rechtmäßige "verbale und non-verbale" Ausdrucksformen, hätte ich gerne gewusst, welche das sind.

    • @Aurego:

      "Wenn es der Meinung ist, für Proteste gebe es genügend rechtmäßige "verbale und non-verbale" Ausdrucksformen, hätte ich gerne gewusst, welche das sind."

      Irgendwelche unwirksamen Ausdrucksformen halt.

      Der Fehler liegt doch schon im Versammlungsgesetz selbst, also im § 21, wo der Polizei quasi die Definitionshohheit darüber gegeben wird, was verbotswürdig ist und was nicht. Gibt die Polizei einer Neonazi-Demo grünes Licht, dann werden antifaschistische Blockaden automatisch kriminalisiert. Gibt die Polizei kein ok, sind Blockaden von Nazis überflüssig.

      Insofern ist dieser Paragraph überhaupt nicht durchdacht oder aber eine Hintertür für das Zurückgewinnen der Straße durch Rechtsextreme aller Art.

      Deshalb müsste in § 21 VersammlG selbst der Antifaschismus als No Go formuliert sein.

    • @Aurego:

      Das frage ich mich auch (s.u.)



      Ich schaue gerade die Dokureihe „USA extrem“. Da kann man nur sagen: Schlimmer geht immer.

  • Blockieren darf hierzulande nur der Bauerverband (wenn er gegen Liberale und Grüne protestiert).

    • @T-Rom:

      Sie meinen doch ehr die Letzte Generation der Bauernverband hat jede Demo angemeldet

    • @T-Rom:

      Bauern die Demos mit Traktoren angemeldet haten wurden nich bestraft. aber Bauern die Zb. rechtswidrig Autobahnauf/abfahrten blockiert haben bekamen Strafanzeigen und wurden. verurteilt. Rheinland Pfalz 70 Strafanzeigen,Sachsen Anhalt 43,



      In Berlin durfte die A 100 nach Demo Anmeldung blockiert werden. Im Ruhrgebiet die A 1.

      Zb. hier nur in Bieberach.

      www.agrarheute.com...n-landwirte-625443



      Nach Bauerndemo in Biberach: Über 40 Strafbefehle gegen Landwirte

  • Ist doch wohl völlig logisch. Jedes Grundrecht endet da, wo es ein Grundrecht anderer verletzt, und die Blockade einer Versammlung tut genau das.

  • Na, ein Glück! Stellt euch nur vor, wie bei anderem Ausgang demnächst die Faschos angefangen hätten, ihnen nicht genehme Demos „friedlich“ zu verhindern …



    Gesetze können nicht den Guten andere Rechte geben als den Bösen.

  • Schon vor Jahren standen wir als Protestierer (ohne Blockade) gegen den rechten Aufmarsch plötzlich Wasserwerfern gegenüber (und brachten ältere Leute in Sicherheit). Kurze Zeit später fanden wir uns eingekesselt auf einem Platz der Stadt wieder und ich „Naivling“ musste lernen, dass man nicht ohne Ausweis gegen Rechts demonstrieren geht. Währenddessen wurde „die braune Klientel“ beschützt zum Bahnhof geleitet.



    Ich war nicht mehr im jugendlichen Alter und hatte schon einiges an Lebenserfahrung gesammelt. Dazu gehörten: die Berufsverbotezeit (gegen linksverdächtigte harmlose Bürger), die Sternmärsche nach Bonn, Friedensmärsche zu Ostern, die Erkenntnisse über Nazizeitverbrecher in allen möglichen hohen Positionen, und und …



    Aber dass ich nun gegen Ende meines Lebens (nachdem wir schon die Eltern immer beruhigen mussten, dass die schlimmen Zeiten nicht wieder kommen) erleben muss, wie der Staat alles für eine neue „braunschwarze Zeit“ tut (die Begriffe Demokratie und freie Meinungsäußerung immer an den falschen Stellen missbraucht werden) ist die schiere Katastrophe. Nicht in Depressionen zu verfallen, fällt schwer.

    • @snowgoose:

      Das BVerfG hat es doch klargenug ausgedrückt

      "Es ist für den Prozess der freien Meinungsbildung in einem demokratischen Gemeinwesen von zentraler Bedeutung, dass das Recht, seine Meinung gemeinschaftlich mit anderen öffentlich kundzutun, nicht zum Mittel wird, um Menschen mit anderen Überzeugungen an der Wahrnehmung desselben Rechts zu hindern."

      Die Demokratie lebt nicht vom Mundtotmachen, dass wird leider hier in Deutschland zu oft praktiziert und zwar in unterschiedlichen Formen. Einmal nach Russland schauen wohin es führt wenn unliebsame Stimmen mundtot gemacht werden, dazu noch unter Beteiligung des Staates.

      Den von ihnen beklagten Missbrauch der freien Meinungsäußerung gibt es in diesem Sinne nicht. Entweder die Äußerungen sind durch das Grundrecht gedeckt oder sie stellen einen Strafttatbestand da. Eine Grauzone gibt es da nicht.

      Es mag schwer sein es auszuhalten und die Stimmen zu ertragen, aber auch für die Befürworter einer "neuen schwarz-braunen Zeit" gelten die demokratischen Grundrechte solange, bis sie ihnen gerichtlich entzogen oder eingeschränkt werden.

    • @snowgoose:

      Depressiver Pessimismus wirkt aber auch ganz sicher nicht gegen dummen Radikalismus, egal in welcher Richtung und auch nicht gegen Verschwörungstheorien.

      Eher befürchte ich, dass bei Depression und Pessimismus Verschwörungstheorien leichter verfangen.

      • @Bauer Gerry:

        Für Verschwörungstheorien dürfe ich absolut der falsche Mensch sein, so kann man meine Worte wohl kaum verstehen, eher als Sorge um die noch jungen Menschen.

        • @snowgoose:

          Die wenigsten Verschwörungstheoretiker bezeichnen sich selbst als Verschwörungstheoretiker. Eine "neue schwarz-braune Zeit" heraufziehen zu sehen kann schon in diese Richtung deuten.

          Aber wohin kann das nochmal führen, wenn man Menschen Rechte, die andere Menschen haben, vorenthalten möchte? Die Grundrechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit hängen nicht von den politischen Überzeugungen der einzelnen Person ab.

        • @snowgoose:

          Doch genau so muss man ihre Aussage verstehen! Das ist keine Sorge was sie haben sondern was ganz anderes

        • @snowgoose:

          Und da haben sie Bauchschmerzen, wenn Grundrechte gewahret bleiben, die man in vollem Bewusstsein und als Lehre aus der Nazizeit uneingeschränkt allen Menschen zukommen lässt? Ich muss sagen, das gibt mir eher Hoffnung für die Kinder, ich möchte nicht, dass sie in einem Staat leben, wo Meinungsäußerungsrecht und Demonstrationsrecht "unterhalb der Strafbarkeitsgrenze" rechtmäßig verhindert, verfolgt oder unterdrückt werden dürfen. Zivilen Ungehorsam kann man ja leisten aber das von Staatspersonal zu erwarten oder es gar zu verordnen, würde dann doch einen erheblichen Angriff auf die FDGO darstellen, oder nicht?

  • Es ist manchmal schwer auszuhalten, aber es wird das hohe Gut der Demonstrations- und Meinungsfreiheit geschützt.

    • @Max Burnley:

      Dann haben wir aber als Gesellschaft versagt, wenn wir den Rechten erlauben eine Bühne zu geben, weil die Demonstrations- oder Meinungsfreiheit so hoch bewertet wird.

      Nicht falsch verstehen, aber es ist einfach verboten eine Demokratie abzuschaffen. Daher ist jedes Mittel dazu recht.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Wo wollte den die Demo, die blockiert werden sollte, die Demokratie abschaffen?

  • Zu Recht verboten



    Man stelle sich nur mal vor Ultrarechte wollen mit einer Sitzblockade eine Demo von links oder Mitte verhindern. Keiner hat das Recht ein zugelassene Demo zu verhindern.

  • Verdienen Physiotherapeuten so schlecht, daß ein Tagessatz von 20 Euro angemessen ist ?

  • Absolute richtige Entscheidung! Alles andere wäre nicht demokratisch

  • Das wird uns noch sehr leid tun, weil wir den Aufstieg des Rechsextremismus nicht verhindern durften.



    Und mit "uns" meine ich die vielleicht noch 10.000 verbliebenden, die wahrlich die Demokratie und das multikulturelle Leben beschützen wollen.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Es ist schon etwas heuchlerisch über Schützer der Demokratie zu schwadronieren, wenn des Verfassungsgericht ein Urteil gegen die "Schützer" fällt.



      Bei multikulti geh ich mit, für den Großteil der Gesellschaft ist das ein gescheitertes Experiment. Leider müssen wir mit den folgen leben.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Was ist das denn für eine alberne Wagenburgmentalität?



      Möglicherweise haben Sie auch eine ganz eigene Demokratiedefinition. Vielleicht sollten Sie diese dann mit uns teilen.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Wenn Sie wirklich für die Demokratie sind sollten Sie Ihre Einstellung überdenken und nicht so einseitig sein

    • @Troll Eulenspiegel:

      Sehr guter Kommentar, keine Spur von Selbstüberhöhung, Demagogie oder Fatalismus, einfach sachlich auf den Punkt gebracht. Wer Grundrechte bei den richtigen nicht mit Füßen tritt, der schützt "multikulturelle Demokratie" nicht, die sich ja eben dadurch auszeichnet.