Hochwasserschäden in Süddeutschland: Und wer soll das bezahlen?
In Frankreich gibt es schon seit 1982 eine Pflichtversicherung gegen Naturkatastrophen. Taugt die als Vorbild für Deutschland?
![Mehrere Personen vor einem überschwemmten Haus. Mehrere Personen vor einem überschwemmten Haus.](https://taz.de/picture/7049285/14/35490863-1.jpeg)
Nach den verheerenden Überschwemmungen im Süden Deutschlands kommt neue Bewegung in die Diskussion über die Versicherbarkeit solcher Ereignisse, sogenannter Elementarschäden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) drängt auf eine Lösung. „Eigentümer von Häusern und Wohnungen müssen sich gegen Elementarschäden versichern können“, sagte er in seiner Regierungserklärung am vergangenen Donnerstag. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Kanzler am 20. Juni wird diese Frage auf der Tagesordnung stehen. Die Länderchef:innen fordern die Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Bislang bewegt sich die Bundesregierung in dieser Frage aber nicht.
Durch die Klimakrise nehmen extreme Wetterereignisse zu. Etliche Bürger:innen bleiben auf massiven Schäden sitzen. Denn Gebäude- oder Hausratsversicherungen kommen dafür nur auf, wenn Kund:innen einen Elementarschadenzusatz abgeschlossen haben. Das ist aber nicht jedem klar. Außerdem ist es in Gefahrengebieten schwierig, diesen Zusatz zu einem erschwinglichen Preis oder überhaupt zu bekommen. Bundesweit gilt er für nur 54 Prozent der privaten Gebäude. In Bayern sind es nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 47 Prozent. In Baden-Württemberg dagegen haben 94 Prozent den Zusatz. Dort gab es bis 1994 eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden.
Bund und Länder springen zwar regelmäßig nach Naturkatastrophen mit Hilfen in Milliardenhöhe ein. Aber für Privatleute ist es nicht einfach, an diese Gelder zu kommen. Vor allem haben sie keinen Anspruch darauf. Bei einer Versicherung ist das anders. Wäre sie verpflichtend, könnte – je nach Modell – die Prämie auch in Gefahrengebieten bezahlbar werden. In Frankreich hat François Mitterrand 1982 eine Pflichtversicherung für Schäden eingeführt, die durch Naturereignisse verursacht werden. Sie wird von vielen Sozialdemokrat:innen und Grünen als Vorbild für Deutschland gesehen.
Buschmann lehnt Pflichtversicherung ab
In Frankreich zahlen Kund:innen unabhängig vom individuellen Risiko auf Versicherungspolicen eine Abgabe von 12 Prozent der Prämie, im Schnitt 26 Euro im Jahr. Diese Abgabe steigt allerdings 2025 auf 20 Prozent. Bei einem Schaden ist eine Eigenbeteiligung zwischen 380 und 1.520 Euro fällig. Die Versicherung zahlt, wenn eine interministerielle Kommission feststellt, dass es sich um eine Naturkatastrophe handelt. Der französische Staat übernimmt einen Teil des Schadens, wenn der die Versicherer zu überfordern droht.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Die deutsche Assekuranz hält nichts davon, dieses Modell zu übernehmen. Sie ist gegen eine Pflichtversicherung. Branchenvertreter:innen weisen darauf hin, dass auch das französische System durch die Klimakrise unter Druck gerät. Seit 2015 sei die Versicherung defizitär, sagt Anja Käfer-Rohrbach vom Branchenverband GDV. „Frankreich muss an seinem System arbeiten, um es zu stabilisieren.“ Dem Verband zufolge sind hierzulande nicht neue Verträge das Problem, da gerade jungen Menschen der Klimawandel bewusst sei.
Um Kund:innen mit bestehenden Verträgen ohne Elementarschutz zu erreichen, plädiert der Verband für ein Abwahlmodell: Die Versicherer sollen alle Kund:innen mit einer Police anschreiben und ihnen den Zusatz anbieten. Nur wenn Verbraucher:innen sich aktiv dagegen entscheiden, würde das nicht wirksam. Dieses Vorgehen müsste der Gesetzgeber erlauben. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat signalisiert, dass er dazu bereit wäre. Eine Pflichtversicherung lehnt er ab.
Allerdings: Auch der Elementarschadenzusatz ist kein Rundumschutz. Versichert ist nur, was im Vertrag aufgelistet ist – etwa Überschwemmung, Erdrutsch, Erdbeben und Schneedruck. Dringt dann Grundwasser ins Haus, kommt der Versicherer nicht für entstandene Schäden auf. Die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands Ramona Pop hält eine Pflichtversicherung deshalb für den zweiten Schritt vor dem ersten. „Die Bundesregierung sollte zunächst gesetzlich definieren, welche Risiken durch Wohngebäudeversicherungen abgesichert werden müssen“, fordert sie. Das sollten auch Schäden aufgrund von Sturmflut, Grundwasser und Durchfeuchtung sein.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Ukraine-Verhandlungen in Saudi-Arabien
Wege und Irrwege aus München
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?