Lambrecht-Nachfolge: Mehr Distanz zur Lobby, bitte

Die neue Verteidigungsministerin sollte Führungsqualitäten mitbringen. Genauso wichtig ist aber weniger Nachsicht gegenüber der Rüstungsindustrie.

Lambrecht beim Besuch der Panzerbrigade Foto: Philippe Schulze/dpa

Nicht mal der Stabwechsel läuft glatt. Erst werden Christine Lambrechts Rücktrittspläne vorzeitig publik, dann amtiert sie noch ein Wochenende lang auf Abruf, und als sie am Montag schließlich offiziell hinwirft, haben der Kanzler und die SPD-Spitze die Nachfolge noch nicht geklärt. Aus „Respekt vor der Entscheidung der Ministerin“ warte man noch ein bisschen mit der Präsentation der neuen Hausspitze, heißt es. Die Wahrheit ist aber wohl eher: Die Personalsuche ist trotz wochenlanger Vorbereitungszeit nicht einfach.

Aber auch wenn CDU und CSU die Vakanz nutzen, um Olaf Scholz Führungsschwäche zu unterstellen, und auch wenn in Kriegszeiten ein gewisser Handlungsdruck nicht zu leugnen ist: Wenn am Ende der Legislaturperiode die Zeit für eine Bilanz kommt, wird nicht entscheidend sein, ob die Bundesrepublik im Januar 2023 für ein paar Stunden mehr oder weniger ohne Verteidigungsministerin dastand. Dann wird vielmehr entscheidend sein, ob die SPD den Posten beim zweiten Versuch passend besetzt hat.

Worauf es ankommt? Erst einmal gibt es die naheliegenden Kriterien: Souveränes Auftreten in der Öffentlichkeit. Führungsqualitäten im schwierig zu regierenden Verteidigungsministerium. In der aktuellen Situation auch verteidigungspolitische Vorerfahrung – zu viele knifflige Aufgaben stehen an, als dass sich der oder bestenfalls die Neue viel Einarbeitungszeit leisten kann.

Widersprüchliche Rolle Lambrechts beim Thema Rüstung

Was aber auch nicht schaden würde: eine gesunde Distanz und Robustheit gegenüber der Rüstungsindustrie. Dass in der Vergangenheit Milliardensummen aus dem Verteidigungshaushalt versickerten, hatte auch mit einem Übermaß an Nachsicht und Sympathie des Ministeriums und der Bundeswehr für die Konzerne zu tun.

Christine Lambrecht hatte stellenweise schon gegengesteuert und zuletzt nach Pannen beim Schützenpanzer Puma die Hersteller nicht geschont. An anderen Stellen klang aber auch sie zuweilen wieder wie eine Rüstungslobbyistin – etwa wenn sie gefragt oder ungefragt bei jeder Gelegenheit vor strengen Regeln im neuen Rüstungsexportrecht warnte.

Eine klare Haltung in solchen Fragen würde nicht zuletzt der SPD gut stehen. Nur ist leider eines zu befürchten: dass dieses Kriterium bei der Personalentscheidung des Kanzlers nicht an erster Stelle steht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.