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Rassismus gegen Russen im Ukraine-KriegKein Ork-Volk

Houssam Hamade
Kommentar von Houssam Hamade

Die Gewalt der russischen Armee erschüttert. Doch auch in Russland gibt es sehr verschiedene Menschen, von denen viele selbst denken können.

Die russischen Invasoren werden von den Ukrainern teils als „Orks“ bezeichnet Foto: Future image/imago

I n Kriegszeiten dämonisieren Menschen ihre Gegner vielfach. Die russischen Invasoren werden von den Ukrainern beispielsweise als „Orks“ bezeichnet. Das ist verständlich, bedenkt man die Brutalität und Sinnlosigkeit des Angriffskrieges, unter dem sie zu leiden haben.

Aber so nachvollziehbar das ist, so gefährlich ist es auch. Denn diese Dämonisierung verzerrt den dringend nötigen Sinn für Realitäten. Auch in den deutschen Medien vermehren sich zurzeit die Beiträge, die die russische Gesellschaft mehr oder weniger darstellen, als wäre sie eine von Orks.

Orks sind dunkelhäutige, sehr muskulöse Wesen aus diversen Fantasieromanen. Sie sind allesamt extrem aggressiv, egoistisch und meist auch dumm. Schon ihre Kinder werden zur Gewalt erzogen. Entscheidend ist: Sie sind so. Alle. Ihre „Kultur“ ist eben so, könnte man sagen.

Auch die russische Gesellschaft „scheint“ eben so zu sein, glaubt man beispielsweise der in den letzten Monaten so oft wiederholten Behauptung, 70 bis über 80 Prozent der russischen Bevölkerung stünden stramm hinter Putin.

Ergänzend erscheinen seit Beginn des Krieges immer wieder Medienbeiträge, die „die russische Kultur“ darstellen, als wäre diese ein Programmiercode, der „den Russen“ eingeschrieben ist und sie lenkt.

„Die Russen“ seien halt eine kollektivistische Gesellschaft und müssten erst lernen, selbstständig zu denken, hieß es beispielsweise in der taz. Andere behaupten dagegen, in Russland herrsche ein „aggressiver Individualismus“. Wieder andere schreiben, die Russen seien mehrheitlich eben abergläubisch, gewalt- und obrigkeitshörig und überhaupt seit Langem sehr rückständig. Die Au­to­r*in­nen solcher Texte haben oftmals selbst russische Namen. Und wenn die Russen das selbst sagen, dann wird es schon stimmen, denken sich die jeweiligen Redakteure vermutlich.

Dass eine Gesellschaft weniger individualistisch ist, heißt nicht, dass deren Angehörige allesamt Vollidioten sind

Ein weiterer taz-Artikel begründete die Gewalt der russischen Soldaten damit, dass sie „tief in Russlands Gesellschaft verankert“ sei. Überall setzten sich die Stärkeren mit Gewalt durch. „Die Menschen“ in Russland, so der Artikel, finden, dass Kinder abgehärtet gehören. Demütigung, Strafe, Brutalität. „Die Menschen“ heißt: alle. „Die Gesellschaft“ heißt: alle. Auch in deutschen Talkshows werden solche Behauptungen verbreitet.

Die gesamte russische Gesellschaft ist also durchsetzt von Gewalt, Rücksichtslosigkeit und Egoismus. Eine Ork-Gesellschaft halt. Aber stimmt das denn auch? Unwahrscheinlich. So ist Kultur nicht und so sind Gesellschaften nicht.

Gerade die russische Gesellschaft ist divers: Sie besteht aus verschiedenen Klassen, Altersgruppen, Bildungsgruppen, Ethnien, politischen Strömungen, Leuten vom Land, Leuten aus den Metropolen. Es gibt in jedem Land verschiedene Menschen mit verschiedenen Meinungen. Dass eine Gesellschaft weniger individualistisch ist als westliche Gesellschaften, heißt nicht, dass deren Angehörige allesamt Vollidioten sind, die weder klar noch kritisch denken können. Darum ist es sinnvoll, skeptisch auf solche Behauptungen zu reagieren. Entsprechen sie den Fakten?

Dass bis zu 83 Prozent der Menschen in Russland für den Krieg seien, ist Unsinn. Das zeigen die teils heftigen Proteste gegen die Mobilmachung. Trotz der drakonischen Strafen, die bei solchen Protesten drohen.

Der Moskauer Soziologe Boris Kagarlizky, Direktor des russischen Instituts für Globalisierung und soziale Bewegungen, erklärt, dass meist nur diejenigen an den offiziellen, meist telefonischen Befragungen zum Krieg teilnehmen, die das erwünschte Ergebnis von vornherein unterstützten. Der allergrößte Teil lehnt eine Befragung ab, weil die Leute Angst vor Strafen haben.

Realistischer ist die Einschätzung, dass sich die russische Gesellschaft etwa in drei große Lager spaltet. Laut einem geleakten Dokument des staatsnahen Umfrageinstituts WZIOM sind etwa 30 Prozent der Menschen in Russland gegen den Krieg. Auch schon vor der Mobilmachung. Diese stammen eher aus den Metropolen und sie sind eher jung. Ein weiter Block gehört zu den „Cheerleader*innen“ des Krieges: Leute, die Krieg und Putin unterstützen. Der dritte, größere Block will seine Ruhe und ist politikfern. Für diese Verhältnisse gibt es verschiedene Gründe: Erfahrungen der Bevölkerung mit autoritärer Herrschaft, die extrem schlechte politische und wirtschaftliche Lage in den 90ern, Propaganda in den Medien und so weiter.

Junge russische Ak­ti­vis­t*in­nen ärgern sich auf Twitter, dass der fehlende Widerstand in der russischen Bevölkerung auf angebliche „Mentalitätsunterschiede“ zurückgeführt würde und nicht auf die systematische Zerstörung der Zivilgesellschaft. Das trifft es ziemlich genau.

Seriöse Medien sollten nicht leichtfertig ein Bild verbreiten, das zur Dämonisierung beiträgt. Die Behauptung von „der russischen Gesellschaft“, die angeblich ihre Kinder traumatisiert und brutalisiert, muss hinterfragt und präzisiert werden.

In dem Artikel über die gewalttätige russische Gesellschaft wird etwa als einzige harte Zahl erwähnt, dass mindestens ein Fünftel der Frauen in Russland Gewalt in der Partnerschaft erlebt haben. Das ist übel und sehr bekämpfenswert. Aber es belegt nicht die Behauptung, dass Gewalt die gesamte Gesellschaft durchsetzt. Laut einer repräsentativen Umfrage des Bundesfamilienministeriums erklärten auch in Deutschland im Jahr 2004 25 Prozent der Frauen, dass sie schon einmal Gewalt in der Beziehung erlebt haben.

Um es klarzustellen: Es kann sehr wohl sein, dass Gewalt in der russischen Gesellschaft ein größeres Problem ist als in Deutschland. Was mit Sicherheit ebenfalls wahr ist: Auch in Russland gibt es sehr verschiedene Menschen, von denen viele selbst denken können. Wer eine Gesellschaft darstellt, als wären deren Angehörige allesamt fremdgesteuerte Gewaltwesen, fördert eine rassistische Sichtweise, die nur wenig mit der Realität zu tun hat.

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Houssam Hamade
Mit der Zeit kommt einiges zusammen: Ich war Kickboxer, Heilerziehungspfleger, Türsteher und habe Parties organisiert. Nun vermittle ich angehenden Erziehenden Wissen zu Sozialisation und verschiedenen Diskriminierungsformen. Außerdem schreibe ich Bücher über menschliche Grenzfragen wie: Warum prügeln sich Leute oder warum tun gute Menschen schechte Dinge? Und ich schreibe politische Texte für verschiedene Zeitungen.
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70 Kommentare

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  • Moderation , Moderator

    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.   

  • Wichtiger Artikel! Die Kommentarspalte hier bezeugt die Wichtigkeit.

    Ich würde gerne wissen, wie viele der Kommentatoren hier in den 2000er Jahren die gesamte US-amerikanische Gesellschaft nach dem gleichen Muster zu stigmatisieren pflegten, wie sie es heute mit der russischen Gesellschaft tun?



    Wenn wir schon vorgeben eine Wertegemeinschaft zu sein, dann sollte die Antwort auf Rassismus wohl nicht unbedingt Rassismus sein...

  • Mich wundert die niederträchtig-eklige Propaganda nicht.



    Hier bekämpfen Nationalisten mit Nationalismus Nationalisten, die mit nationalistischen Argumenten wiederum Nationalismus bekriegen.

    Soweit also nichts Neues in der Geschichte solcher Kriege.

    Keine Ahnung wie ein linksliberales Milieu so blind und massenhaft glauben will, der ukrainische Nationalismus diene in irgendeiner Weise der Durchsetzung von Demokratie, gar demokratischer Wirklichkeit. Immer wenn das Kabinett Selenskji könnte, verabschiedet es doch gar kein demokratisches oder soziales Recht. Wie die Praxis der letzten, auch Vorkriegsjahre nachweist.

    Da wird man darauf verwiesen, das "nach dem Krieg" all diese ganzen Leute (von wem eigentlich?) entmachtet werden. Und dann die schönste Demokratie blüht.

    Putins Sieg ist damit schon weit fortgeschritten. Europäische Aussen- und Innenpolitik wird von nationalistischer Agenda dominiert. Statt Klima, Nachhaltig, faire Weltwirtschaft dominiert Kriegs- und Krisenwirtschaft. Und der dazugehörige schleimig-aggressive Pathos.



    Und ein linksliberales Milieu verkauft eine nationalistische Ukraine und ihr oligarchisches Personal als Hoffnung für Europa und gegen ein Putinrussland.

    Aussichtsloser verrannt kann es kaum sein. Mit solchem Rüstzeug stehen wir noch nicht einmal am Anfang der absehbaren umfassenden Katastrophe.

  • Die Bezeichnung "Rassismus" (eine aus kolonialer Ausbeutung geborene, biologistische, strukturelle Form von Herrschaft "weißer" Kolonialherren) für die dominierende Gruppe eines mehrfach genozidalen Kolonialstaats finde ich hier doch daneben. Für Ukrainer:innen, die gerade in ihrer Geschichte den x-ten Kolonialkrieg erleben (nicht wenige davon durch Russ:innen aber auch zB Deutsche), wäre sie eher anwendbar. Ethnische Stereotypisierung von/Hatespeech gegen Russ:innen allgemein ist, wie bei allen anderen ethnifizierten Gruppen, Bullshit. Andererseits gibt es für den "Souverän" des kriegsführenden Staates da durchaus auch eine (bislang nicht wahgenommene) kollektive Verantwortung den Horror zu stoppen. Historische Kollektivbezeichnungen wie "Huns" für Deutsche, aufgrund kolonialer Brutalität in China, blieben auch verdient haften...

    Die Bezeichnung "Orks" (bei Tolkien durchaus mit rassistischen Elementen aufgeladen, Mongol:innen betreffend) trifft aber in der Regel nicht Russ:innen allgemein (viele Ukrainer:innen haben russische Familie), sondern die russischen Soldat:innen und deren Chefs. Angesichts der von diesen verbrochenen unerträglichen Grausamkeiten kommt mir der Begriff noch fast zu harmlos vor.

    Im Gegensatz zur "eher klassischen Verwendung" durch Ukrainer:innen haben die meisten Fantasy (und nicht Fantasie, das wäre was anderes)-Publikationen Orks übrigens längst humanisiert. Es gibt nach wie vor so einige rassistischen Vorstellungen entlehnte Rudimente, aber bei D&D, WoW etc. sind Orks längst nicht mehr grundböses Schwertfutter sondern durchaus auch nette/gute player characters. Und beim "Original", Mittelerde, war in der neuen Serie unlängst zu vernehmen auch diese armen, aus ehemaligen Elben geformten Monstren hätten nunmal auch ein Herz. Die Berichte unserer ukrainischen Verwandten, lassen mich hier bzgl. vieler ru. Militärs zweifelnd zurück. Das würde nunmal dazu nötigen die eigenen Offiziere zu erschießen statt Täter in einem Massenmord zu werden.

  • Wenn ich mir die Videos ansehe, wo arglos im Gebüsch liegende Soldaten von Drohnen mit Granaten beworfen werden, frage ich mich jedesmal, ob diese sich im Zweifelsfall nicht lieber ergeben hätten.

    Der moderne Krieg hat die Frage des Überlebens sehr stark von den Fähigkeiten des einzelnen Soldaten entkoppelt.

    Solange man diese Kriegsopfer als russische Orks betrachtet, muss man sich keine Gedanken über Empathie oder Mitleid machen.



    Es macht es also für uns einfacher.

  • Selbst wenn 70 bis 80% aller Russen Putin unterstützen würden, macht sie das noch lange nicht zu „Orks“.



    Auch wenn jetzt Krieg herrscht, es ist schon traurig, dass dem jetzt explizit medial widersprochen werden muss. Wie weit soll diese Entmenschlichung eigentlich noch gehen? Da bin ich nicht mit dabei, weil ich diese Hetze widerlich finde, auch dann, wenn die Kriegsverbrechen des Putin-Regimes in der Ukraine außer Frage stehen.

  • Dieser Artikel hat mich nachdenklich gemacht. Es ist schlimm zu sagen 70% der Russen sind für den Krieg (aka hinter Putin). Aber gut zu sagen 30% der Russen sind gegen den Krieg.

  • Auf 10 geborene Kinder kommen in Russland 13 Abtreibungen.

    Man sollte den Frauen bei ihrer Einschätzung zur sozio-ökonomischen Realität in der russischen Gesellschaft vertrauen.

    siehe Wikipedia:



    "Abortion in Russia"

  • Orks sind jene russischen Soldaten, die plündern, morden und vergewaltigen, jedenfalls in meinen Augen, der Begriff wurde übrigens bereits im Kampf gegen den IS verwendet deren Kämpfer wurden in englischer Propaganda der Kurden auch als IS bezeichnet. Es gibt auch russische Soldaten die zur Ukraine überlaufen weil sie bei so etwas nicht mitmachen wollen, gibt sogar solche die auf Seiten der Ukraine kämpfen. Es ist also kein rassischer Begriff, weil er sich auf eine bestimmte Verhaltensweise und Einstellung bezieht und nicht auf die Russen als Volk. Genauso wie Vatnik ein anderer online Begriff der sich auf die Russen bezieht die die russische Propaganda glauben und verbreiten (und als Schimpfwort für Putins Wasserträger im Westen). Sind alle Russen so? Nein und es gibt wenige die davon ausgehen.



    Sind die Russen kollektiv schuld an dem was passiert? Ja. Genauso wie die Deutschen kollektiv Schuld am 2. Weltkrieg waren, die Franzosen am Algerienkrieg, die Briten an der Niederschalgung des Mau-Mau Auftandes. Man kann einen Krieg nicht führen ohne Unterstützung der Bevölkerung, 1/3 dafür, 1/3 dem es egal ist, dann ist bei denen ist Hopfen und Malz verloren aber das 1/3 das dagegen ist in der Pflicht und es gibt ja viele die was tun. Eisenbahnen entgleisen, Rekrutierungsbüros brennen hab. Autos mit Z Aufklebern werden niedergebrannt, die Reifen zerstochen, Pro-Kriegs Russen werden verprügelt. Es gibt sie die "guten" Russen so wie es auch "gute" Deutsche gab. Die Russen als Volk sind weder besser noch schlechter als andere Völker sie sind in der Lage in der sie sind, die Frage ist was sie als Individuum jetzt tun. Wenn der russische Staat ganz offen Genozid zugibt durch die Verschleppung und Russifizierung von ukrainischen Kindern, dann gibt es keine Ausrede mehr. Jeder Russe muss sich jetzt entscheiden wo er/sie/div. stehen. Viele werden sich falsch entscheiden, einige wenige werden das richtige tun. Die müssen wir unterstützen.

  • Viele Menschen in Russland betrachte ich mit Hochachtung. Die haben unter dem Regime des Verbrechers in Moskau auch zu leiden - und auch unter dem Ansehen Russlands im Allgemeinen.



    Es bleibt zu hoffen, dass die Opposition dort bald die Kraft hat, den Kriegsverbrecher und seine Bande zu entmachten und zur Verantwortung zu ziehen.

  • "Junge russische Ak­ti­vis­t*in­nen ärgern sich auf Twitter, ..."

    Ist Twitter in Russland wieder offen?

  • Man kann den Blick der Opfer auf die Täter nicht einfach aus neutraler Warte beurteilen.

    "Orks" basiert nicht auf Rassismus sondern auf Opfererfahrungen. Und diesbezüglich scheinen mir Orks, die zwar echt beschissen aussehen, noch human zu sein.

  • Ich dachte ja beim ersten Lesen, was für ein überflüssiger Artikel, aber nachdem ich die bisherigen Kommentare gelesen habe: Danke Herr Hamade, dass Sie diese Selbstverständlichkeiten aufgeschrieben haben, es scheint nötig zu sein.

    • 0G
      08786 (Profil gelöscht)
      @Barbara Falk:

      Danke für den Kommentar. Das sehe ich wie Sie.

    • @Barbara Falk:

      Danke, hier stimme ich Ihnen absolut zu … Ich halte es für notwendig, auch selbstkritisch zu reflektieren, was der Krieg - oder die Berichterstattung darüber aus unserer distanzierten, noch sicheren Perspektive - mit EINEM SELBST macht.



      Für die betroffenen Menschen in der Ukraine mag das noch anders zu beantworten sein, das räume ich ein, allerdings finde ich nicht, dass es irgendeine Legitimation gibt, seinenGegner/Feind zu entmenschlichen, selbst wenn dieser Leid und Tod über meine Familie oder mein Land gebracht hat.



      Ich meine, weshalb nennen wir uns Menschen?

    • @Barbara Falk:

      Das finde ich auch. Es muss verhindert werden, dass wir wieder in das alte Fahrwasser der Generalisierungen kommen ("der" Russe...und "die" Ukrainer kämpfen alle so mutig....).

    • @Barbara Falk:

      Ja? Details bitte.

      • @Suryo:

        -"aber nachdem ich die bisherigen Kommentare gelesen habe"



        lesen sie die Kommentare, da sind jede Menge Details vorhanden

  • Danke für diesen Beitrag. Trotz mancher inhaltlicher Differenz ist es wichtig, auch bei begründetere parteinahme den eigenen Blick stets kritisch zu hinterfragen.

    Denn eine offene Gesellschaft muss gerde ihre Gegner human behandeln - was bekämpfen ja nicht ausschließt.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    These:



    Patrick Desbois »Massenmord ist eine menschliche Krankheit, gegen die niemand immun ist.«



    (Paywall)



    www.spiegel.de/ges...-8c10-c133f0545b3f

    >>Patrick Desbois spürte NS-Massakern in der Ukraine nach – nun ist er zurückgekehrt, um russische Kriegsverbrechen aufzuklären.

  • Danke dafür. Habe letztlich ein Interview mit einem russischen Politikwissenschaftler gehört und war überrascht wie vorsichtig gewählt sich dieser ausdrückt um zu vermeiden persönlich Aussagen über diesen Krieg zu treffen aber dennoch genug um inhaltlich wichtige Punkte zu kommunizieren. Es ist wichtig darauf zu achten was zwischen den Zeilen zu lesen ist.

    Das man russische Bürger als Individuen behandeln sollte ändert allerdings wenig an der Notwendigkeit dass die russische Armee in der Ukraine besiegt werden muss um den ukrainischen Staat in den Grenzen von vor 2014 wiederherzustellen.

    Russische Kriegsdienstverweigerer, Deserteure, Kriegsgefangene und Geflüchtete sind ganz klar mit Würde zu behandeln. Als auch sollte man ihnen Optionen außerhalb von Russland ermöglichen - allerdings darf die individuelle Freiheit die ihnen gewährt wird durchaus von ihrer politischen Positionierung zur russischen Autokratie abhängig gemacht werden.

  • Vielen Dank für diesen nachdenklichen und nachdenkenswerten Beitrag. Ich habe auch regelmäßig Bedenken, wenn pauschal über ganze Gesellschaften oder große Gruppen geurteilt wird. Die große Fluchtwelle nach der Mobilmachung ist für mich ein weiterer Beweis, dass nicht einfach alle Russen gewaltverliebt für Putin in den Krieg ziehen wollen.

    Kriegsdienstverweigerer sollten unbedingt im Westen Aufnahme finden.

  • staatlich verordneter homo und queer-hass, grassierender rassismus, massive gewallt gegen die eigene-selbstdenkende-bevölkerung und astrein funktionierende propaganda / missinformations-systeme sind omnipräsent und funktionieren. selbstverständlich gibt es in russland selbst-denkede, tolle menschen. keine frage.



    um mitmenschen lebendig in kellern zu vergraben, müssen die täter schon anständig enthumaisiert worden sein. armut und perspektivlosigkeit, gewalterfahrung, kein oder wenig zugriff auf bildung usw. sind bewährte mittel um menschen zu ent-humanisieren. (armut und perspekivlosigkeit sind ja auch effekte des politischen handelns der machthabenden). bilder von männlichkeit, kohorten wie das millitär und krieg an und für sich tun ihren teil.

  • Nun kann man zwar sicher mancherlei allzu pauschalisierende Urteile durchaus berechtigt kritisieren, aber so zu tun als ob die dortige Gesellschaft eine nach westlichen Maßstäben plurale und diverse wäre bleibt eben trotzdem Unsinn. Die Lage der Presse- und Meinungsfreiheit spricht diesbezüglich ebenso Bände, wie etwa die von Queers oder der Umstand, dass die Multiethnizität der Föderation von Diskriminierung geprägt ist.



    Die Barbarei und die Greuel in der Ukraine sind eben nicht 'Putins Krieg', sondern werden ebenso erst durch die Unterstützung und Passivität der russischen Bevölkerung möglich, wie die innenpolitischen Zustände im Land. Sehr viel relevanter als Fantsy-Zuschreibungen wie 'Orks', ist deshalb die Kategorie der Schuld und die ist evident.

    • @Ingo Bernable:

      Richtig, jedoch die Frage nach Schuld, (Mit)Verantwortung, menschlichem Versagen etc. - die auch in diesem Krieg dringlich gestellt werden muss -, rechtfertigt ja nicht die Entmenschlichung des Gegners oder Feindes, der da Schuld auf sich geladen hat. Wo kämen wir da hin?

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @Ingo Bernable:

      "nach westlichen Maßstäben plural und divers"



      Wollten oder konnten Deutsche das vor 90 Jahren werden?

      • @31841 (Profil gelöscht):

        Ich halte eher wenig von solchen Vergleichen. Wenn man aber meint sie ziehen zu wollen sollte man aber auch ihr Ergebnis explizit und transparent machen. Also was meinen sie, hätte es damals genügt Sanktionen zu verhängen und der Resistance Waffen zu schicken oder braucht es heute Alliierte und einen D-Day?

        • @Ingo Bernable:

          Welches Land ist schon "nach westlichen Maßstäben plural und divers"? Das dürften die wenigsten sein.

  • Ok, an all die Russlandexpert*innen hier, mit viel Aufenthalt vor Ort und guten Russischkenntnissen ;-) , die so genau wissen, dass die Leute die jetzt fliehen erst gegen den Krieg sind, seit es sie selber betrifft: Können Sie sich vorstellen, dass Menschen eine Abwägung machen bevor Sie ins Exil gehen, mit der nicht unwahrscheinlichen Perspektive, nicht mehr zurückkehren zu können, ob sie dort überleben können? Und dass vielen Russ*innen klar ist, dass sie mangels Sprachkenntnissen, aufgrund nichtanerkannter Abschlüsse oder fehlender Qualifikationen dort große Schwierigkeiten haben werden, dass der Gang ins Exil mit großer Wahrscheinlichkeit einer in bittere Not und Armut sein wird? Und dass es deswegen eines besonderen Anstoßes braucht um diesen Weg zu gehen. Und dass es dafür erstaunliche Massen sind, die ihn gehen? Diese deutsche Arroganz und Empathielosigkeit hier ist schon beeindruckend. Aber sich über Welzer und Precht aufregen...

    • @M. Winter:

      Einfach nur Zustimmung!

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    "„Die Menschen“ heißt: alle. „Die Gesellschaft“ heißt: aAlle.!

    Danke für den Artikel! Gerade in Deutschland wird pauschal "die Gesellschaft" als rassistisch, sexistisch, kolonialistisch etc. gebrandmarkt!

    Es ist eben nur ein Teil und nicht "Alle"! Das sollte man in zukünftigen Artikel berücksichtigen um nicht in die gleiche Falle zu Laufen wie bei "den Russen".

  • Irgendwie fehlt mir das Verständnis dafür - in dieser Situation - vom Rassismus gegen Russen zu sprechen...darüber Artikel zu schreiben und eine Diskussion in Gang zu setzen.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    ;-( Mir fehlt noch der valide Test, mit dem festgestellt wird, ob und welche Russen selbst denken können.

  • Danke für den Artikel. Gerade in Deutschland sollte man verstehen können, warum es schweigende Mehrheiten gibt, warum ein brutales politisches System die, die es unter seine Knute zwingt, brutalisiert, ohne dass das schon "Kultur" wäre. Wer meint, er selbst sei besser, informiere sich über die Asch Conformity Study (der Mensch neigt zu Konformismus) und das Stanford Prison Experiment (der Mensch nimmt die ihm zugewiesene soziale Rolle an).

  • Ich empfehle Arkady Babtschenkos "Im Rausch", Rowohlt, zu Mentalitätsfragen zu Kriegszeiten und noch viel mehr. Er wurde als junger Soldat für den grausamen Krieg gegen Tschetschenien rekrutiert.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @Ataraxia:

      Auch bei Harald Welzer, Christopher Browning und ... mal nachschauen.

  • 》In dem Artikel über die gewalttätige russische Gesellschaft wird etwa als einzige harte Zahl erwähnt, dass mindestens ein Fünftel der Frauen in Russland Gewalt in der Partnerschaft erlebt haben. [...] Aber es belegt nicht die Behauptung, dass Gewalt die gesamte Gesellschaft durchsetzt. Laut einer repräsentativen Umfrage des Bundesfamilienministeriums erklärten auch in Deutschland im Jahr 2004 25 Prozent der Frauen, dass sie schon einmal Gewalt in der Beziehung erlebt haben《

    Ein Fünftel sind 20%, gegenüber 25% der Frauen in Deutschland, die schon Gewalt in der Beziehung erlebt haben - wie gelangt man von diesen Zahlen zu 》Um es klarzustellen: Es kann sehr wohl sein, dass Gewalt in der russischen Gesellschaft ein größeres Problem ist als in Deutschland《?

    Über "mindestens", was dann für 5%+ gut sein soll?

    》Das ukrainische Parlament hat die Musik von Künstler*innen mit russischer Staatsbürgerschaft in der Öffentlichkeit verboten. Die Oberste Rada stimmte am 19. Juni mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit für den Gesetzentwurf, teilte der Abgeordnete Jaroslaw Schelesnjak am 19. Juni auf seinem Telegram-Kanal mit《 (Swr.de)

    Die ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv beklagt in der Neuen Musikzeitung: "Meine Konzerte wurden von ukrainischen Kollegen boykottiert und meine Verdienste durch Pressekampagnen denunziert, weil etwa Tschaikowski gespielt werden sollte" is.gd/AmQwi7

    Dieses Parlament hat auch die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), die am Massaker von Babi Jar beteiligt war, zu "Unabhängigkeitskämpfern" erklärt, keine 10 km von der Gedenkstätte ist eine große Straße nach deren Anführer Bandera benannt.

    Ein wichtiger Kommentar hier, der nicht etwa 'die Bevölkerung spaltet' (auch darin steckt implizit die 'Ork-Gesellschaft', die Behauptung, die Gegenseite zwinge zur Uniformität auch hiesigen Denkens), sondern das zeigt, was demokratische Gesellschaften stark macht: Freiräume für (selbst)kritische, differenzierte Überlegungen und Betrachtungen.

    • @ke1ner:

      Das liest sich so einfach daher. Die Studien sind aber nicht von den gleichen Leuten gemacht worden.



      Nicht mit der gleichen Methode.



      Nicht mit der gleichen Gewaltdefinition.

      insofern ist es richtig,w enn sie auf diese Seltsamkeit hinweisen, aber ohne die Untersuchung dieser Aspekte bei beiden Studien, sagt da snichts.



      Wir haben aber nach allen verfügbaren Quellen ausreichend Hinweise, in der russischen Gesellschaft - auch in den staatlichen Institutionen hervorgehoben sei die Armee - ein sehr hohes Maß an Gewalt und wenig innere Abwehrkräfte dagegen zu vermuten. weiterhin auch, dass staatlichem Unrecht nur von einer kleinen Zahl entgegengetreten wird.

      Wenn wir in die Historie schauen, wird das alles noch viel finsterer, im 20 Jahrhundert im Kollektivismus und auch davor in Leibeigenschaft und Paternalismus.

      Das ist unbestreitbar und es ist keineswegs aufgearbeitet.

    • @ke1ner:

      Man kann in jedem Land einen hohen Prozentanteil von Gewalt gegen Frauen feststellen, in manchen mehr (z.B. Türkei), in anderen weniger (z.B. Schweiz). Da ist Russland überhaupt nicht besonders. Aber solche Vergleiche würden sich nicht dazu eignen, uns Russland als das absolut andere und Böse zu präsentieren. Dem Autor stimme ich zu.

      • @resto:

        In Russland wurde häusliche Gewalt vor wenigen Jahren faktisch entkriminalisiert.

        Es gab also - wie auch in anderen Bereichen - einen ganz eindeutigen rechtlichen (nicht nur sozialen) Rückschritt. Und der wurde ganz bewusst gemacht.

  • Es gibt seit Jahren wasserdichte empirische Untersuchungen, die Russland in Sachen häuslicher Gewalt weltweit an der Spitze zeigen. In der Ukraine ereignen sich Gewaltexzesse, die fast unvorstellbar sind (in Tschetschenien war es übrigens genauso). Der Telegraph hat erst vor ein paar Tagen von Folterkellern in befreiten Gebieten berichtet, in denen Menschen lebendig begraben wurden. Das sind nunmal empirische Tatsachen. Und nur weil man die russische Mehrheitsgesellschaft, die solche Verbrechen hervorbringt, Scheiße findet, ist man noch lange kein Rassist.

    • @Michael Myers:

      Natürlich hat Russland eine gewaltaffine Gesellschaft, das kann man nicht bestreiten. Das Problem bei diesen Propaganda-Klischees ist aber (neben der unzulässigen Verallgemeinerung und menschenverachtenden Dämonisierung), dass alle die an "den Russen" kritisierten Dinge bei den Ukrainern doch ganz genauso sind. Trotzdem werden Ukrainer nie als brutale und erbarmungslose Kampfmaschinen geschildert, obwohl man das genauso könnte.

    • @Michael Myers:

      Das ist eben nicht die Mehrheitsgesellschaft. Wieso sind bei Russland Generalisierungen okay, sonst jedoch nicht?

  • Nun ist es aber so, dass die Russen sich bislang auch nie gegen Putin aufgelehnt haben. Und tausende sind eben erst wegen der Mobilmachung geflohen - als sie der Krieg plötzlich auch persönlich betraf.

    Es waren sicherlich auch nicht alle Deutschen glühende Nazis - vermutlich war das sogar nur eine Minderheit. Aber die apathisch-gleichgültigen haben sich nun mal auch schuldig gemacht. Das kann man feststellen, ohne irgendwen zu dämonisieren.

    Abgesehen davon: hierzulande bezeichnet niemand die Russen als Orks. Dass die Ukrainer dies tun, sollte man ihnen nachsehen. Die Russen haben übrigens angefangen - erstens gibt es die Ukrainer als solche laut russischer Hasspropaganda nicht, und zweitens sind diese ganzen nicht existierenden Ukrainer alle Nazis.

    Das schlägt übrigens auch hier durch. Man sehe sich auf Facebook die Kommentare von russophilen (deutschen?) Kommentator_innen unter Artikeln zum Krieg von deutschen Tageszeitungen an. "Koksender Schauspieler", "Ukro-Nazis", "Asov-Faschisten" usw. sind da absoluter Standard. Etwas äquivalent hasserfülltes, unbelegbares, ist mir von Kommentator_innen, die gegen Russland sind, nie untergekommen.

    • @Suryo:

      Was soll jetzt diese Aufrechnerei? Mag sein, dass sich hier Foristen - oder auch in der deutschen Öffentlichkeit allgemein - sich in solcher Weise („Asow-Faschisten“ etc.) generalisierend gegenüber der ukrainischen Gesellschaft geäußert haben … ich halte es jedenfalls nicht so und lehne es auch kategorisch ab. Legitimiert das denn dazu, mit der „Gegenseite“ in gleicher Weise zu verfahren … oder gibt einem der Kriegzustand dafür eine Rechtfertigung? Ich meine, nicht.

      • @Abdurchdiemitte:

        Das ist keine Aufrechnerei, bzw. zeigt es, dass das beklagte Problem viel kleiner ist als eines, das nie beklagt wird.

        Und natürlich hat man als Angegriffener Nachsicht verdient. Wenn ihre Wohnung von Russen ausgebombt wird und ihre Nachbarin von Russen vergewaltigt, dann denken Sie nicht gleich an Tschaikowski und daran, dass ja nicht alle Russen so seien.

    • @Suryo:

      Außerdem:

      "Nun ist es aber so, dass die Russen sich bislang auch nie gegen Putin aufgelehnt haben. Und tausende sind eben erst wegen der Mobilmachung geflohen - als sie der Krieg plötzlich auch persönlich betraf."

      Ist es denn tatsächlich mit den Europäern und der USA viel anders...?

      Denn schließlich haben die sich gegen Russland auch nie mit solcher nie da gewesene Härte und Einigkeit positioniert, bis zum Angriffskrieg gegen die Ukraine, wo man praktisch sich selbst betroffen fühlt, weil es diesmal einen als gemeinsam gelesenen Kulturkreis, den eigenen Nachbarn, die eigenen Werte, die man im angegriffenen Land sieht, betrifft. Denn Putin hat all das, was er jetzt in der Ukraine tut, auch schon in Syrien getan, vom Bruch des Völkerrechts über die willkürlichen Zerstörung des Landes und seine Infrastruktur bis zu den brutalen Kriegsverbrechen.



      Hat es uns so bewegt und berührt, wie jetzt in der Ukraine, fühlten wir die gleiche Solidarität und unterstützten wir die Syrer, die gegen Putin und Assad, völlig machtlos und verzweifelt kämpften, ebenso, wie jetzt aber die Ukraine?



      Warum waren nicht so betroffen? Und haben syrische Kriegsflüchtlinge lieber an Erdoğan verkauft während jetzt aber in Deutschland sogar die Haustiere ukrainischer Geflüchteter willkommener sind, als syrische Kinder, die in Europas Randgebieten, isoliert in menschenunwürdigen Verhältnissen, unerwünscht, vor sich hin vegetieren...?

      • @Edda:

        Für die moralische Bewertung macht es eben schon einen Unterschied.

        Ich befürchte z.B., dass die aktuellen Proteste im Iran folgenlos bleiben. Und dennoch beweisen sie, dass ein wirklich großer Teil der Iraner eben keine blinden Untertanen der Mullahs sind. Das kann man ihnen auch in Zukunft zugute halten.

    • @Suryo:

      Nun ja, viele Millionen (!) Türken haben sich zeitgleich in verschiedenen Städten überall in der Türkei 2013 gegen den Möchtegern - Sultan und sein Regime aufgelehnt. Ich behaupte mal flapsig, mehr Auflehnung geht kaum.



      Und was hat es gebracht, außer umsonst Gestorbene und Verletzte und tagelang von Tränengas vernebelte Luft über den Städten, in denen nicht nur dadurch sogar die Sicht eingeschränkt war, sondern auch die Atmung draußen, tagelang lief man nur mit Atemschutz raus.



      Es ist ein westlicher, idealistisch-naiver Irrglaube, dass Aufstände und Auflehnung gegen ein manifestiertes Regime, eine Diktatur ausreichen, um einen Umsturz herbeizuführen.



      Es gibt doch genug Beispiele auf der Welt von West nach Ost, dass dem nicht so ist, wo verschiedenste Aufstände einfach niedergemetzelt wurden oder bestenfalls keinen Wechsel herbeiführen konnten.

      Weiß eine Lösung sein kann, weiß ich auch nicht... Was aber definitiv zufriedene, ausgeglichene und Radikalem nicht zugeneigte Bürger hervorbringt, ist definitiv ein menschenwürdiges Leben, in dem die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen befriedigt sind und Völker, die nicht von anderen ausgebeutet werden und international mit doppelten Standard wertgeschätzt oder eben geächtet werden.



      Das ist nämlich immer die Saat, die unter den vielen Putins und Erdogans dieser Welt aufgeht.

    • @Suryo:

      Was soll an "Asov-Faschisten" 'hasserfüllt' und 'unbelegbar' sein? Die nageln sich Nazi-Symbole an die Uniform (Schwarze Sonne, Wolfsangel), behaupten jetzt, ihre rechtsextremen Wurzeln von vor ein paar Jahren hätten keine Bedeutung mehr - "unbelegbar"?

      Und im selben Kommentar versteigen Sie sich zu "Es waren sicherlich auch nicht alle Deutschen glühende Nazis - vermutlich war das sogar nur eine Minderheit"?

      Was übrigens im Licht des Beitrags oben interessante Überlegungen zu historischer Schuldumkehr, Relativierung deutscher Geschichte inspiriert: die Richtung ist die selbe, der Feind ist wieder 'der Russe' (Hamade zeigt es oben auf, wie kein Raum für eine differenzierte Sicht bleibt), die Verbündeten berufen sich auf die Nazikollaborateure von damals (OUN als 'Unabhängigkeitskämpfer', Bandera-Denkmäler inklusive) - und gleichzeitig sind aber jetzt WIR die Guten, in den Foren, auf die Sie sich beziehen, befreien nun WIR Europa vom Faschismus (Internationaler Frauentag: NATO postet Foto von ukrainischer Soldatin mit Neonazi-Symbol is.gd/ddojBO ) - hat alles nichts zu sagen, die "slawischen Untermenschen" von einst heißen für unsere ukrainischen Freunde jetzt halt einfach "Orks"?

      Vom ukrainischen Parlament wurde gerade russische Musik verboten: 》Im Gesetz heißt es zur Begründung, dass russische Musik separatistische Stimmungen in der Bevölkerung befördern könne. Sie würde die Annahme einer russischen Identität attraktiver machen und ziele auf eine Schwächung des ukrainischen Staates ab《 (DLF) - was glauben Sie, was das dem Innenministerium unterstellte Asow-Regiment da in der Ostukraine sollte?

      Die demokratische Willensbildung unterstützen?

      • @ke1ner:

        Ich gehe jetzt , ohne es zu wissen, davon aus, dass ihre Bilder nicht aus Prigoschins St.Petersburger Propagandaschmiede kommen.



        Ich fände den russischen Kampf gegen den Nazismus glaubwürdiger wenn die russische Führung innerhalb der eigenen Reihen eine Entnazifizierung durchführen würde bevor sie das in anderen Staaten versucht.



        Die eigenen Neo-Nazis sind eben immer die guten Nazis.



        In der Ukraine kämpfen "Nazis" gegen den (russischen) Faschismus und für eine demokratische Gesellschaft.



        Nazis im Wandel der Zeit ;-)

        informnapalm.org/at/neonazi-ideologie/

      • @ke1ner:

        Wenn die Ukrainer als solche als "Asov-Faschisten" bezeichnet werden, gar noch der Jude Selenskiy, ist das schlicht hasserfüllte Kremlpropaganda.

        Die Ukraine ist kein Nazi-Staat. Russland ist hier der faschistische Aggressor. Man könnte auch sagen: Antifaschistischen müssen ZWINGEND gegen Putin-Russland sein.

        Das Asow-Regiment, aus dem seit der Eingliederung in die Streitkräfte (nicht dem Innenministerium) die Extremisten entfernt wurden (es ist nicht zu verwechseln mit der extremistischen Asow-Bewegung), kämpfte in der Ostukraine gegen russische Rechtsexremisten und Soldaten, die dort widerrechtlich die Macht an sich gerissen hatten. Dieser Kampf ist völlig legitim.

        Im übrigen erledigt sich das "Russentum" in der Ukraine von selbst, bzw. wird von Russland erledigt. Selbst von Hause aus russischsprachige Ukrainer - wie Selenskiy! - hassen mittlerweile Russland. Weil es ihnen eben nur Tod und Zerstörung gebracht hat. Bester Beweis ist doch Odessa, angeblich ja soooo russisch. Dort will absolut niemand unter die Herrschaft Moskaus kommen.

        Der größte Feind der "Russen" in der Ukraine ist also Russland selbst.

    • @Suryo:

      "...die Russen sich bislang auch nie gegen Putin aufgelehnt"

      Damit meine ich die breite Masse des russischen Volkes.

  • "Dass bis zu 83 Prozent der Menschen in Russland für den Krieg seien, ist Unsinn. Das zeigen die teils heftigen Proteste gegen die Mobilmachung."

    Falsche Schlussfolgerung: die sind nicht gegen den Krieg, nur dagegen, zu sterben.

    Auch müssen nicht alle Russen so sein, um damit eine zutiefst gewalttätige, egoistische und korrupte Gesellschaft zu bilden. Es reicht, dass es keinen nennenswerten Widerstand gegen die mehrheitlichen Verhältnisse gibt. Wo war der breite Protest gegen Korruption, Wahlfälschungen, Polizeigewalt und eine Justiz, die den Namen nicht verdient, in den vergangenen 20 Jahren?

    • @Ontic:

      DiversevNamhafte Kremelkritiker, zuletzt Navalny, wurden verhaftet und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt . NFO' s wurden verboten, Mitglieder verhaftet.



      Freie Presse wurde verboten, Journalisten verhaftet.



      Keine Ahnung, was Sie in den letzten 20 Jahren von Russland mitbekommen haben, viel scheint es nicht zu sein!

      • @Philippo1000:

        Eben.

        Das ist alles passiert, das meiste ohne größeren Protest.

        Ich glaube, das meinte Ontic.

  • Also 30% der Bevölkerung sind gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Das sind aber nicht sehr viele. Was gibt es schlimmeres als einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg?

    • @Gnutellabrot Merz:

      "Was gibt es schlimmeres als einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg?"

      Vielleicht ein Zerrspiegel, den Putin uns vorhält - das Völkerrecht lässt sich aber nicht nur wahlweise in Anwendung bringen. Die Grünen - etwa Fücks, Beck - beziehen sich aktuell immer wieder auf die Lehren aus diesem Krieg hier, um "nie wieder" sei es auch da schon gegangen:

      》Die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, die seit zehn Jahren währende Krise auf dem westlichen Balkan zu lösen, hat eine neue Qualität erreicht. Die NATO startet, wie sie es nennt, eine „humanitäre Intervention“. Im Klartext heißt das: sie führt Krieg. Wieder einmal [...] wird Krieg zum Mittel der Politik, und das in Europa. Und- zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg in vorderster Front mit dabei: Deutschland. [...]

      Die rot-grüne Regierung stand von Anfang an vor einer Zerreißprobe. Weil es das erste Mal darum ging, dass die NATO einen offensiven Angriffskrieg unternehmen würde, eine Militäroperation auf fremdem Territorium – eindeutig kein Selbstverteidigungsauftrag –, ein Out-of-Area-Auftrag, wie er noch Mitte der 90er Jahre von SPD- und Grünen-Parteibeschlüssen eindeutig abgelehnt worden war.

      Zusätzlich stand Rot-Grün unter dem Druck der Öffentlichkeit, weil die Flüchtlingsströme immer größer wurden – und international?

      Das entscheidende Motiv, warum Schröder und Fischer diesen Schritt gingen, war Bündnissolidarität, Verlässlichkeit. Sie konnten nicht aus diesem Boot aussteigen zu diesem Zeitpunkt. Denn sie wurden ohnehin mit Misstrauen beargwöhnt, von Seiten Washingtons und Londons, weil diese Länder [...] natürlich wussten um die Vergangenheit der beiden Parteien. Und das war gewissermaßen der Lackmustest für beide, wie weit sie international kooperationsfähig in Krisenszenarien sind.《 (DLF 2004, is.gd/t52eCu )

      》Mit ihrem Krieg gegen Jugoslawien ohne UN-Mandat haben die Nato-Staaten das Völkerrecht gebrochen und dabei die Öffentlichkeit manipuliert《 is.gd/r47AhL (Taz, A. Zumach)

      • @ke1ner:

        Und das macht den russischen Krieg gegen die Ukraine in ihren Augen rechtens ?



        Diese beiden Kriege haben übrigens einen entscheidenden Unterschied.



        In Jugoslawien hat sich die Nato in einen schon bestehenden Krieg eingemischt um Serbien zu schwächen und zu entwaffnen. Nicht aber um ihr Imperium zu vergrößern.

      • @ke1ner:

        Eben.

        Haben Sie den Eindruck, Putin stand in Russland wegen des Krieges vor einer Zerreißprobe?

        Steht er in Russland unter Druck wegen der Flüchtlingsströme?

        Genau das macht den Unterschied.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Ihr Kommentar passt prima zum angesprochenen Thema der Dämonisierung. Manipulieren mit Zahlen.



      Indem sie sagen nur ein Drittel ist gegen den Krieg klingt es, als würde das Drittel derjenigen die sich nicht positionieren zu den Befürwortern gehören. Die richtige Aussage ist, dass ein Drittel für den Krieg ist. Klingt schonmal nicht mehr so böse.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Das ist ein guter Punkt.

      Ich sehe hier auch immer den Punkt der Schönfärberei: Putin wird vom Volk getragen und das auch nachdem er die Krim besetzt hat. Man kann natürlich immer einwenden, dass die russische Gesellschaft bei Widerstand von ernsthaften Repressionen bedroht wird und Putin ein Despot ist, aber ganz im Ernst: Das haben wir in der Vergangenheit nie als Argument zugelassen - auch nicht in unserer eigenen Geschichte. Und ich denke auch nicht dass es gut wäre diese Perspektive zu übernehmen.

      Oder glaubt irgendjemand dass irgendeine zukünftige russische Regierung feststellt dass das ja alles ein furchtbarer Fehler war und sich friedlich wieder von annektierten Gebieten (inklusive der Krim) trennt?

      Der Artikel hat im Grundsatz Recht: Man darf und kann nicht alle Russen über einen Kamm scheren. Das verbietet bereits der gesunde Menschenverstand. Aber es gehört ebenso dazu wahrzunehmen und anzuerkennen dass die russische Gesellschaft in ihrem Kern ein ernsthaftes Problem hat unter dem deren Nachbarn massiv leiden

      Eine letzte Anmerkung: Orks werden heute sehr viel vielfältiger interpretiert als noch bei Tolkien. Je nach Setting besitzen sie Ehre, sind naturverbunden und ebenso individuell gut oder böse wie auch die Menschen.

      • @Questor:

        "Putin wird vom Volk getragen"



        Die interessantesten Umfragen in Russland sind die, die für den internen Gebrauch der Präsidentenadministration durchgeführt werden. Manchmal werden sie, wie die von Herrn Hammade erwähnte, geleakt. So auch eine an Projekt.media geleakte Umfrage des FOM vom Frühjahr 2021, auf dem Höhepunkt der landesweiten Proteste gegen die Verhaftung Alexej Navalnys nach dessen Rückkehr nach Russland. Die Untersuchung galt den politischen Einstellungen und Wertvorstellungen in der Altersgruppe 17-35. Aus der Zusammenfassung des FOM:



        "Die Befragten benannten die Annullierung von Putins früheren Amtszeiten [durch die Verfassungsreform von 2020, die ihm zwei weitere Amtszeiten ab 2024 ermöglicht], sowie die Verhaftung Alexej Navalnys als die negativsten politischen Ereignisse der letzten Jahre.



        Die Annullierung [von Putins bisherigen Amtszeiten] rief bei einer Mehrheit der Befragten eine äußerst negative Reaktion hervor, selbst bei denen, die ansonsten angaben, mit Putin zu sympathisieren. Die Unmöglichkeit eines Machtwechsels wird von der jungen Generation als ein fundamentaler Defekt des Systems angesehen, woraus die Überzeugung erwächst, dass das Problem nur gelöst werden kann, indem „das ganze System“ geändert wird."



        Und die Sonntagsfrage:



        „Unter den Befragten gibt es solche, die mit Putin sympathisieren und solche, die ihn ablehnen. Viele verhalten sich neutral oder gleichgültig. Aber praktisch niemand würde ihn aktuell wählen.“



        Quelle:



        www.proekt.media/n...ive/rating-putina/



        Englische Version:



        www.proekt.media/e...-en/putin-ratings/



        Sowie Projekt.media, Telegrammkanal, Eintrag vom 7.7.2022).



        Der Artikel ist auch insgesamt sehr, sehr lesenswert. Er zeigt auf, wie manipulativ bereits das Design von zur Veröffentlichung gedachten Umfragen angelegt wird, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. (Putins Rating, Zustimmung zur "Spezialoperation" etc.).

      • @Questor:

        "Oder glaubt irgendjemand dass irgendeine zukünftige russische Regierung feststellt dass das ja alles ein furchtbarer Fehler war und sich friedlich wieder von annektierten Gebieten (inklusive der Krim) trennt?"



        Ja, das glaube ich. Ich glaube sogar, das die Putinisten ihre Chauvinismus-Suppe ganz allein auslöffeln werden, weil die Ukrainer alle annektierten Gebiete inklusive Krim zurückerobern werden. Und das ist etwas, wofür die Russen den Ukrainern irgendwann so dankbar sein werden, wie wir den Russen und Amerikanern dafür, dass sie Nazideutschland besiegt haben. Weil es bedeutet, dass die danach kommenden russischen PolitikerInnen auf die chauvinistische Minderheit in der Bevölkerung keine Rücksicht nehmen müssen, es wird keine Dolchstoßlegende geben etc.

        • @Barbara Falk:

          Ich wünsche uns allen dass Sie Recht behalten und ich Unrecht

  • Schön und gut, dass es in Russland Menschen gibt, die gegen den Krieg sind. Bringt halt nichts, wenn sie nicht den Mund aufmachen und weiter mitschwimmen. Wer schweigt, macht sich mit mitschuldig.

    Die große Fluchtbewegung aus Russland gab es zudem erst jetzt, wo die Mobilmachung angekündigt wurde und es den Leuten an den eigenen Kragen geht. Vorher hatten diese hunderttausende Flüchtlinge kein Problem damit, trotz Krieg und den damit verbundenen Verbrechen weiter in Russland zu leben.

    • @gyakusou:

      "Vorher hatten diese hunderttausende Flüchtlinge kein Problem damit, trotz Krieg und den damit verbundenen Verbrechen weiter in Russland zu leben."



      Woher wissen sie das?



      Vielleicht haben diese Menschen auch nur gedacht,- vielleicht ist dieser Krieg bald vorbei. Ich bin hier in Deutschland absolut gegen Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, arbeite aber weiter und unterstütze dieses amerikahöriges System. Ich hoffe immer noch, obwohl die Tatsachen dagegen sprechen, daß ich nicht aus meiner Heimat flüchten muß, und irgendwo wieder von vorne anfange.

    • @gyakusou:

      Oh, Sie sind aver mutig!



      Sicher würden Sie sofort demonstrieren, auch wenn Sie dafür ins Gefängnis kommen.



      Woher wollen Sie wissen, was die Menschen, die fliehen, vorher gedacht haben?

      • @Philippo1000:

        Es gibt Annekdotische Hinweise, Menschen die auf social media pro-Krieg gepostet haben bis der Sohn eingezogen wurde. Russen die nach Georgien geflohen sind die noch die Spuren der Z-Aufkleber an den Autos hatten. Einige pro-Kriegs Youtuber haben sich nach Georgien ebenfalls abgesetzt. Einer wurde vor 3 Tagen verprügelt.

  • Ich darf an folgenden Artikel erinnern: taz.de/Erziehung-in-Russland/!5862350/



    Ferner möchte ich das Buch "Der helle Weg" erwähnen, sowie diverse Berichte aus den Straflagern und Berichte aus Butscha.



    Das heimliche Motto der Romandie lautet:



    Wenn man sieht, was man sieht, und wenn man weiss, was man weiss, hat man Grund zu denken, was man denkt.



    Die russische Gesellschaft ist krank.



    Der Rückschluss auf das (jedes einzelne?) Individuum ist möglicherweise voreilig.