Fragerunde mit CDU-Vorsitz-Kandidaten: Nur Norbert sticht raus
Laschet, Merz und Röttgen sind in einer Fragerunde nett zueinander. Wer genau hinhört, erfährt Überraschendes über einen Kandidaten.
Röttgen will die CDU noch immer weiblicher, jünger und digitaler machen. Merz betont schneidig, dass er einen Plan für die Zeit nach Merkel hat, und lächelt viel. Laschet betont onkelig wie immer, dass er ein Teamplayer ist. Er will alles versöhnen, Wirtschaft und Ökologie, Stadt und Land, ein wandelnder Vermittlungsausschuss. Alle drei sind für Europa, alle sind für die soziale Marktwirtschaft, alle sind für Klimaschutz, den man sich aber nicht von den Grünen vorschreiben lassen will. Alle wollen mehr Frauen in der CDU, Merz will dafür sogar die Quote ertragen.
In der CDU gibt es zwei Zustände. Entweder den bitteren Krieg, den Merz kürzlich bei Streit um den Termin des Parteitages entfachte oder den Normalmodus, in dem man freundlich Argumente austauscht, bei denen alle wissen, dass es eigentlich um etwas anderes geht. Denn die CDU, die letzte große klassische Volkspartei in Europa, hält nicht der Diskurs im Innersten zusammen, sondern die Macht. Programm ist eher Girlande.
Bei der Frage, wo die Union in einer schwarz-grünen Regierung hart bleiben muss, gibt es aber doch verschiedene Tönungen. Merz legt die bekannte Platte auf, dass die Grünen alles verbieten wollen. Dieser Schuss saß allerdings zum letzten Mal 2013. Armin Laschet nennt zwei konkrete Punkte: Innere Sicherheit und Deutschland als Industriestandort. Das zeigt, dass das Bild – Merz als Grünen-Schreck, Laschet als pflegeleichter, ökokompatibler Merkel-Nachfolger – zu schlicht ist.
Röttgen der Öko?
Letzteres wiederum trifft auf Röttgen zu, dem zu den Grünen partout nichts Unfreundliches einfällt und der daher lieber noch mal über Digitalisierung redet. Laschet verdeckt mit seinem stets verbindlichen Ton, dass er genauso oft wie Merz die klassische CDU-Mixtur von gebremst neoliberal und konservativ vorträgt. Er fordert Entbürokratisierung, ein klassisches FDP-Thema, will am liebsten mit den Liberalen regieren und bloß keine Steuererhöhungen wie die SPD.
Der Aufklärung dienlich ist eine Frage am Ende der 90-Minuten-Runde, die in Unionskreisen exotisch wirkt: Was kann man gegen die Spaltung in Reich und Arm tun? Merz findet, dass es ohne den Flüchtlingsherbst 2015 eine Million Hartz-IV-Empfänger weniger gäbe – Schuld an der Armut ist also, zumindest zum Teil, wie oft bei Merz – Angela Merkel. Die Null-Zins-Politik enteigne die Sparer und gegen Altersarmut hilft, laut Merz, die Rente mit Aktien aufzumöbeln. Mit Merz als CDU-Chef bekommen SPD und Linkspartei ihren Lieblingsgegner.
Laschet kann das Problem von Arm und Reich nicht erkennen. Seit die Arbeitslosigkeit gesunken sei, werde die Schere doch gar nicht größer, sagt er treuherzig und wider alle Statistik. Das dürfte Laschets Freund Christian Lindner auch so sehen. Merz klingt aggressiver, aber bei der sozialen Frage passt zwischen ihn und Laschet an diesem Abend kaum ein Bierdeckel.
Nur Röttgen ist bereit die Realität zur Kenntnis zu nehmen. Der Trend sei so, Armut oft weiblich, während Kapitalbesitzer gerade in der Pandemie zu den Gewinnern gehören. Das sei „eine eklatante Ungerechtigkeit“. Das hätte Robert Habeck nicht schöner sagen können. Nur tun könne man gegen Krisenprofiteure wie Amazon national leider nichts. Röttgen zu fragen, ob denn ein höherer Mindestlohn diese Ungerechtigkeit abmildern könnte, möchte die Moderatorin lieber nicht.
Merz lobt den Abend am Ende als Wetterleuchten „einer neuen Diskussionskultur in der CDU“, offenbar nach Jahren finsteren Schweigens in den Merkel-Jahren. Das ist allzu euphorisch. Zu erkennen ist aber: der ökologisch aufgeklärte, liberale CDU-Chef wäre keineswegs Armin Laschet, sondern Norbert Röttgen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut