Kommentar zu Englisch in Restaurants: Plump den Stammtisch bedient
Der CDU-Politiker Jens Spahn echauffiert sich darüber, dass Berlins Kellner manchmal kein Deutsch könnten. Willkommen in Europa, Herr Spahn!
Eigentlich gehören die Sätze, die Jens Spahn, CDU-Staatssekretär im Finanzministerium da am Wochenende in der Neuen Osnabrücker Zeitung von sich geben durfte, in die Kategorie geflissentlich zu überhörendes Wahlkampfgeschwätz. Es gehe ihm „zunehmend auf den Zwirn, dass in manchen Berliner Restaurants die Bedienung nur Englisch spricht“, sagte Spahn. Deutsch zu lernen, wenn man in Deutschland leben will – das dürfe man wohl erwarten von jedem, der in dieses Land kommt.
Wenn einer so plump den Stammtisch bedient, ist da ja immer die Abwägungsfrage: Ignorieren, den vom Interviewten einkalkulierten Empörungsreflex der Medien ins Leere laufen lassen – oder dem Stammtisch doch etwas entgegenhalten?
In diesem Fall ist der vermeintliche Aufregersatz so billig, dass man nicht widerstehen kann. Spahn, der gerne mal scharf vom Rechtsaußenflügel der Union beim Thema Zuwanderung schießt, bedient sein Lieblingsnarrativ, die Angst vor der „Überfremdung“ ausgerechnet mit – Europa. Denn natürlich kommen die englischsprachigen KellnerInnen in den hippen Restaurants, Bars und Cafés in Mitte, Kreuzberg und Neukölln in der Regel nicht aus Afghanistan oder Syrien. Es sind meist junge Spanier und Engländer, die hier studieren, ihre Kreativ-Projekte verfolgen und sich nebenher ein bisschen was verdienen.
In der Diskussion um zunehmend nur Englisch sprechende Kellner in Berlin gibt sich die Tourismusgesellschaft der Hauptstadt gelassen. "Wir sind einfach eine Stadt, die immer internationaler wird", sagte der Sprecher von visit Berlin, Christian Tänzler, am Montag. "187 Nationen leben in Berlin, da gehört eine zunehmende Fremdsprachigkeit dazu", sagte er mit Blick auf kritische Worte von CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn.
Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) sieht die Entwicklung eher undramatisch. Natürlich sollten "Menschen, die in Deutschland arbeiten, auch Deutsch sprechen können", sagte DEHOGA-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges.
Spahn hatte im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" seinen Unmut darüber geäußert, dass er in der Hauptstadt mit der deutschen Sprache bisweilen nicht mehr weiterkomme. "Mir geht es zunehmend auf den Zwirn, dass in manchen Berliner Restaurants die Bedienung nur Englisch spricht", sagte Spahn.
Englisch hört man in der Hauptstadt in vielen Lokalen - vor allem in Trendvierteln wie Neukölln, Kreuzberg, Teilen von Mitte und Prenzlauer Berg. (dpa)
Das Restaurant-Englisch hat etwas mit Schengen und Erasmus zu tun, mit der klassischen Debatte um Integrationspolitik hat es nichts zu tun. Aber Spahns Interviewsätze bedienen eben schön eine Form von Heimat-Rhetorik, wie sie auch die AfD gut kann: Unser Land, unsere Sprache, unsere Bars. Man wird hier ja wohl noch auf Deutsch ein Bier bestellen können!
Spahns Überfremdungsrhetorik ist in Wirklichkeit eine Anti-Europa-Rhetorik. Selbstverständlich würde sich der CDUler nie als Anti-Europäer bezeichnen. Ist auch egal. Hier ging es um den Stammtisch, den die CDU von der AfD zurückerobern will – und der übrigens in Deutschland dort steht, wo man das Bier garantiert nicht auf Englisch bestellt.
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