Soko Linx in Sachsen: Übers Ziel hinausgeschossen
Vor einem Jahr gründete Sachsen die Soko Linx, um linke Straftäter zu fassen. Nun häufen sich Misserfolge. Zwei Festgenommene kommen frei.
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Das Landgericht Dresden bestätigte am Dienstag der taz, dass es die Haftbefehle gegen die beiden Beschuldigten aufgehoben hat: Die Beweislage gebe einen dringenden Tatverdacht nicht mehr her, sagte eine Sprecherin. Einer der Männer wurde am Montag aus der Haft entlassen, der zweite bereits Ende Oktober. Jürgen Kasek, einer der Verteidiger, spricht von einem „Skandal“, dass die Betroffenen überhaupt inhaftiert wurden.
Die 22- und 23-Jährigen sollen im August 2019 einen Brandanschlag auf den Neubau der JVA Zwickau und drei Monate später auf eine beteiligte Baufirma in Rodewisch verübt haben. Mehrere hunderttausend Euro Sachschaden entstand, in Bekennerschreiben wurden die Taten als Beitrag zum Kampf gegen „eine Welt der Unterdrückung und Ausbeutung“ erklärt.
Die Brandstiftungen reihten sich ein in eine Serie an linksextremen Anschlägen in und um Leipzig – die vorerst allesamt unaufgeklärt blieben. Sachsen gründete darauf im November 2019 eigens eine „Soko Linx“ beim LKA, um die Ermittlungen nach Tätern zu forcieren.
Beweisführung mit Polizeihunden
Doch einer der ersten großen Erfolge, die Festnahme des Dresdner Duos, stand von Beginn an auf wackligen Füßen. Denn die Ermittler wollten die Männer aufgrund einer Geruchsspur überführt haben, die ein Polizeihund sowohl an einem nicht gezündeten Brandsatz als auch in der Wohnung der Betroffenen gewittert haben soll. Aufgespürt hatte die Soko einen der Männer wegen eines kritischen Onlinepostings über die Baufirma, deren Inhaber mit einer AfD-Großspende für Aufsehen sorgte.
Die Verteidiger gingen nach den Festnahmen umgehend gegen die Haftbefehle vor. Und das Landgericht Dresden gab ihnen nun recht. Selbst wenn die Geruchsspuren verwertbar wären, reichten sie allein nicht für eine Verurteilung aus, heißt es nach taz-Informationen in ihrem Beschluss. Sonstige Indizien oder Beweismittel aber fehlten – und seien nach gut einem Jahr Ermittlungen auch nicht mehr zu erwarten. Auch das Posting beweise nicht die Tat, so die RichterInnen. Und auf den Handys der Männer habe sich ebenso nichts Belastendes gefunden. Eine Verurteilung der Beschuldigten sei damit nicht mehr sehr wahrscheinlich.
Verteidiger Kasek spricht von einem Eindruck politischer Ermittlungen. „Die Soko Linx und Innenminister Wöller wollten einen Ermittlungserfolg auf Biegen und Brechen. Die Beweislage aber war von Anfang an haltlos, nun fällt alles in sich zusammen.“ Auf dieser Grundlage hätten die Beschuldigten nie verhaftet werden dürfen, kritisiert Kasek. Ein LKA-Sprecher sieht dagegen den Tatverdacht weiter nicht ausgeräumt – und verweist darauf, dass auch die Justiz die Durchsuchungs- und Haftbefehle zunächst bestätigte.
Hausdurchsuchungen für rechtswidrig erklärt
Es ist indes nicht der einzige Misserfolg der Soko Linx in jüngster Zeit. Denn auch ein zweiter Fall steht auf der Kippe. Bereits am 10. Juni hatte die Polizei in Leipzig-Connewitz neun Wohnungen durchsuchen lassen. Hintergrund war ein Angriff auf fünf Rechtsextreme im Februar im Bahnhof Wurzen. Die Neonazis waren damals auf der Rückreise von einem rechtsextremen „Trauermarsch“ in Dresden, als sie in einer Bahnhofsunterführung plötzlich von einer Gruppe Vermummter angegriffen wurden. Vier von ihnen mussten laut Polizei in ambulante Behandlung.
Die Täter entkamen zunächst unerkannt. Die Soko Linx aber trieb nach taz-Informationen ein Blitzerfoto eines BMW auf, das am Tattag auf halber Strecke zwischen Wurzen und Leipzig entstand. Darauf zu sehen waren drei Leipziger, welche die Ermittler der linken Szene zuordneten – und zu Tatverdächtigen machten. Diese drei und weitere Personen, die mit ihnen in Kontakt standen, wurden schließlich am 10. Juni durchsucht. Es erfolgten DNA-Abnahmen, festgenommen wurden sie nicht.
Die Indizien jenseits des Blitzerfotos bleiben aber auch hier dünn. In einem Fall reichte es, dass eineR der Mitfahrer*innen drei Stunden nach der Tat in Wurzen einen Betroffenen versucht hatte anzurufen. Laut einer Unterstützergruppe waren die meisten Durchsuchten bereits Beschuldigte in einem früheren Verfahren, in dem Ultras von Chemie Leipzig als kriminelle Vereinigung verdächtigt wurden – und das letztlich ergebnislos eingestellt wurde. Alle legten nun Beschwerde gegen die Razzien ein.
Das Landgericht Leipzig gab zumindest zweien recht und erklärte ihre Durchsuchungen bereits Ende Oktober für rechtswidrig, wie eine Sprecherin der taz bestätigte. Im Fall des Angerufenen hätten die Richter befunden, dass für das versuchte Telefonat viele Gründe infrage kämen. Einen Tatverdacht begründe dies nicht. Im zweiten Fall wurde eine Frau durchsucht, die lediglich in einer früheren Wohnung eines Tatverdächtigen lebte.
Unterstützer sehen „Machtdemonstration“
Eine Unterstützergruppe der Durchsuchten wirft auch in diesem Fall der Soko Linx eine „Willkürlichkeit“ vor, nach denen die Beschuldigten ausgesucht worden seien. Offenbar gehe es den Ermittlern um eine „Machtdemonstration“. Beim LKA wird auch hier darauf verwiesen, dass die Durchsuchungsbeschlüsse richterlich abgesegnet waren. Ein Druck auf die linksmilitante Szene wird indes offen eingeräumt. Natürlich seien die Maßnahmen auch Signale an Straftäter, dass ihnen Verfolgung drohe, erklärte ein Sprecher.
Am vergangenen Donnerstagabend traf das nun eine 25-jährige Leipzigerin, die festgenommen wurde, weil sie an zwei Angriffen auf ein rechtsextremes Lokal in Eisenach beteiligt gewesen sein soll. Zudem sei sie Mitanführerin einer militanten Antifa-Gruppe, welche die Ermittler als kriminelle Vereinigung einstufen. Auch hier ermittelte die Soko Linx, am Ende stieg die Bundesanwaltschaft ein. Der Verteidiger der festgenommenen Frau wartet noch auf Akteneinsicht, bevor er Schritte unternimmt.
Soko Linx ermittelt zu Gegenprotest bei Coronademo
Die Soko Linx widmet sich derweil bereits neuen Aufgaben: den Vorgängen um die Demonstration von Coronaverharmlosern und Rechtsextremen in Leipzig. Am Montag veröffentlichte sie einen Fahndungsaufruf nach Straftätern unter den Gegendemonstranten. Gesucht wird nach Personen, die zwei Busse von Coronaprotestlern mit Steinen bewarfen, ein Auto anzündeten, einen Polizeiposten mit Flaschen bewarfen oder an einer Hausfassade „sechs schwarze Farbflecken“ hinterließen.
Zu den Übergriffen der Coronaleugner gibt es bisher keine öffentlichen Fahndungen. Dies, so der LKA-Sprecher, könne in Kürze aber noch folgen.
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