Sofortprogramm für deutsche Wirtschaft: Gebt Merz keine Chance
Erst mal in den eigenen Reihen für klare Strategien sorgen sollte der Oppositionschef. In der Union sind die Meinungen zur Schuldenbremse geteilt.
K arl Marx hätte sicherlich mit Freude den Brief der Unionsfraktion an Kanzler Olaf Scholz analysiert. Denn ein Großteil der Maßnahmen, die Friedrich Merz und Alexander Dobrindt als Sofortprogramm für die Wirtschaft vorschlagen, zielen vor allem darauf ab, den Faktor Arbeit für die Unternehmen möglichst billig zu machen. So soll die Wirtschaft wieder wettbewerbsfähiger werden, indem die Sozialabgaben auf 40 Prozent des Bruttolohns gedeckelt und Überstunden steuerlich begünstigt werden.
Obendrauf soll es dann noch eine Steuersenkung und Bürokratieabbau geben. Die Union nutzt, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner die Debatte um Steuernachlässe für Unternehmen aufgemacht haben. Doch ein Gesprächsangebot ist der Brief an Scholz nicht. Deshalb kann Merz auch gut auf einen Vorschlag verzichten, wie er seine Maßnahmen finanzieren will.
Vielmehr ist sein Sofortprogramm ein vorgezogenes Wahlprogramm, mit dem Merz zeigen will, wie er Deutschland am liebsten neoliberal umgestalten würde, hätte er denn nach der nächsten Bundestagswahl das Sagen. Zu dumm nur für den CDU-Chef, dass selbst in seiner eigenen Partei nicht alle seine wirtschaftspolitischen Ansichten gänzlich teilen.
Fast zeitgleich zum Brief an Scholz forderte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff im Handelsblatt die nochmalige Aussetzung der Schuldenbremse. Den Ruf nach Steuersenkungen tat der CDU-Mann mit dem Satz ab: „Was nützt es mir, die Unternehmenssteuern zu senken, wenn das Stickstoffwerk in Wittenberg oder andere Betriebe den Standort Deutschland grundsätzlich infrage stellen müssen?“
Merz würde mit seinem Sofortprogramm der Konjunktur mehr schaden als nützen. Denn was für das einzelne Unternehmen und ihre Eigentümer*in gut ist, muss nicht unbedingt förderlich für die ganze Volkswirtschaft sein. Denn zu ihr gehören auch die Beschäftigten. Und die würden unter den Maßnahmen sicherlich leiden. Deshalb sollte Merz nie die Chance bekommen, Kanzler zu werden.
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