„Verbot“ von Gas- und Ölheizungen: FDP heizt Ampelstreit an
Die FDP wirft ihren Koalitionspartnern SPD und Grünen vor, Öl- und Gasheizungen verbieten zu wollen. Aber stimmt das auch?
Die Stimmung in der Bundesregierung ist gerade turbulent. Aktueller Quell großer Aufregung sind die Öl- und Gasheizungen. Diese mit fossiler Energie befeuerten Wärmelieferanten unter anderem in Wohnhäusern sollen in den kommenden Jahrzehnten allmählich aus dem Verkehr gezogen werden – einen entsprechenden Gesetzentwurf bereiten das Bau- und das Wirtschaftsministerium vor. Nun kritisiert die FDP, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wolle Öl- und Gasheizungen „verbieten“.
Das erscheint aus zwei Gründen erstaunlich. Zum einen hat die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP die Reform vor einem Jahr gemeinsam beschlossen. Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der Notwendigkeit zum Klimaschutz will man von den fossilen Energien wegkommen.
Zweitens ist im Gesetzentwurf keine Rede von einem kompletten Verbot fossil betriebener Heizungen – was für Hauseigentümer:innen und Mieter:innen teuer werden könnte. Die treffende Formulierung ist eher, dass Öl- und Gasheizungen „auslaufen“ sollen. Wobei Vorsicht geboten ist: Eine Variante des unfertigen Gesetzentwurfs mit dem Datum 15. Februar 2023 liegt der taz zwar vor. Allerdings ist der Text noch nicht zwischen den Regierungsparteien abgestimmt, manche Formulierungen werden sich ändern.
Es besteht immer noch Bestandsschutz
Ein zentraler Punkt ist dieser: Öl- und Erdgasheizungen, die in Ein- oder Mehrfamilienhäusern in Betrieb sind, haben 30 Jahre Bestandsschutz, gerechnet vom Zeitpunkt des Einbaus. Eigentümer, die sich beispielsweise 2010 eine neue Gasheizung in den Keller gestellt haben, dürfen sie bis 2040 weiterbetreiben. 2045 solle allerdings für alle fossilen Geräte Schluss sein, heißt es im vorliegenden Entwurf.
Geht eine Heizung in bestehenden Gebäuden allerdings so kaputt, dass sie ausgetauscht werden muss, ist sie ab Anfang 2024 durch eine ökologische Variante zu ersetzen. Dafür nennt der Gesetzentwurf verschiedene Möglichkeiten: etwa Öl- und Gasheizungen in Kombination mit Wärmepumpen, die mindestens 65 Prozent der Heizlast tragen. Die Idee: Die fossilen Heizungen arbeiten nur noch an den kalten Tagen, wenn die mit Ökostrom betriebenen Wärmepumpen das Duschwasser und die Heizungen nicht ausreichend erwärmen können. Weitere Varianten sind etwa Geräte, die mit Holz, Sonnenenergie oder Wasserstoff laufen. Um die Hausbesitzer:innen und Mieter:innen im Havariefall nicht zu überfordern, werde man „pragmatische Übergangslösungen und mehrjährige Übergangsfristen“ ins Gesetz schreiben, heißt es aus Regierungskreisen.
„Nur in neuen Gebäuden sollen ab 2024 keine Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden“, erklärte Christina-Johanne Schröder, Baupolitikerin der Grünen im Bundestag. In Neubauten dürften dann nur Fernwärmeanschlüsse, Wärmepumpen oder strombetriebene Geräte installiert werden, die möglichst mit Ökoenergie laufen.
Trotzdem warf FDP-Klimapolitiker Michael Kruse Wirtschaftsminister Habeck eine „Verschrottungsorgie von Heizungen“ vor. Diese sei weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr betonte, dass seine Fraktion keinem „Verbot von Öl- und Gasheizungen“ zustimmen werde. Wobei er hinzufügte, dass ihm gar kein „Entwurf zum Verbot“ vorliege.
Die Abstimmung des Gesetzes in der Bundesregierung dürfte nun einige Wochen in Anspruch nehmen. „Ich bin mir sicher, dass die FDP auch mit an Bord ist“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast. Für ihre Fraktion sei wichtig, dass es eine Förderung für den Umstieg auf umweltfreundliche Heizungen gebe.
„Die Regelungen müssen so technologieoffen wie und pragmatisch möglich sein“, sagte Frank Ebisch vom Zentralverband des Sanitär- und Heizungshandwerks. „Die Regierung sollte die finanzielle Förderung so gestalten, dass der Umbau die Immobilieneigentümer nicht überfordert.“ Wärmepumpen seien nicht die einzige Lösung.
Palette an Hybridlösungen
Ähnlich äußerte sich der Verband der Heizungsindustrie. Vor dem „Hintergrund des heterogenen Gebäudebestands“ müssten unterschiedliche technische Lösungen zum Zuge kommen. „Nur mit einem umfangreichen Produktportfolio lassen sich die Ziele der Wärmewende für die Haushalte bezahlbar umsetzen.“ Diese Wünsche der Wirtschaft scheint die Bundesregierung aufzunehmen, indem sie eine Palette von Möglichkeiten anbietet – unter anderem Hybridlösungen mit Gas und Wärmepumpen, Sonnenenergie, Biomasse, Wasserstoff.
In anderen europäischen Ländern ist der Umstieg auf klimafreundliche Wärmegewinnung in Gebäuden ebenfalls im Gange. Frankreich hat über 4 Millionen Wärmepumpen installiert. Diese Geräte decken den Wärmebedarf in Norwegen bereits zu rund 60 Prozent sowie in Schweden und Finnland zu etwa 40 Prozent. Hierzulande kamen im vergangenen Jahr gut 200.000 Wärmepumpen hinzu, im Vergleich zu 600.000 Gasheizungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung