piwik no script img

Foto: Fo­to:­Chris­to­phe Gateau/dpa

Propalästina-Proteste an deutschen UnisWo endet die Meinungsfreiheit?

Der Nahostkrieg spaltet die Uni-Landschaft. Jüdische Studierende fühlen sich bedroht, propalästinensische Ak­ti­vis­t:in­nen beklagen, sie würden nicht gehört.

Frederik Eikmanns
Yağmur Ekim Çay
Von Frederik Eikmanns und Yağmur Ekim Çay aus Berlin und Frankfurt/main

D ie letzten werden herausgezerrt. Zwei Polizisten in schwerer Montur schieben eine junge Frau über die Straße, sie lächelt unbeirrt, den Kopf in eine Kūfīya gehüllt, den sogenannten Palästinenserschal. Als sie ins Blickfeld der Un­ter­stüt­ze­r*in­nen gerät, die sich hinter einer Polizeikette versammelt haben, reckt die junge Frau beide Arme, die Hände formt sie zu Peace-Zeichen. Großer Jubel. Dann wird sie aus dem Sichtfeld gezogen.

Knapp zehn Meter über ihr, im dritten Stockwerk des Sozialwissenschaftsgebäudes der Humboldt-Universität zu Berlin (HU), beugen sich Polizisten aus dem Fenster und holen ein großes Banner ein, das an der Fassade herunterhängt. „Free Palestine„ steht darauf. Kurz verhakt sich der Stoff im Fensterrahmen, die Un­ter­stüt­ze­r*in­nen skandieren: „Ganz Berlin hasst die Polizei.“ Mit einem letzten Ruck verschwindet das Banner hinter dem Fenstersims.

Mit diesen Szenen endete am letzten Donnerstag die Besetzung des Sozialwissenschaftsgebäudes der HU durch propalästinensische Ak­ti­vis­t*in­nen, zu denen auch die Frau mit dem Palästinenserschal gehört. Ihre Forderungen: Die Uni solle sich für einen Waffenstillstand in Gaza einsetzen, weil Israel nach den bestialischen Angriffen der Hamas vom 7. Oktober einen zunehmend aussichts- und kopflos scheinenden Krieg gegen die Islamisten führt. Zehntausende palästinensische Zi­vi­lis­t*in­nen seien diesem zum Opfer gefallen. Außerdem fordern die Berliner Be­set­ze­r*in­nen von ihrer Uni, alle Kontakte zu Israel abzubrechen und die „Repression“ gegen propalästinensische Ak­ti­vis­t*in­nen zu beenden.

Auf der Straße vor dem Gebäude steht die Präsidentin der HU, Julia von Blumenthal. Sie wirkt unglücklich mit dem Vorgehen der Polizei, dabei hat sie den Räumungsantrag gestellt. Blumenthal sagt, sie sei „angewiesen worden“, das zu tun, „von oben“. Erst auf Nachfrage spricht sie klar aus, dass es der Berliner Senat war, der die Entscheidung für die Räumung traf.

Wir fordern den sofortigen Stopp der Kriminalisierung und Diffamierung des Camps

Propalästinensischer Flyer

Nicht nur die HU Berlin sondern auch viele andere Unis in Deutschland stehen durch propalästinensische Proteste auf dem Campus gewaltig unter Druck. Die Politik fordert von den Unis, hart durchzugreifen. Der Räumung des HU-Gebäudes stimmten nicht nur zahlreiche Berliner Lan­des­po­li­ti­ke­r*in­nen zu, sogar Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) befürwortete das Vorgehen und warnte vor Antisemitismus. Den Zeitungen der Funkegruppe sagte er: „Universitäten sind besondere Orte – aber sie stehen nicht außerhalb des Rechts.“

Als Po­li­zis­t*in­nen das Banner am Fenster der Uni einholen, skandieren Unterstützer*innen: „Ganz Berlin hasst die Polizei“ Foto: Soeren Stache/dpa

Auch jüdische Verbände äußern sich unmissverständlich. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte etwa: „Der Israel-Hass und der antizionistische sowie antisemitische Hintergrund der Aktion ist offensichtlich und gehört zur DNA dieser Leute.“ Hanna Veiler, Präsidentin der jüdischen Studierendenunion sagte der Welt: „Hartes Durchgreifen ist wichtig.“

Als Zionismus

wird das Streben nach einem jüdischen Staat bezeichnet. Antizionismus richtet sich gegen dieses Bestreben und damit auch gegen den jüdischen Staat Israel. Begründet wird er teils religiös, etwa bei Islamist*innen, teils säkular. Wann Antizionismus antisemitisch wird, ist umstritten.

Sie erinnern immer wieder daran, dass Anfang Februar ein jüdischer Student in Berlin von einem propalästinensischen Kommilitonen so massiv zusammengeschlagen wurde, dass er mit mehreren Brüchen im Gesicht im Krankenhaus behandelt werden musste. In Hamburg griff eine 26-Jährige Anfang Mai die Besucherin einer Vorlesung zu antijüdischer Gewalt an, vorangegangen war ein Streit über die Lage in Nahost.

Als Antisemitismus

wird der moderne Judenhass bezeichnet. Er greift teils Motive aus dem Antijudaismus auf, argumentiert aber meist auf Basis von pseudowissenschaftlichen Konzepten und Verschwörungstheorien. Seinen Höhepunkt fand er im Holocaust, der gezielten Ermordung von rund sechs Millionen Ju­den*­Jü­din­nen durch Nazi-Deutschland. Seit der israelischen Staatsgründung 1948 richtet sich Antisemitismus auch gegen Israel.

Aus den Unibesetzungen heraus gab es bisher aber keine Vorfälle antisemitischer körperlicher Gewalt. Und die propalästinensischen Demons­trierenden weisen solche Vorwürfe auch von sich. Sie sehen sich als Friedensaktivist*innen. Dazu kommt: Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut, ein essenzielles Grundrecht in einer Demokratie.

Es gibt also durchaus Gründe warum es von Blumenthal nicht behagt, wenn Po­li­zis­t*in­nen ihre Studierenden mit Gewalt aus Hörsälen zerren. Bei der Räumung gingen die Po­li­zis­t*in­nen teils äußerst rabiat vor, schlugen einen Reporter der Berliner Zeitung und nahmen einen Mann fest, der in seiner Funktion als Anwalt dort war.

Ein einheitliches Vorgehen der Unis gibt es nicht. Die Freie Universität Berlin (FU) ließ ein Protestcamp räumen, genauso geschah es in Bremen und nun eben an der HU Berlin. Auf dem Gelände der Technischen Universität Berlin (TU) dagegen blieben Ak­ti­vis­t*in­nen unbehelligt, genauso vor der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) in München. Und auch ein Camp an der Frankfurter Goethe-Uni wurde nicht geräumt.

Die Unileitung Julia von Blumenthal hatte den Räumungsantrag gestellt. Sie sagt, auf „Anweisung von ganz oben“ Foto: Michele Tantussi/getty

Dort, vor dem berühmten Gebäude für Psychologie, Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften, campieren am vergangenen Freitag rund 80 Studierende auf einer Grünfläche. Hier ist alles für die nächsten Tage vorbereitet: Essen, Zelte, Infoblätter. Geplant sind Plenen, Musikbeiträge, Diskussionsrunden. Einige Meter weiter stehen mehrere Polizeiautos, dahinter ist laute Musik zu hören. Hier stehen die rund 200 Ge­gen­de­mons­tran­t*in­nen – organisiert von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Zwischen Transparenten, Fahnen und Musik geht der Uni-Alltag indessen weiter.

Uni stellt Räume auch für Polizei bereit

Die Goethe-Universität hat der Polizei Räume im nahegelegenen Institut für Humangeografie zur Verfügung gestellt, damit sie die Studierenden im Camp überwachen kann. Das bestätigte die Universität auch der taz. Man habe der Polizei als Amtshilfe Räume zur Verfügung gestellt, damit sie mögliche Straftaten verfolgen könne. Dies sei „auch im Interesse der Universität“.

Das Camp sei aus der Not entstanden, sagt dessen Leiter Moaad, ein Politikwissenschaftsstudent, der nur mit Vornamen in der Zeitung stehen möchte. Es gebe an der Universität keine akademische Auseinandersetzung mit dem Nahostkonflikt, und darüber hinaus habe es von Seiten der Universitätsleitung bisher keine Empathie für die Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen gegeben. „Wir haben jetzt nach über einem halben Jahr nicht einmal ein Statement, das sich an die Palästinenser hier an der Universität richtet, wie es bei den Israelis der Fall ist.“ Sie hätten das Camp unter anderem initiiert, weil sie nicht wollten, dass Kinder in Gaza „ermordet“ würden.

Antisemitismusvorwürfe weisen die Ak­ti­vis­t*in­nen weit von sich, sie sehen sich falsch dargestellt. „Sie, die Unileitung, betreiben eine aktive Diffamierung von Stimmen, die sich mit Palästina solidarisch zeigen und gegen den Krieg in Gaza protestieren“, schreiben die Ak­ti­vis­t*in­nen auf einem Flyer. „Daher fordern wir den sofortigen Stopp der Kriminalisierung und Diffamierung des Camps und palästinasolidarischer Stimmen“. Hier fühle man sich als arabische, muslimische und palästinasolidarische Studierende diskriminiert.

Antijudaismus

bezeichnet religiöse Judenfeindlichkeit, wie sie insbesondere im Christentum lange zu finden war und teils immer noch ist.

Was sagen die Ak­ti­vis­t*in­nen zum Vorwurf, die Proteste verharmlosen die Hamas? Offenbar sprach auch ein Redner mit Verbindungen zur islamistischen Muslimbruderschaft im Camp. Eine Distanzierung zu den islamistischen Ter­ro­ris­t*in­nen gibt es jedenfalls nicht. „Wir haben das nicht thematisiert, weil wir es erst mal nicht für wichtig gehalten haben“, sagt Campleiter Moaad im Gespräch mit der taz. „Der Sinn des Camps war, zunächst auf die Schieflage des aktuellen Diskurses aufmerksam zu machen.“ Immer wieder sind Parolen zu hören wie „Huriya, huriya, Falastin Arabia“ („Freiheit, Freiheit, Palästina ist arabisch“) sowie die verbotene Parole „From the river to the sea – Palestine will be free“, die Israel das Existenzrecht abspricht.

Auf solche Sprechchöre angesprochen sagen die Initiatoren des Camps, man habe keine Kon­trolle darüber, welche Parolen die Teilnehmenden rufen, da es sich um eine sehr heterogene Gruppe von Menschen handele. Sie argumentieren, dass antizionistische, also gegen Israel gerichtete Parolen nicht antisemitisch seien.

Offener Brief befürwortet friedlichen Protest

Anruf bei Julia Bernstein. Die Soziologieprofessorin forscht an der Frankfurter University of Applied Sciences zu Inklusion, Diskriminierung und Antisemitismus in Deutschland. Sie nennt den antisemitischen Charakter der Proteste „unsäglich“. Der Antisemitismus sei versteckt in Codes, statt von Juden würde nun eben von Zionisten gesprochen. Das ändere aber nichts an der Botschaft, die dabei gesendet werde. Es würde gegen Juden weltweit gehetzt und beliebig gelegentlich verbal oder physisch angegriffen.

Die Proteste kritisiert Bernstein insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte: „Gerade an den Unis waren Juden und Jüdinnen früh ganz massiv vom Antisemitismus im NS betroffen.“ Das sei „Nicht irgendwo“ geschehen, „sondern genau hier, an den Orten, an denen nun gegen Juden gehetzt wird.“

Also konsequent räumen? Bernstein findet, dass Universitäten erst das Hausrecht und andere Maßnahmen einsetzen müssen, wenn es um Antisemitismus geht. Die Uni solle Protestierende mit diskriminierender Haltung intern intervenieren, pädagogisch über Antisemitismus im politischen Aktivismus aufklären und wenn nötig sanktionieren. Sobald es um jegliche Formen der Gewalt, Volksverhetzung und physische Bedrohung geht, müsse die Polizei einschreiten, findet sie. Und: „Für den Fall einer Eskalation ist es gut, dass Polizei vor Ort ist, um Juden zu schützen.“

Nicht alle Pro­fes­so­r*in­nen und Dozierenden blicken so kritisch auf die Proteste. 200 Lehrende von Berliner Unis unterschrieben Anfang Mai einen offenen Brief, in dem sie das Recht der Studierenden auf friedlichen Protest bekräftigten.

An einem Dienstag Mitte Mai sind einige der Un­ter­zeich­ne­r*in­nen in die Bundespressekonferenz gekommen. Mit dabei ist auch Miriam Rürup, die Direktorin des Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam. Sie hat den Brief nicht unterschrieben, sorgt sich aber auch vor einem zu autoritären Umgang mit den Protestierenden. „Der Ruf nach Repression hilft Juden und Jüdinnen nicht.“ In den Protestcamps erkennt sie „Zeichen einer gelebten Debattenkultur“. Immer wieder betont Rürup aber auch schlicht die Bedeutung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, es gehe um das „Einfordern von Grundrechten“.

Etwa 80 propalästinensische Ak­ti­vis­t*in­nen versammeln sich auf einer Wiese auf dem Campus der Goethe-Uni in Frankfurt/Main Foto: Boris Roessler/dpa

Tatsächlich lässt sich nicht jeder Protest auf dem Uni-Gelände einfach beenden, selbst wenn die Uni-Leitung das möchte. Dass in Frankfurt die Räumung ausblieb, hat vor allem rechtliche Gründe. Die Uni hatte beim Frankfurter Verwaltungsgericht einen Eilantrag gestellt, um den Cam­pe­r*in­nen die Übernachtung zu verbieten. Das Verwaltungsgericht hat am Mittwoch den Antrag der Universität auf Beschränkungen aber abgelehnt: Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung sei nicht zu erwarten. Das Camp blieb, erst am Sonntag zogen die Ak­ti­vis­t*in­nen freiwillig ab.

Peer Stolle, Vorstand beim Republikanischen Anwaltsverein, sagt: „Beim Uni-Gelände im Freien gilt: Wenn Institutionen ihre Orte für den öffentlichen Austausch freigeben, dann gelten dort auch die Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit.“ Universitäten mit ihrem Campus­areal seien geradezu der Ort „par excellence“ für öffentliche Diskussion. „Das begrenzt das Hausrecht.“ Dies gilt grundsätzlich auch für etwaige Versammlungen in den Gebäuden. „Dort gilt aber im stärkeren Maße das Hausrecht.“ Eingriffe in die Versammlung seien nur gerechtfertigt, wenn sie insgesamt unfriedlich sei oder von ihr Gefahren ausgehen. Antisemitische Parolen könnten dies rechtfertigen, wenn sie strafbar sind, etwa weil sie den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen.

Mit der Begründung, die Sicherheit jüdischer Studierender müsse geschützt werden, ließ die FU Berlin vor einigen Wochen ein Protestcamp auf ihrem Campus räumen. Stolle erklärt: „Wenn Tatsachen vorliegen, dass von der Versammlung Bedrohungen für Dritte ausgehen oder solche zu erwarten sind, können Eingriffe in die Versammlung vorgenommen werden.“

Ein Dialog mit israelfeindlichen Demonstranten, die schwarz-weiß denken, bringt nichts

Student aus Israel an der FU Berlin

Am Sozialwissenschaftsgebäude der HU Berlin ist die Stimmung vor und während der Räumung zwar aufgeheizt, aber nicht wirklich aggressiv: Vereinzelte Ge­gen­de­mons­tran­t*in­nen werden von den Unterstützer*innen, die draußen demonstrieren, eher ausgelacht als hart angegangen. Wie in Frankfurt versteckt sich auch hier die Gewalt in Worten: Auf die Scheiben des Sandsteinbaus haben die Be­set­ze­r*in­nen „From the river to the Sea“ geschrieben.

Von den Unterstützer*innen, die während des Besetzung draußen vor dem Gebäude demonstrieren, schallt es immer wieder „Yallah Intifada“ herüber, ein Aufruf zum Palästinenseraufstand. Bei der letzten Intifada in den 2000er Jahren töteten palästinensische Terroristen Hunderte israelische Zivilist*innen. Im Gebäude wurden zudem Hamas-Symbole an die Wände gesprüht, darunter das nach unten gerichtete rote Dreieck, mit dem die Hamas ihre Ziele in Israel markiert.

Angesprochen auf die Ängste von Ju­den*­Jü­din­nen scheint bei den propalästinensischen De­mons­tran­t*in­nen vor dem Gebäude oft mindestens Gleichgültigkeit durch. Oder Schlimmeres: „Das sind Zionisten“, sagt eine junge HU-Studentin, als die taz sie darauf anspricht, dass Ju­den*­Jü­din­nen sich bedroht fühlten. Dann schiebt sie hinterher: „Ich verstehe nicht, wovon man sich bedroht fühlen soll.“

Ein paar Meter weiter, am Rand der Kundgebung steht ein Medizinstudent, der eine FFP2-Maske trägt, um nicht erkannt zu werden. Er sagt: „Wir demonstrieren nicht gegen jüdische Menschen, sondern gegen einen genozidalen Staat.“ Ein Student der Lateinamerikastudien neben ihm sagt, er könne sich nicht vorstellen, dass die Proteste bedrohlich für andere Studierende seien. Seine jüdischen Freun­d*in­nen unterstützten die Proteste, sagt er.

Jüdische Studierende fühlen sich bedroht

In den Gesprächen, die die taz mit jüdischen Studierenden geführt hat, ergibt sich ein anderes Bild. Uri heißt eigentlich anders und kommt aus Israel, die taz trifft ihn in einem Café im Berliner Stadtteil Friedenau. Er lebt seit einigen Jahren in Deutschland und studiert an der FU Berlin.

Doch damit ist Schluss, sobald er seinen Bachelorabschluss hat, für den Master will er unbedingt an eine andere Uni. „Ich fühle mich wirklich nicht sicher an der FU“, sagt er. Seine Identität müsse er auf dem Campus verstecken – das sei schon vor den Demos so gewesen, nun sei die Bedrohung aber noch größer. „Zum Glück können die meisten meinen Akzent nicht einordnen.“ Er berichtet von antisemitischen Stickern und Protestierenden, die mit den Händen das Dreieck nachahmten, mit dem die Hamas ihre Ziele markiert. Über Parolen wie „There is only one solution, Intifada, Revolution“ sagt Uri: „Das klingt für mich nach Endlösung.“

Dass von propalästinensischen Ak­ti­vis­t*in­nen echte Gefahr ausgehe, sei doch spätestens seit dem brutalen Angriff auf einen jüdischen Studenten Anfang Februar offensichtlich, so Uri. Er sei kein Freund der Netanjahu-Regierung, wisse, „dass Krieg scheiße ist“ und setze sich für eine Zweistaatenlösung in Nahost ein. Doch den propalästinensischen Protestierenden ginge es nicht um Kritik an der israelischen Regierung, sondern um Hass gegen Ju­den*­Jü­din­nen und gegen die Existenz von Israel. „Sie machen keinen Unterschied zwischen der Regierung und dem Volk“, sagt Uri, „Für sie sind die Israelis eine homogene Gesellschaft, in der es keine Meinungsvielfalt gibt und alle so denken, wie die jetzige Regierung.“

Die Räumung der Demos befürwortet er deshalb „auf jeden Fall“, große Hoffnung für Diskussionen mit den Protestierenden hat er nicht. In Forderungen nach Gesprächen mit ihnen erkennt Uri, „Naivität“ und eine „Romantisierung“ der Proteste. „Ein Dialog mit israelfeindlichen Demons­tranten, die schwarz-weiß denken, bringt nichts.“

Ganz ähnlich sieht es Aviva Lapke. Sie studiert in München Personalmanagement und engagiert sich im Vorstand des Verbands jüdischer Studenten in Bayern (VJSB). Am Telefon stellt sie klar: „Kein Kind sollte leiden, kein Zivilist sterben.“ Wer das Vorgehen der israelischen Armee in Gaza dämonisiere, ohne das Leid der israelischen Geiseln in den Händen der Hamas zu erwähnen, „verdreht die Tatsachen“, findet sie. „Die Hamas ist der Auslöser für diesen Krieg.“ Auch sie befürwortet Räumungen, wo dies rechtlich möglich ist. „Weltweit fühlen sich jüdische Studierende derzeit bedroht und unsicher.“ Sie sei gern bereit, mit Menschen zu diskutieren, die eine andere Meinung zu Nahost haben. „Aber Antisemitismus ist keine Meinung.“

Aktualisiert und ergänzt am 30.05.2024 um 15:50 Uhr. d. R.

Aktualisiert und korrigiert am Freitag 31.05.2024 um 20:00 Uhr: Miriam Rürup hat den Brief der 200 Dozierenden nicht unterschrieben, wie es im Text fälschlich hieß. Sie war lediglich zusammen mit Un­ter­zeich­ne­r*in­nen in der Bundespressekonferenz. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen. d. R.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

53 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Oskar , Autor Moderator ,

    Wir haben die Kommentarfunktion geschlossen. Die Moderation

  • 6G
    600539 (Profil gelöscht)

    Selten sah ich dermassen instrumentalisierte, komplett wildgewordene Studenten oder die sich so schimpfen - von wegen Dialog , und für die gerechte Sache ,für ein freies Palästina … eher : Intifada everywhere we love your rockets too , die Hamas wird mittlerweile komplett glorifiziert. Und als legitim angesehen .



    Fakt ! Nicht bloss von den Studenten auch der Unileitung , ich verweise auf den noch peinlicheren Skandal der HU Direktorin .



    Nicht mal 1 Prozent derer mit denen wir uns auseinandersetzen , checkt die historischen Vorgänge in der Region ( die durchaus komplex sind ) geschweige denn die aktuellen .



    Und Empathie für die Israelische Seite , deren Ofer , das Leid seit 75 Jahren , die Stagnation und Ausbeutung der Palästinensischen Zivilbevölkerung durch den radikalen Islam - Fehlanzeige



    Eine absolute Schande unsere Zukunft .

    Man mag es kaum fassen .

  • Man sollte sich zu die⁷sem Thema in der Mediathek die Sendung "Lanz" anschauen. Lief gestern abend.



    Kommen nur Muslime zu Wort .



    Darunter auch die Muslima, Frau Hübsch, Mitglied im hess. Rundfunkrat. Sehr interessant, die Aussagen dieser Frau. Nicht im positiven Sinn.

  • Dass sich Professoren und Dozenten hinter Demonstranten stellen, die antisemitische Schlachtrufe skandieren, Terror verherrlichen und direkt & indirekt zur Gewalt gegen Juden aufrufen, erinnert an dunkelste Zeiten der deutschen Geschichte.

    Eine zivile den Tatsachen gerecht werdende Diskussion und eine sachgerechte Aufarbeitung des Palästinakonflikts auch an den Universitäten ist schon lange nicht mehr möglich.

    Es scheint so, das schon lange etwas ins Rutschen geraten ist was von Dozenten, Wissnenschaftlern und Professoren geduldet wurde.

    Die rote Linie ist schon seit langem überschritten - und das zertrümmerte sozialwissenschaftliche Institut der HU (wurde geschlossen) versehen mit den roten Hamas Nazidreiecken zur Diskriminierierung von Mitarbeitern ist lediglich der erreichte Höhepunkt einer Entwicklung - denen offensichtlich weitere folgen werden.

    Entgegen der Erwartung von Aufklärung was an den Universitäten passiert gibt es den nächsten Skandal -



    eine universitäre Leitingskraft der TU



    soll merkwürdige Tweeds auf Facebook gelikt haben - von denen die Beschuldigte sich gerade zu distanzieren versucht.

    Universität ein Ort der Aufklärung?



    Derzeit sicher nicht.

  • "[...] propalästinensische Ak­ti­vis­t:in­nen beklagen, sie würden nicht gehört."

    --> Eine fast lächerliche Einschätzung. Wenn sich jemand beklagen könnte, nicht gehört oder geschützt zu werden, dann sind es jüdische Stimmen. Pro-Palästinensische Stimmen werden jederzeit und überall (Uni-Besetzungen, Störungen von Veranstaltungen, Demos auf der Straße) gehört.

    Die Mehrheitsgesellschaft lehnt deren Anliegen (Vernichtung von Israel, Anschläge auf Zivilisten, Mord an Babys, Kindern und Frauen) nur - Gott sei Dank - ab.

    Jüdische Menschen hingegen mussten sich schon immer vorsehen, wann, wie und wo sie ihren Glauben ausleben. So gibt es in Berlin seit Jahrzehnten keine Synagoge ohne Polizeischutz. Nun ist aber noch das aktive Untertauchen in allen möglichen Alltagssituationen hinzugetreten. Der Fall des Bruders von Shahak Shapira zeigt ja deutlich, wie es jüdischen Personen ergeht, wenn sie es wagen ihre Stimme zu erheben. Es endet in Gewalt und Krankenhaus. Der Täter? Erhält lächerliche 3 Monate Hausverbot und kann danach weiter machen, wie bisher.

    Von daher: Palästinensische Stimmen werden gehört, sie werden nur - Gott sei Dank - zurückgewiesen.

  • Die Meinungsfreiheit hat keine Grenzen. Die Gedanken sind frei!



    Man muss allerdings aufpassen, wie, wann und wo man sie ggf. artikuliert. Sonst gibt's auf die Fresse!



    Das war immer so und wird sich nie ändern. Die Meinung ist und bleibt aber frei -wobei man allerdings fragen kann, wie frei man heutzutage sein kann.

    • @Matt Gekachelt:

      Die Meinungsfreiheit hört da auf, wo wesentliche Rechte anderer Anfangen. Gewaltaufrufe, Existenzrechte angreifen usw. sind halt nicht gedeckt.

      Und eins noch: So frei wie jetzt war es noch nie 👍

  • "Wo endet die Meinungsfreiheit?"



    Es gibt einen grundlegenden Unterschied WAS man sagt und WO man es sagt.



    WAS: Man darf alles sagen was nicht gegen aktuelle Gesetze verstößt. Wenn man aber Plakate hoch hält, deren Inhalt eindeutig gegen unser Grundgesetz verstößt oder gar strafbare Inhalte enthält, dann endet auch die Meinungsfreiheit.



    WO: Besetzten von Hörsälen innerhalb einer Uni halte ich für nicht duldbar. Man stelle sich mal vor die AfDummeit würde das machen, was dann wohl in den linken Kreisen (zu Recht) für ein Geschrei wäre. In den Unis sollte man nicht demonstrieren dürfen, davor sehr wohl schon.

    • @Rudi Hamm:

      Das mit den Hörsälen ist halt so ne Sache. Das ist eben traditionell ein Protestmittel der Studenten und solange das friedlich ist Debatten möglich sind, wird man das aushalten müssen.



      Ansonsten stimm ich zu. Die Frage an sich ist schnell beantwortwortet. Es gibt Gesetze und die bestimmen, was erlaubt ist und was nicht. Sachbeschädigung, antisemitische Symbolik und Hassparolen gehören sicher nicht dazu.



      Und alles was zu diffus ist, muss man eben akzeptieren oder juristisch mit Richtlinien bestimmten.



      Generell wird mir im Graubereich viel zu sehr mit Empörung und Verbotsforderungen reagiert. Klare rote Linien muss es geben, der Rest gehört zur Meinungsfreiheit, obs einem passt oder nicht.

  • Die Meinungsfreiheit fängt da an, wo man die Meinung des Anderen nicht mehr hören will. Daher sind alle legitimen Proteste für die unterdrücktenden, diskriminierten Palestinenser zu unterstützen. Die Protestanten sollen sich aber an Gesetz und Recht halten, das in diesen Themen immer weit auszulegen ist.

  • Es ist sehr bezeichnend: man ruft zur Gewalt auf, brüllt antisemitische Parolen und obendrauf noch der Meinung es mangele an Empathie für die Palästinenser. Das sich jüdische Studenten (und ich schätze mal nicht nur diese) angesichts dieses zur Schau gestellten Hasses unsicher fühlen kann man nicht nachvollziehen. Gleichzeitig fühlen man sich als muslimische und arabische Studenten diskriminiert, nur weil einige Unis zum Glück diesen Mob nicht gewähren lassen. In was für einer Welt leben diese Menschen? Gewaltbereitschaft gepaart mit Dummheit und Empathielosigkeit ist eine übles Gemisch; ich sehe keinen Grund warum Universitäten dies zu dulden haben sollten.

    Heute im Deutschlandfunk ein erhellender Bericht über diese Aktivisten: www.deutschlandfun...-f50c5d79-100.html

    Anscheinend haben diese Leute ein Weltbild, was in weiten Teilen dem der AfD gleicht; überall nur Systemmedien die Lügen verbreiten und ein sehr hohes Aggressionspotential. Wer mit diesen Menschen gemein macht kann keinen Anstand besitzen.

    • @Fran Zose:

      Zustimmung von meiner Seite.

    • @Fran Zose:

      Gut formuliert. Volle Zustimmung!

  • Schade, dass die pro-palästinensischen Protestierenden so einseitig sind, Schade auch, das für die jüdischen und israelischen Studierenden, die im Beitrag vorkommen, der 07.10. der einzige Fluchtpunkt ihrer politischen Welt darzustellen scheint, wenn es um Nahost geht. Und wo die Protestcampler*innen Recht haben: Wenn folgendes stimmt, sagt es viel darüber aus, wie wenig palästinensisches Leid in Deutschland zählt: „Wir haben jetzt nach über einem halben Jahr nicht einmal ein Statement, das sich an die Palästinenser hier an der Universität richtet, wie es bei den Israelis der Fall ist.“

    • @My Sharona:

      Ich wüsste tatsächlich nicht, dass es ein ähnlich klares Statement zum Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung an den Unis gibt wie es das zum 7. Oktober gab.



      Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass die Mehrheit der Studierenden, mit denen ich zu tun habe, längst nicht so einseitig und unempathisch ist wie das darstellt wird. Und die Hamas finden die meisten auch alles andere als gut.



      Was stimmt ist, dass einige Studierende empört, wütend und frustriert sind, dass sie das Gefühl haben, palästinensisches Leid würde weniger zählen und Kritik an Israel sehr schnell als antisemitisch bezeichnet werden. Und dass jede Form von Protest sofort für falsch erklärt wird, weil jüdische Studierende sich nicht sicher fühlen. Es sagt aber niemand, wie gegen das Leid in Gaza "richtig" oder "auf akzeptable Weise" protestiert werden darf. Da wirkt der Verweis auf die Angst jüdischer Studierender schnell wie ein vorgeschobenes Argument, um Proteste abzuwürgen oder wie die Unterstellung mangelnder Empathie bzw. von Antisemitismus. Und entsprechend wird auf die Frage danach reagiert.

      • @Iguana:

        "Es sagt aber niemand, wie gegen das Leid in Gaza "richtig" oder "auf akzeptable Weise" protestiert werden darf"

        Mit anderen Parolen. "Intifada jetzt", "from the river to..." suggerieren halt etwas anderes als Solidarität mit der leidenden Bevölkerung in Gaza.

        Inhalte statt Hassbotschaften zu transportieren verspricht mehr Erfolg in der Hinsicht das man ernst genommen wird und sich damit auch Gehör verschafft.

        Diese Art von Protest mit Parolen und Schmiereien dient der palästinensischen Sache gleich null. Und das ist schade, denn der persönliche Einsatz auf das Unrecht hinzuweisen und damit Einhalt zu bewirken ist wichtig und richtig.

      • @Iguana:

        "Und die Hamas finden die meisten auch alles andere als gut."

        Wer von denen, die jetzt gegen Israel demonstrieren, hat sich denn tatsächlich vorher gegen die Hamas engagiert? Oder hat am 7., 8. oder 9. Oktober lauthals gegen die Hamas protestiert?

  • 1. Das Grundrecht auf Freiheit der Forschung und Lehre ist massiv in Gefahr, wenn Universitäten Austragungsort des Kampfes gegensätzlicher, sich einander ausschließender Ideologien werden. Die Lehre hat dann nur noch die Funktion, einen prominenten Ort zu schaffen, wo viele Leute zum Zuhören genötigt werden können.



    2. Nur heute geht es um den Kampf von Hamas gegen Israel, morgen vielleicht um Wehrpflicht oder Askese beim Umweltschutz oder Ausschaffung von Ausländern oder Ausbeutung der Arbeiterklasse durch den Sozialhilfe-Adel. Etc ....



    3. Es muss immer berücksichtigt werden, dass auch eine Dir gegensätzliche Meinung so viele Randalierer aufbieten kann, dass Du untergebuttert wirst.



    4. Natürlich demonstrieren alle "friedlich", bis diese Lautreihenfolge so sehr relativiert ist, dass sie keine Bedeutung mehr hat.

  • Es müsste auch in diesem Artikel viel mehr infrage gestellt werden, was an diesen Protesten "propalästinensisch" sein soll. Ginge es den Protestierenden um Demokratie und Frieden in den palästinensischen Gebieten und um eine Zweistaatenlösung, sie müssten sich aber so was von mit der Hamas beschäftigen. Sie müssten sich mit denjenigen palästinensischen Kräften solidarisieren, die gegen die Hamas sind. Nichts dergleichen ist von Seiten dieser Proteste zu vernehmen.

    • @smallestmountain:

      Thumbs up von mir

    • @smallestmountain:

      Ich fürchte, pro-palästinensisch heißt in diesem Fall, dass "der Westen" keine Ratschläge geben soll (böse könnte man ergänzen "nur Geld"), wie das Land zukünftig organisiert wird und wer dort wieviel zu sagen hat. Die westliche Demokratie und die Vorstellung der Menschenrechte sind eben nicht überall anerkannt und man kann es als "koloniale Attitüde" sehen, diese woanders zu erwarten.

      Allerdings verkennt solche Argumentation, dass der Iran und andere dort natürlich auch nicht völlig selbstlos helfen und ihre Macht und ihr Geld sehr bewusst einsetzen....

    • @smallestmountain:

      Was aber auch wesentlich weniger der Fall ist als in den Medien dargestellt ist Sympathie für die Hamas.



      Ich denke, die meisten sehen sich als Gegengewicht und sind empört über die von ihnen wahrgenommene Einseitigkeit der deutschen Politik und Medien. Die fordern Druck auf die Konfliktpartei, die aktuell sehr viel mehr Macht hat und von Deutschland massiv unterstützt wird. Druck oder ein Ende der Unterstützung mindestens bis zu einem Waffenstillstand.



      In persönlichen Gesprächen sind viele von ihnen differenzierter und empathischer. Im Protest geht es darum, gegen der einseitigen Unterstützung Israels etwas entgegen zu setzen und weitere Tote zu verhindern, nicht darum, den kompletten Konflikt zu lösen.



      Pro-palästinensisch ist eben das: ein Verhindern weiterer palästinensischer Toter als erster Schritt auf einem langen Weg zum Frieden - den möglichst viele erleben sollten.



      Nicht der einzige Ansatz, aber ein durchaus plausibler.

  • Die Forderungen der Protestierenden zeigen ja schon auf welch geistes Kind sie sind. Israelische Einrichtungen zu sabotieren und Kooperationen mit Universitäten zu beenden entspricht ja den ideologischen Konzepten von "Vordenkern" a la Butler, Fraser & Konsorten. Dazu noch verklausulierter Antisemitismus und eindeutige Parolen und Symbole wie rote Dreiecke. Für diese Art von Protesten, die anscheinend auch nur wenig Inhalte transportieren, sind Hochschulen und Universitäten der falsche Austragungsort. Ein Protestcamp auf der grünen Wiese ist dafür völlig ausreichend. Ein ernsthaftes Anliegen für die Situation in Gaza sollte am Beginn eine klare Distanzierung zur Hamas und deren Terroraktionen beinhalten, dann wäre es glaubhafter zu vermitteln, dass es bei den Protesten auch und einzig um die politische Ausrichtung und Kriegsführung der israelischen Regierung bzw des Militärs geht. Diese Kritik an der Militäroperation wäre genauso berechtigt wie an dem Vorgehen der Siedler im Westjordanland und würde auch weitaus mehr Gehör und Zustimmung für die Sache der Palästinenser erfahren.

    • @Sam Spade:

      Definitiv

    • @Sam Spade:

      Genauso ist das zu sehen.

    • @Sam Spade:

      Soweit ich weiß gibt es keine allgemeine Zustimmung zu den roten Dreiecken.



      Boykottforderungen kann man natürlich ablehnen. Aber sind die wirklich so viel problematischer als nationale Sanktionen? Leider wird nicht klar kommuniziert, ob das dauerhaft gelten soll oder beispielsweise bis zu einem Waffenstillstand. Letzteres wäre durchaus vergleichbar mit den Sanktionen gegen Russland, nur eben nicht auf nationaler Ebene sondern auf institutioneller.



      Und hat es jemanden gestört, dass die Solidaritätsdemos mit Israel sich nicht zu Siedlergewalt, rechtsradikalen Ministern etc. positioniert haben? Nein, es ging um das Leid der Israelis und unsere Solidarität. Warum fordert man das jetzt eine Distanzierung?

      • @Iguana:

        "Warum fordert man das jetzt eine Distanzierung?"

        Weil die barbarischen Massaker der Hamas nuneinmal der Auslöser für alles folgende war. Solidarität für die Palästinenser in Gaza beginnt mit der Distanzierung von Gewalt und Terror. Sollte dann für beide Seiten gelten oder für keine.

        Ich kann mich sowohl solidarisch erklären indem ich das Leid der israelischen Opfer anerkenne und bedauere und gleiches auch für die palästinensische Seite zum Ausdruck bringen. Man muss sich nicht immer für eine Seite entscheiden und deren Positionen verteidigen. Ein neutraler Standpunkt lässt einen manchmal klarer die Dinge erkennen.

  • Dieses Mal nur ein Lob: Sehr gute, informative Reportage!

    • @Schalamow:

      mir kommt sie aber leicht verharmlosend vor, was die Gewalt an der HU betrifft. Selbst die dortige Präsidentin hat erklärt, dass die Gruppe "oben" zu keinerlei Diskurs bereit war, während die Gruppe unten den Anschein machte, man wolle friedlich diskutieren - leider aber nicht bereit war, die gesetzte Frist einzuhalten, wann die Räume wieder freizugeben sind.

