piwik no script img

Trump und die UkraineEuropa hat die Ukraine verraten

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Der US-Präsident agiert erratisch und im Alleingang – gegen die Ukraine. Aber auch der Westen hat sich nicht klar gegen die Trump-Pläne positioniert.

Keine besten Freunde: der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und US-Präsident Donald Trump Foto: Julia Demaree Nikhinson/ap/dpa

S eit dieser Woche sind die Karten im Krieg zwischen der ­Ukraine und Russland neu gemischt. Der Spielführer: US-Präsident Donald Trump. Die Vorboten waren eindeutig: Vollmundig tönte Trump im Wahlkampf, den Krieg binnen 24 Stunden beenden zu können. Später verlängerte er auf sechs Monate. Rund vier Wochen nach seiner Amtseinführung greift er in schwindelerregendem Tempo in das Spiel ein. Im Alleingang. Weder die Ukraine noch die Europäer waren in den Trump’schen Vorstoß involviert.

Für Trump als Dealmaker werden offenbar gleich zwei Punkte, die Verhandlungsmasse sein sollten, abgeräumt: An die territorialen Grenzen der Ukraine 1991 ist nicht mehr zu denken, ein Nato-Beitritt Kyjiws wird ausgeschlossen – obwohl auf dem Nato-Gipfel 2024 in Washington ein klarer Fahrplan für einen Beitritt zum Militärbündnis vereinbart wurde, zeitlich zwar nicht festgelegt, aber die Vorbereitung dafür war fortgeschritten.

Trump macht wahr, was im Wahlkampf stumpf als polterndes Getöse ignoriert oder nicht ernst genommen wurde. Makulatur ist auch die Sicherheitsvereinbarung – wohlgemerkt kein Abkommen und keine Sicherheitsgarantie – zwischen Ex-US-Präsident Biden und Selenskyj. Vergebens die mühselige Tingelei des ukrainischen Präsidenten erst durch die Staaten Europas, um dann die Unterschrift für die Vereinbarung in Washington einzuholen.

Trump telefoniert mit Putin und besiegelt das Ende einer multilateralen Friedensordnung. Die nächsten Schritte sind vage. Vermutlich wird es bald ein Treffen zwischen Trump und Putin geben, ein Scheinfrieden dürfte folgen, der zwei der mächtigsten Männer der Welt gefallen wird, den freiheitsliebenden Ukrai­ne­r:in­nen eher nicht. Eine Überraschung ist der Vorstoß Trumps nicht. Warum warten auf diplomatisches Gerede, auf Gepflogenheiten einer verblassenden geopolitischen Ordnung?

Schwerer Vertrauensbruch

Europa muss nun mit einer Stimme sprechen. Das war aber schon in der Vergangenheit schwierig

Der Kreml will die Ukraine an den Verhandlungen beteiligen. Was das konkret bedeutet? Unklar. Aber für die Ukraine wird es schmerzhaft werden. Klar ist aber, dass auf Versprechen nichts zu geben sein wird. Der Begriff des Verrats liegt nahe – ein besonders schwerer Bruch des Vertrauens. Voraussetzung für wahre Friedensgespräche ist angenommene Loyalität. Die ist Trump nicht zuzuschreiben, seinem Vorgänger Biden schon.

Und Europa? Sehenden Auges hat die EU den strammen Trump-Kurs in die Katastrophe verfolgt. Wohlwollende Worte, die Völkerrecht, Souveränität von Staaten, freiheitliche und demokratische Werte betonen – Stanzen, deren Zeit abgelaufen ist. Die Sicherheit Europas ist jetzt Sache Europas. Und somit ist ein beständiger Frieden in der Ukraine auch eine Angelegenheit Europas, allerdings zu Bedingungen der USA und Russlands. Die europäischen Staatenvertreter verharren bisher im altbekannten Modus – reden, reden, reden – und sind bemüht, nicht in Panik zu verfallen.

Europa muss nun mit einer Stimme sprechen. Das war aber schon in der Vergangenheit schwierig. In vielen Ländern werden rechtspopulistische Strömungen stärker, damit nimmt der Zuspruch für mehr Unterstützung der Ukraine ab. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und der slowakische Präsident Robert Fico sind beste Beispiele dafür. Beide können ihre Freude über das nächste Level der Trump-Putin-Beziehung kaum verbergen. Hinzu kommt die volatile Lage in Frankreich. In Deutschland wird in Kürze gewählt. Der neuen Bundesregierung wird nicht viel Zeit bleiben, um die Position Berlins klarzumachen und mit den europäischen Partnern abzugleichen. Der nächste wichtige Termin wird der Nato-Gipfel in Den Haag im Frühsommer sein.

Heikel bis unmöglich ist die Beteiligung an einer Friedens- oder Beobachtungsmission, sprich der Bereitstellung von Truppen. Sicherheitsexperten sprechen von rund 150.000 Soldat:innen, um die mehrere Hundert kilometerlange Frontlinie abzusichern. Militärische Unterstützung zur Sicherung eines Waffenstillstands wird es seitens der USA nicht geben. Europäische Alliierte stehen zwar mit Worten an der Seite der Ukraine, militärisch bleiben die USA indes die stärkste Macht. Sie verfügen über Waffensysteme, die Europa nicht hat und die die Ukraine benötigt, um den russischen Streitkräften nicht völlig ausgeliefert zu sein.

Gewinner des aktuellen Spielzugs ist Diktator Putin. Spätestens seit der Invasion 2022 war er der Geächtete, derjenige, der die Sicherheit Europas gefährdete. Jetzt will der Demokratieverächter Trump den Kriegsverbrecher zurück in die Runde der G7-Staaten holen. Wer macht den nächsten Zug? Die EU, Selenskyj, Putin? Die Welt ist mit Trump ein kälterer und potenziell gefährlicherer Ort geworden.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Tanja Tricarico
wochentaz
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Leitet derzeit das Politik-Team der wochentaz. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • einmal bei Lichte betrachtet, niemand in der EU ist in der Lage militärisch diesen wie auch immer gearteten "Frieden" abzusichern. Und wenn, dann nur mit symbolischen Truppen, einen Krieg mit Russland wird niemand in der EU riskieren, nur weil die Russen die "Friedenstruppen" ignorieren. Die EU muß sich zunächst um die eigene Sicherheit kümmern, denn machen wir uns nichts vor, jetzt steht die EU, vor allem die Balten an der Front. Wir sind potentiell Kriegsgegner von Putin und kein Amerika, dass uns jetzt absichert.



    Das taktische Hinauszögern der EU in den letzten 3 Jahren, hat dazu geführt, dass jetzt die EU direkt kämpfen müsste. Vorher hat die Ukraine uns Russland vom Leib gehalten.



    Die Appelle, die Empörung, geschenkt, in diese Lage hat uns unsere Politik selbst manövriert, das Trump wiederkehren könnte, das er das tut was er angekündigt hat, hätte man wissen können, jetzt bleibt nur die Aufrüstung der EU oder eben hoffen, dass Putin nicht weiter zündelt.

  • Ein Satz folgt gleich, den ich mir noch vor nicht allzu langer Zeit nicht einmal zu denken gewagt hätte:



    Europa / Deutschland braucht eine ausreichend starke Atombewaffnung um nicht von USA und Rußland erpresst zu werden.

  • "Sie verfügen über Waffensysteme, die Europa nicht hat.."

    Das ist der Punkt, wenn auch ein trauriger. Erst als militärische "Supermacht" werden die Europäer von den Autokraten in China, Russland und den USA wieder ernstgenommen. Emanzipation ist angesagt.

    Denn weder Wirtschaftsbeziehungen zählen, noch Loyalität und Werte schon einmal gar nicht. Militärische Stärke gepaart mit Hegemoniestreben zählt in diesem Sinne einzig.

    Europa wäre gut beraten, wenn es sich nicht als Spielball hergibt und die Interessen dieser Länder ebenso wenig berücksichtigt wie diese anscheinend europäische Interessen.

    Der Grundstein hierfür wäre die uneingeschränkte Unterstützung der Ukraine auch entgegen amerikanischer und russischer Interessen. Denn für ein europäisches Bündnis ist die Ukraine für Europa unverzichtbar.

    Dennoch es bleibt ein persönliches Trauerspiel solche Zeilen für militärische Aufrüstung gerade einmal 35 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zu verfassen.

  • Wer sich die Überschrift ausgedacht hat, müsste sie erklären.

    Die Autorin bezieht sich im Artikel auf die USA.

  • Sehr guter Artikel, der den Sachstand der europäischen Misere exakt darstellt. Europa darf sich nicht wundern, jetzt ausgeschlossen zu werden und gleichzeitig in die Verantwortung (einer eigenen Verteidigung) genommen zu werden. Der europäische „Westen“ mit seinen Werten hat anderen Staaten viel zu lange vorgeschrieben, was bitte politisch und gesellschaftlich zu gelten hat. Aber der Neoliberalismus ist gescheitert und die Welt funktioniert leider auch ohne ihn. Siehe Brix. Die Europäer mit ihrem erhobenen Zeigefinger haben sich verzettelt und sind auch jetzt noch nicht in der Lage, dies einzusehen. Andere schaffen Fakten. Ob völkerrechtswidrig oder per Dekret ist dabei zweitrangig.