Programm gegen linke Gewalt: Sachsen zielt auf Linksaußen
Nach Angriffen auf Bauprojekte geht eine Soko gegen LinksextremistInnen an den Start. Auch andernorts wird vor der Szene gewarnt.
Zuletzt häuften sich Straftaten, die die Behörden Linksextremen zuordnen. So wurden in Leipzig Polizisten angegriffen, auf Baustellen von Neubauten brannten Bagger und Baukräne, Nachbarn mussten evakuiert werden. Erst am Sonntagabend wurde die Mitarbeiterin einer Immobilienfirma zu Hause mit Faustschlägen von zwei Unbekannten angegriffen. Zuletzt brannten auch Baufahrzeuge in Bautzen und Rodewisch.
Wöller sprach von einer „neuen Qualität der Gewalt“. Die linksextreme Szene gefährde inzwischen Menschenleben, es würden nicht mehr nur Sachen, sondern auch Personen direkt angegriffen. „Darauf werden wir hart und konsequent reagieren.“ Man dulde keine rechtsfreien Räume.
Umsetzen soll dies eine neue Soko Linksextremismus, angesiedelt in Leipzig. Zwanzig PolizistInnen sollen dort ermitteln, dazu zwei Staatsanwälte. So gebe es kurze Wege und schnelle Entscheidungen, sagte Sachsens Polizeipräsident Horst Kretzschmer. Ziel sei es, in die linksextremen Strukturen zu kommen und die Straftäter aufzuspüren.
Bisher keine Verdächtigen
Hieran indes hapert es bisher. So räumte Sachsens Generalstaatsanwalt Hans Strobl am Mittwoch ein, bisher keine Verdächtigen zu den jüngsten Taten ermittelt zu haben. Kretzschmar aber sagte, man habe Ermittlungsansätze, die „optimistisch“ stimmten.
Tatsächlich gab es zu den jüngsten Angriffen Bekenntnisse auf dem linken Onlineportal Indymedia. Dort wird der Anschlag auf die Baukräne als Aktion gegen Gentrifizierung bezeichnet: „Wir sind Teil derjenigen, die um ihren Wohnraum bangen.“ Zu dem Angriff auf die Immobilienfrau bekannte sich eine „Kiezmiliz“. „Wir haben uns entschieden, die Verantwortliche für den Bau eines problematischen Projekts im Leipziger Süden da zu treffen, wo es ihr auch wirklich weh tut: in ihrem Gesicht“, heißt es dazu.
Bereits Leipzigs Bürgermeister Burkhard Jung fand dazu deutliche Worte. „Der Weg zum politischen Mord ist nicht mehr weit“, sagte der SPD-Mann. „Die von der linksextremen Szene verbreitete Mär, man sei nur gegen Sachen und staatliche Institutionen gewalttätig, nicht gegen Personen, entlarvt als das, was es immer war: eine Lüge.“ Man müsse gegen diese Szene „mit allen Mitteln eingreifen“. Am Freitag will sich Jung deshalb mit Wöller treffen.
Auch bundesweit sortieren sich die Sicherheitsbehörden beim Linksextremismus derzeit neu. Jahrelang hatte dort der Islamismus Priorität, zuletzt nun der Rechtsextremismus. Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang warnte aber bereits vergangene Woche vor einem „kontinuierlich gestiegenen Aggressionsniveau“ von LinksextremistInnen. 9.000 Gewaltbereite zähle man dort. Und diese verstünden es auch, zivilgesellschaftlichen Protest „zu kapern“.
Dient die SoKo zur Profilierung?
Immer wieder verweisen die Behörden auf die G20-Krawalle in Hamburg oder Straftaten im Zuge der Proteste im Hambacher Forst. Erst am Wochenende kam es zudem auf einer Demonstration gegen Verdrängung in Berlin zu Stein- und Flaschenwürfen auf Polizisten in der Rigaer Straße. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) verurteilte auch dies „aufs Schärfste“. „Wer Menschen angreift, die das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit sichern, hat sich von der ernsthaften politischen Debatte verabschiedet.“
In Sachsen ist das Vorgehen gegen Linksaußen dennoch nicht unumstritten. Denn das große Problem liegt woanders: 2.800 RechtsextremistInnen zählt der Verfassungsschutz im Land, auf linker Seite sind es 785. Die Linken-Innenexpertin Kerstin Köditz verurteilte Straftaten, nannte die Soko aber „parteipolitisch motiviert“. „Ich wundere mich, wie viel Wirbel um die Ermittlungen gemacht wird.“
Auch zog die CDU das Vorhaben trotz der laufenden Koalitionsverhandlungen mit Grünen und SPD durch. Und Justizminister Gemkow will 2020 Bürgermeister von Leipzig werden. Die Soko, auch ein Stück Profilierung? Gemkow verneinte: Man sei schlicht durch die Straftaten „zum Handeln gezwungen“ worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?