Klima-Volksentscheid in Berlin scheitert: Signal aus Spandauer Vorgärten
Eine bittere Niederlage für die Klimabewegung: Der Volksentscheid Klimaneustart hat das Quorum klar verfehlt und mehr Ablehnung erfahren als erwartet.
D ie Wahlbeteiligung ist niedrig, die Außenbezirke haben zu großen Anteilen überwiegend mit „Nein“ gestimmt: Der Volksentscheid von Klimaneustart Berlin verfehlt sein Ziel. Zwar gibt es laut dem vorläufigen Zwischenergebnis eine knappe Mehrheit für die Veränderung des Klimaschutz- und Energiewendegesetzes, doch das nötige Quorum wird offenbar deutlich verpasst. Berlin bleibt damit beim Ziel der Klimaneutralität erst ab 2045.
Das ist durchaus ein Tiefschlag für die Klimabewegung der Stadt. Das Signal, das um die Welt gehen sollte, wurde in den Spandauer und Reinickendörfer Vorgärten zwischen Swimmingpool und SUV erfolgreich abgewürgt.
Der Entscheid hat damit den Trend der Berliner Wiederholungswahl, aus der die CDU als klarer Sieger hervorging, bestätigt: Das Ergebnis ist erneut ein Dämpfer für progressive Politik. Trotz einer großen und überall in der Stadt sichtbaren Kampagne für ein „Ja“ sind nicht genug Menschen an die Urnen gegangen. Und obwohl es keine Gegenkampagne gab, haben deutlich mehr Menschen mit „Nein“ gestimmt als erwartet.
Die Klimabewegung sollte analysieren, warum es nicht gereicht hat und welchen strategischen Anteil man daran haben könnte. Denn der größere Rahmen ist natürlich die sich zuspitzende Klimakrise: ein alarmierender IPCC-Bericht in der Vorwoche, unzählige Wissenschaftler*innen, die das Volksbegehren unterstützt haben, drohende Kipppunkte und nicht abreißende Hitzerekorde und Starkwetterereignisse weltweit.
Empfohlener externer Inhalt
Hinzu kommt aber vermutlich auch eine gewisse Krisenmüdigkeit nach Pandemie, Krieg und eine von hohen Energiepreisen angeheizte Inflation. Vielleicht sollten daher soziale Antworten auf die Klimakrise beim nächsten Anlauf der Klimabewegung eine größere Rolle spielen als apodiktische Zielsetzungen und Fokussierung auf ein Datum. Aber wie immer gilt: Hinterher ist man immer schlauer.
Klein-Berlin ist zurück
Ein bitterer Beigeschmack bleibt bei alledem, dass die SPD die direkte Demokratie erneut sabotiert hat. Die zuständige Innenverwaltung hatte unter vorgeschobenen bis absurden Begründungen erklärt, es sei unmöglich, den Volksentscheid zusammen mit der Wiederholungswahl durchzuführen. Diese für Demokrat*innen eigentlich unmögliche Taktik haben Berlins Wähler*innen nicht bestraft – leider, möchte man sagen.
Stattdessen bleibt es bei der drohenden Betonkoalition zwischen SPD und CDU im Senat – und die Klimaziele bleiben auch so, wie sie sind. Überspitzt könnte man sagen: Klein-Berlin ist zurück, das am Grill über „Klima-Kleber“ meckert und aus den heckenbeschatteten Vorgärten und Carports die Politik bestimmt, während die Innenstadt weiter schwitzen muss.
Empfohlener externer Inhalt
Unterm Strich haben die Aktivist*innen von Klimaneustart immerhin für jede Menge Bewegung gesorgt. Gerade vor dem Hintergrund des Klima-Volksbegehrens hatten SPD und CDU bei den Koalitionsverhandlungen durchaus Feuer unter dem Hintern: Sie sahen offenbar sich sogar dazu genötigt, bereits größere Beträge für den Klimaschutz zu versprechen, als man von ihnen erwarten würde. Dahinter können sie nicht mehr zurück. Auch das ist ein Verdienst des Volksentscheids. Feiern sollten die Aktivist*innen also trotzdem ein bisschen, auch wenn der Sekt heute bitter schmeckt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben