Die Zukunft der Grünen: Eine andere Baerbock

Wie muss der Plan der Grünen aussehen, um den Absturz in den Umfragen zu stoppen? Baerbock muss in jedem Fall anders auftreten, um zu bestehen.

Grünen-Spitzenkandidatin Baerbock im blauen Kleid mit Mikrofon in der Hand

Kann ein neuer Sprech- und Auftrittsstil ihren Image-Schaden stoppen? Foto: Soeren Stache/dpa

Richard Nixon, der alte Sack, wurde dank eines legendären Tricks zum US-Präsidenten gewählt. Das zen­tra­le politische Problem 1968 war der Krieg in Vietnam, und Nixon sagte im Wahlkampf auf die Frage, wie man da wieder rauskomme: „Ich habe einen Plan.“ Daran muss ich denken, wenn die Bundesgeschäftsstelle der Grünen jetzt sagt, sie hätten einen Plan, um ihr Problem zu lösen. Nixon hatte selbstverständlich keinen. Die pure Behauptung reichte.

Klar, hoffen manche Grüne, dass die klimakrisenbedingte Katastrophe im eigenen Land alles wieder verändern werde. Jetzt wird erst mal Armin Laschet durchs Dorf gejagt. Aber ohne, erstens, wirklich zu verstehen, was man falsch gemacht hat und was das Problem ist, kann man es nicht besser machen. Das Problem ist der Glaubwürdigkeitsverlust außerhalb der eigenen Partei.

Daraus folgt zweitens: Die Kanzlerkandidatur ist Geschichte. Oder besser gesagt: Zukunft.

Der erste Versuch mit Annalena Baerbock hat noch nicht funktioniert. Die Bundesvorsitzende ist in dieser Woche wieder die unbeliebteste Spitzenpolitikerin im Land. Sogar noch deutlich unbeliebter als Christian Lindner. Das liegt am Stil der Kandidatur, die zu prätentiös und geschwollen daherkam. Es liegt an der Kandidatin, die sich einem großen Teil der Gesellschaft in Rekordzeit über negative Zuschreibungen bekannt gemacht hat. Und es liegt an der fehlenden grünen Krisenkompetenz und einem grotesken Whataboutism.

Ja, es gibt Leute, die ihre undefinierte Männlichkeit durch Ausstoß von Bullshit gegen Frauen festigen wollen, das ist inakzeptabel, aber nicht repräsentativ für die aufgeklärte Mehrheitsgesellschaft. Und wer „Trumpismus“ schreit oder „rechte Dreckskampagne“, der hat keine Ahnung vom Ausmaß der Polarisierung in den USA und wird eine ähnliche Entwicklung hier fahrlässig befördern.

Mehr Habeck ist nicht die Lösung

Also nicht mehr über das Kanzleramt reden. Es geht bei dieser Wahl nicht um die Symbolik des richtigen Geschlechts. Es geht um die Realität der richtigen Politik. So gesehen ist das zentrale Problem, dass es Baer­bock als Person und Stimme nicht gelungen ist, im Zentrum der liberalen Gesellschaft das Vertrauen für eine ernsthafte Klimapolitik auszubauen, die durch das EU-Klimagesetz und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bereits festgeschrieben ist. Die nichtsdestotrotz eine starke Mehrheitskultur braucht, die das trägt.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Konkret ist eine auf Bewahrung von Freiheit und Wohlstand zielende Klimapolitik für viele immer noch eine Drohung. Ja, die Weiter-so-Strategie der Union desavouiert sich in dieser Woche selbst. Aber damit kann man sie noch längst nicht abhaken. Schon übermorgen könnten Union, SPD und FDP wieder Parkplätze verteidigen. Und dann muss ein großer Teil der Mitte sagen: Quatsch, wir folgen Frau Baerbock. Danach sieht es nicht aus.

Manche Grüne scheinen zu hoffen, man brauche einfach mehr Habeck und weniger Baer­bock. Mehr Habeck auf jeden Fall. Der zweite Spitzenkandidat kam diese Woche super an, das liegt nicht nur an seiner – offenbar in der Partei solitären – Krisenkommunikationskompetenz, sondern auch an den Rauf-und-runter-Bedürfnissen von uns Medien.

Doch weniger Baerbock wird nicht klappen. Alle, die grünes Blut gerochen haben, werden nicht lockerlassen, da wären sie ja schön blöd. Würde man sie sogar austauschen, wie Böswillige raten, würde man sich selbst vollends k.o. schlagen. Es gibt nur eine Lösung. Es braucht nicht weniger Baerbock, sondern eine andere Baer­bock – anders auftretend, anders sprechend.

Wie soll das gehen? Das weiß ich doch nicht. Aber es ist der einzige Weg.

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Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried

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