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Verbot von Schwangerschafts­abbrüchenChefarzt muss seinem Arbeitgeber gehorchen

Das Klinikum Lippstadt darf Schwangerschaftsabbrüche verbieten, urteilte das Arbeitsgericht Hamm. Nun liegt eine ausführliche Begründung dafür vor.

Der Chefarzt Joachim Volz wehrt sich gegen die Weisung des Klinikums, unter anderem mit einer Demo im August Foto: Bernd Thissen/dpa

Berlin taz | Ein Krankenhaus kann seinen Ärz­t:in­nen Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich verbieten. Das hat das Arbeitsgericht Hamm im Fall des Arztes Joachim Volz Anfang August entschieden. Jetzt liegt die Begründung der Entscheidung vor. Danach spielte das kirchliche Selbstverständnis des Klinikums nur eine Nebenrolle.

Joachim Volz arbeitet seit 2012 als leitender Arzt für Frauenheilkunde am Klinikum Lippstadt. Dort führte er zwar keine Schwangerschaftsabbrüche nach der Fristenregelung durch, aber medizinisch erforderliche und damit rechtmäßige Abtreibungen gehörten zu seinen Aufgaben.

Nachdem die evangelische Klinik mit einem katholischen Träger fusionierte, erhielt Volz Anfang des Jahres eine Dienstanweisung, wonach Schwangerschaftsabbrüche in der Klinik grundsätzlich nicht mehr durchgeführt werden dürfen – mit der Ausnahme, „dass Leib und Leben der Mutter bzw. des ungeborenen Kindes akut bedroht sind, wenn es keine medizinisch mögliche Alternative gibt, mit der das Leben des ungeborenen Kindes gerettet werden könnte.“

Diese Ausnahme ist enger als die medizinische Indikation im Strafgesetzbuch, weil sie keine Abbrüche erfasst, bei denen die „seelische Gesundheit“ der Frau gefährdet ist. Volz verwies auf Fälle, bei denen das ungeborene Kind absehbar schwerstbehindert zur Welt kommen würde.

Mediziner wehrt sich

Volz klagte gegen die Dienstanweisung, die er für „rechtswidrig und unwirksam hielt“. Aber ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht Hamm erklärte die Dienstanweisung für „rechtmäßig“.

Die Rechtmäßigkeit der Dienstanweisung ergebe sich, so die Rich­te­r:in­nen in der jetzt veröffentlichten Begründung, aus dem allgemeinen Weisungsrecht des Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten, das in Paragraf 106 der Gewerbeordnung geregelt ist. Mit diesem „Direktionsrecht“ kann der Arbeitgeber auch den „Inhalt“ der Arbeitstätigkeit näher bestimmen. Im konkreten Fall konnte das Krankenhaus bestimmen, so das Arbeitsgericht, dass bestimmte ärztliche Leistungen nicht mehr erbracht werden.

Das Arbeitsgericht erwähnte zwar, dass die Weisung dem „Selbstverständnis“ der katholischen Kirche entspricht, das verfassungsrechtlich geschützt ist. Doch letztlich kam es darauf gar nicht an. In aller Deutlichkeit schreibt das Arbeitsgericht in seinem Urteil: Auch ein Arbeitgeber, der sich nicht auf den besonderen Status der katholischen Kirche berufen kann, sei „selbstverständlich berechtigt, zu entscheiden, dass im Betrieb Schwangerschaftsabbrüche nur eingeschränkt durchgeführt werden.“

Der Mediziner Volz hatte dem Direktionsrecht der Klinik entgegengehalten, es habe eine „betriebliche Übung“ gegeben, wonach alle medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbrüche möglich sind. Damit habe sich die Klinik rechtlich gebunden. Doch das Arbeitsgericht verneinte mit zwei Argumenten eine entsprechende betriebliche Übung.

Gericht bügelt Einwände ab

Zum einen müsse eine betriebliche Übung für den ganzen Betrieb oder eine abgrenzbare Gruppe gelten. In Lippstadt ging es aber nur um Chefarzt Volz. Außerdem müsse sich eine betriebliche Übung, so das Gericht, auf Leistungen oder Vergünstigungen beziehen, etwa auf die Zahlung von Weihnachtsgeld. Hier aber sei es um die Bestimmung der geforderten Arbeitsleistung gegangen.

Volz hatte sich zudem darauf berufen, er habe bei Amtsantritt mit dem damaligen Geschäftsführer des Klinikums besprochen, dass er nur dann in Lippstadt als Chefarzt der Gynäkologie arbeiten werde, wenn er medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche vornehmen könne. Sein Arbeitsvertrag sei entsprechend formuliert worden. Das Arbeitsgericht ließ sich auch hiervon nicht überzeugen. Zum einen habe der Artz die Absprache erst in der mündlichen Verhandlung erwähnt, was „verspätet“ gewesen sei.

Zum anderen sei das Direktionsrecht des Arbeitgebers in Volz' Arbeitsvertrag nicht eingeschränkt worden. Die Formulierung, dass die „Verantwortung bei Diagnostik und Therapie“ beim Arzt verbleibe, beziehe sich nur auf die Fälle, die zu seinen Aufgaben gehören, so das Gericht.

In einer zweiten Dienstanweisung hatte das Klinikum Anfang des Jahres auch eine Nebentätigkeitserlaubnis für Volz eingeschränkt. So dürfe er in seiner privaten Klinik im 50 Kilometer entfernten Bielefeld auch keine Schwangerschaftsabbrüche mehr durchführen. Das Arbeitsgericht hielt auch diese Weisung vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt. Hier könne sich Volz schon deshalb nicht auf eine bestehende „betriebliche Übung“ berufen, weil Volz in seiner Bielefelder Privatklinik bisher nie Schwangerschaftsabbrüche durchführte.

Warnung vor Versorgungslücke

Keine Rolle spielte beim Arbeitsgericht das Argument von Volz, dass die Frauen der Gegend um Lippstadt kein ausreichendes Angebot für medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche mehr finden. Zwar heißt es im Schwangerschaftskonfliktgesetz: „Die Länder stellen ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen und den ungehinderten Zugang zu diesen sicher.“

Das Arbeitsgericht ging aber offensichtlich davon aus, dass sich der Arzt in einem Streit mit seinem Arbeitgeber nicht auf diese Pflicht der Bundesländer berufen konnte.

Volz kann gegen das Urteil noch Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm einlegen.

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3 Kommentare

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  • Solange wir das Übel nicht bei der Wurzel packen und den kirchlichen Trägern für einen marginalen Kostenbeitrag nahezu die volle Kontrolle über die von ihnen nach dem Subsidaritätsprinzip betriebenen Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten oder Krankenhäusern zubilligen, wird es weiterhin derartige absurden Prozesse geben.



    Es muss endlich Schluss sein mit den Sonderrechten; das Vereinsrecht sollte hier genügen.

  • Ich verstehe auch mit dieser Erklärung nicht, wie der Arbeitgeber mir Anweisungen für die Durchführung einer insgesamt genehmigten Nebentätigkeit geben kann.



    Das Klinikum könnte Volz die Privatpraxis insgesamt verbieten. Aber was er innerhalb der Praxis macht, ist doch dann seine eigene unternehmerische Entscheidung.



    Ganz unabhängig von der Brisanz des Themas, fehlt mir hier die Begründung, warum die Klinik die Tätigkeit in der Praxis einschränken darf.



    Auch das hier beschriebene Argument: Der Absatz im Vertrag, der die Abbrüche regelt, wurde vom Angestellten zu spät erwähnt. - Was jetzt? Steht es im Vertrag oder nicht? Was drin steht, war allen Beteiligten bekannt, warum reicht das nicht?

    • @Herma Huhn:

      Ein Prozess vor dem Arbeitsgericht ist in Deutschland ein Parteiprozess. D.h. das Gericht forscht nicht selbständig nach Tatsachen, es wird nur verhandelt, was die Parteien rechtzeitig in den Prozess eingebracht haben (Dispositionsmaxime). Rechtzeitig bedeutet hier: in der Klageschrift. Werden in der mündlichen Verhandlung plötzlich neue Tatsachen vorgebracht, muss das Gericht diese ablehnen. Schließlich muss sich auch das Gericht bei vielen Detailfragen zuerst kundig machen - was im Verlauf einer mündlichen Verhandlung nicht mehr ohne weiteres möglich ist und auch der Gegenseite soll nicht zugemutet werden, so plötzlich und unvorbereitet vor neue Tatsachen gestellt zu werden. Dies fällt unter unfair trial und ist somit unzulässig.



      Von daher ist es egal, was im Vertrag steht. Es wurde in der Klageschrift nicht zum Beweis erhoben, also fällt es im Verfahren raus.