Pistorius neuer Verteidigungsminister: „Will die Bundeswehr stark machen“
Boris Pistorius, künftiger Bundesverteidigungsminister, will die Bundeswehr bei Modernisierungen „ganz eng“ mitnehmen. Am Donnerstag soll er vereidigt werden.
Der scheidende Innenminister von Niedersachsen sagte weiter, er gehe das neue Amt mit Demut und Respekt an. Es sei eine große Ehre für ihn. Er wolle sich vom ersten Tag an zu 150 Prozent in die Arbeit stürzen. Der zurückgetretenen Ministerin Christine Lambrecht (SPD) bescheinigte er, dass sie den Anfang für die Neuaufstellung der Bundeswehr gemacht habe.
Lambrecht hatte am Montag um Entlassung gebeten. Ihr Nachfolger Pistorius soll am Donnerstag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ernennungsurkunde erhalten und im Bundestag vereidigt werden.
Pistorius gilt als erfahrener Politmanager. Im Kreis der Innenminister von Bund und Ländern hat sich Pistorius in den vergangenen Jahren einen Ruf als kenntnisreicher Fachpolitiker erworben. Auch wenn er stets in Niedersachsen blieb, war er auch an der innenpolitischen Positionierung der Bundes-SPD in Wahlkämpfen und an Koalitionsverhandlungen beteiligt.
Bei den Innenministerkonferenzen machte es dem als pragmatisch geltenden Pistorius immer sichtlich Freude, sich mit Konservativen wie dem früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf offener Bühne zu streiten, schlagfertig, mit spitzen Bemerkungen, aber nie respektlos. Zur Idealbesetzung für den Posten des Verteidigungsministers macht Pistorius vielleicht auch sein Alter. Mit 62 Jahren kann ein Politiker schließlich ganz entspannt das Chefbüro im Bendlerblock beziehen, das gemeinhin als Schleudersitz und damit auch als potenzieller Karrierekiller gilt.
Pistorius wurden immer wieder Ambitionen für ein politisches Amt auf Bundesebene nachgesagt. Es gab beispielsweise Gerüchte, er könnte Bundesinnenminister werden, sofern Nancy Faeser bei der Landtagswahl in Hessen als Spitzenkandidatin für die SPD antritt.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht den künftigen Verteidigungsminister als geeignet für das neue Amt an. „Boris Pistorius ist ein sehr erfahrener Politiker, der in schwierigen Situationen über die nötige Nervenstärke verfügt“, hieß es in einer Mitteilung des Vizekanzlers am Dienstag. Er habe Pistorius immer als verbindlich und verlässlich erlebt. Der künftige Verteidigungsminister übernehme das Amt in sehr entscheidenden Zeiten, betonte Habeck mit Blick auf den Angriff Russlands auf die Ukraine. Die Vorzeichen für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik hätten sich geändert. Es seien auch kurzfristig wichtige Entscheidungen zu treffen.
SPD-Chef Lars Klingbeil hat Pistorius als ideale Besetzung für das Amt des Verteidigungsministers bezeichnet. Gleichzeitig betonte er, dass die Frage der Parität von Männern und Frauen weiterhin wichtig bleibe – dem Bundeskanzler und der SPD-Spitze.
„Boris Pistorius ist in dieser herausfordernden Zeit der Richtige für den Job als Verteidigungsminister an der Spitze des Ministeriums“, sagte Klingbeil am Dienstag vor einer Klausur der bayerischen SPD-Landtagsfraktion in München. „Und er wird zeigen, dass er die Bundeswehr und die deutsche Sicherheitspolitik durch diese herausfordernde Phase der Zeitenwende gut führen kann.“
Pistorius absolvierte eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Von 1980 bis 1981 absolvierte er seinen Wehrdienst, anschließend studierte er Rechtswissenschaften in Osnabrück und Münster. Pistorius ist bereits seit 2013 Innenminister in Niedersachsen, vor wenigen Monaten begann seine dritte Amtszeit. Zuvor war er von 2006 bis 2013 Oberbürgermeister in Osnabrück. Pistorius ist verwitwet und hat zwei Töchter.
Forderungen nach Parität
Zuvor hatte es aus verschiedenen Richtungen konkrete Forderungen an die Nachfolgeregelung gegeben. Einige Politiker*innen wurden als möglicher Nachfolger*innen gehandelt.
Befragt zu seinen Ambitionen, sagte etwa Hubertus Heil in der ARD-Sendung „Hart aber fair“: „Ich bin Bundesarbeitsminister und habe viel vor – und zwar in dem Amt.“
Ebenfalls vage über ihre Ambitionen äußerte sich die Vorsitzende des Bundestagsverteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): „Es stellt sich nicht die Frage, was man gerne machen würde oder nicht“, sagte sie in den ARD-“Tagesthemen“. Die derzeitige Situation sei alles andere als schön. Nach dem Rücktritt von Lambrecht müsse man nun „sofort den Schalter umlegen und sehen, wer in der Lage ist, dieses Amt zu führen“.
An der Spitze des Verteidigungsressorts müsse jemand stehen, der trotz aller Loyalität zum Kanzler „am Kabinettstisch die Interessen der Soldatinnen und Soldaten laut vertreten“ könne, sagte Strack-Zimmermann. Es dürfe keine Person sein, „die das als Sprungbrett sieht für weitere Aufgaben“. Jeder, der jetzt das Amt übernehme, „muss sich der Ernsthaftigkeit klar sein“, forderte die FDP-Politikerin.
Auch die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger verwies auf die großen Probleme: „In Zeiten des Krieges auf unserem Kontinent und angesichts der komplexen Herausforderungen in dem schwierigsten aller Ressorts braucht es in der Nachfolge jemanden, der oder die die seit Jahren bekannten und liegen gebliebenen Probleme endlich anpackt“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus