Ende von Rot-Grün-Rot in Berlin: Die subtile Rache der Franziska G.
Die SPD brüskiert Linke und Grüne, mit denen sie noch regiert. Perspektivisch treibt sie damit die Grünen ausgerechnet in ein Bündnis mit der CDU.
M an muss kein Fan einer schwarz-grünen oder grün-schwarzen Koalition sein, um zu erkennen: Das aktuelle Betragen der SPD macht solche Bündnisse selbst im Land Berlin wahrscheinlich, wo die Grünen linker sind als im Rest der Republik. Nach dem brüsken Aus für eine Fortsetzung von Rot-Grün-Rot durch SPD-Landeschefin Franziska Giffey bleibt den Grünen gar nichts anderes übrig, als nach potenziellen neuen Partnern Ausschau zu halten. Und die Auswahl ist nicht sonderlich groß. Für die SPD heißt das: Sie macht sich selbst irrelevanter.
Doch der Reihe nach: Der Bericht der SPD-Sondierungskommission vom Mittwoch machte nicht wegen der darin festgehaltenen inhaltlichen Verhandlungserfolge mit der CDU Schlagzeilen, sondern wegen der Beschimpfungen der Noch-Koalitionspartner Grüne und Linke. Erstere hätten in den Sondierungen vor allem ihre Eigeninteressen hervorgehoben und bisherige Vereinbarungen in Frage gestellt; letztere seien aufgrund der Situation in der Bundespartei ein zunehmend unsicherer Partner.
Die Antwort der geschockten Grünen ließ etwas auf sich warten. Doch Tags darauf warfen sie in einem „Faktencheck“ der SPD vor, „mit verkürzten Aussagen bis hin zur Unwahrheit“ zu arbeiten. Gründlicher kann man ein Tischtuch zwischen drei Parteien kaum zerreißen. Und man fragt sich, wie Rot-Grün-Rot noch bis zur Übernahme durch Schwarz-Rot durchhalten will.
Durch ihre Äußerungen habe die SPD viel Vertrauen verspielt, bilanzierte die grüne Fraktionschefin Silke Gebel im Gespräch mit der taz. „Das ist bedauerlich. Wir müssen nun bewerten, was das für uns Grüne heißt.“ Zum Beispiel muss man fragen, was es nun noch braucht für ein Bündnis mit der CDU.
Denn während aus der SPD kolportiert wird, eine solche Koalition wäre schon während der Sondierungen das wahre Ziel der Grünen gewesen, gibt es tatsächlich eine ganze Menge Hürden, die die Ex-Alternativen für eine Zusammenarbeit überspringen müssten. Da wäre zum Beispiel der Umgang mit der Vornamen-Abfrage der CDU nach der Silvesterrandale: Zumindest an der grünen Basis wird die Kritik daran nicht so schnell verstummen wie offenbar in der SPD, für die das kein Hindernis mehr für eine Zusammenarbeit zu sein scheint – obwohl CDU-Chef Kai Wegner dieses offenbar rassistisch motivierte Vorgehen am Freitag erneut verteidigt hat.
Schlechte Nachrichten für den linken Flügel
Doch schnell dürfte den Grünen klar werden: Die SPD ist – zumindest mit diesem Spitzenpersonal – kein verlässlicherer Partner als die CDU. Und da die nächste Wahl gerade mal gute drei Jahre entfernt ist, werden sich die Kontakte zwischen Grünen und Union eher intensivieren. Für den starken linken Flügel der Grünen in Berlin, der wichtig ist, um neue politische Ideen voranzutreiben und die in vielen Teilen progressivere linke Aktivist*innenschaft einzubinden, ist das keine gute Nachricht.
Allerdings stellt sich am Ende schlicht und einfach die Machtfrage. Entweder müssen die Grünen viel stärker werden und deutlich über 25 Prozent landen, was nur mit dem Verzicht auf radikalere Positionen gelingt, oder eben nach der Wahl mit konservativen Kräften zusammen arbeiten.
Es klingt daher wie die subtile Rache von Franziska Giffey, dass ausgerechnet sie mit ihrem Schritt für eine Koalition der SPD mit der CDU auch die Grünen in die selbe rechte Richtung treibt – und damit die Umsetzung allzu radikaler Ideen etwa in der Verkehrspolitik sogar längerfristig behindert.
Andererseits birgt diese Verschiebung im Parteiengefüge die Gefahr für die SPD, dass sie zwischen Union und Grünen zerrieben wird. Für die Grünen stellt sich aber nun erst mal die Frage: Wie bringt man einem linken Landesverband bei, dass diese Wahlwiederholung vielleicht nichts weniger als eine Zeitwende war?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht