Neue Asyldebatte: Populismus ohne Obergrenze
Die neuen Vorschläge von Union und FDP sind reines Wahlkampfgetöse – sie wecken unrealistische Erwartungen. Profitieren dürfte nur die AfD.
K eine drei Wochen mehr, dann sind in Hessen und Bayern Landtagswahlen. Das ist der Hauptgrund, warum die Debatte über Flüchtlinge und „irreguläre Migration“ jetzt wieder so hochkocht. Union und FDP glauben, dass sie SPD-Innenministerin Nancy Faeser und die Grünen mit diesem Thema in die Ecke drängen und als naive Gutmenschen hinstellen können, denen die Ängste und Sorgen der „normalen“ Menschen egal sind. Die aktuellen Bilder aus Lampedusa spielen ihnen dabei in die Hände.
Tatsächlich kommen nicht nur in Italien, sondern auch in Deutschland wieder mehr Flüchtlinge an. Manche Kommunen stellt das vor Probleme, weil es etwa an Wohnraum fehlt; auch Schul- und Kitaplätze sind knapp. Das liegt aber vor allem daran, dass Deutschland zuletzt mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat. Zum Glück fordert bisher niemand, diese wieder zurückzuschicken – auch wenn das die Zahl der Geflüchteten in Deutschland theoretisch senken würde.
Stattdessen dreht sich die Debatte um die – deutlich weniger – Menschen, die derzeit aus anderen Ländern der Welt nach Europa kommen. Die meisten der Vorschläge, die Union und FDP jetzt machen, um ihre Anzahl zu senken, sind allerdings reines Wahlkampfgetöse. Eine Obergrenze für Asylanträge? Rechtlich unmöglich. Sach- statt Geldleistungen für Asylbewerber:innen? Eine Schikane, die nur den bürokratischen Aufwand erhöht und sich nicht bewährt hat. Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz? Vor allem teure Symbolpolitik, die dem Tourismus, Pendler:innen und dem Warenverkehr schadet. Die Maghrebstaaten zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklären? Das mag Asylverfahren verkürzen, ändert aber nichts daran, dass mehr Menschen von dort kommen.
Es geht um besseres Management
So gesehen ist es ein geschickter Schachzug der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang, Nancy Faeser und die FDP daran zu erinnern, dass sie im Koalitionsvertrag mal vollmundig eine „Abschiebeoffensive“ angekündigt haben, die auf sich warten lässt, weil sich das eben nicht so einfach umsetzen lässt.
Genau das ist das Problem mit den ständig neuen Forderungen von Union und FDP: Sie wecken Erwartungen, die sich nicht erfüllen werden – und darum zu Enttäuschungen führen. Ehrlicher wäre es zu sagen, dass sich Fluchtmigration nicht komplett verhindern, sondern nur besser managen lässt. Ja, es gibt Probleme, aber keinen Grund zur Panik. Das aktuelle Krisengerede und ein populistischer Überbietungswettbewerb um die härteste Forderung nützen nur der AfD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft