Einigung im Haushaltsstreit: Die riskante Wette der Koalition
Ein Haushalts-Kompromiss ist gefunden. Weil die FDP neues Geld erfolgreich blockiert hat, bleibt das Soziale auf der Strecke – das ist gefährlich.
E s ist ein Sieg der FDP: Sie hat vorerst durchgesetzt, dass die Schuldenbremse nicht angetastet wird. Stattdessen wird 2024 im Bundeshaushalt und bei den Klima-Investitionen gestrichen.
Die Liberalen haben diesen Sieg nicht durch eigene Stärke eingefahren. Bekanntlich kommen sie in Umfragen nur auf 4 bis 5 Prozent und rangieren damit in der Todeszone. Aber der FDP half, dass sie beim Thema Schulden die Mehrheit der WählerInnen hinter sich weiß. 61 Prozent der BürgerInnen glauben, dass die Schuldenbremse eine gute Idee sei.
Das ist tragisch, denn damit verbauen sich die Deutschen ihre eigene Zukunft. Schulden sind zwingend nötig, um Investitionen zu finanzieren. Der Staat kann nicht wie ein Sparschwein agieren und zunächst Geld zurücklegen. Sobald gespart wird, fehlt Nachfrage – und die Wirtschaft bricht ein. Doch dieses Argument zündet bei den Deutschen nicht. Sie sind ein Volk von schwäbischen Hausfrauen.
Allerdings bleibt unklar, wie die Ampel die Schuldenbremse einhalten will. Im regulären Haushalt fehlen 17 Milliarden Euro. Deutlich ist nur, was nicht gestrichen wird. Die SPD verbucht es als Sieg, dass Bürgergeld und Kindergrundsicherung bleiben. Dieser „Sieg“ war allerdings billig einzufahren. Die Kindergrundsicherung soll sowieso erst 2025 kommen, und das Bürgergeld ließ sich nicht mehr kürzen, weil die Bundesagentur für Arbeit schon angefangen hat, es auszuzahlen. Es wird spannend, wie es dem Parlament in den Haushaltsberatungen gelingen soll, 17 Milliarden Euro aufzutreiben. Nach dem Ampelstreit ist vor dem Ampelstreit.
Klarer ist, wie es mit dem Sondertopf namens „Klima- und Transformationsfonds“ weitergeht. Dort fehlten 12 Milliarden Euro. Die Grünen feiern nun, dass sie neue Einnahmen generieren konnten, indem der CO₂-Preis ab 2024 auf 45 Euro die Tonne steigt. Bisher beträgt er 30 Euro und sollte nur auf 40 Euro steigen.
Höhere CO₂-Preise sind konsequenter Klimaschutz, keine Frage, könnten aber direkt aufs Konto der AfD einzahlen. Denn bei Energiepreisen werden WählerInnen schnell nervös. Zumal nicht nur der CO₂-Preis steigen wird. Auch die Netzentgelte beim Strom dürften um 3 Cent pro Kilowattstunde zulegen.
Die Ampel hofft, dass die steigenden Abgaben nicht auffallen, weil Gas und Öl auf den Weltmärkten wieder billiger werden. Das ist eine riskante Wette. Denn die AfD wird gnadenlos behaupten, dass grüne Stadteliten die arme Landbevölkerung quälen wollen. Vor allem im Osten natürlich – denn dort sind 2024 drei Landtagswahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
G20-Gipfel in Brasilien
Milei will mit Kapitalismus aus der Armut
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört