Reform des Postgesetzes: Regierung beschließt lahme Post
Briefe kommen künftig später und auch nicht mehr jeden Tag. SPD, Grüne und FDP haben am Donnerstag im Bundestag das neue Postgesetz beschlossen.
Diese bisher im Postgesetz formulierte 6-Tage-Regel ist etwa wichtig für Abonnent:innen, die ihre Tageszeitung per Post beziehen. Mit der Reform des Gesetzes ist das nun hinfällig. Auch die Vorgabe, dass bislang 80 Prozent der Briefe am nächsten Werktag Empfänger:innen erreichen, 95 Prozent am übernächsten, ist passé: Künftig müssen 95 Prozent der Briefe erst am dritten Werktag nach der Aufgabe ankommen, am vierten 99 Prozent. Haben Absender:innen Zeitdruck, etwa weil sie Fristen einhalten müssen, können sie gegen einen Aufschlag einen sogenannten Prio-Brief aufgeben. Außerdem musste die Post bisher ein dichtes Filialnetz vorhalten, wozu auch Kioske und Supermärkte mit einem entsprechenden Schalter zählen. Jetzt könnte auch das Aufstellen eines Automaten mit Briefmarken reichen.
Die deutsche Post ist in den 90er Jahren privatisiert worden. Dabei hat die Bundesregierung dem sogenannten Universaldienstleister eine Reihe von Auflagen gemacht. Die Deutsche Post als dieser Universaldienstleister ist Teil des DHL-Konzerns, an dem der deutsche Staat über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit knapp 17 Prozent beteiligt ist, der Rest gehört überwiegend privaten oder institutionellen Investor:innen. Im Jahr 2023 machte die DHL einen Gewinn von rund 3,7 Milliarden Euro.
„Wir führen Daseinsvorsorge und Wettbewerb zusammen“, sagte die grüne Bundestagsabgeordnete Sandra Detzer in der Debatte am Donnerstag. Die Regierung sichere für Bürger:innen die Bezahlbarkeit der Postdienstleistungen und „die Renditeabsicherung für Erbringer des Universaldienstes“. Die Union bestreitet, dass das Gesetz zu mehr Wettbewerb führt. Sie fordert, dass der Paketbereich grundsätzlich aus dem gesetzlichen Regeln unterworfenen Universalbereich entlassen wird. „Trotz eines funktionierenden Wettbewerbs bleibt der Paketmarkt weiterhin reguliert“, kritisierte der CSU-Abgeordnete Hansjörg Durz.
Kein Verbot von Sub-Sub-Unternehmen
Nicht durchsetzen konnten SPD und Grüne gegenüber der FDP den Einsatz von Sub-Sub-Unternehmen zu verbieten. Die Post vergibt Aufträge an andere Firmen, die sie an Dritte weitergeben und daran verdienen. Die Folge sind sehr schlechte Arbeitsbedingungen und Einkommen für die Beschäftigten. Das bekommen auch die Kund:innen zu spüren, etwa wenn Bot:innen ihnen wegen des hohen Zeitdrucks nicht mitteilen, dass sie eine Lieferung bei Nachbarn abgegeben haben. Das Gesetz sieht aber vor, dass Subunternehmen künftig besser kontrolliert werden sollen, etwa in Bezug auf Arbeitszeiten von Zusteller:innen. „Für viele Kolleginnen und Kollegen bedeutet das, dass die Arbeitszeit korrekt erfasst wird“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Papendieck. Damit können Überstunden nicht mehr verloren gehen und würden bezahlt.
Die Linke im Bundestag fordert, dass die Auftragsvergabe an Sub-Unternehmen beendet wird. „Die Privatisierung der Post war ein schwerer Fehler“, sagte der Linken-Abgeordnete Jörg Cezanne. Der Wettbewerb werde nicht mittels besserer Leistungen ausgetragen, sondern auf Kosten der Beschäftigten und der Kund:innen. Die Dienstleistungen der Post würden immer schlechter, und das bei steigendem Porto. Selbst Briefkästen seien für viele im ländlichen Raum nicht mehr erreichbar.
Aus Rücksicht auf die Beschäftigten sollen künftig Pakete mit einem Gewicht von mehr als 20 Kilogramm von zwei Zusteller:innen ausgeliefert werden müssen. Steht ein geeignetes technisches Hilfsgerät zur Verfügung, gilt das aber nicht. Die Gewerkschaft Verdi fordert eine schnelle Klarstellung, was das bedeutet. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil müsse bis zum Jahresende in einer Verordnung festlegen, dass beispielsweise eine Sackkarre nicht als geeignetes Hilfsmittel gelte, forderte Verdi-Vizechefin Andrea Kocsis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr