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Femizid an 34-jähriger AfghaninIm Namen des Patriarchats

Eine 34-jährige Afghanin wurde mutmaßlich von ihren Brüdern getötet. Die Staats­anwaltschaft spricht von „Ehrenmord“. Der Begriff verharmlost.

Gedenken an über 140 ermordeten Frauen im Jahr 2019, Berlin Foto: Christian Ditsch/imago

Mitte Juli wurde eine zweifache 34-jährige Mutter aus Berlin getötet. Dringend tatverdächtig sind ihre zwei Brüder, 22 und 25 Jahre alt, die mittlerweile beide in Untersuchungshaft sitzen. Am Freitag teilte die Polizei Berlin mit, dass die beiden Tatverdächtigen sich „gekränkt gefühlt haben, weil das Leben ihrer geschiedenen Schwester nicht ihren Moralvorstellungen entsprochen hatte.“ Das Opfer und die zwei mutmaßlichen Täter besitzen die afghanische Staatsbürgerschaft. Die Polizei und Generalstaatsanwaltschaft sprechen von einem „dringenden Verdacht eines sogenannten ‚Ehrenmordes‘“.

Dass Po­li­ti­ke­r:in­nen sich zu einzelnen Tötungsdelikten von Frauen äußern, kommt in der Regel nicht vor. Femizide nehmen, obwohl sie in Deutschland Alltag sind, in der politischen Debatte und auch in der deutschsprachigen Berichterstattung kaum Raum ein. Geht es allerdings um einen sogenannten Ehrenmord, sind Forderungen von Po­li­ti­ke­r:in­nen meist nicht weit.

Dabei sind „Ehrenmorde“ nur ein kleiner Teil der Gesamtzahl der Femizide. Laut einer Untersuchung des BKA von 1996 bis 2005 sind es durchschnittlich 12 pro Jahr, die Anzahl von Femiziden in Deutschland bewegt sich dabei jährlich im dreistelligen Bereich. Die Täter stammen dabei im Regelfall aus dem Nahbereich des Opfers, sind meistens die (Ex-)Partner.

Dieser Vergleich soll keine der Taten verharmlosen: Gewalt und Tötung von Frauen sind immer zu verurteilen. Doch der Vergleich legt ein Ungleichgewicht in der politischen Betrachtung und Berichterstattung offen. Und auch dieses Ungleichgewicht ist es, das schließlich das Leben von Frauen gefährdet – weil das Problem nicht in seiner kompletten Ausformung begriffen wird.

Falsches Narrativ

Nach der Tötung der 34-Jährigen ist die Debatte im vollen Gange. Im Interview mit dem Tagesspiegel sagte die Berliner Integrationssenatorin Elke Breitenbach: „In Deutschland wird jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Das ist kein Ehrenmord, das ist Femizid.“

Eine Aussage, die sofort auf Widerstand traf. Der CDU-Spitzenkandidat für die Berliner Abgeordnetenhauswahl im September, Kai Wegner, warf ihr vor, die Tat zu verharmlosen. Er sagte: „Frau Breitenbach leugnet die Realität, um ihr brüchiges Weltbild zu stabilisieren. Wer die religiös-kulturellen Hintergründe von sogenannten Ehrenmorden abstreitet, schützt die Täter und lässt die Opfer im Stich.“ Und auch die Berliner SPD-Spitzenkandidatin und jetzige Frauenministerin, Franziska Giffey, schrieb bei Twitter: „Es muss klar benannt werden, dass das nichts anderes ist als ein schrecklicher #Ehrenmord“.

Doch schon der Begriff an sich folgt einem falschen Narrativ, denn er übernimmt die Weltanschauung der Täter. Nämlich, dass es tatsächlich eine „Ehre“ gebe, die das Opfer verletzt habe. Ähnlich wie die Begriffe „Beziehungstat“ oder „Eifersuchtsdrama“ verharmlosen sie Tötungsdelikte an Frauen. Sogenannte Ehrenmorde sind die Folge einer patriarchalen Weltvorstellung, nämlich dass Frauen Männern unterstehen, ihnen zu gehorchen haben, und wenn sie das nicht tun, die „Ehre“ der Familie verletzen würden. Strukturelle Frauenverachtung ist also die Grundlage für solch eine Tat und die Bezeichnung „Femizid“, wie sie beispielsweise auch die WHO nutzt, angemessen.

Prävention und Schutz sind wichtiger

Nicht nur die Verwendung des Begriffs ist problematisch. Wenn Morde im Namen der vermeintlichen Ehre verübt werden, folgt darauf meist eine rassistisch konnotierte Debatte. Anstatt über die nötigen Schutzmaßnahmen für Frauen, wie den Ausbau von Frauenhäusern, bessere Gewaltschutzverfahren oder die Stärkung von präventiven Maßnahmen für gewalttätige Männer zu diskutieren, dreht die Debatte sich weg von den Betroffenen hin zu Fragen von Integration und Asylrecht. Natürlich ist es wichtig, dass Po­li­ti­ke­r:in­nen das Töten zum Beispiel der 34-Jährigen verurteilen. Doch zahlreiche Studien belegen, dass immer wieder versucht wird, Femizide als ein Problem, das von „außen“ in unsere Gesellschaft getragen wird, darzustellen.

Das zeigt sich einerseits in der Berichterstattung, die deutlich häufiger stattfindet, wenn die (mutmaßlichen) Täter Ausländer sind oder Migrationsgeschichte haben. Und auch in der Justiz: Verschiedene Studien der letzten Jahre zeigen, dass „Ehrenmorde“ in Deutschland härter bestraft werden als andere Femizide. Denn während Ersteres berechtigterweise als strukturelles Problem wahrgenommen wird, werden Femizide, die durch (Ex-)Partner verübt werden, noch immer als Einzelfall behandelt.

Ob Täter nach einer Trennung Femizide verüben oder durch eine vermeintlich verletzte Ehre – die Ursachenbekämpfung muss in jedem Fall früher beginnen. Denn auch die Gewalt setzt deutlich früher ein. Diese Unterdrückungsmechanismen ausfindig zu machen und von Beginn an in Schulen, Gemeinden und an anderen gemeinschaftlichen Orten zu bekämpfen, sollte Priorität haben. Mit der Unterzeichnung der „Istanbul-Konvention“ hat Deutschland sich auch zur Prävention von Gewalt gegen Frauen, Kindern und Queers verpflichtet. Diese nun 10 Jahre nach der Unterzeichnung endlich umzusetzen, sollte jetzt auf der politischen Agenda stehen.

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109 Kommentare

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  • Ich wundere mich immer wieder, wie angeblich emanzipierte Frauen, angebliche Feministinnen eine Gesellschaftsform verteidigen, die jeglicher Emanzipation widerspricht. Diese Männer haben offensichtlich innerfamiliär einen Mord geplant, weil ihnen die Lebensart ihrer Schwester nicht gefiel. Bestimmte Gesellschaften bezeichnen dies als verletzte Ehre. Damit ist dies ein Ehrenmord, genauso wie es Mord aus Eifersucht, Geldgier o.ä. gibt. Es gibt viele, viel zu viele Morde an Frauen aus verschiedenen Motiven. Ein Ehrenmord von einem Deutschen ohne Migrationshintergrund ist aber sicher eine absolute Rarität: kennt jemand ein Beispiel?

    • @Emsch:

      Und genau das von Ihnen geschriebene Verhalten ist im Artikel beschrieben...



      Danke, dass Sie direkt die Beweisführung unterstützen...

      Bei Ihnen geht es schon nicht mehr um den Mord an der Frau, sondern darum, wie die "böse fremdländische Kultur" der Grund unsere gute deutsche Kultur unterwandert und hier Dinge passieren, die ein guter Deutscher nie machen würde... Das ist (Entschuldigung) Blödsinn!

      Es gibt eben viele "Gründe", warum Menschen ermordet werden, weil sie Frauen sind.



      In der Regel von Männern, welche "gute Gründe" haben... Mal ist es "Ehre", mal "Eifersucht", "mal die schwierige Beziehung"... Alles "gute" Gründe, gegen die man halt als Mann nix tun kann, und man deshalb ja quasi schon halb unschuldig ist...

      Das passiert leider viel zu oft in allen Gesellschaften. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten (fremden) Kultur hält dabei nur bestimmte (fremde) Erklärungen parat... Beinhaltet aber eigentlich nur das Gleiche... Mann steht über Frau



      In Dtl. Leider noch oft genug, genauso wie in anderen Kulturen...

      • @Schusters Bernd :

        Einfach mal auch ein paar der restlichen Kommentare durchlesen.

        Ehrenmorde enthalten wesentlich mehr spezifische Faktoren als "nur" den Mord an Frauen. Und sie werden nicht nur an Frauen begangen.

        Wenn das Geschlecht des Opfers für sie der entscheidende Faktor bei einer Mordbezeichnung darstellt, dann ist das ja durchaus okay, aber respektieren sie bitte auch, wenn andere Menschen andere Kriterien haben, ohne damit etwas zu entschuldigen oder zu verharmlosen.

  • Ehrenmord bedeutet übrigens nicht automatisch Femizid.



    Wikipedie:

    "Im Jahr 2011 führte das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht (MPICC) in Freiburg im Breisgau im Auftrag des Bundesministerium des Innern eine Studie zu Ehrenmorden in Deutschland durch. Das Ziel dieser Studie bestand in der Dokumentation aller Fälle von Ehrenmorden in Deutschland im Zeitraum von 1996 bis 2005 auf der Basis von Prozessakten sowie Medienberichten. Es wurden 78 Taten untersucht, darunter zahlreiche Grenzfälle zur Blutrache und zur Partnertötung. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass von 122 Tätern 113 (93 %) männlich und neun (7 %) weiblich waren. Von den 109 Opfern waren 47 (43 %) männlich sowie 62 (57 %) weiblich. Der Anteil der männlichen Opfer war damit den Autoren der Studie zufolge erheblich größer, als es in der Öffentlichkeit und teils auch in der Fachdiskussion wahrgenommen wird. Der größte Teil der getöteten Personen war zwischen 18 und 34 Jahre alt, die Täter hingegen überwiegend 40 bis 49 Jahre.[22][23][24]

    Die Auswertung des ethnischen und Migrationshintergrunds ergab den eindeutigen Befund, dass fast alle Täter außerhalb Deutschlands geboren wurden (91 %) und keine deutsche Staatsangehörigkeit besaßen (92 %). 9,2 Prozent der Täter waren Migranten der zweiten Generation, d. h. sie wurden in Deutschland geboren. Die Täter waren zu 63 % in der Türkei geboren,[25] es folgten arabische Länder (14 %), Albanien und Länder des ehemaligen Jugoslawien (8 %) sowie Pakistan und Afghanistan mit 6 %. Ein einziger Täter war ethnischer Deutscher: ein Auftragsmörder, der von einem jesidischen Kurden bezahlt wurde."

    de.wikipedia.org/wiki/Ehrenmord

  • Passende Begriffe, die man gerne passender hätte, sollten nicht durch nichtssagende Oberbegriffe ersetzt werden

    "Femizid" ist ein alles verdeckender Oberbegriff für eine breite Palette von Mordursachen. Jeder politische Mord an eine Frau, jeder Foltermord, jeder bestialische Sexualmord ist als Femizid. nichtssagend.

    Der Begriff "Ehrenmord" verharmlost nicht. Er weist konkret auf patriarchale antifeministische unfreiheitliche Traditionen eines Mordes hin.

    Und selbst wenn man den Begriff ablehnt sagt er immer noch mehr aus als der Begriff Femizid.

    • @Rudolf Fissner:

      Ich glaube nicht, dass der Begriff Femizid verharmlost.



      Er weißt nur darauf hin, dass das wesentliche Kriterium, warum jemand ermordet wurde, das ist, dass das Opfer eine Frau ist.



      Und der Grund für den Mord wesentlich mit dem Geschlecht zu tun hat.



      DAS ist auch wichtig zu benennen, genauso wie es bei politischen, religiösen, etc. Taten gemacht wird.

      Warum Morde an Frauen oft durch den Zusatz von eher positiv besetzten Worten (Ehre), oder mit Erklärungen (Eifersucht) immer wieder verharmlost und relativiert werden, wird dagegen im Artikel benannt...

      Ihrer Argumentation kann ich dagegen nicht folgen. Morde an Frauen, weil sie Frauen sind, sollten auch als solche benannt werden.

      • @Schusters Bernd :

        P.S. Der Begriff sagt nicht einmal aus ob es ein Mord an einer Frau war, denn der Begriff bezieht auch Kindsmorde an Mädchen mit ein.

      • @Schusters Bernd :

        Der Begriff "Femizid" ist keine Antwort auf die Frage des Warum. Kann er gar nicht denn jegliches Motiv, das zu einem Mord an eine Frau führt ist ein Femizid.

  • Danke für den sehr guten & richtigen Beitrag. Ein Blick in die Kommentarspalte macht eher skeptisch, ob er durchdringen kann.

  • Was soll da verharmlost werden? Der "Mord" ist ganz klar enthalten, im Gegensatz zu einem "..-fizid"

    • @Wonneproppen:

      Oh, welch geistreicher Kommentar. Cide aus dem frz. und Cida (mit all den lästigen Formen) aus dem lateinischen steht für töten. Wie klingt denn der Begriff Genozid für dich? Wenn nicht verhamlosen gegenüber Massenmord, dann kann ich nicht weiterhelfen. Auf den Begriff "Ehre" wurde im Artikel schon eingegangen, weshalb ich es nicht nötig finde darauf noch weiter rumzutrampeln.

      Ist es hier vielleicht der einfache Beizreflex, wie derer im Artikel schon genannter politischen Lager?

      Festzustellen ist: Gewalt gegen Frauen kommt vom Patriarchat und die Tötung nennt ich Femizid. So schwer ist das doch nicht, oder?

  • Der Begriff "Ehrenmord" ist durchaus nicht verharmlosend. Es drängt sich bei mir vielmehr der Verdacht auf, dass mit der allgemeineren Bezeichnung "Femezid" verhindert werden soll, das Rückschlüsse auf einen bestimmten Täterkreis gezogen werden kann. Bei der Bezeichnung "Ehrenmord" ist der Rückschluss relativ einfach.

    • @Hierse Friedemann:

      Dieser bestimmte Täterkreis ist in der Regel ein Mann. Den Rückschluss auf "normale" Femizide (nicht diese bösen, die von außerhalb kommen) ist auch gegeben und im Artikel kurz beleuchtet. Ach so natürliche Gefühle wie Eifersucht haben ja kein kulturellen Backround ;)



      Der Täterkreis ist, wenn es sich nicht um "Ehrenmorde" handelt, vermutlich in Deutschland sozialisiert, hat einen Job und ist eigentlich ein ganz netter Nachbar. Nur dass er halt auch Anspruch auf seine Frau hat, aber dass kann ich verstehen. Die Vergewaltigung in der Ehe ist ja auch noch nicht so lang verboten, da kann Mann sich nicht so schnell umgewöhnen. Sicherlich hat die Frau auch was falsches getragen oder was weiß ich wie sich weiße Männer da rausreden. Aber wehe "es kommt von außen"...

      • @DerHeiligeMax:

        "Dieser bestimmte Täterkreis ist in der Regel ein Mann."

        Gemessen an dem relativen Bevölkerungsanteil und der Vielzahl an verschiedenen möglichen Hintergründen keine sonderlich präzise Information, oder?

    • @Hierse Friedemann:

      Ähm, verzeihung, aber was hat der Rückschluss auf einen bestimmten "Täterkreis" (in dem Fall laut ihrer Auslegung wohl gleichbedeutend mit "Araber" oder allgemein "Nichtdeutschen") denn mit der Tat zu tun?

      Es ist schon richtig dass Morde an Frauen häufig viel mehr mit einer besitzergreifenden Haltung den Frauen gegenüber zu tun haben als mit der Kultur/Herkunft/Hautfarbe des Täters.

      Ob jetzt ein Schwarzer oder ein Weißer, ein Deutscher oder ein Tunesier seine/eine Frau ermordet ist dabei nicht von Belang - die Tat an sich muss geächtet werden. Egal in/von welcher Kultur.

      Hier Männer einer bestimmten Kultur/Herkunft/Hautfarbe an den Pranger zu stellen nützt bitte schön was?



      Sagen zu können "oh, wir Weißen bringen ja nur 87% so viele Frauen um wie die Schwarzen"?



      Ernsthaft?

      Dass diese Sichtweise tatsächlich noch so weit verbreitet zu sein scheint ist schon ein Armutszeugnis für sich.

      Und weiter gehts dann gleich mit dem Grund.



      Ist es besser seine eigene Frau zu töten weil "diese xxx es nicht besser verdient" als seine Schwester zu töten "weil diese xxx es nicht besser verdient"?

      Da gibts wohl auch so eine kleine Gedankenkollision die einem erst auffällt wenn man mal darüber nachdenkt.

      Mann sagt an.



      Frau fängt sich eine ein.



      Wenn nötig mit dem Messer.



      DAS ist das Problem.

      • @Sonderzeichen:

        Wenn wir aber nicht von einem bestimmten "Täterkreis" sprechen wollen, brauchen wir dann aber auch nicht von den männlichen Tätern zu sprechen, denn was hat das Geschlecht mit der Tat zu tun?.



        Wir sollten doch bitte mal ehrlich sein.... Es muss Gründe dafür geben, dass Morde in Beziehungen eher von Männern verübt werden, als von Frauen.



        Und es muss auch Gründe geben, warum diese Art von Morden, in denen Familienangehörige ihre Schwestern/Töchter töten, weil diese einen nach Ansicht der Familienangehrigen einen falschen Lebensstil verfolgen.

        Wollen wir solche Taten in Zukunft bestmöglich verhindern, sollten wir natürlich die genauen Ursachen kennen. Und die können natürlich in der eigenen Prägung liegen.

        Es hat auch keinen Qualitativen Unterschied ob eine Person sagt:



        Ich töte Schwule, weil sie es nicht anders verdienen.



        oder ob sie sagt, ich töte Jüd_innen weil sie es nicht anders verdienen.

        Wenn wir aber solche Taten in Zukunft bestmöglich verhinern wollen, bedürfen wir für beide Phänomene unterschiedliche Maßnahmen.

        • @Arthur Helwich:

          @arthur

          Eigentlich ist nach ihrem Kommentar keine Antwort mehr nötig, denn Sie widersprechen sich ja selbst... Aber...

          Echt jetzt???

          Niemand sagt, dass der Täterkreis generell keine Rolle spielen soll...

          Nur eben, dass genau geschaut werden soll, welche Kriterien da wichtig sind...

          In der Regel ist es bei Femiziden das Geschlecht des Opfers/Täters und die Rolle der Geschlechter in der Anschauung des Täters.

          Und wie der Artikel schon sagt... Da gibt es in "unserer deutschen Kultur" deutlich deutlich mehr Femizide, als durch "fremdlandische" Kulturen...

          Durch ihre Beispiele mit der Herabsetzung von Juden und Schwulen erklären Sie ja selbst, dass es nicht wichtig ist, warum jemand diese Gruppen in unserer Gesellschaft herabsetzen will, sondern nur darum, dass er/sie dies tut.

          Und dem muss vorgebeugt werden... Genau wie dies der Grund beim Feminismus ist...



          Tatsächliche Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern... Egal wo man herkommt, hingeht und wie man aussieht.

          • @Schusters Bernd :

            Ich stimme Ihnen zu, dass genau betrachtet werden sollte, welche Kriterien für die Tat entscheidend waren. Sprechen wir von Femiziden, sind es in der Tat die Geschlechter der Beteiligten und die Geschlechtervorstellungen des Täters.



            Sprechen wir aber über einen Ehrenmord kommen zu dem noch andere Kriterien dazu (etwa die Vorstellung einer sogenannten Familienehre), während das Kriterium des Geschlechts nicht zwangsläufig gegeben sein muss (z.B Ehrenmord an mänlichen, homosexuellen Familienangehörigen).



            Wenn man in dem Fall hier von Femizid sprechen möchte ist es durchaus nicht falsch, denn das Geschlecht des Opfers war natürlich ein relevantes Kriterium.



            Aber es liegen nunmal genau so auch Kriterien vor, die es rechtfertigen von Ehrenmord zu sprechen, und die meiner Meinung nach auch noch eine so große Relevanz haben, dass ich denke von Femizid zu sprechen reicht hier nicht aus.

            Ob es aus Emotionaler SIcht von Nicht-Beteiligten einen Unterschied macht, aus welchen Gründen eine Person eine andere Ermordet, entscheided natürlich jede Person für sich selbst.



            Aber wenn es um vorbeugung geht, dass sind diese Gründe natürlich relevant.



            Und wenn bestimmte Gründe für Morde, eher bei Menschen vorliegen, die in erster Generation in Deutschland sind, dann ist auch das relevant. Dann reicht es nämlich nicht aus, vom Kindergarten und der Grundschule aus an, den Kindern toleranz und Werte wie Gleichberechtigung, beizubringen.

  • "Femizit": Sicht auf das Opfer, "was" ist passiert.

    "Ehrenmord": Sicht auf den Taeter, "warum" ist es passiert.

    Wenn man sich also bei der Ursachenbekaempfung aktiv einsetzen moechte, sollte man bewusst darauf hinweisen, dass es sich um eine Ehrenmord gehandelt hat. Ein gesellschaftliches Konstrukt, in dessen Rahmen und nach dessen Regeln der/die Taeter:in andere Menschen bewusst und geplant ermordete.

    Ein Ehrenmord passiert daher aus gesellschaftlichen und kulturellen Gruenden und es muss erarbeitet werden, welche Gesellschaften bei Personen Ehrenmorde foerdern und damit zu Femiziden und Maskuliziden fuehren.

    • @prellbock:

      Das "warum" ist eine Sicht auf das Opfer (Warum musste das Opfer sterben).

      Femizid ist nur insofern eine Sicht auf das Opfer, als das mitgeteilt wird, welches Geschlecht das Opfer hatte. Damit erlahmt der Begriff auch schon. Das Opfer tritt auf Begriffsebene ganz schnell in den Hintergrund.

      Der Begriff Ehrenmord vermag im Kontext sehr schnell sehr viele Informationen zum Opfer transportieren. Das vermag der Begriff Femizid nicht.

  • Ist mir rätselhaft, warum sich die ganzen Jungs wieder mit Händen und Füßen gegen diesen Begriff wehren.

    Dass Frauen von ihren Brüdern oder anderen Familienmitgliedern ermordet werden, weil ihnen deren Lebensweg nicht passt, das ist ja bedauerlicherweise schon öfter vorgekommen.

    Kennt jemand einen Fall, in dem es andersherum war? Dass also die Schwestern oder andere Familienmitglieder einen Mann ermordet hätten, weil ihnen dessen Lebenswandel nicht passte?

    • @Jim Hawkins:

      Wie von Vielen der "Jungs" beschrieben: Ehrenmorde sind ein an sich geschlechtsunabhängiger Vorgang, der vor allem den Besitzanspruch von Clan und Kulturkreis am Individuum umsetzen soll. Dass die Kulturen in denen Ehrenmorde begangen werden, meist patriarchal geprägt sind, ist sicher kein Zufall, denn das Konzept, sich die beschmutze Ehre mit dem Blut des vermeindlich Schuldigen quasi reinzuwaschen, ist sicher auch ein eher archaisch-männliches. Das gleiche gilt für die ehrverletzenden Tatbestände, die den Anlass bieten: Auch hier haben wir es vielfach mit heteronormativ-patriarchalen Strukturen zu tun, die durch entsprechend abschreckende Sanktionierung des Ausbruchs vor dem Zerfall "geschützt" werden sollen. Aber es ist auch klar dass diese Kulturkreise und die sie erhaltenden Kräfte bei aller patriarchaler Prägung nicht nur männliche "Sittenwächter" haben.

      Das Problem ist nun, das Alles mit Femiziden unter einen Hut zu bringen, die NICHT so umfassend in ihren kulturellen Hintergrund eingebunden sind. In Mitteleuropa gilt speziell die monogame heterosexuelle Beziehung schon lange nicht mehr als das Heiligtum, das eine Verteidigung bis aufs Blut rechtfertigt. Wer z. B. seine Frau umbringt, weil sie fremdgeht, ist aus unserer Sicht selbst bei positivst möglicher Wertung immer noch bedauernswerter (und schlechter) Verlierer - und eben ein Totschläger oder Mörder. Dass sich Leute trotz dieser Wertung zu Taten hinreißen lassen, die eine frauenfeindliche Einstellung verraten, kann man nicht so leicht über den selben kriminologischen/ soziologischen Kamm scheren wie die Ehrenmorde und auch gesellschaftspolitisch ist es schwer, das ganze unter dem guten alten feministischen Ansatz "Ihr Männer...!" in Angriff zu nehmen, wenn es nur einen kleinen Teil eines kulturell abgrenzbaren Teils der Gesellschaft betrifft und noch nicht mal klar ist, in wie weit auch die in diesen Kulturkreisen vorhandenen Frauen von den vorhandenen Strukturen profitieren und ein Wörtchen mitreden.

      • @Normalo:

        Und wie wäre es damit:

        Ein Bio-deutscher Mann, eine Kartoffel also, wird von seiner Frau verlassen, weil sie sich in einen anderen verliebt hat.

        Das geht dem natürlich mächtig gegen den Strich, vielleicht könnte man sogar sagen, er fühlt sich in seiner Ehre als Mann gekränkt oder verletzt.

        Und wie geht ein richtiger Mann mit Kränkungen um? Er wird gewalttätig. In diesem Fall bringt er etwa seine Ex-Frau. Um seine Ehre wieder herzustellen.

        Ist das dann ein Ehrenmord? Oder begehen Bio-deutsche keine Verbrechen dieses Zuschnitts.

        Gibt es das nur in ganz "fremden" Kulturen?

        "Ehrenmord", das ist die ethnifizierende Beschreibung eines Femizids.

        Und genau deshalb hat dieser Begriff seine Berechtigung.

        De mon avis, auf jeden Fall.

        • @Jim Hawkins:

          Danke, Wiederholung meines Beispiels aber ich erkenne da eben auch keinen Unterschied, wenn der Deutsche seine Ex aus gekränkter Ehre umbringt...

        • @Jim Hawkins:

          In die Nähe eines Ehremordes würde es rücken, wenn der Familienkreis - vielleicht sogar einschließlich der Familie der "untreuen" Frau gemeinsam tagen und beschließen würde, dass deren Verhalten nur durch ihren Tod wiedergutgemacht werden kann.

          Während es weder bei einem Türken noch einem Albaner noch einem Afghanen und eben auch nicht einem Deutschen ein "Ehrenmord" ist, wenn er die Frau bestrafen will und niederschießt oder -sticht.

        • @Jim Hawkins:

          "Und wie geht ein richtiger Mann mit Kränkungen um? Er wird gewalttätig."

          Können sie ihm unterstellen. Aber bleibt eine Unterstellung.

        • @Jim Hawkins:

          Grundsätzlich ist es natürlich nicht ausgeschlossen, dass auch jemand mitr mitteleuropäisher Sozialisation in dem Wahn, seine Ehre wiederherzustellen, einen Mord begeht, und auch das ist dann natürlich ein Ehrenmord. Aber es ist auch so, dass sich besagter Mann mit diesem Mord eben in unserer gesellschaft faktisch eher ENTehrt, weil diese Form der ehrenrettung nur noch von sehr wenigen akzeptiert wird.

          Ehre ist halt nur marginal ein subjektiver Begriff. Sie zu verteidigen nutzt nur etwas, wenn die umgebende Gesellschaft das zugrundeliegende System auch anerkennt. Ich will nicht abstreiten, dass auch in Mitteleuropa noch Vertreter dieses von Ihnen beschriebenen Ehrbegriffs vorhanden sind. Aber dass sie so dominant wären, dass tatsächlich jemand meint, seine verloren geglaubte Ehre durch einen Feminzid wiederherstellen zu können, dürfte sich, glaube ich, auf sehr wenige Einzelfälle beschränken.

          Die aktuelle Forschung geht auch nach meinem Verständnis eher davon aus, dass solche Taten in unserem Kulturkreis mehr aus Angst vor Einsamkeit und einem ganz persönlichen Besitzanspruch herrühren ("Wenn ich ohne sie leben muss, soll auch kein Anderer sie haben!"). Selbst bei letzterem würde ich nichtmal sagen, dass das notwendigerweise ein von Grund auf patriarchaler Gedanke ist. Auch Frauen betrachten zuhauf den jeweiligen Partner als den "Ihren". Sie unterscheiden sich eher in der Methodik der Revierverteidigung und schrecken viel häufiger als Männer vor Gewalt als Lösung zurück, weil die viel zu oft in einem Kräftemessen endet, das sie im Zweifel gegen einen Mann verlieren.

          • @Normalo:

            "Sie unterscheiden sich eher in der Methodik der Revierverteidigung und schrecken viel häufiger als Männer vor Gewalt als Lösung zurück, weil die viel zu oft in einem Kräftemessen endet, das sie im Zweifel gegen einen Mann verlieren."

            Kann sein, dass es daran liegt. Vielleicht liegt es auch daran, dass in die weibliche Sozialisation Gewalt nicht in der Form eingewoben ist, wie bei den Männern.

            Jedenfalls ist es wohl schon eher so, dass Männer Frauen vergewaltigen, Männer Frauen töten, als umgekehrt.

            Von daher ist es ein spezieller Straftatbestand. So wie Gewalt gegen Kinder einen Namen und eine Zahl hinsichtlich der Häufigkeit hat.

            Gewalt gegen Eltern ist wohl eher selten. Es entspricht sowenig der Struktur dieser Gesellschaft, wie eben auch die Gewalt von Frauen gegen Männer eher selten ist.

            Wir leben in einer Gewalt-förmigen, patriarchalischen Gesellschaft.

            In der Männer ohne groß nachzudenken, nachts mit der U-Bahn nachhause fahren. Jeder, der eine Frau auch nur kennt, weiß, dass diese Wege für sie anders sind.

            Nur als ein Beispiel.

            • @Jim Hawkins:

              Sie schweifen ab. Selbst WENN man dieses Klischee immer noch weiter vertiefen will, körperliche Gewaltausübung sei ein durch und durch männliches Ding, ändert das nichts daran, dass die Motivationsstruktur für Ehrenmorde an Frauen sich massiv von der unterscheidet, die bei den meisten anderen Femiziden zum Zuge kommt.

              Darum ging es. Denn da kann man ansetzen, um Ehrenmorden zuleibe zu rücken. Umgekehrt wird es keine "sonstigen" Femizide verhindern, wenn man versucht, uns Kartoffeln einzubläuen, dass unsere Clanehre es nicht wert ist, irgendwem dafür Schaden zuzufügen, und wir zu unserem eigenen Schutz unseren Clanchef schleunigst verpfeifen sollten, wenn er einen Ehrenmord von uns verlangt. DAS ist bei uns Kartoffeln kein Thema, auch wenn es anderswo Leben retten könnte.

              Es bedarf also einer DIFFERENZIERTEN Herangehensweise, und die wird nicht dadurch gefördert, dass gewisse Lobbyvertreter*_:Innen durch brachiale Begriffsvereinheitlichung versuchen, alle Unterschiede in der Wahrnehmung einzuebnen und das ganze zu einem pauschalen "Alle Männer vs. Alle Frauen"-Thema zu machen.

              • @Normalo:

                "gewisse Lobbyvertreter*_:Innen durch brachiale Begriffsvereinheitlichung versuchen, alle Unterschiede in der Wahrnehmung einzuebnen und das ganze zu einem pauschalen "Alle Männer vs. Alle Frauen"-Thema zu machen."

                Welche Lobbyvertreterinnen meinen Sie denn?

                • @Jim Hawkins:

                  Die, die von "Ehrenmord" nichts hören wollen, wenn das Opfer eine Frau ist, sondern da nur die Kategorie "Femizid" gelten lassen.

                  • @Normalo:

                    OK, vielleicht fällt der Groschen ja doch so langsam.

                    Es ist also eine Frage der ethnischen Zuschreibung?

                    Ich meine, so ziemlich jeder denkt bei "Ehrenmord" natürlich nicht an Familie Meier.

                    Demzufolge wäre es also wichtig, ein Tötungsdelikt zu definieren, dass bei Bio-Deutschen so gut wie nicht vorkommt.

                    Ist das der Punkt?

                    • @Jim Hawkins:

                      Nö, er scheint ganz und gar nicht zu fallen. Wer redet denn hier - außer Ihnen - davon, für Ehrenmord ein eigenes Delikt zu definieren?

                      Ehrenmorde sind eine bestimmte Erscheinungsform von Mord, unproblematisch erfasst von den geltenden §§ 211, 212 StGB (genauso wie es z. B. auch Morde aus Frauenhass oder Eifersucht bereits sind). Dass sie aufgrund ihrer besonderen Motivation als eigene Kategorie gesehen werden, ist ein vornehmlich kriminologischer Vorgang, also grob gesagt der Lehre des "Warum?" von Straftaten. Die Kriminologie befasst sich natürlich auch schon seit langem mit "Femiziden", ohne dass dafür ein eigenes Delikt im Gesetz notwendig wäre.

                      Nur letzteres passt offenbar manchen nicht in den Kram, und sie wollen den Femizid im Gesetz stehen haben (aus meiner Sicht nur mal wieder ein weiteres symbolpolitisches Placebo, mehr nicht). Aber daraus den Schluss zu ziehen, dass irgendwer umgekehrt jetzt auch eine eigene juristische Behandlung von Ehrenmorden verlange, ist völlig aus der Luft gegriffen. Mord ist Mord, und Ehrenmord ist auch Mord. Mehr gibt es dazu - aus Sicht des Gesetzes - nicht zu sagen.

                      • @Normalo:

                        Scheint heute nicht mein bester Tag zu sein. So etwas kommt vor.

                        Nichtsdestotrotz, danke für die Debatte.

                        Ab morgen ist hier ja erstmal für eine Woche Sendepause.

                        Das passt mir ganz gut in den Kram, da ich in der Zeit dort sein werde:

                        www.youtube.com/watch?v=kPMRkQK2szI

                        Ihnen alles Gute und bis bald!

        • @Jim Hawkins:

          Und wie wäre es damit:



          Ein Nicht-Bio-deutscher Mann wird von seiner Frau verlassen, weil sie sich in einen anderen verliebt hat.

          Das geht dem natürlich mächtig gegen den Strich, vielleicht könnte man sogar sagen, er fühlt sich in seiner Ehre als Mann gekränkt oder verletzt.

          Und wie geht ein richtiger Mann mit Kränkungen um? Er wird gewalttätig. In diesem Fall bringt er etwa seine Ex-Frau. Um seine Ehre wieder herzustellen.

          Sprechen wir in solchen Fällen, in denen eine solche Tat wie Sie sie beschreiben, wenn sie von Männern mit Migrationshintergrund (aus bestimmten Kulturkreisen) immer von Ehrenmord ?



          Meine Wahrnehmung ist das nicht

          • @Arthur Helwich:

            Da ist schon etwas dran.

            Dennoch frage ich mich, was gegen den Begriff Femizid spricht.

            In dem Fall, um den es im Artikel geht, in dem Fall, den ich skizzierte und auch in dem, den sie skizzierten.

            Die Begrifflichkeiten sind im Fluss, weil die Vorstellungen von Dingen im Fluss sind.

            Vor zwanzig Jahren sprach man noch nicht von Homophobie. Gegeben hat es die damals aber schon.

            • @Jim Hawkins:

              Es war, glaube ich, Frau Schwarz, die den Begriff "Ehrenmord" attackierte und "Femizid" als einzig gültige Bezeichnung durchsetzen will, nicht andersherum.

              Davon abgesehen ist eben nicht jeder Ehrenmord ein Femizid, denn er kann auch Männer treffen und tut das auch zu einem erstaunlich großen Anteil. Umgekehrt ist auch nicht jeder Femizid ein Ehrenmord.

              Will man es ganz genau machen, kommt es darauf an, was bei der jeweiligen Tat im Vordergrund steht - der "Ehr-Geiz" der Täter oder die Tatsache, dass es sich beim Opfer um eine Frau handelt. Wenn z. B. der Hintergrund der Tat vermuten lässt, dass die Täter gleichermaßen einen Mann attackiert hätten, der durch sein Verhalten ihre Vorstellung von Ehre besudelt hätte, dann ist "Ehrenmord" im Zweifel treffender. Das passt nur mancher Lobby nicht so gut in den Kram, manch anderer dafür umso besser. Das scheint mir der eigentliche Hintergrund für die Auseinandersetzung zu sein.

              • @Normalo:

                "Wenn z. B. der Hintergrund der Tat vermuten lässt, dass die Täter gleichermaßen einen Mann attackiert hätten, der durch sein Verhalten ihre Vorstellung von Ehre besudelt hätte, dann ist "Ehrenmord" im Zweifel treffender. Das passt nur mancher Lobby nicht so gut in den Kram, manch anderer dafür umso besser. Das scheint mir der eigentliche Hintergrund für die Auseinandersetzung zu sein."

                Da würde ich mal sagen, Butter bei die Fische.

                Natürlich ist es denkbar, dass solche Leute etwa Homosexuellen mit demselben Hass begegnen, wie emanzipierten Frauen.

                Aber: Mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem es so oder ähnlich, also Mann als Opfer, gewesen wäre.

                Vielleicht liege ich da allerdings auch falsch.

                • @Jim Hawkins:

                  Dieselbe BKA-Studie, die Frau Schwarz zitiert, kommt zu dem Schluss, dass mindestens 30% der Opfer von Ehrenmorden - nimmt man besonders ehrpusselige Rachemorde noch hinzu, sogar 43% - Männer sind. Das können offen lebende Schwule sein, der Mann mit dem eine Frau sich ehrenrührig gepaart hat, designierte Ehrenmörder, die sich geweigert haben, die Tat zu begehen, oder schlicht Repräsentanten eines Klans, dem man eine eigentlich substanzlose Fehde hat. Mehr dazu in dem von @Anachronist87 verlinkten Spiegel-Artikel.

                  • @Normalo:

                    78 Fälle von 1996 bis 2005.

                    Na ja. Da habe ich schon aussagekräftigere Statistiken gesehen.

                    Ich ordne die ganze Geschichte eher in die Abteilung ein, in der auch gegen gegenderte Sprache gestänkert wird. Damit meine ich gar nicht Sie.

                    Aber, es geht wohl auch um eine Deutungshoheit. Und jetzt kommen die Frauen, die Feministinnen daher und wollen nicht nur eine Sprache, die sie nicht unsichtbar macht, sondern auch noch einen Straftatbestand, der nur für Frauen zutrifft.

                    Da gibt es natürlich Gegenwind, das ist ganz normal.

                    À la longue werden sie sich durchsetzen. In diesem Fall und in vielen anderen auch.

                    Finde ich gut. Ich scheiße auf das Patriarchat. Ich habe so rein gar nichts gegen ein Matriarchat.

                    Und irgendwann, nach meiner Zeit, wird es vielleicht eine Gesellschaft freier Individuen.

                    Oder, die Hölle überall auf Erden.

                    • @Jim Hawkins:

                      Wenn 78 fälle 43% sind, dann ist das ein signifikanter Anteil und wenn man die Tatgruppe betrachtet, fällt es schwer, sie ausschließlich als Unterart des Femizids zu betrachten - zumal eben das Tatmotiv sehr tiefgehende, an sich aber geschlechterübergreifende Wurzeln hat..

                      Wohlgemerkt: Ich sage nicht, dass Morde an Frauen aus anderen patriarchalen Motiven als allgemeines Lebensrisiko abzutun und nicht näher zu behandeln wären. Mich stört nur der Versuch, eine differenzierte Sichtweise unterzupflügen, nur weil man gerade das (mal wieder reinrassig symbolpolitische) Projekt "Eigener Tatbestand 'Femizid'" auf der Agenda hat.

            • @Jim Hawkins:

              Ich persönlich habe absolut kein Problem damit, den Fall um den es hier geht, unter den Begriff des Femizids zu subsumieren. Das war es.



              Das war aber eine besondere Form des Femizids, der als Ehrenmord bezeichnet werden kann.

              Ich denke, abhängig davon, worüber genau gesprochen wird, kann von diesem Fall entweder als Femizid, oder von Ehrenmord gesprochen werden.



              Wenn es aber darum geht, solche Taten in Zukunft zu verhindern, dann sollten schon die genauen Ursachen der Tat in den Blick genommen werden.

              Und ich denke, bei einem Mann, der seine Frau aus Eifersucht ermordet hat, hätte in der Erziehung was anderes anders gemacht werden müssen, als bei einem Mann, der seine Schwerster tötet weil sie angeblich die Ehre der Familie beschmutzt hat.

              • @Arthur Helwich:

                Gemeinsam haben diese Verbrechen, dass das Opfer eine Frau ist, die sich dem männlichen bzw. patriarchalischen Diktat widersetzt hat. Deshalb halte ich es für wichtig, Femizid als gezielt gegen Frauen als Frauen gerichtetes Verbrechen klar zu benennen. Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstehe, aber nicht jeder Mord an einer Frau ist automatisch als ein solcher Femizid zu werten. Das wäre in der Tat Quatsch. Z. B. bei Mord aus Geldgier oder so.



                Die Idee scheint mir, dass der Begriff die mörderische Dimension männlicher Dominanz zählbar macht. Übrigens könnte man im Weiteren und davon sauberst unterschieden mal gucken, wann bei extremer Gewalt auch sonst diese Männlichkeitsscheiße eine Rolle spielt (andere "Ehren"morde z. B.). Vielleicht kann man dann auch mal sehen, wie krank das alles wirklich ist; wie viel Kaputtheit eigentlich auf das Konto dummbatziger männlicher Identitätsidiotie geht. Um es mal subtil zu formulieren. Schöne Woche euch allen! :)

                • @Karl Kraus:

                  "Gemeinsam haben diese Verbrechen, dass das Opfer eine Frau ist, die sich dem männlichen bzw. patriarchalischen Diktat widersetzt hat."

                  Gewagte Ussage wenn 30 bis 43% der Opfer Männer sind.

                  • @OldFrank:

                    Bitte alle Sätze ganz lesen. (Augen verdreh...)

              • @Arthur Helwich:

                "Und ich denke, bei einem Mann, der seine Frau aus Eifersucht ermordet hat, hätte in der Erziehung was anderes anders gemacht werden müssen, als bei einem Mann, der seine Schwerster tötet weil sie angeblich die Ehre der Familie beschmutzt hat."

                Ich bin ja der Meinung, dass das alles Dreckschweine sind. Und dass sie alles Mögliche verdient haben, außer Verständnis.

                • @Jim Hawkins:

                  "Verständnis" sollte man an der Stelle nicht sympathisierend verstehen. Zu verstehen, warum jemand etwas macht, heißt nicht, es gutzuheißen. Es geht mehr darum, was man - AUSSER, den Täter zu verurteilen und zu bestrafen - noch machen kann, um andere, heute noch quicklebendige Menschen vor solchen Taten zu schützen.

                  Dafür sucht man nach allgemeinen Schlüssen aus der Tat in Bezug auf ihre Ursachen und nach Hebeln, um diese Ursachen zukünftig zu beseitigen oder zumindest zu schwächen. Das geht nicht, ohne ein gewisses Verständnis dafür aufzubauen, was im jeweiligen Täter genau vorgeht bzw. bei der Tat vorging.

                  Einfach nur die Tat sehen und mit kalter, nicht näher hinschauender Verachtung aburteilen macht niemanden lebendig und birgt die Gefahr, sich selbst weiter über den Täter zu erheben als die eigene moralische Kompetenz reicht. Erst in im genaueren Hinsehen merkt man, wie nah oder fern deren Motivationsstruktur wirklich von der eigenen ist, und hält auch sich selbst dadurch geerdet. Gerade bei Femiziden werden Sie haufenweise Täter finden, die es vorher WEIT von sich gewiesen hätten, zu so etwas imstande zu sein. Hätten die besser gewusst, dass sie es eben doch sind, hätten sie sich vielleicht beherrschen können.

                • @Jim Hawkins:

                  Ich bin der Letzte, der für so eine Tat in irgendeinerweise Verständnis hat, oder findet, dass diesen Täter(_innen) Verständnis entgegengebracht werden sollte. Ich hoffe nicht, dass man aus meinen Kommentaren herauslesen könnte, dass ich anderer Meinung wäre!

                  • @Arthur Helwich:

                    Sorry, auf gar keinen Fall. Ich wollte Ihnen nichts unterstellen.

                    Das war etwas unglücklich formuliert von mir.

                    • @Jim Hawkins:

                      Ich hab das nicht als Angriff empfunden, ich hatte mir nur kurz sorgen gemacht, das mensch mich hat falsch verstehen können.

    • @Jim Hawkins:

      Hier findet man eine Menge zu dem Thema:

      www.spiegel.de/pan...lich-a-778249.html

      Es werden auch Männer getötet. Nicht nur, weil sie jemandem "die Frau wegnehmen", sondern auch weil deren Sexualität der Familie nicht passen kann.



      Dass Frauen dabei so selten Täter sind, wird indirekt ebenfalls thematisiert:



      Die Familie ernennt jemanden, der den Mord ausführen soll. Männer scheinen da ganz klar "bevorzugt" zu werden. Und wenn sie sich weigern, landen sie ganz schnell ebenfalls auf der Abschuss-Liste.

  • Liebe Frau Schwarz,

    wenn Ihnen der Begriff "Ehrenmord" zu harmlos vorkommt, sollten Sie sich vielleicht nochmal seine letzten vier Buchstaben auf der Zunge zergehen lassen. Nichts, was hierzulande als Mord gilt, ist auch nur ansatzweise harmlos. Da darf man sich nicht verwirrren lassen. Nur weil vorher das Wort Ehre vorkommt, ist die Beurteilung klar: Mord - und daher lebenslängliche Freiheitsstrafe - wegen krasser Missachtung der Würde und des Lebensrechtes des Opfers in Abwägung mit einem vergleichsweise unerheblichen Gut (namens "Ehre").

    Ein "Femizid" hingegen kann genauso gut ein einfacher Totschlag oder auch nur eine fahrlässige Tötung sein. Es kommt auf die Umstände an. Die Kategorisierung als per se schwerwiegender zu verstehen, mag zwar dem gesellschaftspolitischen Pathos entsprechen, aber die juristische(!) Wertung "Ehrenmord" ist die weit weniger harmlose.

    Selbst WENN man, was ja wohl einigen Frauenrechtler*_:Innen am liebsten wäre, Femizid als eigenes Delikt begriffe und vielleicht sogar so weit ginge, ihn bei Vorsatz ausdrücklich wie einen Mord zu bestrafen, wäre er immer noch nicht mehr als ein Mord.

    • @Normalo:

      Sehr sauber und stringent argumentiert.

    • 9G
      97760 (Profil gelöscht)
      @Normalo:

      der Verlust der " Ehre" ist natürlich eine Sache, die einem Menschen das Leben nicht gerade veredelt. Dich gegen den Verlust der Ehre zu widersetzen, ist in bestimmten Gesellschaften ein " niederer Beweggrund". Schwach eigentlich. Sollten potentielle Täter und Täterinnen von Mord auf Körperverletzung umstellen, z.B. Haare abschneiden im Schlaf, Speisen verunreinigen, und die unendlich lange Palette von Gemeinheiten, wird es auch nicht besser.

      • @97760 (Profil gelöscht):

        Ehrgefühl an sich macht den niederen Beweggrund nicht aus. Es ist die krasse, menschenverachtende Missachtung des Missverhältnisses zwischen dem rein ideellen, hochflüchtigen Wert "Ehre" und dem Menschenleben, das man meint, auf ihrem Altar opfern zu dürfen. Dieses Missverhältnis wird natürlich geringer, je harmloser das Ehrdelikt wird. Insofern kann ich einsehen, dass man das differenziert sieht.

  • 9G
    97760 (Profil gelöscht)

    Wie sieht die Statistik der " Ehrenmorde" bzw. "Femizide" im Vergleich zu den Zahlen in den Herkunftsländern aus? Ehrverletzungen können also unerträglich und tödlich sein. Für alle Beteiligten. Sollte das lockere Leben in Konsumorientierten Ländern, Ehrverletzungen erleichtern, müssen alle potentiellen Opfer und Täter, verhaltenstechnisch aufgeklärt werden. Wer über eine rote Fußgängerampel geht, muss nicht dulden, angebrüllt zu werden...wenn man mal ganz klein anfängt.

  • Soweit sog. "Ehrenmorde" strenger bestraft werden als andere Tötungsdelikte, dürfte das juristisch durchaus seine Berechtigung haben, weil eben immer ein Mord und nie nur eine Totschlag (etwa aus einem Streit heraus) vorliegt. Denn es handelt sich um kühl beschlossene und ausgeführte Taten, vorab von einem Teil der Familie beschlossen, aus dem niederen Beweggrund heraus, eine angeblich "verletzte Ehre" durch die Tat wiederherstellen zu wollen - während nach unserem Rechtsverständnis gerade diese Tat die Ehre der Planenden und Ausführenden beschmutzt.

  • Das einzige, was im Zusammenhang mit einem "Ehrenmord" entehrt worden ist, ist die Achtung vor dem Wert eines Menschenleben!

    • @Alfonso el Sabio:

      Glauben sie allen Ernstes, wer das Wort Ehrenmord benutzt, übernimmt die Sicht der Täter?

      Keiner tut das. Jeder halbwegs sprachgewandte Mensch kapiert, dass es bei dem Wort um die intrinsische Sicht des Täters, um sein ganz subjektives Motiv, geht. und ER, der Täter, glaubt eben tatsächlich an die Familienehre. Kein Mensch streitet ab, dass es diese Vorstellung von Ehre in der europäischen Kultur schlichtweg nicht mehr gibt und schon gar nicht impliziert die Verwendung des Wortes eine Verharmlosung der Tat.

      Im Gegenteil, gerade WEIL diese Art Ehrbegriff uns nur noch archaisch und primitiv vorkommt, sollten wir das Wort Ehrenmord weiterhin verwenden, damit die Absurdität und das Monströse dieser Art Mord klar und deutlich bleibt.

      • @Suryo:

        Äh, ich verstehe Ihre Eingangsfrage bzw. die darin steckende Feststellung nicht.



        Ich habe nichts derartiges gesagt.



        Also ich übernehme nicht die Sicht der Täter.



        Ich sehe bei einem solchen Tötungsdelikt, der gemeinhin als "Ehrenmord" bezeichnet wird, es so, dass der Täter eine "Entehrung" der Achtung vor einem Menschenleben begeht.



        Wie es in dem Täter drinnen aussieht, weiß ich nicht.

        • @Alfonso el Sabio:

          Da rennen Sie aber offene Türen ein, selbstverständlich ist jeder Mord auch ein Angriff auf die Würde und das elementarste Menschenrecht - das auf Leben - des Opfers.

  • Der Artikel von Frau Schwarz zeigt sehr gut, warum es falsch ist, bei „Ehrenmorden“ von „Femizid“ zu sprechen.

    In dem anderen Taz-Artikel ist eine Studie des Max-Planck-Instituts verlinkt, in der Ehrenmorde aus den Jahren 1996 – 2005 analysiert werden.

    Zum Erstaunen der Wissenschaftler_innen waren 43 % der Opfer männlich – insbesondere (neue) Partner der Frauen.

    Zum anderen ist in diesem Taz-Artikel ein Link zu einem Blog gegen Islamophobie zu finden, der von der gleichen Studie des Max-Planck-Instituts handelt.

    In diesem Blog wird eingeräumt, dass nahezu alle Ehrenmorde auf das Konto von Migranten der ersten Generation aus überwiegend muslimischen Ländern gehen – was jedoch nicht bedeutet, dass alle Täter Muslime sind.

    Nur in einem einzigen Fall war der Täter Deutscher ohne Migrationshintergrund – der bezahlte Auftragskiller einer jesidischen Familie.

    Auch der Unterschied zur Partner_innentötung wird erläutert:



    „Anders als bei anderen Formen von Partnergewalt geschieht auch der Entschluss zur Tat häufig im Familienkreis.

    Meist wird die Tat durch mehrere Angehörige geplant.“

    Weshalb Frau Schwarz meint, Frauen zu helfen, in dem sie alles in den großen Sack „Femizid“ schmeißt und den kulturellen Hintergrund der Ehrenmorde negiert, erschließt sich mir nicht.

    Argumentativ fragwürdig wird es dann im vorletzten Absatz von Frau Schwarz.

    Ehrenmorde werden nicht härter bestraft, weil sie „als strukturelles Problem“ wahrgenommen würden.



    Sie werden härter bestraft, weil das Tatmotiv „Verteidigung der Ehre“ rechtlich als Mord aus niedrigen Beweggründen zu werten ist.

    Bei einer Tötung aus Eifersucht hat der Täter dagegen eine Chance, mit Totschlag davonzukommen.

    • @rero:

      Ich würde gern alle Beteiligten solcher Perversionen im Knast sehen. Aber:



      Eifersucht als Mordmotiv nicht als niederen Beweggrund zu bewerten, erschließt sich mir nicht. (Ist das wirklich so?) Eifersucht ist der Reflex eines Menschen, der das Gefühl hat, der andere dürfe nicht allein über sich bestimmen. Eifersucht ist Anlass für Schmerz und Selbstreflexion. Wer wegen solcherlei Gefühle mordet, ist nicht besser als so ein "Ehren"fuzzi. Er versucht auch nur, sein kaputtes Ego zu befriedigen. Wir leben in D in einer Kultur, die das offensichtlich nicht hinterfragt.



      Die männlichen Opfer werden übrigens ermordet, weil sie ein Objekt aus dem Besitz eines anderen "weggenommen" haben. Nicht, weil sie Männer sind.

      • @Karl Kraus:

        "Die männlichen Opfer werden übrigens ermordet, weil sie ein Objekt aus dem Besitz eines anderen "weggenommen" haben."

        Teilweise. Es gibt aber mehrere andere Gründe, aus denen Männer zum Opfer von Ehrenmorden werden, z. B. weil sie offen Männer lieben, die Ausführung von Ehrenmorden verweigern oder bei einer Fehde ins Fadenkreuz des anderen Clans geraten.

        "Nicht, weil sie Männer sind."

        Im Fall der Fehdenmorde oder auch der Disziplinierung von Verweigerern würde ich das gar nicht mal sagen. Die Motivation ist hier eng mit einem bestimmten Männerbild verbunden, aus dem Männer in den Augen der Täter nicht ausbrechen dürfen. Frauen kämen als Opfer nicht in Frage.

        Aber es geht auch nicht darum, dass Ehrenmorde an Männern "Androzide" wären, sondern dass Morde zur Befriedigung des familiären Ehrgefühls UNABHÄNGIG vom Geschlecht des Opfers ein eigenes Problem darstellen, für das es im Zweifel auch eigene Lösungen geben muss. Nur zu fragen "Femizid oder nicht?", hindert diese differenzierte Sichtweise.

      • @Karl Kraus:

        Eifersucht ist zumindest ein Zustand, der weit weniger gut kontrollierbar als zum Beispiel die Angst um die Ehre der Familie.

      • @Karl Kraus:

        Es wird im deutschen Strafrecht ein Unterschied zwischen Tötung im Affekt und geplanter Tötung gemacht. Dieser kann, von den Umständen der Tat abhängig, den Unterschied zwischen Totschlag und Mord ausmachen. Im übrigen wird Eifersucht als elementar menschliches Gefühl gewertet. "Ehre" gegen gilt eher als reines Kulturprodukt.

        • @Amandas:

          Verstehe. Allerdings werfe ich mal die These in dem Raum, dass Eifersucht als elementares Gefühl gewertet wird, weil viele Kulturen so sind, wie sie sind. Bzw. das Verständnis von Liebesbeziehungen für viele beinhaltet, die Frau habe nicht mit anderen zu schlafen. "Männer sind halt so", während Frauen "die Familie zerstören" oder zumindest "Schlampen" sind. Es versuchen nicht täglich Frauen, ihre (Ex-)Partner zu ermorden, was gar nicht so schwer wäre. Usw.



          Aber klar: Ich schließe mich der Autorin weitgehend an, finde aber trotzdem, dass diese Ehrenscheiße besonders hart bestraft werden muss. U. A. wegen der Prozesse, die dem immer voraus gehen. Und ich wünsche mir zusätzlich eine öffentliche Ent-Ehrung der beteiligten Familienmitglieder der Täter durch Religionsangehörige nach dem Motto: Wer meint, so Ehre beweisen zu müssen, hatte nie welche und bringt Schande über alle.

  • Egal mit welcher Wortneuschöpfung dieser Mord bezeichnet wird: Hauptsache es werden ganz besonders niedrige Beweggründe bei der Urteilsfindung geltend gemacht.

    Den Begriff "Ehre" haben ja insbesondere die Nazis (SS-Leitspruch: Unsere EHRE heißt Treue) oder die Ehrenwerte Gesellschaft (Mafia) hinreichend beschmutzt; somit dürfte auch ein sogenannter Ehrenmord ein ganz besonders abscheuliches Verbrechen ohne mildernde Umstände sein. Femizid scheint mir hier nur eine Nebelgranate zu sein, um Kritik an bestimmten kulturellen Sozialisationen auszublenden.

  • Was für eine künstliche Diskussion…in 2020 waren die Opfer von Tötungsdelikten eher männlich als weiblich.



    Zudem zählt primär der MENSCH - alle weiteren Klassifizierungen sind doch nachrangig.

    • @alterego:

      Ja, aber nicht, weil sie Männer sind oder jemandem "gehören". Das hat mit dem spezifisch männlichen Besitzanspruch gegenüber Frauen nichts zu tun.



      Und btw.: Welches Geschlecht haben denn jeweils die Täter?

      • @Karl Kraus:

        "Welches Geschlecht haben denn jeweils die Täter?"

        Welche Relevanz hat das für die Opfer? Sind die Männer weniger tot, weil der Täter ein Mann war, oder haben sie sich die Tat quasi selbst zuzuschreiben über die Kollektivschuld des Y-Chromosoms?

        • @Normalo:

          Es hat damit zu tun, dass fast ausschließlich Männer morden. Diese Tatsache zieht sogar ihre Geschlechtsgenossen ins Unglück. Aber: Nicht, weil sie Männer sind, werden sie Opfer, während Frauen aufgrund ihres Frauseins von Männern ermordet werden.

          • @Karl Kraus:

            "Diese Tatsache zieht sogar ihre Geschlechtsgenossen ins Unglück"

            Dieses "sogar" ist fehl am Platz, darum ging es mir. Wenn Männer töten, töten sie Menschen beider Geschlechter- sogar überwiegend andere Männer. Es gibt da keine "Genossenschaft", die am Y-Chromosom hängt. Die wird aber auch von Ihnen hier wieder mitgeschwungen, um eine möglichst simple Täter-Opfer-Unterscheidung entlang der Geschlechtergrenze ziehen zu können. Nur trifft die eben nicht so sauber zu: Es mag ja für die Täter stimmen, dass sie meistens Männer sind. Aber die Opfer sind eben NICHT meistens Frauen. Deshalb ist die von der "Das heißt Femizid!"-Fraktion gewünschte, primäre Unterscheidung nach dem Geschlecht des Opfers auch keine sinnvolle Differenzierung.

            Zumal eben sehr wohl auch Männer getötet werden, weil sie Männer sind (dazu mehr weiter oben, aber auch generell entspricht es überkommenen Rollenklischees, das Männer nicht nur eher zur Gewalt neigen, sondern auch dass sie sich eher Gewalt auszusetzen haben als Frauen - auch die, die mit Gewalt weder so noch so etwas am Hut haben wollen). Aber das ist ja kein Schlachtfeld für den Geschlechterkrieg mit seinen herrlich einfachen Freund-Feind-Kennungen, also wird es ausgeblendet.

            • @Normalo:

              "Zumal eben sehr wohl auch Männer getötet werden, weil sie Männer sind". Das ist uneindeutig. Wir sind uns einig, dass es eine mörderische Dimension des Patriarchats gibt, denke ich. Ich stimme Ihnen auch zu, dass Männer ihr y-Chromosom als Kanonenfutter zu büßen gezwungen werden, wo nicht auch etwa 50% Frauen in der Armee oder sonstwie an Kämpfen beteiligt sind. Femizid ist aber ein Mord, der eine Frau als Frau meint, die sich nicht unterwirft. Männer, die sich z. B. in einer Diktatur nicht unterwerfen, werden nicht als Männer, sondern - wie Frauen auch - als Widerständler getötet. Der Femizid beschreibt Mord aus genau diesem Motiv heraus. Homosexuelle, Trans*Menschen usw. können dem natürlich ganz ähnlich zum Opfer fallen, aber eben nicht, weil sie *Männer sind, sondern weil sie "Unmännlichkeit" verkörpern. Femizide können auch von Frauen begangen werden, btw. Aber als Femizide sind solche Untaten dem Patriarchat bzw. den Folgen kranker Männlichkeit zuzurechnen. Daher kam meine Frage nach dem Tätern.

    • @alterego:

      Was für eine Unkenntnis von "Ehrenmord" und "Gewalt im Namen der Ehre"!

      Sog. "Ehrenmorde" sind nur die winzige Spitze des Eisbergs, bestehend aus Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen in bestimmten Gesellschaften.

      Die Klassifizierungen sind unbedingt notwendig um die Ursachen der Gewalt beseitigen zu können.

      Exakte Analysen helfen.

      Terre des Femmes hat da bereits 2004 einen sehr guten Job gemacht. Inzwischen ist die Situation leider noch weitaus schlimmer geworden.

      Die Studie zu "Ehrenmord":

      070416_TDF_Studie_Ehrenmord.pdf (humanrights.ch)

      • @shantivanille:

        Ich glaube wir sind gleicher Meinung: Es ist in erste Linie Mord an einem Menschen. Die Motivation liegt in mittelalterlich anmutenden Denkmustern, die nicht akzeptabel sind. Die Schuld der Täter ist das Verbrechen als auch das eigene inhumane Wertesystem

  • Ich halte das Argument - um den Begriff des Whataboutism nicht über Gebühr zu strapazieren - für eine gutgemeinte antirassistische Nebelkerze, die versucht, wie in der Bruchrechnung den kulturellen Hintergrund rauszukürzen.

    Das fand ich schon bei der Gleichsetzung "Silvesternacht-Oktoberfest" mit diesem #ausnahmslos recht fragwürdig. Ich bin überzeugt, die Anhänger würden zutiefst protestieren, wenn die Konservativen nach einem Brand eines Asylbewerberheims eine Debatte über das Thema "Brandstiftung im Allgemeinen" fordern, um die nationalistischen Motive zu verschleiern.

  • Die Frage ist halt, ob man die Motivation des Täters oder das Geschlecht des Opfers hervorheben möchte, je nachdem wovon man sich die spezifischeren Informationen verspricht bzw. welche zugrunde liegenden Komplexe man dahinter sieht.



    Wenn man dem Narrativ des Artikels folgt, dann sagt „Femizid“ bereits alles, weil mit dem Geschlecht des Opfers die Ursache des Mordes bereits als gegeben betrachtet wird. Die verschiedenen sozialen Strukturen, psychologischen Mechanismen und kulturellen Hintergründe sind dann irrelevant, weil letztlich ja das Patriarchat dahinter steht.



    Andererseits kann man auch die konkreten Motive der Täter als Beurteilungskriterium wählen. Das bedeutet nicht, diese zu legitimieren oder zu verharmlosen, sondern beschreibt lediglich, was diese als Personen zu ihrer Tat bewegt hat (Erbschaftsmord, Eifersuchtsmord, Mord aus Notwehr, Ehrenmord etc.)



    Ehrenmorde (auch wenn für vernünftige Leute nichts Ehrbares dahinter steckt) zum Beispiel sind auch oft Femizide, haben aber bestimmte Eigenheiten, welche sie von anderen Femiziden unterscheiden. Zum Beispiel steht das konkrete Verhältnis des Täters zu einer sozialen Einheit, nämlich der Familie, dahinter. Dadurch werden diese auch an Männern begangen. Und wie der differenziertere taz-Artikel „Ehrenloser Mord“ darlegt, werden solche Ehrenmorde in Deutschland hauptsächlich von Migranten der ersten Einwanderer-Generation verübt.



    Daran sieht man bereits, dass hier noch ganz andere Faktoren reinspielen als nur das Patriarchat. Und für die Kategorisierung und Auswertung solcher Morde sind mehr Informationen wichtig als nur das Geschlecht der Opfer.



    Das bedeutet nicht, man sollte solche leider verbreiteten Faktoren wie strukturellen Frauenhass stillschweigend übersehen. Aber ich glaube auch, dass der ständige Verweis auf das Patriarchat keinen Lösungsansatz darstellt, sondern eher dazu führt, sich in abstrakten Begriffszuordnungen zu verlieren, anstatt sich Probleme konkret anzuschauen.

    • @Anachronist87:

      Sorry, es gibt keinen "Mord aus Notwehr".

      Da eine schließt das andere aus.

      • @rero:

        Das ist EINE Meinung. Wir sind aber hier genug Juristen für mindestens fünf andere... ;-)

        • @Normalo:

          Sie haben recht, Asche auf mein Haupt, ich ziehe meinen Kommetar zurück. :-)

          Und Anachronist87 hat ja in der Sache recht.

      • @rero:

        Kann sein. Mir ging es nur um eine kurze Aufzählung möglicher Motive. Und diese sind natürlich auch nicht zwangsläufig auf diesen vorliegenden Fall bezogen.

  • Der Unterschied zu einem Beziehungsmord ist doch, dass der Mord nicht vom Partner, sondern von Familienmitgliedern geplant, beschlossen und begangen wird.

    Im Durchschnitt 12 Frauen pro Jahr sind dann etwa 10% der Femizide im Jahr.

    Oder der Mann tötet seine Frau selber, weil die Familie die Partnerin nicht akzeptieren würde.

    www.welt.de/vermis...-Ehrenmoerder.html

  • Die Anzahl an Femiziden bewegt sich im dreistelligen Bereich? Schrecklich.



    Allerdings bewegt sich die Zahl der Tötungsdelikte insgesamt im mittleren vierstelligen Bereich.



    Die Formulierung "Gewalt und Tötung von Frauen ist immer zu verurteilen" ist eine unzulässige Verkürzung. "Von Menschen" sollte es heißen.

  • Doch ich finde schon das der Begriff mehr als konkret ist, denn in erster Linie war es ein Femizid und nur in zweiter Linie ein Ehren-Mord. Ebenso wie ein Mord an dem homosexuellen Sohn oder auch der Tochter in erster Linie homophob, und daraus schlussfolgernd in gewissen ethnischen Kreisen als Ehrenmord angesehen werden kann. Mich würde interessieren worauf die Wort-Klauberei hinausführen soll.

    Nur bedingt muss ein von afghanischen Brüdern geplanter Mord an der Schwester anders betrachtet werden, als die herangezogene „Beziehungstat“ oder das „Eifersuchtsdrama“ – wobei so ohne Details ich mal weiterspinne:



    Selbst wenn der deutsche Mann seine Ex-Freundin im Affekt ermordet läuft es für mich im Grunde auf dasselbe hinaus: Mord ist Mord und eine Frau ist tot, weil sie den patriarchalischen Vorstellungen Ihres Umfeldes nicht entsprach. Denn in den meisten Fällen haben die Beziehungsdramen eben durchaus auch ähnliche Hintergründe: ein Mann der sich abgelehnt oder herabgesetzt – quasi in seiner Ehre gekränkt fühlt.

    Gewalt gegen Frauen ist nichts Neues und beginnt bei Mobbing wenn die Kollegin nicht auf Avancen eingeht, setzt sich fort in Hass-Foren im Internet – in denen zurückgewiesene Männer ein „freiwilliges Zölibat“ propagieren und zu Gewalttaten gegen Frauen aufrufen – über die Säureattacke gegen eine Frau welche sich nicht verabreden wollte bis hin zur Prügelei in der Partnerschaft und Vergewaltigung in der Ehe.

    ME macht die Redakteurin völlig zurecht darauf aufmerksam, dass Femizide viel zu selten thematisiert und im Rechtssystem noch nicht korrekt verankert sind. Ein Rechtssystem das sich auch bei uns schwer tut mit der Frage, wie erzwungener Sex in der Ehe zu behandeln sei… nur mal so als Beispiel. Vielleicht läßt man mal grundlegend die Unterteilung und archaischen Vorstellungen von Ehre oder Ehrenmord, Beziehungsdrama und sonstigen fragwürdigen Labeln weg und betrachtet es als das was es ist:

    • @Ceridwen:

      gelebte Gewalt durch körperliche Überlegenheit des Mannes (gerechtfertigt meinethalben durch abstruse Wertvorstellungen) gegenüber der Frau und das gehört weltweit bestraft.

      Zugrunde liegen meiner Ansicht nach misogyne Dynamiken oder Tendenzen unabhängig von Herkunft, Bildung etc. weltweit haben wir Jahrhunderte mit Geschlechter-Asymmetrien gelebt – männliche Dominanz und Besitzansprüche sind vielseitig historisch belegt und keine Erfindung einer einzelnen Kultur. Und für alle die sich jetzt gern in Nebenschlachtfeldern ergehen und Gewalt gegen Männer anprangern gern Folgendes:

      „Laut BKA-Statistik wurden im Jahr 2019 insgesamt 114.903 Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern bedroht, ihrer Freiheit beraubt, gestalkt, verletzt, sexuell genötigt, zur Prostitution gezwungen, vergewaltigt oder gar ermordet. Im gleichen Zeitraum waren auch 26.889 Männer von strafrechtlich relevanter Partnerschaftsgewalt betroffen. Das heißt, von den 141.792 statistisch erfassten Opfern von Partnerschaftsgewalt im Jahr 2017 waren insgesamt etwa 81 Prozent weiblich.“

      Keine Ahnung woher aber es ist was dran:

      Männer fürchten von Frauen ausgelacht zu werden und Frauen befürchten von Männern getötet zu werden.

  • "Das zeigt sich einerseits in der Berichterstattung, die deutlich häufiger stattfindet, wenn die (mutmaßlichen) Täter Ausländer sind oder Migrationsgeschichte haben." - und die taz macht da munter mit, wie dieser Bericht beweist. Warum springt ihr auch über jedes Stöckchen, das man euch hinhält?

    Frau Giffey hat im Übrigen recht mit ihrer Einschätzung, denn es geht hier um eine ganz andere Kategorie als wenn ein eifersüchtiger Partner mordet. Dieser Unterschied würde komplett verdunkelt, wenn man "nur" von Femizid spräche. Die Vorstellung, dass die "Ehre" des gesamten Clans gerächt werden sollte, ist schon nochmal eine Nummer größer.

    Wenn der Begriff "Ehrenmord" nicht gefällt, dann kann man ja ein Fremdwort einführen, z.B. "Honorizid". Der Begriff der Ehre ist in Deutschland schon genug überstrapaziert worden. Ich muss immer an Helmut Kohls wenig schmeichelhaftes "Ehrenwort" denken...

  • Nochmal: das spezifische eines Ehrenmordes ist, dass der Täter subjektiv davon überzeugt ist, dass seine Community den Mord von ihm erwartet und ihn gutheißt. Vor einer “deutschen” Beziehungstat tagt kein Familienrat, bei der die Familie eine Frau zum Tode verurteilt, weil sie sich sonst vor den Nachbarn nicht mehr sehen lassen kann. Es ist natürlich auch ein Femizid, aber eben eine besondere, kulturabhängige Form davon.

  • Warum gibt es keine Differenzierung zwischen einem Mord an einem Partner und dem Mord aus anderen Gesichtspunkten wie eben "Ehrenmord". Die Motivation ist oft ein völlig andere und alles unter dem Hut "Femizit" hilft in der Sache nicht grossartig weiter.

  • Ist denn die Tötung der eigenen Schwester/ Tochter, weil sie (aus Sicht der Täter_innen) die Ehre der Familie verletzt



    eher mit der Tötung einer Frau durch ihren Partner vergleichbar?



    oder ist sie nicht doch eher vergleichbar mit der Ermordung des eigenen Sohnen/Bruders, weil er Homosexuell ist, und damit (aus Sicht der Täter_innen), die Ehre der Familie verletzt. Ich gehe eher von zweiterem aus. Dementsprechend sollte man für diese Phänomene die selbe Bezeichnung verwenden. Und momentan scheint der passendste Begriff nunmal Ehrenmord zu sein.

    In der Tat stimme ich zu, dass die Begriffe "Beziehungstat" und "Eifersuchtsdrama" arg verharmlosend sind. Wenn es sich um eine Tötung handelt sollte es entsprechend bezeichnet werden, und wenn es sich bei der Tat um einen Mord handelt, sollte es entsprechend auch als Mord bezeichnet werden.



    Dennoch wird wahrscheinlich nicht jede "Beziehungstat" auch tatsächlich ein Mord sein....

    Dieser Mord war ein Femizid. Er war aber auch zugleich ein Ehrenmord.

    (vielleicht ist Ehrenmord nicht der beste Begriff, um diese grausamen Taten zu bezeichnen. Der Begriff Femizid passt zwar, ist aber nicht konkret genug um diese spezielle Kategorie von Taten zu bezeichnen)

    • @Arthur Helwich:

      Der Begriff "Beziehungstat" verharmlost nichts.

      Er definiert kriminologisch lediglich, dass Täter_innen und Opfer sich vorher kannten, als eine Beziehung zueinander hatten.

      Von Partnerschaft ist dabei keine Rede.

      Kolleg_innenkreis, Familie, Lehrer_innnen/Schüler_innen, Freund_innen - das zählt alles darunter.

      Eine Beziehungstat kann Mord und Totschlag sein, aber auch Körperverletzung etc.

      Die Bezeichnung sagt lediglich aus, dass sich hier nicht zwei Wildfremde gegenseitig umbringen, verletzen oder sonst was machen.

      Aus kriminologischer Sicht ist die Zuordnung relevant.

      • @rero:

        Genau weil unter Begriffen wie "Beziehungstat" sowohl Morde, als auch Totschlag oder Körperverletzung fallen, finde ich, sollte man wenn es sich um Morde handelt auch ausdrücklich von Morden sprechen.



        Dass die Zuordnung relevant ist, dass es sich bei dem_der Täterin einem dem Opfer bekannten Person handelt, streite ich ja garnicht ab.

        Trotzdem irritiert es mich schin, wenn ich in eine Zeitschriftenüberschrift was von "Beziehungstat" lese, es sich, wie sich aber herausstellt dass es um einen Mord geht.



        Beziehungstat ist der Überbegriff. Und so wie ich finde, dass man in dem Fall der durch ihre Brüder getöteten Afghanin den Begriff des Feminzids konkretisieren muss in dem Fall als Ehrenmord, sollte man auch bei den Beziehungstaten konkret werden, um was für eine Tat es sich genau handeltr

    • @Arthur Helwich:

      Das Problem an Ihrer Schlussfolgerung sehe ich darin, dass es nach mitteleuropäischem Kulturverständnis nichts mit Ehre zu tun hat, wenn man jemanden tötet, nur, weil er so lebt, wie er lebt.



      In afghanischen Zeitungen kann man ja von Ehrenmord sprechen, wenn deren Verständnis so ist. Ich sehe hier bei den Mördern keine Ehre, die sich zu verteidigen lohnt. Dass sind rückständige Menschen, die intellektuell hier noch nicht angekommen sind. Die sind vor Verfolgung und/oder Armut geflohen, und machen hier damit weiter, womit sie da aufgehört haben.

      • @Ber.lin.er:

        Selbstverständlich ist es angebracht, auch in hiesigen Zeitungen von einem Ehrenmord zu sprechen. Hier wird die Sicht des Mörders eingenommen, der den Mord mit der von dem Mordopfer vermeintlich verletzten Ehre der Familie begründet. Die Hintergründe sind kulturell-religiöser Art und können nicht einfach ausgeblendet werden, nur, weil die Mörder in einem Land leben, in dem es nicht Sitte ist, solche Ehrenmorde zu begehen. Wichtiger als eine Diskussion über richtige Bezeichnungen ist, in diesem Land potentiellen Opfer vor solchen Verbrechen zu schützen. Hatun Sürücü, die 2005 von ihren Brüdern ermordet wurde, soll vergeblich Hilferufe ausgesendet haben.

  • Artikelzitat: "Sogenannte Ehrenmorde sind die Folge einer patriarchalen Weltvorstellung, nämlich dass Frauen Männern unterstehen, ihnen zu gehorchen haben, und wenn sie das nicht tun, die „Ehre“ der Familie verletzen würden. Strukturelle Frauenverachtung ist also die Grundlage für solch eine Tat."

    Gut formuliert. Damit ist die taz erheblich weiter als der SPIEGEL.

    Noch besser gefällt mir die Definition von Terre des Femmes aus einer Studie zu "Ehrenmord" (gekürzt):

    • Während „Gewalt im Namen der Leidenschaft“ in der Regel von dem derzeitigen oder ehemaligen Partner der Frau ausgeht, wird „Gewalt im Namen der Ehre“ in vielen Fällen von der ganzen Familie ausgeübt. Als Täter kommen demnach mehrere Personen in Frage: Der Vater, der Bruder, der Onkel, Cousin etc. Auch der Kreis der potentiellen Opfer ist dementsprechend größer (Schwester, Tochter, Cousine etc.).

    • Die Gründe für Gewalt im Namen der Leidenschaft und Gewalt im Namen der Ehre sind unterschiedlich, können aber in einigen Fällen ineinander übergehen, da es in erster Linie um die Kontrolle der weiblichen Sexualität geht. Ein „klassischer Ehrenmord“ wird z. B. von dem Bruder begangen, wenn seine Schwester voreheliche Kontakte zu einem Mann hat.

    • Einem Ehrenmord geht häufig eine gemeinschaftliche Planung des Familien -voraus.

    • Eine „verletzte Familienehre“ ist erst dann bereinigt, wenn die Beschuldigte umgebracht ist. Die Frauen müssen sich demnach ihr ganzes Leben lang verstecken.

    • Für die potentiellen Opfer eines Ehrverbrechens ist es daher sehr viel schwieriger, der Gewalt zu entkommen, da sie sich in der Regel an niemanden aus der Familie oder Gesellschaft wenden können.

    070416_TDF_Studie_Ehrenmord.pdf (humanrights.ch)

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Und wie viele Frauen werden beim Heimaturlaub ermordet, bei wie-vielen Frauen kann der Mord verschleiert werden? Wie viele Frauen geben ihre Hoffnungen und Träume auf aus Angst eine weitere Nummer zu werden?

  • Sehr aufschlussreicher Artikel.

    Der Christdemokrat (wie ich dieses Wort liebe...) versteht sich als Sprachrohr der (Ehren-)Mordopfer - oder doch eher der (potentiellen) Wutbürger, denn das sind zahlenmäßig bestimmt mehr als die Femizidopfer, bzw. überlebende, denn die Opfer selber können in der Regel nicht mehr wählen, also ihn wählen.

    Politisches Kalkül nennt man das wohl - obwohl das in Anlehnung an den Artikel auch nur eine Verharmlosung ist, sprich: es ist Kalkül.

  • Also... dass Herr Wegner so einen Quatsch von sich gibt erwarte ich geradezu. Aber Frau Giffey schaft es immer wieder, mich zu enttäuschen.

    • @tomás zerolo:

      Zwischenzeitlich bezeichnet ja auch Frau Breitenbach das Ganze als Ehrenmord. Entäuscht?

    • @tomás zerolo:

      Was enttäuscht Sie denn daran, dass Frau Giffey die Tat als "schrecklichen Ehrenmord" bezeichnet haben will?

  • Natürlich verharmlost der Begriff „Ehrenmord“. Als wenn dieser Mord begangen wurde, weil eine Ehre auf dem Spiel gestanden hätte. Da haben zwei ehrlose Typen mit mittelalterlichen Lebensvorstellungen eine Frau ermordet, weil Sie eine Frau war, die gewisse Dinge gefälligst nicht darf. Dinge, die Männer dürfen.

    Wer den Begriff „Ehrenmord“ für richtig hält, sollte darüber nachdenken, ob es ihm dabei um die Stigmatisierung einer Religion und/oder einer Region geht.

    • @Ber.lin.er:

      Hallo, Dein Kommentar ist meiner Meinung nach ein sehr eingeschränkte Sicht auf das Thema. Auch hier gleich reflexartig die, nennen wir es mal "Rassismus"-Keule zu schwingen oder gar den Menschen Islamophobie zu unterstellen.



      Vor einem "Ehrenmord" erfährt das Opfer sehr viel Gewalt, Drohungen und Ausgrenzung durch die ganze Familie und Bekanntenkreis. Viele Opfer versuchen zu flüchten oder sich gar zu verstecken.

      Der Mord an sich, ist danach der letzte Baustein dieser Kette und das ist definitiv keine Handlung von einem oder zwei Einzeltäter, die sich das in einer Laune so mal ausgedacht haben.

    • @Ber.lin.er:

      Wieso sollte es bei der Anwendung des Begriffs "Ehrenmord" um "die Stimatisierung einer Religion..."gehen? Wer den Begriff nicht anwenden möchte, sollte darüber nachdenken, ob er/sie nicht etwas verschleiern möchte. Man sollte die Dinge schon beim Namen nennen können, ohne gleich in irgendwelche Ecken gestellt zu werden.

      • @Elena Levi:

        Welche Ehre wurde verteidigt? Wie sieht die aus?

    • @Ber.lin.er:

      Nun halte man mal die Menschen nicht dümmer, als sie sind. Jeder kapiert das Wort in seinem Kontext schon völlig richtig. Die Ehre, um die es beim Wort Ehrenmord geht, ist die kulturspezifische, nicht die, die der normale Westeuropäer meint, wenn er von seiner spricht. Beim Wort Lustmord denkt doch auch keiner, dass der Mord Lust macht.

      Im übrigen: natürlich ist das Ganze kulturspezifisch. Im muslimischen Indonesien gibt es keine Ehrenmorde, sehr wohl aber bei Jesiden und auch Christen im Nahen Osten. Sorry, da müssen dann diese Kulturen eben durch, dass man mal den Augenmerk auf ihre negativen Aspekte lenkt. Anders lässt sich diese spezifische Form von Femizid nun mal nicht bekämpfen.

  • Na, wie man sieht, gehen die Meinungen in Punkto "Verharmlosung" diametral auseinander. Ich bin aus einem ganz anderem Grund dafür den Begriff "Ehrenmord" beizuhalten: Er bezeichnet, im Gegensatz zum klassischen Femizid mitteleuropäischer Prägung, nicht die Tat eines in seinem Narzissmus aufs äußersten gekränkten Einzeltäters, sondern in vielen Fällen einen Mord, den ein einzelner (in diesem Fall zwei) im Auftrag einer Familie durchführt. Das ist schon ein Unterschied.

    • @Amandas:

      Ach, es muss ja nicht immer Mord sein zugunsten der Familienehre.



      Dieselben Mechanismen, "unangenehme" Dinge innerhalb der Familie zu deckeln, führt auch "bei uns" dazu, dass Opfer von sexuellem Missbrauch und Gewalt (weit überwiegend Mädchen und Frauen) innerhalb einer Familie mehr oder weniger subtil dazu gedrängt werden, dies nicht öffentlich zu machen.



      Man nennt es nur nicht "Ehre"......

      • @Life is Life:

        Es sind nicht exakt die selben Mechanismen. Differenzierung ist wichtig. Nur so kann man den Dingen an der Wurzel begegnen.

  • Ich glaube das ist nicht ganz so klar. Natürlich ist es sehr berechtigt alle Morde an Frauen, die durch Partner oder Familie begangen werden, zusammen zu sehen. Da gibt es Gemeinsamkeiten, gemeinsame Denkweisen, und die sollte man auch benennen. Das kann z.B. sein, dass eine Gesellschaft einem Partner-Mörder irgendwie etwas mildernde Umstände zugesteht, wenn er etwa verlassen wurde (oder andere Szenarien).

    Nur gibt es viele Zusammenhänge, in die man solche Taten einsortieren kann. Es gibt wohl auch das Phänomen, dass Frauen von ihrer Familie wegen soetwas wie der Familienehre umgebracht und in viel mehr Fällen wohl gewaltätig angegangen werden. Hinter der Familienehre stehen auch gesellschaftliche Wertvorstellungen, die von vielen Menschen geteilt werden, und die haben eben an dieser Stelle auch ihre negativen Auswirkungen.

    Das hat dann auch Komponenten, die von außen nach D getragen wurden, und das kann und soll man doch auch benennen. Damit wird nicht verneint, dass man dazu auch andere Zusammenhänge sehen kann, die dieser Artikel mehr betont.