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Proteste der Letzten GenerationEs geht nicht um Mehrheiten

Essay von Philipp Ruch

Der Letzten Generation wird schadenfroh vorgehalten, fast alle Deutschen lehnten ihren Protest ab. Aber aggressivem Widerstand geht es um Lärm.

Geräusche, Reibung, Sand im Getriebe: Aktivist der „Letzten Generation“ auf einer Straße in Hamburg Foto: Jonas Walzberg/dpa

D ie deutschen Proteste für eine beherztere Erdschutzpolitik fanden in Lützerath einen vorläufigen Höhepunkt. Auf der einen Seite die Personen, die die Erde schützen wollen, auf der anderen Seite die, die sie scheinbar mit aller Gewalt weiter aufreißen wollen. Selten gab es einen Ort, der als Symbol besser taugte für – oder gegen – unser Lernen, unser mögliches Umdenken und für oder gegen die politische Schubumkehr. Die Protestierenden forderten eine Full-Stop-Mentalität und warfen sich selbst ins Getriebe. Die Politik versagte und hielt gar nichts an.

Einige Politiker verstiegen sich stattdessen zu der steilen These, dass das kleine Örtchen Lützerath – das immerhin mit brachialen Methoden dem Kohleabbau zum Opfer fallen soll – „nicht das richtige Symbol“ sei. Hubertus Heil und Robert Habeck wurden nicht müde, die These vom falschen Ort und falschen Symbol in die Fernsehkameras zu wiederholen (das Argument scheint zu sein, dass es ohne sie selbst noch viel schlimmer gekommen wäre). Aber nur weil Politiker eine These der interessierten Öffentlichkeit einzureden versuchen, wird sie nicht wahrer.

Es gibt kein besseres Symbol in Deutschland für den Kamikaze-Kollaps-Kurs, auf dem wir uns als Weltbevölkerung befinden. Und es gibt keinen prädestinierteren Ort für die deutsche Politik, ihr Nichtlernen, Nichtumdenken und Nichtumsteuern noch einmal symbolisch zu demonstrieren. In den Diskussionen um radikalen Protest hat sich in den letzten Jahren immer wieder das Vorurteil eingeschlichen, der Erdschutzprotest wolle doch die Mehrheit der Gesellschaft von der Richtigkeit der eigenen Ziele überzeugen. Ob beim klebenden Protest auf den Autobahnzufahrten, dem Bewerfen von Panzerglasrahmen mit Tomatensuppe oder den linksradikalen Stammesparolen in Lützerath – das seien alles falsche Mittel!

Wer das Gute wolle, müsse das Richtige tun. Schon interessant, dass niemand auf die Idee kommt zu fragen, ob das schaufelnde Monstrum, das da ganze Landstriche in Mondlandschaften verwandelt, das „richtige Mittel“ oder das „richtige Symbol“ sei. Stattdessen werden der letzten Generation relativ schadenfroh Umfrageergebnisse an den Kopf geworfen, nach denen zwischen achtzig und neunzig Prozent der Bevölkerung diese Form des Protests ablehnen. Ich wurde in der Vergangenheit selbst immer wieder mit dem Vorurteil konfrontiert, dass radikaler Widerstand doch letztlich „der falsche Weg“ sei, um eine Gesellschaft vom „eigentlich“ richtigen Anliegen zu überzeugen (bei unseren Aktionen zum Massenertrinken im Mittelmeer beispielsweise).

Philipp Ruch

ist Philosoph und Aktionskünstler. 1981 in Dresden geboren, 2008 Gründer des Zentrums für Politische Schönheit, das polarisierende politische Aktionen durchführt. Ruch studierte politische Ideengeschichte. 2015 erschien sein Buch „Wenn nicht wir, wer dann?“, 2019 „Schluss mit der Geduld“

Es geht um eine Keimzelle des Widerstands

Aber geht es radikalem Widerstand überhaupt darum, die Mehrheit von der Richtigkeit des eigenen Tuns zu überzeugen? Es klingt immer sehr demokratisch, irgendeine Mehrheit überzeugen zu wollen. Aber dieser Wunsch wäre oft naiv. Es geht bei radikaleren Maßnahmen um Licht in der Finsternis, um eine Keimzelle des Widerstands oder darum, eine Einheit zu durchbrechen. Vielleicht muss man sich von der Vorstellung verabschieden, dass aggressiver Widerstand überhaupt sonderlich demokratisch ist. Aber wenn er für den Humanismus kämpft – und nichts anderes tun die Klimaschutzproteste, letztlich geht es mit dem Kollaps des Erdklimas sehr direkt um den Kollaps unserer Zivilisation –, wird dieser Protest auch dann richtig sein, wenn ihn 95 Prozent der Gesellschaft in irgendwelchen Forsa-Umfragen ablehnen.

Ich möchte das Problem dahinter noch etwas pointieren: Es ist Luisa Neubauer oder Carla Hinrichs vielleicht nicht egal, ob die Mehrheit der Gesellschaft von der Richtigkeit ihrer „Anliegen“ überzeugt ist, aber sie sind keine protestantischen Sektenanführerinnen, denen es darum ginge, die große Mehrheit von der Richtigkeit zu überzeugen. Sie wissen, dass das Ziel, die Obergrenze von 1,5 Grad Erderwärmung einzuhalten, richtig ist. Wir alle wissen das. Nicht nur eine Mehrheit in Deutschland, praktisch die ganze Menschheit. Deshalb hat es auch eine überwältigende Mehrheit in Paris beschlossen. Bloß ist das ein paar Jahre später eben egal, wenn es noch irgendwo Kohle aus der Erde herauszubrechen gibt.

Sand im Getriebe

Warum dem Protest nun nachgesagt wird, Mehrheiten für Dinge zu benötigen, die demokratisch längst beschlossen sind, bleibt das Geheimnis der pseudodemokratischen Taschenspieler-Philosophie-Trickbetrüger, die solche Forderungen erheben. Es muss befriedigend sein, sich über den politischen Protest zu beugen, um ihn zu belehren, was richtig und was falsch ist. Aber wenn den Protestierenden das Ziel nur angedichtet wird, eine Mehrheit der Öffentlichkeit überzeugen zu wollen und sie das gar nicht wollen: Was wollen sie dann?

Es kann bei radikalen Maßnahmen nicht darum gehen, irgendwelche demokratischen Mehrheiten zu erzeugen. Der radikale Widerstand will die Reibungslosigkeit stören. Politischer Widerstand will immer den geräuschlosen Ablauf der Dinge treffen. Und das bedeutet: Geräusche, Reibung, Sand im Getriebe. Die gut geölte Maschine des „So haben wir es immer gemacht“ soll sich krümmen, sich aufbäumen und spektakulär zusammenbrechen. In Lützerath wäre das der Kohlebagger, der bei seiner Fahrt durch irgendetwas blockiert, sich aufbäumt, verbiegt und in Blechteile zusammenfällt. Zentral ist der Lärm – die Geräusche. Lärm ist immer Belastung.

Aber genau darum geht es dem radikalen Protest. Er ist in dem Sinne nicht demokratisch. Er wird keine Mehrheiten finden. Aber das muss er gar nicht. Denn es geht darum, einer breiteren Öffentlichkeit überhaupt erst bewusst zu machen, dass die Bundesregierung nicht vorhat, irgendwelche Maschinen für den Klimaschutz zu stoppen. Das zur Schau zu stellen, die eiserne Machtdemonstration eines großen „Weiter so“ der Bundesregierung, wo es eigentlich gilt, die Maschinen anzuhalten und einzupacken, und damit die Politik vorzuführen und uns letztlich alle zu beschämen, ist ungleich wichtiger, als Mehrheiten zu organisieren, die vor Jahren in Paris längst organisiert wurden.

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41 Kommentare

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  • Plattform für totalitäre Forderungen. Gibt es auch eine Gegenrede oder werden manchen Privilegien zugestanden, aber anderen nicht? Ich finde das ungeheuerlich. Stellt sich einer über andere (mich zum Beispiel) und will die Welt regieren.

  • "Taschenspieler-Philosophie-Trickbetrüger"

    "Warum dem Protest nun nachgesagt wird, Mehrheiten für Dinge zu benötigen, die demokratisch längst beschlossen sind, bleibt das Geheimnis der pseudodemokratischen Taschenspieler-Philosophie-Trickbetrüger, die solche Forderungen erheben. "

    Habe ich irgendwelche Abstimmungen zum Kohleausstieg in NRW 2030 verpasst? www.bundestag.de/d...hleausstieg-923096

  • "Aber wenn er für den Humanismus kämpft – und nichts anderes tun die Klimaschutzproteste, letztlich geht es mit dem Kollaps des Erdklimas sehr direkt um den Kollaps unserer Zivilisation –, wird dieser Protest auch dann richtig sein, wenn ihn 95 Prozent der Gesellschaft in irgendwelchen Forsa-Umfragen ablehnen."

    Ja, wenn man für die richtige Sache kämpft, heiligt der Zweck die Mittel. Daher muss man den Zweck hoch genüg hängen, "Kollaps der Zivilisation" und schon darf man alles.

  • "Es geht nicht um Mehrheiten



    ... Aber aggressivem Widerstand geht es um Lärm."



    Mit notorischen Krawallmachern gibt sich ein normaler Mensch vernünftigerweise gar nicht ab.



    Und gegen Leute, die erklärtermaßen an der Demokratie vorbei etwas durchsetzen wollen (sprich diese abschaffen), gibt es zum Glück ein verfassungsgemäßes Widerstandsrecht.

  • "Denn es geht darum, einer breiteren Öffentlichkeit überhaupt erst bewusst zu machen, dass die Bundesregierung nicht vorhat, irgendwelche Maschinen für den Klimaschutz zu stoppen. "

    Was ja auch richtig ist. Denn mit Symbolpolitik, dem Stoppen "irgendwelcher" Maschinen wird man das 1,5 Grad Ziel nicht erreichen.

    • @Rudolf Fissner:

      Zumal sich ja die sog. Autoländer (die Bundesländer mit Autoindustrie) sich jetzt schon mal an die Bundesregierung gewandt haben, weil sie fürchten aufgrund weiter verschärfter Abgasvorschriften der EU etwas weniger Milliarden mit ihren Autos zu verdienen. Wie damals bei der Einführung von G-Kat und bleifreiem Benzin. Mimimi.



      Jede Wette beim bevorstehenden "Kollaps der Riesengewinne" wird die Regierung dem armen benachteiligten Ökosystem der Autowirtschaft jede notwendige Hilfe zukommen lassen.

  • Ich kann mich noch an "Holocaust-Mahnmal besucht Björn Höcke" erinnern. 12 Points.



    www.youtube.com/watch?v=ytvlD5iEI04



    Anschließe mich @HANS AUS JENA.

    • @Ringelnatz1:

      „ Es muss befriedigend sein, sich über den politischen Protest zu beugen, um ihn zu belehren, was richtig und was falsch ist.“

      Wenn der Protest nicht darauf abzielt, Mehrheiten dafür zu gewinnen, was richtig ist, sondern stattdessen nur „Lärm“ verursachen will, dann sind es gerade die Protestierenden, die sich in moralischer Überheblichkeit einfach nur selbstdarstellerisch profilieren wollen.

      Aber offenbar ist Herr Ruch in der Tradition eines Marcuses der irrsinnigen Meinung, dass „Widerstand“ gegen eine unbestritten falsch agierende Mehrheit deren Gegner zu jedem Mittel berechtigt. Denn es geht letztlich Ruch nicht um demokratische Mehrheitsbildung sondern um die Darstellung der eigenen moralischen Überlegenheit.



      Egal zu welchem Preis.

      Ich nenne das gefährlich, erinnert es perfide an die Anfänge der RAF.

  • Neben dem freudigen Bekenntnis gegen Demokratie nervt vor allem der religiös-inbrünstige Apokalypse-Ton des Textes. So spricht nicht jemand, dem es um die Lösung eines Problems geht, das wissenschaftlich in der Tat inzwischen unbestritten ist, dafür sind nämlich immer Kompromisse nötig. So spricht jemand, der ein Monopol auf die Wahrheit beansprucht, das er eben nicht hat - schließlich ist das Problem ist inzwischen in weiten Kreisen der Bevölkerung angekommen. Da bleibt dann nur noch die Selbstinszenierung als radikalster Künder der Reinen Lehre - und dafür braucht es natürlich keine Demokratie... insofern ist er da konsequent.

    • @Puck:

      Wegen Covid wurden eine Menge Bürgerrechte vorübergehend ausgesetzt, ohne das die Demokratie deshalb zerstört wurde. Es war dringlich und deshalb wurde gehandelt. Die Dringlichkeit wird bei der kommenden Klimakatastrophe von der breiten Masse ignoriert. Sicher müssen wir aber nur 20 weitere Jahre diskutieren bis es einen Konsens gibt. Erst wenn die AFD und die Bildzeitung gemeinsam mit der Autolobby und den Grünen eine für alle zufriedenstellende Lösung gefunden haben, kann enstprechend gehandelt werden, denn merke: Demokratie muss so schwerfällig und handlungsunfähig sein, wie in der Weimarer Republik.

  • Überhaupt finde ich dieses Argument, wenn die Mehrheit für X ist, ist X demokratisch und daher moralisch gut, sehr dubios. Die Mehrheit der Deutschen war 1933+ für Nationalsozialismus, Mord, Verfolgung und Hass. Das war demokratisch und nach dieser Schlussfolgerungen also moralisch gut. Die Minderheit von Rebellen waren daher nicht demokratisch und daher schlecht. So jedenfalls wird das in der Debatte immer wieder konstruiert. Wenn irgendwas Mehrheit hat ist es Demokratie und das ist gut. Aber am Ende kann ein Alleinherrscher genauso moralisch gut sein wie eine Demokratie moralisch schlecht sein kann. Die Form der Herrschaft ist nicht gleichzusetzen mit Moral oder Ethik. Wenn in der Demokratie die Mehrheit korrupt, egoistisch, unsolidarisch, unmoralisch und unempathisch ist, kann die Tatsache das es die Mehrheit ist nicht bedeuten das es richtig ist. Die Mehrheit sollte sich vielleicht lieber fragen wieso es eine Minderheit gibt die so vehement gegen etwas ist. Vielleicht könnte man sich die Argumente anhören und erkennen, das die Mehrheitsmeinung nicht gleichbedeutend mit der richtigen Sache ist. Frauen, die Wahlrecht und überhaupt Rechte haben wollten waren auch in der Minderheit. Es wäre also durchaus demokratisch gewesen ihren Protest als antidemokratisch abzutun.

    • @curiouscat:

      "Die Mehrheit sollte sich vielleicht lieber fragen wieso es eine Minderheit gibt die so vehement gegen etwas ist."



      Eine Bevölkerung sollte sich immer in Frage stellen; das passiert in einer Demokratie mit Meinungsfreiheit ja auch automatisch.



      Das heißt aber nicht, dass eine vehemente Minderheit tatsächlich zum Maßstab werden muss. Sonst wären wir inzwischen alle Querdenker und Reichsbürger.

  • "Der Letzten Generation wird schadenfroh vorgehalten, fast alle Deutschen lehnten ihren Protest ab."

    Woher kommt die Erkenntnis, dass da Schadenfreude dahintersteckt?

    Die Positionen gegen die sogenannte "Letzte Generation", die mir bekannt sind, kritisieren, dass deren Aktionen vor allem dem Anliegen der Klimabewegung selbst schaden.

    Ich halte den Vorwurf der Schadenfreude für eine unbewiesene Unterstellung um sich nicht mit den negativen Folgen der Aktionen auseinander setzen zu müssen.

  • guter artikel, auch wenn ich die dinge anders formulieren würde.

    protest jedweder art braucht eine notwendigkeit, genauo wie die mittel die dafür eingesetzt werden.



    radikal ist jeder protest, der nicht die "sympome" ändern möchte sondern, das "system" das die "symtome" hervorruft. das hat erstmal nichts mit den mitteln zu tun, sondern mit den zielen.



    und demokraktisch würde ich jeden protest bezeichnen, der von demokraten eingesetzt wird um den erhalt der demokratie zu sichern. unabhängig der mittel und unabhängig davon, ob der protest von der mehrheit der bevölkerung legitimiert wird.

  • Joaa. Also wenns wirklich nur darum geht, Bambule zu machen, zu stören, Belastunfg und Sand im Getriebe sein zu wollen. Wenns nicht darum geht, Menschen zu überzeugen und die Gesellschaft zu verändern, dann muss man sich aber auch nicht wundern, wenn auf die Forderungen nicht eingegangen wird und der Protest als solcher nicht ernst genommen wird.

    Ums mals hart und kurz zu machen. Randalierende Punks oder Hooligans brauchen für die gleiche Handlungsebene bei Weitem nicht soviel moralisch-pathetischen Überbau.

    Könnte mir aber auch gut vorstellen, dass das hier eher die persönliche Meinung des Autors widerspiegelt.

  • Herr Ruch hatte vor einigen Jahren mit seinem ZPS durchaus seinen Punkt bei mir. Mittlerweile ist aus Protest bei ihm ein Geschäftsmodell geworden, seine Dauerwerbung um Überweisungen in meinem Mailfach und auf Facebook nerven nur noch. Über grundsätzlich schief gelaufene Aktionen wie die Asche vor dem Bundestag oder dem misslungen Honeypot im Chemnitz mag er nicht mehr reden. Eigene Fehler aufarbeiten ? Ebbe. Aber sich auf aktuelle Themen aufsetzen und große Reden schwingen, dafür reicht es noch.

  • Ich persönlich demonstriere nicht auf diese Weise, mir selber gefällt es eher durch das Beispiel geben andere zu motivieren. Aber das ist ja eine Frage des persönlichen Geschmacks... Der Artikel hat mich aber sehr angesprochen. Warum? Weil ich seit langem darauf warte. Und das bereitet mir Pein.

  • Genau so ist. Die Demonstrierenden wollen dass durchgesetzt wird, was "demokratisch längst beschlossen ist". Und wenn in Umfragen der Eindruck entsteht, dass die Mehrheit der Bevölkerung das ablehnt, dann besteht die Mehrheit aus Lobotomierten. Ich, Rentnerin, 69 Jahre, bestehe jedenfalls darauf, dass demokratische Beschlüsse auch durchgesetzt werden und nicht in schwurbeligen Phrasen verwässert werden. Nota bene: Politiker werden nicht die mit dem meisten Hirn, sondern die mit den stärkeren Ellenbogen.

    • @Streberin:

      Das Problem ist, dass demokratisch viel gleichzeitig beschlossen wird, teilweise auch Sachen die sich diametral gegenüber stehen. Beispiel: das 1,5 Grad Klimaziel wurde in Paris beschlossen, in Berlin wurden Beschlüsse gefasst die die Menschen in D finanziell entlasten und den Konsum von klimschädlichen Emissionen weiter befeuern. Die deutsche Regierung hat sich ferner das Ziel gesetzt, dass es der Bevölkerung in D wirtschaftlich nicht schlechter gehen darf, denn dafür hätte sie kein demokratisches Mandat. Also, wie soll sich die Regierung verhalten?

      Das Einhalten von Klimazielen lehnt per so wohl niemand ab. Geht es dabei aber an den eigenen Wohlstand, sieht das schon ganz anders aus. Beidem muss aber eine gewählte Regierung gerecht werden.

  • Vielen Dank Philipp, genau das ist der Punkt. Der demokratische Prozess ist längst abgeschlossen. Paris (1,5 Grad) sind völkerrechtlich verbindlich. Der Bundestag hat Paris demokratisch mit breiter Mehrheit ratifiziert. Das Bundesverfassungsgericht hat die Maßnahmen der Regierung als „nicht ausreichend“ qualifiziert und ein Recht auf Klimaschutz als „Freiheitsrecht der jungen Generation“ Verfassungsrechtlich verankert. Was soll den bitte demokratisch noch passieren?

    Diese Bundesregierung hält sich nicht an die demokratischen Beschlüsse. Die Landeregierungen halten sich nicht an die demokratischen Beschlüsse und das grundgesetz. Alle Parteien, inkl. Der Grünen fassen Parteitagsbeschlüsse, die auf diese demokratischen Beschlüsse scheißen, mit innerparteilichen „demokratischen“ Mehrheiten. Die Demokratie zeigt, dass sie beim Klimaschutz versagt, weil sie zur Bekenntnisdemokratie verkommen ist.

    Keiner der demokratischen Beschlüsse zu Paris wurde bis jetzt umgesetzt. Alle wissen, dass ein Kohleausstieg 2030 zu spät ist für die demokratisch beschlossenen Ziele (Paris, 1,5 Grad). Dennoch machen alle, inkl. Der Grünen in NRW und Robert Habeck so weiter, als hätten sie noch einen zweiten Planeten im Keller.

    Und nein liebe Grüne, es gibt keine schlimmeren Verräter an der Sache des Klimaschutzes als Euch. Verräter aus den eigenen Reihen sind zu Recht moralisch verachtenswerter zu betrachten, als der eigentliche Feind.

    Und was hilft noch, wenn die Verräter an der eigenen Sache in der Bundesregierung sitzen und dort die Beschlüsse demokratischer Mehrheiten nicht in Gesetze umsetzen? Genau, dann hilft nur noch Widerstand. Der Demokratie ist längst Genüge getan! Sie hat versagt. Und versagt täglich aufs Neue.

    • @Michael Dietrich:

      "sind völkerrechtlich verbindlich"

      Nein RTFM: sie sind eine Absichtserklärung.

      Natürlich sind sie verbindlich in dem Sinne, daß alle ihe Absicht verbindlich erklären.

      Thats it.

    • @Michael Dietrich:

      " Genau, dann hilft nur noch Widerstand. Der Demokratie ist längst Genüge getan! Sie hat versagt. Und versagt täglich aufs Neue."

      Und die Alternative zur Demokratie soll nun was sein?

    • @Michael Dietrich:

      Was haben Sie denn konkret getan, um bei der Bundestagswahl 2021 für Mehrheiten für die Umsetzung der von Ihnen genannten Beschlüsse zu sorgen? Anstatt über "Verräter" zu lamentieren, die bei 14,8 % eben zu Kompromissen verdammt sind (oder sich sonst wieder in die Daueropposition verabschieden hätten und damit gar nichts erreicht hätten, auch fürs Klima nicht), aus der Schwäche heraus noch wenigsten einige Ergebnisse verhandelt haben (ja wir brauchen noch mehr), wäre vielleicht ein Werben um Mehrheiten bei Wahlen zielführender gewesen.

      • @Hans aus Jena:

        Nein, Verräter ist hier sicher das falsche Wort. Die 14,8 % reichen nicht fürs regieren, nur zum mit regieren. Wo die Grenzen sind, hat die FDP mit ihrem NEIN zu Tempo 100 im Vorwege deutlich gemacht. Trotzdem zu regieren und das mit deutlicher Rückendeckung der Basis, ist eine Kapitulation, kein Verrat und finanziell ist es für viele Spitzengrüne auch kein Schaden. Das ist für einige sicher auch nicht unwichtig. Man lebt nur einmal!

      • @Hans aus Jena:

        Was genau an



        "Paris, 1,5 Grad ist demokratisch ratifiziert"



        "BVerfG etabliert Recht auf Klimaschutz als Grundrecht"



        "Bundesregierung hält sich nicht an das Grundgesetz"

        haben Sie nicht verstanden.

        Die Grünen würden auch mit 50% Stimmen im Bund keine andere Politik machen.

        Wer das nicht spätestens mit der Koalition in NRW erkannt hat und ausgetreten ist, hat die Grünen als Besitzstandswahrer der kapitalistischen Klimavernichtung noch nicht verstanden.

        Und eben deshalb fange ich dort wieder an, wo ich schon in den 80gern mit den Grünen angefangen habe und unterstütze jetzt eine Klimaliste und "Aufstand letzte Generation"

        Denn Demokratie, die sich nicht an die eigenen Beschlüsse (Ratifizierung Paris) und das Grundgesetz hält, braucht keine Mehrheiten sondern unmittelbaren Zwang durch Widerstand.

        • @Michael Dietrich:

          "Denn Demokratie, die sich nicht an die eigenen Beschlüsse (Ratifizierung Paris) und das Grundgesetz hält, braucht keine Mehrheiten sondern unmittelbaren Zwang durch Widerstand."

          Komisch. Ich dachte immer, dafür sind Gerichte zuständig.

          Wenn ich entgegen des Gesetzes keine Baugenehmigung bekommt, gehe ich nicht etwa zum Gericht, sondern bau mein Haus einfach - gut, dass ich das weiß.

          "Paris, 1,5 Grad ist demokratisch ratifiziert"

          "BVerfG etabliert Recht auf Klimaschutz als Grundrecht"

          "Bundesregierung hält sich nicht an das Grundgesetz"

          So einfach ist es halt nicht. WIE etwas umgesetzt wird, obliegt der Regierung und nicht einer nicht gewählten "Klimaaktivisten". Aber ich denke, das ist Ihnen schlicht egal. Aber so ist es mit religiösen Fanatikern immer. Schließlich haben diese die Weisheit mit Löffeln gefressen und wissen alles.

          P.S. "Alle wissen, dass ein Kohleausstieg 2030 zu spät ist für die demokratisch beschlossenen Ziele (Paris, 1,5 Grad)."

          Sorry. Ich weiß davon nichts. Liegt vielleicht daran, dass es neben Deutschland noch ein oder zwei weitere Länder auf dieser Welt gibt, die CO2 ausstoßen.

  • @Jim Hawkins.



    Wie antworteten Sie mir zuletzt?:



    "Bei mir ist es so, kommt da etwas neues, dann mäkle ich erst einmal daran herum, bevor ich die Sache genauer betrachte."



    Werden Sie auch dieses Mal wieder diesen Umweg gehen?



    Ich habe mich gefreut von Herrn Ruch zu lesen. Das Poster der Säule am Reichstag hängt bei uns direkt gegenüber der Haustür, der Schwurwürfel liegt einsatzbereit auf dem Küchentisch und ich überweise jeden Monat Geld, damit z.B. ein paar Tonnen AfD Flyer dem Stoffkreislauf ungelesen wieder zugeführt werden.



    Wo ist nochmal genau Ihr Anteil an der Begrenzung des "weiter so"?

    • @tom meq:

      Nein, diese mal gibt es keinen Umweg.



      Diese Sache ist ja auch keineswegs neu.

      Der Fisch ist schon lange geputzt.

      Wenn Sie sich solche widerlichen Devotionalien kaufen wollen und diesem fragwürdigen Verein Geld überweisen möchten, ist das natürlich ihre Sache.

      Ich bevorzuge in der Regel basisdemokratische, emanzipatorische Organisationen, in denen Standpunkte in kollektiven Diskussionen erarbeitet werden und nicht in dubiosen Manifesten per ordre de Mufti verkündet werden.

      Aber, jeder, wie er mag.

  • "Denn es geht darum, einer breiteren Öffentlichkeit überhaupt erst bewusst zu machen, dass die Bundesregierung nicht vorhat, irgendwelche Maschinen für den Klimaschutz zu stoppen. "

    also geht es doch um die Meinung in der Bevölkerung...?

  • Guter Artikel:



    ja, ohne vergleichbaren Wuiderstand hätten wir in Whyl ein Kernkraftwerk mehr, in Kalkar einen schnellen Brüter, in Wackersdorf eine Wiederaufbereitungsanlage und in Gorleben eine ungeeignete Endlagerung bzw. überhaupt eine Fortsetzung der umweltschädlichen und gefährlichen Atompolitik.



    All das wären nach der Diktion von Habeck und Konsorten "falsche Symbole" gewesen!

  • Lieber Gott, warum hat die taz dem Oberschwurbler des "Zentrums für Politische Schönheit" diesen Platz eingeräumt?

    Aus Sicht der Vernunft gibt es dafür doch nicht einen einzigen Grund.

    Ich muss Sätze lesen wie diesen:

    "Es gibt kein besseres Symbol in Deutschland für den Kamikaze-Kollaps-Kurs, auf dem wir uns als Weltbevölkerung befinden."

    Die ganze Weltbevölkerung Hand in Hand vom Milliardär bis zum hungernden Kind im Jemen.

    Und ich weiß, dass dieses famose Zentrum diese widerliche Aktion durchgeführt hat:

    "Am 2. Dezember 2019 errichtete das Zentrum für Politische Schönheit vor dem Reichstagsgebäude in Berlin eine Gedenksäule. Sie enthielt einen Bohrkern vom Erdreich aus der Umgebung eines der Vernichtungslager und soll nach Angaben des ZPS Asche von ermordeten NS-Opfern enthalten haben."

    Ist man bei klarem Verstand und verfügt über eine Mindestausstattung an Empathie, dann tut man so etwas nicht.

    de.wikipedia.org/w...ntrum_f%C3%BCr_Pol

    Ruch hat 2016 ein "Manifest" verfasst. Das machen Anführer eben manchmal. In der Jungle World wurde das Elaborat genüsslich zerlegt:

    "Schärfer fällt es nur noch in einem anderen Fall aus. »Kein Denker regiert unsere Welt heute mit seinen Vorstellungen vom Menschen mehr als Sigmund Freud«, schreibt Ruch. Es handelt sich offenbar um eine Schreckensherrschaft. »Es sind die bildwütigen, widerwärtigen Unterstellungen Sigmund Freuds, die aus dem Menschen etwas Hässliches, Trauriges und Verletztes machen.«

    Und:

    »Man kann von Glück reden, dass die Mitglieder der Weißen Rose Freuds Werk nicht kannten.«

    Und:

    »Das richtige Wort, gesprochen in einem Moment tiefster Erschöpfung, richtet ganze Völker wieder auf.«

    Und:

    »In einer Seele, in der das Erdbeben der Schönheit ausgebrochen ist, lassen sich keine ›sicheren‹ Häuser bauen. Einmal losgetreten, hält nichts und niemand dieses Beben auf. Schönheit ist das Erdbeben unserer Existenz.«

    Und so weiter.

    jungle.world/artik...pen-aus-hackepeter

    • @Jim Hawkins:

      ich finde, das was er da oben schreibt, ist so widersinnig nicht. Und einen Aktionskünstler aus seiner Perspektive schreiben zu lassen ist hier auch nicht unpassend. Außerdem, von Künstlern ist man es gewohnt, dass sie auch mal esoterischen Unfug schreiben. Muss man nicht immer ernst nehmen. Die Jungle world hat auch schon viel Mist geschrieben. Und wenn alle Aktionen allen gefallen würden, hätte man als Aktionskünstler auch irgendwie den Beruf verfehlt. Über die übliche deutsche Art zu Gedenken, den Holocaust zu erinnern wird auch gerade viel geschrieben u nicht nur von jüdischer Seite kritisiert, sie würde die Opferperspektive nicht beachten, sie würde unter steinmeierscher Ägide in Bräsigkeit und Langeweile erstickt (würde ich sagen). Da ist ein Aufreger ab und zu vielleicht besser, vielleicht nach dem Geschmack einiger nicht pietätvoll genug. Aber ich glaube, da ist auch das Meinungsbild unter Juden nicht einheitlich.

  • "Aggressiver Widerstand" ist aber ganz anderes.



    Fragen Sie mal die syrischen Kurden oder die Ukrainer...

    Renitenter Protest trifft es schon eher.



    Und der ist nicht mehr oder weniger als ein lauter Debattenbeitrag einer, meist ungehörten oder marginalisierten Gruppe, und für die gesellschaftliche Meinungsbildung wichtig, welche man als Vorraussetzung einer funktionierenden Demokratie betrachten kann.

  • Interessanter Denkansatz. Wir wollen nicht überzeugen, wir wollen nur unseren Punkt aufzeigen. Naja, Effezienz geht irgendwie anders, aber ist im Zweifel auch nicht Ziel von Bewegungen.

    Am interessantesten finde ich aber den Anspruch "unsere Zivilisation" bewahren zu wollen. Wirklich? Eine Zivilisation die dem Elend anderswo bestenfalls machtlos, vermutlich aber uninteressiert gegenübersteht? Die Wirtschaftswachstum als einziges Mittel der Aufrechterhaltung von ökonomischen Strukturen kennt? Nicht ganz ohne Zynismus, diese Zivilisation sollte nicht bewahrt werden (und das wollen die Protestierenden auch gar nicht, glaube ich). Sie wird aber eben auch nicht aus sich heraus veränderbar sein. Es muss vermutlich zur Implosion kommen, durch welchen Anlass auch immer. Ich hoffe ich liege falsch mit meiner EInschätzung. Aber bis dahin halte ich den Versuch hunderte Millionen zu bekehren für aussichtslos.

  • Wenn es nicht um Mehrheiten geht, dann ist das Vorhaben schlicht undemokratisch.

    • @DiMa:

      Also ist Protest von Minderheiten für sie undemokratisch?

  • Zitat: "Vielleicht muss man sich von der Vorstellung verabschieden, dass aggressiver Widerstand überhaupt sonderlich demokratisch ist. Aber wenn er für den Humanismus kämpft – und nichts anderes tun die Klimaschutzproteste, letztlich geht es mit dem Kollaps des Erdklimas sehr direkt um den Kollaps unserer Zivilisation –, wird dieser Protest auch dann richtig sein, wenn ihn 95 Prozent der Gesellschaft in irgendwelchen Forsa-Umfragen ablehnen."

    Sofern also für die "richtige" Sache gekämpft wird, müssen die Methoden nicht demokratisch sein? Mit der gleichen Argumentation kann ein Faschist seine Vorstellungen von der "Reinheit der Rasse" oder ein Islamist seine Vorstellung von "Gottesfürchtigem Leben" legitimieren.

    Vielleicht mal fünf Minuten innehalten und nachdenken was los ist, wenn sich jeder das Recht nimmt, die bestehende Ordnung für seine Interessen auszuhebeln.



    Aber ja schon Lenin wusste, dass das gemeine Volk Opfer bringen muss für die Ideen der Avangarde.

    • @Klaus Meier:

      Sie wollen also wissenschaftlich erwiesene Tatsachen mit Ideologien und Religion gleichsetzen?

  • Man kann für eine Aktion posen - wie die Fernsehstars des Movements - oder sich aktiv an Protesten beteiligen und von der Polizei weggetragen werden. Beides ist legitim und ich unterstütze beides.

  • ja