Nouripours Abgesang auf die Ampel: Richtiger Zeitpunkt
Nouripour hat die Ampel lange verteidigt. Dass nun auch er resigniert hat, kommt zur rechten Zeit. Die Distanzierung von der FDP muss jetzt sein.
J etzt ist die Lage wirklich ernst. Seit seinem Amtsantritt war Grünen-Chef Omid Nouripour in erster Linie damit aufgefallen, den Frieden innerhalb der Koalition zu beschwören. Konstruktiv zusammenarbeiten, die Erfolge feiern und den Streit nicht nach außen tragen: Das war sein Mantra.
Ein Jahr vor der Bundestagswahl hat jetzt aber selbst er resigniert. Die Ampel sei nur eine „Übergangsregierung“, sagte er am Sonntag im ARD-Sommerinterview. Von nun an gehe es für die Grünen stärker um „Unterscheidbarkeiten“ von den Koalitionspartnern.
Richtig so. In einer Regierung gibt es zwar die kommunikative Notwendigkeit, die eigene Arbeit nicht noch schlechter zu reden, als sie ist. Die niedrigen Zustimmungswerte für die Ampel sind nicht nur, aber auch durch ihre miese Außendarstellung zu erklären. Je näher die Bundestagswahl 2025 rückt, desto dringlicher wird für die Grünen aber eben eine zweite, gegenläufige Notwendigkeit: sich speziell von der FDP und deren haushaltspolitischen Blockaden abzugrenzen.
Grüne Projekte sind mit der FDP nicht umsetzbar
Im Wahlkampf wird die Mitte-links-Partei mit allerhand Großprojekten werben, die Geld kosten: Transformation hin zur Klimaneutralität, Ertüchtigung der Infrastruktur, Sicherheit nach innen und außen – und das alles nach Möglichkeit sozial gerecht. Um glaubwürdig zu vermitteln, dass sie das in den nächsten Jahren zustande bringen würden, müssen die Grünen aber gleichzeitig erklären, warum ihnen bislang so wenig gelang.
Sie müssen die Frage der Investitionen zuspitzen und zum richtigen Moment vom einen Modus („Die Ampel ist besser als ihr Ruf“) auf den anderen („Mit der FDP ist das Notwendige nicht machbar“) umschalten. Das Risiko, wenn sie den Schritt zu spät gehen: Den Kurswechsel nimmt ihnen keiner mehr ab. Das Risiko, wenn sie den Schritt zu früh wagen: Arbeitsklima und Image der Ampel werden weiter beschädigt. Bei Letzterem ist nach unten aber ohnehin nicht mehr viel Luft. Welcher Zeitpunkt ist also der richtige? In der Abwägung ist diese Frage nicht schwer zu beantworten: jetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung