BSW in Thüringen: Das hat Erpresserpotenzial
Sahra Wagenknecht treibt mit ihrer Partei den Preis für eine Zusammenarbeit mit CDU und SPD nach oben. Dabei will sie die CDU von innen heraus zerstören.
W er bisher geglaubt hatte, das mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht sei doch nicht so dramatisch, weil das BSW bei den vergangenen Landtagswahlen im Osten der AfD immerhin Stimmen abgeluchst habe, der sollte sich das Erpresserpotenzial seiner Chefin ansehen: Sahra Wagenknecht fordert von der Thüringer CDU, sich vom CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz zu distanzieren, sollten CDU und BSW in Thüringen tatsächlich gemeinsam regieren wollen.
Und das, weil der CDU-Kanzlerkandidat es nicht lassen konnte, den umstrittenen Taurus, der einigermaßen friedlich in der deutschen Versenkung hockte, wieder hervorzukramen. Wenn Putin nicht aufhöre, die ukrainische Zivilbevölkerung zu bombardieren, müsse Deutschland notfalls die Taurus-Marschflugkörper mit 500 Kilometer Reichweite an die Ukraine liefern, sagte Merz jüngst im Bundestag.
Bekanntermaßen hört es Russland-Freundin Wagenknecht nicht gern, wenn jemand der Ukraine weitere Hilfen zusichert. Ihr aktueller Affront gegen Merz und die CDU indes ist keine Verstetigung ihrer politischen Forderungen, sondern eine offene Konfrontation und Eskalation.
Mehr noch: Fast scheint es, als habe sie Merz’ Taurus-Äußerung dankbar aufgegriffen. So kann sie den Preis für eine Zusammenarbeit mit Parteien wie der CDU und der SPD, die sie auf Landesebene im Grunde gar nicht will, massiv erhöhen. Und so treibt sie sowohl die CDU als auch ihre eigene Partei vor sich her. Katja Wolf, BSW-Landeschefin in Thüringen, gilt nicht unbedingt als Wagenknecht-hörig, das Thüringer Sondierungspapier zumindest ist ein Kompromiss, für den alle drei potenziellen Regierungsparteien im Thüringer Landtag Federn lassen mussten – und der nicht Wagenknechts Handschrift trägt.
Ungeachtet dessen hat es die CDU in Berlin aktuell gar nicht nötig, sich von der BSW-Chefin erpressen zu lassen. Das weiß Wagenknecht – und hat einen weitaus perfideren Plan: die CDU von innen heraus zu zerstören.
Im Osten sieht man das mit den Waffenlieferungen an die Ukraine und der Liebe zum alten „Bruderstaat“ Russland bekanntlich anders – und das nutzt Wagenknecht weidlich aus. Offensichtlich will sie die Ost-CDU gegen die Bundes-CDU aufbringen und einen Keil zwischen Berlin und die Länder treiben. Wenn aber die Union, mit der gegen die AfD koaliert werden muss, innerlich zerstritten ist, steht die gesamte Demokratie zur Disposition.
Der AfD spielt das in die Hände, sie selbst muss dafür nicht einmal etwas tun. Das muss sich bei der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 noch nicht so recht auswirken. Spätestens 2029 könnte es schon ganz anders aussehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“