      • @Dr. McSchreck:

        Ja, das kann man in der Tat monieren.

        Allerdings ist das journalistische Format so gewählt, dass man im wesentlichen beide Seiten zu Wort kommen lässt. Auch so kann man sich, glaube ich, ein fundiertes Urteil bilden. Und dafür bin ich als Leser immer dankbar, wenn man dieses Urteil mir überlässt.

        • @Schalamow:

          Da gebe ich Ihnen durchaus Recht. Der Anfang des Artikels gefiel mir weniger - aber da gegen Ende doch die andere Seite noch sehr viel Raum bekommen hat, wird das ziemlich ausgeglichen. Nur die HU-Besetzer kommen mir etwas zu positiv weg, jedenfalls die eine Gruppe davon.

  • "Wo endet die Meinungsfreiheit?"

    Z. B. dann, wenn man das Existenzrecht einer Gesellschaft in Frage stellt, deren Staat seit gut 75 Jahren völkerrechtlich anerkannt ist (von mittlerweile rund drei Vierteln aller Staaten der Weltgemeinschaft). Oder bei Gewaltverherrlichung, also wenn man (nachweislichen) Terror zum Freiheitskampf erklärt.

    • @Al Dente:

      Ihr Statement kann man auf Israel wie Paleatine beziehen, können sie klarifizieren?

      • @Jessica Blucher:

        Ich gehe davon aus, daß @Al Dente Israel meint, denn einen palästinensischen Staat gibt es bisher ja nicht - was auch an der Weigerung der Palästinenser und der übrigen arabischen Staaten liegt, sich nicht mit der Existenz Israels abfinden zu wollen.

  • Bitte unbedingt auch einen Artikel zu den Verwüstungen mit antisemitischen und Pro-Hamas-Symbolen am Institut für Sozialwissenschaften bringen. Und auch Bilder dieser hasserfüllten Parolen zeigen.Dann lässt sich die Frage über freie Meinungsäußerung auch noch erweitern inwiefern nicht nur jüdische Studierende sondern auch solche die die Meinung der Protestierenden nicht teilen vor dieser Form von illegitimen Aktionismus zu schützen sind.

    • @Barbara Schmelzer:

      Die Allianzen die hier geschlossen wurden sind definitiv für alle gefährlich und sollten auf gar keinen Fall bagatellisiert werden. Vielmehr muss es festgehalten und dann aufgearbeitet werden.

      @JimHawkins:



      Danke für den Link.



      Die vielen "Botschaften" an den Wänden in diesem Link sagen im Grunde alles über die Verfasser*innen und deren Haltung aus. Und das einfach wegzureden wird bei vielen nicht laufen. Weder heute, noch morgen. Und das ist gut so.

      Schlimm ist, wie viele Kinder da mitlaufen und nicht verstehen das sie hier grade verheizt werden. Von Leuten die ganz sicher keine "Friedenaktivist*innen" sind.

      "Nützliche Idioten"... Aber die wenigsten der Kids würden den Kontext dieser Aussage überhaupt verstehen ohne wieso der Begriff sie leider perfekt beschreibt.

    • @Barbara Schmelzer:

      Hier wird Sie geholfen.

      Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus dokumentiert gewohnt seriös und sorgfältig, was man eigentlich nicht sehen sollte:

      www.facebook.com/j...s/3588367874716788

      • @Jim Hawkins:

        Gestern diskutierte bei Lanz eine erstaunlich spannende Runde u.a. über antisemitische Entgleisungen bei StudierendenProtesten an den Unis und über muslimischen Antisemitismus. Alle vier Gäste hatten muslimischen Background. Dabei hat eigentlich nur eine in der Runde (Publizistin Khola M. Hübsch) beschwichtigt, abgelenkt, entschuldigt, aber immerhin dann nach mehreren Nachfragen zugegeben, dass in ihrer Gemeinschaft (Ahmadiyya) doch ein eher konservatives und mit der katholischen Kirche vergleichbares Menschenbild vorhanden ist und Homosexualität zb als nicht „gottgefällig“ gilt.



        Die drei Männer, Theologe (Khorchide) Jurist (Keyman) und Psychologe (Mansour) haben das Phänomen des muslimischen Antisemitismus sehr ausführlich reflektiert, werden sich damit aber in weiten Teilen der muslimischen Community nun doch noch mehr Feindschaft geschaffen haben. zum Beispiel indem sie zugaben, dass der Islam nicht per se immer so tolerant gegenüber Juden war, und nur die Gründung Israels zu Konflikten und Hass geführt habe, was sowohl von muslimischer als auch von postkolonialer Seite gerne mal behauptet wird. Das wurde klug widerlegt.

  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    Die „pro-palästinensischen“ Camps, die an den Universitäten der Welt um sich greifen, gehören kriminalisiert und müssen mit der legitimen Staatsgewalt geräumt werden. Solche Gruppierungen nicht „nur“ den latenten, sondern ausdrücklich auch den radikalisierten Antisemitismus. Wer „Intifada jetzt!“ skandiert, verrät eine gewisse Einstellung gegenüber Israel und dem Judentum. Art. / der Hamas-Gründungscharta klärt auf.

    Mit diesem propagierten Judenhass gehen Misogynie und Queerfeindlichkeit übrigens auch einher. Denn wer mit der Hamas und ihren Zielen sympathisiert, wie an den Schlachtparolen und an der Symbolik zu erkennen ist, romantisiert somit eine eigentlich rechtsextreme Terrororganisation. Eine, die während ihrer 18 ununterbrochen Jahre an der Macht in Gaza noch keine Wahlen erlaubt hat. Eine, die zum globalisierten Dschihad ausruft. Demokratie sieht anders aus.

    Dass die Terrorversteher-Camps auf dem Campus grassieren, bedroht die Bundesrepublik. Die „Hamasbara“, eher hysterisch bekundet als historisch begründet, beinhaltet zugleich den Geschichtstsrevisionismus und die Gegenwartsfälschung. Die weitere Etablierung solcher Ansätze kann zu keiner lebenswerten Zukunft beitragen.

    • @Michaela Dudley:

      ' Die „pro-palästinensischen“ Camps, die an den Universitäten der Welt um sich greifen, gehören kriminalisiert und müssen mit der legitimen Staatsgewalt geräumt werden.'

      Passt doch, passiert doch schon. Manchmal nur in umgekehrter Reihenfolge, was (nicht nur) das 'legitim' etwas in Frage stellt.

    • @Michaela Dudley:

      Dem ist nichts hinzuzufügen. Jedes einzelne Wort enthält die Wahrheit.

    • @Michaela Dudley:

      Ganz genau! Klare Kante für die Demokratie!

  • Es handelt sich doch gar nicht um propalästinensische Aktivisten. Wären es solche, würden sie sich gegen die Hamas wenden und hätten das schon lautstark in der Vergangenheit getan. Es geht nur darum, gegen Israel und Juden zu sein.

    • @BrendanB:

      Vor allem da es Belege auch schon aus älteren palästinensisch-israelischen Konflikten gibt, wie die Hamas diese nutzt um gegen die Palästinenser vorzugehen www.amnesty.org/en...ing-2014-conflict/ . Den Bericht kann Amnesty nach dem jetzigen Konflikt 1zu1 wieder abdrucken. Ich möchte nicht allen Aktivisten Judenhass oder Israelhass vorwerfen, aber dieses billige Gut-Böse-Denken und Alles, die gegen Israel sind, sind Gute-Denken ist schlicht peinlich und ich kann jede Verantwortliche der Uni verstehen, wenn man das nicht anhören will.

  • Exzellenter und ausgewogener Artikel, wie man ihn in kaum einem anderen deutschen Medium findet.

  • Bin positiv überrascht über diesen ausgewogenen Artikel in der TAZ. Danke an die Autor*innen, dass sie so viele verschiedene Stimmen zu Wort kommen lassen, und es der Leserschaft überlassen, wie sie die Informationen wertet.



    Aus meiner Sicht zeigen die interviewten jüdischen und israelischen Studierenden Empathie für das Leid in Gaza, fühlen sich aber durch die propalästinensischen Stimmen, die das Existenzrecht von Israel, und damit auch der Israelis, infragestellen, bedroht. Bei den propalästinensischen Interviewten sehe ich kaum Verständnis dafür, wie bedrohlich viele der Aussagen wirken, und wie ignorant es ist, den eigenen Antisemitismus, verpackt in Antizionismus, nicht zu reflektieren. Die Diskussionsbereitschaft hielt sich von Anfang an in Grenzen, es ging propalästinensischen Stimmen meist nur darum, eigene Parolen zu schreien, und andere Stimmen abzuwürgen.



    Ehrlicherweise muss man doch sehen, dass jeder Versuch zum Beispiel mit einer Ringvorlesung über verschiedene Aspekte und Standpunkte im Nahostkonflikt zu diskutieren, sofort dazu führen würde, dass die Veranstaltungen massiv gestört würde und nur unter Polizeischutz stattfinden könnte. Traurig, aber wahr.

    • @Karla Columna:

      "Aus meiner Sicht zeigen die interviewten jüdischen und israelischen Studierenden Empathie für das Leid in Gaza...". Stimmt, nur was folgt für sie [die "interviewten jüdischen und israelischen Studierenden"] daraus?

      • @My Sharona:

        Das ist dem Artikel doch durchaus auch zu entnehmen. Zum Beispiel wird Uris Haltung so beschrieben:

        Er sei kein Freund der Netanjahu-Regierung, wisse, „dass Krieg scheiße ist“ und setze sich für eine Zweistaatenlösung in Nahost ein. Doch den propalästinensischen Protestierenden ginge es nicht um Kritik an der israelischen Regierung, sondern um Hass gegen Ju­den*­Jü­din­nen und gegen die Existenz von Israel. „Sie machen keinen Unterschied zwischen der Regierung und dem Volk“, sagt Uri, „Für sie sind die Israelis eine homogene Gesellschaft, in der es keine Meinungsvielfalt gibt und alle so denken, wie die jetzige Regierung.“

        • @Karla Columna:

          Ich will gar nicht überkritisch sein; "kein Freund" der Netanyahu-Regierung sein und Krieg Scheiße finden - das sind (sympathische, nachvollziehbare) Einstellungen, keine Taten; gerade in Verbindung mit dem sofortigen Fingerzeig auf die anderen, reicht das vielleicht nicht mehr (und im Übrigen sprechen israelische Wahlergebnisse seit Jahrzehnten auch für sich: für eine Regierung, die konstruktiv eine politische Lösung verfolgt hätte, hat es nie gereicht; oder anders gesagt: Netanyahus Regierung ist keine Minderheitsregierung).



          Und ja, bevor Sie fragen: auch von propalästinensischen Protestierenden wünsche ich mir mehr... ...als Slogans, nämlich inhaltliche Ernsthaftigkeit und Reflexion.

  • Die Meinungsfreiheit endet da, wo alle "Freiheiten" enden:



    Wenn andere stark beeinträchtigt oder gar geschädigt werden.

  • "Offenbar sprach auch ein Redner mit Verbindungen zur islamistischen Muslimbruderschaft im Camp. Eine Distanzierung zu den islamistischen Ter­ro­ris­t*in­nen gibt es jedenfalls nicht. „Wir haben das nicht thematisiert, weil wir es erst mal nicht für wichtig gehalten haben“, sagt Campleiter Moaad im Gespräch mit der taz."

    Wie kann man das "nicht für wichtig" halten? Die Hamas beendet Proteste recht schnell und radikal.

  • 》...durch propalästinensische Ak­ti­vis­t*in­nen, zu denen auch die Frau mit dem Palästinenserschal gehört. Ihre Forderungen: Die Uni solle sich für einen Waffenstillstand in Gaza einsetzen, weil Israel nach den bestialischen Angriffen der Hamas vom 7. Oktober einen zunehmend aussichts- und kopflos scheinenden Krieg gegen die Islamisten führt《

    Die "bestialischen Angriffe der Hamas vom 7. Oktober" werden nirgendwo von diesen Aktivist*innen thematisiert, sind eben nicht Bestandteil ihrer Forderungen.

    Im Gegenteil, es handelt sich überwiegend um die Unterstützung einer faschistischen Terrororganisation.

    Hätte es nach dem 7. Oktober einen weltweiten Aufschrei, auch der Linken, gegeben, wäre die Hamas geächtet, politisch und wirtschaftlich sanktioniert, sie zur Niederlegung der Waffen und Freilassung der Geiseln gezwungen worden, hätte dies unendliches Leid in Gaza verhindert (und der rechten Regierung Netanjahus Grenzen aufgezeigt) werden können.

    So kann auch jetzt der Krieg, weiteres Morden immer noch am effektivsten und schnellsten verhindert werden.

    • @ke1ner:

      Sanktioniert? Gaza isr bereits wirtschaftlich von der Außenwelt abgeschnitten.



      Warum glauben sie konnte Israel eine Hungersnot auslösen?