Gaza-Hilfsschiff „Madleen“: Der eigentliche Skandal
Das Problem sind nicht Greta und ihre Crew, die auf das Leid in Gaza aufmerksam machen wollen – sondern dass sonst niemand etwas dagegen unternimmt.

D er Hass und die Häme, die Greta Thunberg und ihren Mitstreitern auf ihrem Hilfsschiff, der „Freedom Flotilla“, in den vergangenen Tagen insbesondere aus Deutschland entgegenschlugen, sind bemerkenswert. Von einer „Inszenierung“ sprach der Spiegel, von einem „PR-Stunt“ die Frankfurter Rundschau, der Tagesspiegel meinte einen „Segeltörn für Selbstdarsteller“ zu erkennen. Solche Kritik ist wohlfeil und kommt von Leuten, die selbst nicht mal einen Finger krumm gemacht haben, um etwas am Leid in Gaza zu ändern.
Fakt ist: Hunderttausenden Menschen im Gazastreifen droht der Hungertod, weil Israels rechtsradikale Regierung Hunger als Waffe einsetzt – und als Druckmittel, um sie in für sie vorbestimmte Regionen zu vertreiben. Darauf wollten Thunberg und ihre Crew aufmerksam machen, und das ist ihnen zum Teil auch gelungen. Zum Glück ist ihre Aktion glimpflich ausgegangen: Thunberg wurde per Flugzeug nach Hause geschickt, acht weitere Aktivisten werden vermutlich bald abgeschoben. Das war nicht unbedingt abzusehen. Die israelische Armee hat in den vergangenen Monaten wenig Hemmungen gezeigt, sogar humanitäre Helfer, Journalisten oder Sanitäter über den Haufen zu schießen. Es ist wohl nur ihre Prominenz, die Greta & Co davor bewahrt hat, ein ähnliches Schicksal zu erleiden.
Die wichtigere Frage ist: Warum tun westliche Länder nicht mehr, um das Grauen in Gaza zu stoppen? In einer gerechteren Welt würde der UN-Sicherheitsrat Israel auffordern, seine Blockade zu beenden, und UN-Friedenstruppen beauftragen, sie zu durchbrechen. UN-Blauhelmsoldaten müssten die humanitären Konvois an der Grenze begleiten und dafür sorgen, dass sie bei den Menschen ankommen. Stattdessen werden die Lebensmittel in den Lastern schlecht und israelische Soldaten oder bewaffnete Banden schießen auf hungernde Menschen, die an den dubiosen „Verteilzentren“ auf Essen hoffen. Das ist der eigentliche Skandal – nicht die Tatsache, dass junge Aktivist*innen mit ihren Mitteln versuchen, auf das Grauen in Gaza aufmerksam zu machen.
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