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Habeck und Lindner streiten per BriefViel Spaß beim Bundeshaushalt 2024

Grüne und FDP zeigen sich deutlich uneins in Sachen Finanz- und Haushaltspolitik. Und Pistorius braucht zusätzliche Milliarden für die Bundeswehr.

Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Habeck im Bundestag Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Berlin taz | Das Papier der FDP-Bundestagsfraktion hat es in sich. Unter der Überschrift „Wirtschaftliche Freiheit anstatt Subventionen“ stehen einige Lieblingsvorhaben der Liberalen, darunter Senkungen der Unternehmens- und Einkommensteuer – teilweise gegenfinanziert durch eine höhere Mehrwertsteuer.

„Die Gesamtbelastung der Unternehmen muss dringend reduziert werden“, erklärte FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer gegenüber dem Handelsblatt.

Die Veröffentlichung lässt sich als jüngste Episode des Konflikts zwischen FDP und Grünen in der Bundesregierung sehen. Die beiden Parteien sind gerade dabei, sich auch in der Finanz- und Haushaltspolitik zu verhaken – neben Auseinandersetzungen über die Energie- und Verkehrspolitik. Anlass ist die Aufstellung des Bundeshaushalts 2024, in dem unterschiedlichen Angaben zufolge momentan eine Lücke von zwischen 12 und 70 Milliarden Euro klafft.

Inhaltlich hält sich die SPD-Spitze erstmal raus. „Das öffentliche Austauschen von Briefen ist ein Ritual, bei dem alle Beteiligten verlieren“, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert dem Spiegel. Damit kritisierte er, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP) zwei Schreiben veröffentlichten, die den Konflikt belegen.

Frostige Briefe zwischen Habeck und Lindner

Habeck schrieb kürzlich an seinen FDP-Kollegen, er könne „die Eckwerte“ für den Haushaltsplan 2024 „so nicht akzeptieren“. Lindner solle „keine Vorfestlegungen treffen, die einseitig weitere Ausgaben priorisieren“. Habeck hat Sorge, dass sonst zu wenige Mittel für grüne Vorhaben vorhanden sind. Als Lösung schlug er unter anderem vor, „darüber zu beraten, wie wir Einnahmen verbessern“ und „den Abbau umweltschädlicher Subventionen vorantreiben können“.

Lindner wies alles zurück. Die im vergangenen Jahr beschlossenen Eckpunkte bildeten die gemeinsame Grundlage des Haushalts 2024, steht im Brief des Finanzministers. Und weiter: „Stellvertretend für die von den Freien Demokraten geführten Ministerien darf ich feststellen, dass Steuererhöhungen oder sonstige strukturelle Mehrbelastungen für die Bürgerinnen und Bürger oder die Wirtschaft vom Koalitionsvertrag ausgeschlossen sind.“

Mitte März soll das Bundeskabinett die Eckpunkte des nächsten Etats beschließen. Aber die finanzpolitische Lage ist kompliziert. In diesem Jahr kann der Bund 476 Milliarden Euro im normalen Haushalt ausgeben, davon stammen 46 Milliarden aus neuen Schulden und 41 Milliarden aus einer Rücklage. Weitere Kredite sind wegen der Schuldenbremse offiziell unmöglich.

Aber: Es gibt einen schuldenfinanzierten Nebenhaushalt mit 200 Milliarden Euro, um die hohen Energiekosten abzufedern. 2024 sollen dagegen nur 424 Milliarden Euro im normalen Haushalt zur Verfügung stehen, wobei lediglich 12 Milliarden aus zusätzlichen Schulden und acht Milliarden aus der Rücklage kommen. Die Schuldenbremse gilt, aber es gibt keinen neuen Nebenhaushalt.

Pistorius beansprucht noch etwas mehr für die Bundeswehr

Zwar ist mit höheren Steuereinnahmen zu rechnen. Gleichzeitig existieren jedoch jede Menge weiterer Ausgabewünsche, etwa für die Kindergrundsicherung, Pflegereform, Klimapolitik, das Wohngeld und das Bürgergeld. Auch die Ausgaben für die Schuldzinsen des Bundes steigen. Und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beansprucht wohl 10 Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr. Wollte er das Nato-Ziel einhalten, müssten es eher 15 Milliarden pro Jahr zusätzlich sein.

Im bisherigen Rahmen der Haushaltsplanung geht das alles nicht auf. Wobei es Lösungen gäbe. Erstens: Die 200 Milliarden Euro für die Gas- und Strompreisbremse werden wegen gesunkener Energiepreise wahrscheinlich nicht komplett gebraucht; man könnte sie teilweise umwidmen. Doch Finanzminister Lindner dürfte da skeptisch sein – er will die Neuverschuldung ja drücken. Zweitens: Einnahmeerhöhungen beispielsweise durch die Anhebung der Diesel- auf das Niveau der Benzinsteuer. Das aber erscheint unrealistisch, weil die FDP Steuererhöhungen ausschließt. Wobei die Liberalen in ihrem Papier doch ein kleines Türchen geöffnet haben: „fragwürdige Steuerermäßigungen“ könne man einschränken, heißt es.

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5 Kommentare

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  • Normal ,- oder?



    Unterschiedliche Ansichten?



    Abweichende Meinungen?



    Diskussionen gar?



    Mannomann, Demokratie, was machst Du für Sachen?

  • FDP abwählen. Der Parteivorsitzende gefärdet unsere Zukunft.

  • Ihr könnt die FDP als neoliberal schlecht reden, aber Fakt ist, dass immer mehr Unternehmen Produktionsstandorte ins Ausland verlegen, weil sie dort steuerlich besser fahren und das bei erheblich weniger Bürokratie. Ihr könnt rote Fahnen schwingen und dabei zuschauen, wie die Industrie Deutschland verlässt, weil die Energiepreise viel zu hoch sind. Alle, wirklich alle, von BASF bis Volkswagen, machen neue Standorte in den USA und China auf. War ihr neoliberale Lobbypolitik nennt, nenne ich den Versuch der FDP Unternehmen hier zu halten.



    Aber wenn die Mehrheit der Wähler anders denkt, dann muss sie auch sagen wo man Geld streicht, denn unendlich nur Schulden machen geht eben auch nicht.



     

    [...] Beitrag gekürzt. Senden Sie Fragen, Kritik, Anregungen zur Moderation bitte an: kommune@taz.de. Vielen Dank! Die Moderation

  • Klimaschuld ist viel schwerwiegender als Geldschulden. Am Klimadesaster kann die nächste Generation nicht mehr viel verändern, die Steuern für Reiche zum Beispiel kann die nächste Generation dagegen erhöhen, falls erforderlich. Deshalb ist meiner Meinung nach die Schuldenbremse in der jetzigen Lage nicht sinnvoll.

    • @ThomLa:

      Gottseidank steht sie deshalb im GG.

      Nur aus Interesse: was ist eine "Klimaschuld"? Ist das eine Kollektivschuld?

      Sicher ist, Flüge nach Thailand helfen nicht.