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Israels Pläne für den GazastreifenHamas vernichten – und dann?

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Bislang gibt es kein Konzept dafür, was mit dem Gazastreifen passieren soll. Eine internationale Treuhandschaft könnte ein Weg sein.

Die Skyline von Gaza City nach einem israelischen Luftangriff am 1. Oktober Foto: Rizek Abdeljawad/Xinhua/imago

N och hat Israels angedrohte Bodenoffensive in Gaza nicht begonnen, da gibt es dort schon eine Million Fliehende und 2.750 Tote. Israels Kriegsziel scheint klar: „Wir werden Hamas vernichten“, sagt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Umstritten sind höchstens die Mittel: Kann man Hamas vernichten, ohne alle Bewohner des Gazastreifens zu verjagen oder zu töten? Will Netanjahu gar auf Putins Spuren wandeln, als geächteter Kriegsherr auf Rui­nen und Massengräbern? Es wäre das Gegenteil eines Sieges. Das erklärt auch die intensive Krisendiplomatie. Mit jedem Tag, an dem Israel doch nicht einmarschiert, können sich Menschen in Sicherheit bringen, öffnet sich das Zeitfenster für einen Ausweg aus der Sackgasse ein wenig mehr.

Denn auf eine Frage gibt Israel beharrlich keine Antwort: Was würde nach der Vernichtung von Hamas mit dem Gazastreifen passieren? Will Israel ihn besetzt halten und sich Krieg ohne Ende aussetzen? Soll die inkompetente palästinensische Autonomiebehörde ihn übernehmen? Soll Israel das Gebiet leeren, annektieren, planieren und darauf Militärbasen oder Atomkraftwerke bauen? Es gibt kein Konzept.

Der völkermörderische Hamas-Terrorangriff auf Israel und Israels angedrohter Gegenschlag stürzen die Region in eine Krise wie seit 75 Jahren nicht. Juden fühlen sich an die Shoah erinnert, Palästinenser an die Nakba. Es geht um die Existenz. Da muss neu gedacht werden. Wenn in Gaza weder israelische noch palästinensische Verwaltung Sinn ergibt, muss ein dritter Weg gesucht werden.

Vielleicht liegt der dritte Weg dort, wo er vor 75 Jahren endete: in der internationalen Treuhandschaft, die in Palästina vor 1948 unter britischer Verwaltung existierte, im Namen erst des Völkerbunds und dann der UNO. Nach Israels Unabhängigkeitserklärung und dem arabischen Krieg gegen den jüdischen Staat verblieb in Gaza das „All-Palästina-Protektorat“ der Arabischen Liga unter ägyptischer Verwaltung und beherbergte Palästinas arabische Politiker. Ägyptens Annexion des Gazastreifens 1959 beendete dies, mit Israels Besetzung ab 1967 war es endgültig Geschichte. Heute aber könnte das Erbe des Palästina-Mandats als Ausgangspunkt für eine neue Debatte dienen.

Osttimor als Modell

Internationale Treuhandschaften gab es weltweit immer wieder, bis in die jüngere Gegenwart, von Namibia bis Palau, zuletzt in Osttimor unter UN-Verwaltung vom Abzug Indonesiens 1999 bis zur Unabhängigkeit 2002. Treuhandmodelle wurden auch immer wieder im Rahmen der Zweistaatenlösung für Israel und Palästina diskutiert.

Wäre eine internationale Verwaltung für Gaza also ein denkbarer Weg? Wenn ja, wie, unter wessen Führung und mit welchem Ziel? Wenn nicht, was dann? Die Fragen mögen heute naiv erscheinen. Aber ohne eine politische Vision gibt es am Ende nur Trümmer- und Leichenberge. Auf beiden Seiten. Und dann muss man diese Fragen sowieso stellen, Tausende Tote später.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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59 Kommentare

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  • Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • So schlimm und verachtenswert die Morde der Hamas sind: Israel dürfte auch heute keine Strategie für das "danach" haben. Es geht nur um den Erhalt des Status Quo. Er heißt gemäß Netanjahu: um keinen Preis einen Palästinenserstaat!



    www.cafetelaviv.de...l/gaza-krieg-2023/

    • @Schlesinger jr.:

      Erstmal geht es um die Existenz Israels und dafür muss die Hamas weg.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Die Hamas, am Abgrund durch die ihr davonlaufende politische und strategische Entwicklung, versucht mit ihrem Terrorüberfall Israel einen Krieg aufzuzwingen, um das Land in einen für Israel letztlich selbstzerstörerisch wirkenden Abwärtsstrudel zu reißen.



    Dem zu widerstehen und einen Ausweg aus der sich selbst verstärkenden Gewalt zu finden, dürfte die Kräfte Israels alleine überfordern.



    Für die Chance, einen Ausweg mit internationaler Hilfe finden zu können, müssten die Kräfte, die in Israel das Ziel des Großreichs verfolgen, entmachtet werden.



    Doch diese sind sich der militärischen Übermacht und der strategischen Unterstützung Israels so sicher, dass sie sich für unbesiegbar halten. Damit kalkuliert die Hamas. Sie - und wer noch? - könnte den Krieg bekommen, den sie will. Ob wir das "verstehen" oder nicht.



    Aber "wir" haben schon vorher so viel zu wenig verstanden, dass man sich über die aktuelle Situation nicht zu wundern braucht.

  • Dass Israel die HAMAS zerschlagen kann, ist nicht gesichert.

    Was ist wenn andere Staaten eingreifen?



    Was passiert wenn westliche Staaten aufgrund einer massiven muslimischen Reaktion in Europa, die Unterstützung für Israel aufkündigen müssen?

  • Wenn die Hamas die Bevölkerung in Gaza terrorisiert, hat das wenig gestört, obwohl es dort auch Morde gegen Aufständische und Protestierende gab. Warum war das nicht Thema in der Öffentlichkeit und der Politik? Weil es nur "Palis" sind und keine wertvollen Westler?

    Davon abgesehen ist es sicherlich gut, den Islamismus weltweit zu bekämpfen, anstatt ihn immer wieder zu fördern und aufzupäppeln, siehe Hamas, Mullahs, Taliban, etc.

  • Die "Treuhandgebiete" des Völkerbundes waren nichts anderes als getarnte Kolonien. Ich hoffe, das ist nicht gemeint.

    Und heute? Wer soll denn die "Treuhandschaft" über Gaza ausüben? Wer ist denn nicht Partei? Nepal?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      China?

      • @Francesco:

        Das würde der Westen akzeptieren? Eher nicht.

  • Eine internationale Treuhänderschaft? Nur eine schöne Utopie, denn die Hürden scheinen wahrlich unüberwindlich !



    So müsste die Treuhänderschaft zwingend nicht nur den Gaza-Streifen, sondern auch die Westbank und Teile Jerusalems umfassen, müssten Hamas und andere (Terroristen-)Gruppen - möglicherweise im Rahmen einer Amnestie - entwaffnet und die Landnahme radikal-religiöser jüdischer Siedler beendet werden. Existierende israelische Siedlungen wären unter Treuhandverwaltung zu stellen, sie müssten palästinensischen Bürgern geöffnet, und für diese müsste in ihrem "Staat" eine realistische Zukunfts(Bildung/Wohlstands)perspektive geschaffen werden. Hier schon zeigt sich wie unrealistisch die Treuhandoption wirklich ist. Unannehmbar wird man auf israelischer Seite rufen und auch bei den Palästinensern wird es Widerspruch geben. Zu viele lokale politischen Größen auf israelischer und palästinensischer Seite sind am Weiterbestehen dieses Konflikts interessiert. Schließlich sichert er ihnen politische Macht, Einfluss, Einkommen. Ganz zu schweigen von den nicht nur regionalen Mächten , die hier ihren Kampf um die lokale Vormacht und ihre Stellung im internationalen Machtgefüge ausfechten. Der Konflikt ist seit Gründung des Staates Israel auf einem Stück Land, das nur mit den Augen einer Kolonialmacht des 19. Jahrhunderts betrachtet ein leerer Wüstenstreifen war, im 20. Jahrhundert gewuchert wie Krebsgeschwür. Womöglich wird er weiterwuchern bis zur Selbstauslöschung - sofern man eine Metastasierung verhindern kann.

  • Ich habe neulich mal wieder den Film "Human" von Yann Arthus-Bertrand gesehen:



    www.youtube.com/watch?v=ShttAt5xtto



    Bei Minute 25:20 beschreiben ein Palästinenser und ein Israeli die Herausforderung: Rache ist keine Option, und die Notwendigkeit einer Neudefition von WIR und DIE ANDEREN als denen, die Frieden wollen und denen, die keinen Frieden wollen.



    Frage mich, warum die beiden noch keinen Friedennobelpreis bekommen haben.

  • Es ist verständlich, dass sich die Aufmerksamkeit jetzt auf den Gazastreifen richtet, ich bezweifle aber, dass eine Lösung des Konflikts möglich ist, die das Westjordanland nicht berücksichtigt. Wenn Israel dort seine Kolonisierungs- und Annexionspolitik fortsetzt kann es kaum zu einem Frieden in der Region kommen.

    • @Kölner Norden:

      Das sehe ich auch so. Eine treuhänderische internationale Verwaltung kann nur die Unabhängigkeit als Ziel haben. Aber die Unabhängigkeit des Gazastreifens ohne das Westjordanland ist illusorisch. Und eine Unabhängigkeit des Westjordanlands mit den Siedlungen (und ohne Ostjerusalem) auch.

  • "Soll Israel das Gebiet leeren, annektieren, planieren und darauf Militärbasen oder Atomkraftwerke bauen? Es gibt kein Konzept."



    Politische "Think Tanks" gibt es auch in Israel, aber so wie die Hamas operiert, wird das Ergebnis eines Planes sicherlich nicht breit diskutiert werden. Das gehört auch zur Diplomatie, dass nicht konsensfähige Aktionen nicht an die große Glocke gehängt werden.



    /



    Aus dem taz-Archiv 2014



    "Israel und Ägypten wollen die Grenzen erst dann wieder öffnen, wenn die Fatah-nahen Sicherheitstruppen erneut ihre alten Posten an den Grenzübergängen einnehmen. Anschließend solle der Gazastreifen komplett entmilitarisiert werden. Ein offizieller Gewaltverzicht steht aber für die Hamas nach wie vor außer Frage, denn der in der Charta festgehaltene Heilige Krieg um Palästina ist ihre Raison d’Être.



    Politbüro im Exil



    Allerdings hatten politische Köpfe der Bewegung wiederholt Bereitschaft zu einer „Tahadiya“ signalisiert – einem fünf, zehn oder mehr Jahre lang andauernden Waffenstillstand. Der politische Chef der Hamas im Westjordanland, Hassan Jussef, ging in früheren Interviews sogar so weit, eine Lösung für Palästina in den Grenzen von 1967 nicht länger auszuschließen.



    Die großen Entscheidungen treffen indes weder die Al-Kassam-Brigaden noch die politische Führung in den Palästinensergebieten, sondern das Politbüro im Exil, allen voran Chaled Meschal. Offenbar gab Meschal dem Druck seines Gastgeberlandes Katar nach, als er die Hamas-Position bei den Verhandlungen in Kairo verhärtete."



    Und nicht zu vergessen: es gibt auch die andere Seite.



    spiegel.de 7.12.2013



    "Was die Geheimdienstleute nicht wissen: Sally und Fifi sind angehende Revolutionärinnen. Sie wollen knutschen, tanzen und feiern, so wie ihre Idole auf den Satellitensendern im Fernsehen. Deshalb, um ihre Jugend zu genießen, wollen Sally und Fifi der Herrschaft der Islamisten im Gaza-Streifen ein Ende machen.



    Sally hat sich dazu jüngst aus der Deckung getraut..."



    Titel: "Aufmüpfig gegen die Hamas"

  • Eine weitere Zersplitterung der Palästinenser-Gebiete?



    Das zementiert nur den trostlosen Zustand, in dem Gaza schon bisher war, und verhindert - auf Dauer! - jede ernst zu nehmende palästinensische Autonomie.

    Die Lösung ist eigentlich alt,



    und sie heißt Zwei-Staaten-Lösung.

    Alles andere nutzt den Radikalen beider Seiten und wird immer wieder zu Gewalt führen.

    Natürlich wird sie nicht kommen, jetzt erst recht nicht. Die Militärbasen und Atomkraftwerke sind da leider sehr viel wahrscheinlicher.

    • @Frauke Z:

      > Die Lösung ist eigentlich alt, und sie heißt Zwei-Staaten-Lösung.



      Stimmt genau und tatsächlich ist eben diese Lösung eine alte und längst umgesetzte. Aus dem großen Mandatsgebiet Palästina, das ihm zur Bildung eines jüdischen Heimatstaates übertragen worden war, löste Großbritannien den größeren Teil als arabische-palästinensischen Anteil heraus: Transjordanien. Der verbleibende kleinere Rest ist das jüdische Siedlungsgebiet.

      • @Axel Berger:

        Bei der Zwei-Staaten-Lösung geht es um Gebiete westlich des Jordans. Und auch der UN-Teilungsplan von ´47 sah entsprechend palästinensische Staatsgebiete im heutigen Israel vor und zwar in größerem Umfang als die heutigen Autonomiegebiete. Er wurde aber nicht umgesetzt, stattdessen erklärte Israel seine Unabhängigkeit und die Grenzen wurden im nachfolgenden Unabhängigs-/Bürgerkrieg definiert und seitdem auch immer weiter verschoben.



        de.wikipedia.org/w...47_and_1950_de.svg

        • @Ingo Bernable:

          Das ist eine böswillige Verdrehung.



          1) Der Teilungsplan von 47 wurde von allen außer Israel abgelehnt, von allen Arabern. Damit ist das Gebiet westlich des Jordan ungeteilt.



          2) Die Staatsgründung war von der UN gewollt, die Unabhängigkeitserklärung mußte erfolgen. Offen waren vorher höchstens der genaue Zeitpunkt und das Staatsgebiet.

      • @Axel Berger:

        Transjordanien hatte nie etwas mit der Bevölkerung Palästinas zu tun. Warum sollte es der Staat der arabischen Palästinenser sein? Mit welchem Recht willst du den Arabern in Palästina (westl. des Jordans) die Selbstbestimmung verwehren? Das erinnert an den Indian Removal Act in den USA.

  • Sobald Hamas vernichtet ist muss man Israel massiv drängen die Siedlungpolitik einzustellen und dann müssen beide Völker eine Volksabstimmung unter UN Überwachung über einen Friedensvertrag machen. Sollte der erfolgreich sein müssen arabische Welt, Israel, EU und USA massiv in die Palästinensergebiete investieren. Gleichzeitig muss klar sein ein Rückkkehrrecht gibt es nicht für Palästinenser sondern sie kriegen die Staatsbürgerschaft der Staaten wo sie leben.

    • @Machiavelli:

      Massive Investitionen von außen haben selten eine auch anschließend selbsttragende Wirtschaft bewirkt. Über ein "Rückkehrrecht" kann der arabisch-palästinensische Teilstaat alleine befinden. Richtig ist, dass die nachgeborenen "Flüchtlinge" in Libanon und anderswo in ihrer Heimat normale Rechte erhalten sollten.

      • @meerwind7:

        Kleine Ergänzung: Die Autonomiebehörde hat bisher nicht das Recht, Palästinensern im Ausland eine Rückkehr in die Autonomiegebiete zu erlauben.

  • Israel beherrscht und kontrolliert Palästina seit 50 Jahren. Sie sind damit für den heutigen Zustand voll verantwortlich. Jetzt wollen sie beweisen, dass sie mehr kaputt machen können als normale Terroristen? Das sind die Terroristen die ihr selber groß gezogen habt.

    Laßt die Leute ganz einfach in Ruhe.

    • @Wes:

      Seit spätestens 2005 hat sich Israel aus Gaza zurückgezogen . Aufgrund der massiven Unterstützung durch u.a. dem Westen hätte da ein funktionierendes friedliches Gemeinwesen durch die palästinensische Bevölkerung entstehen können.

  • Die Blauhelme müssten die gewaltbereiten Palästinenser im Zaun halten, es würde immer wieder zu Häuserkämpfen kommen. Ich weiß nicht, ob andere Nationen dafür Soldaten opfern und mit der notwendigen Brutalität vorgehen wollen.



    Und wenn man für die Bevölkerung des Gazastreifens kein Ziel wie einen eigenen palästinensischen Staat ausgeben kann, dann wird sich auch die Zivilbevölkerung schneller als man denkt gegen die neuen Besatzer stellen.



    Die Politik Netanjahus und Israels generell seit Sharon und Olmert ist gescheitert, es muss entweder wieder Verhandlungen über eine Zwei-Staaten-Lösung geben, nach dem Kampf gegen Hamas und etablierter Blauhelmpräsenz, oder



    vielleicht reaktiviert Israel den Konvergenzplan und konzentriert sich auf Heimatschutz statt Siedeln.

  • Finanzströme aus Katar für die Hamas aus politischem Kalkül?

    Ami Ajalon, ein früherer Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet und Kritiker der Palästina-Politik der israelischen Rechten unter der Likud-Führung Netanjahus, benennt präzise dessen fundamentale Strategiefehler in Bezug auf die Hamas:



    „Erstens die falsche Annahme, daß die Hamas sich auf den Gazastreifen beschränken würde. Die politische Führung Israels war überzeugt, daß sie die Hamas und Fatah nur voneinander trennen müsse, um sich nicht weiter um einen Friedensprozeß kümmern zu müssen. Man ließ die Hamas den Gazastreifen kontrollieren, damit die Palästinensische Autonomiebehörde unter Präsident Mahmud Abbas nicht den Anspruch erheben konnte, für das ganze Volk zu sprechen. Wir haben uns vorgegaukelt, daß wir nicht über eine bessere Zukunft verhandeln müssen, weil die Palästinenser selbst sich ja so uneinig sind. Wir haben alles getan, damit die Hamas überlebt. Sie seien nur eine kleine Organisation, hieß es, sie sorgen sich um ihre Leute. Wir ließen Finanzströme aus Katar in den Gazastreifen fließen.



    Die Hamas hat ihre Macht nun beeindruckend demonstriert. Aber unsere Überraschung darüber ist bloß die Folge einer Selbsttäuschung. Die Hamas-Führer haben die erste und die zweite Intifada organisiert. Sie wissen mittlerweile, wie sie Internet und Handys meiden können, um effektiv zu kommunizieren. Wahrscheinlich haben nur fünf bis zehn ihrer Anführer einen vollständigen Überblick. Wir haben die Hamas nicht verstanden.

    Shin Bet hat die Strategie der Regierung in den vergangenen Jahren nicht geteilt. Fünf seiner Direktoren sprachen sich immer wieder gegen diese Strategie aus und warnten vor Fehleinschätzungen.“ (im Tagesspiegel-Interview v. 14.10.)

    Die Botschaft ist eindeutig: Die islamistische Hamas ist ein Natterngezücht derjenigen Fraktion der politischen Führung Israels, die mit deren Förderung die säkulare PNAunter Präsident Abbas zu schwächen glaubte, um nicht mit ihr verhandeln zu müssen.

  • Hamas vernichten zu wollen, schlicht nicht möglich?

    Zitat: „Wir werden Hamas vernichten“, sagt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu“

    Dazu Ami Ajalon, ein früherer Chef des israelischen Inlandsgeheimdienst Shin Bet:

    „Unser Kampf jetzt gilt der Qassem-Brigade, dem militärischen Arm der Hamas, der zerschlagen werden muss – was auch immer der Preis dafür sein wird. Die Hamas selbst vernichten zu wollen, wäre fatal. Es ist auch schlicht nicht möglich. Denn wir haben es mit einer Ideologie zu tun. Sie hat ihre Ursprünge in der Moslembruderschaft, ähnelt aber heute mehr dem „Islamischen Staat“. Eine Ideologie kann man militärisch nicht besiegen.“ (gegenüber dem "Tagesspiegel", 14. 10. 2023)

  • So lange die Vernichtung Israels das Ziel mehrerer arabischer Länder ist, so lange wird es keinen Frieden in der Region geben.



    So lange Israel faktisch Gebiete für sich beansprucht, welche ihnen Völkerrechtlich nicht gehören, so lange wird es keine Frieden in der Region geben.

    Der von Dominic Johnson genannte dritte Weg, erinnert mich irgendwie ans Kosovo heute, wird auch keinen Frieden bringen, weil die Palästinenser keine "fremde" Macht über sich akzeptieren werden.



    So ungern ich es sage, es gibt zur Zeit keinen machbaren Lösungsansatz, alle Verhandlungen haben nie Frieden gebracht.

  • Das Palästinamandat wurde den Briten 1922 -- nach langen Verhandlungen und einem mehr als fünfjährigen Vorlauf -- vom Völkerbund nicht einfach so erteilt sondern mit einem klaren Auftrag:



    "the establishment in Palestine of a national home for the Jewish people"

    • @Axel Berger:

      Dieser Auftrag widerspricht aber dem Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser und auch der Völkerbundcharta.

      • @Francesco:

        Völlig egal, wer hier und heute in einem Kommentar fordert, die alte Situation zu reaktivieren, der sollte wissen oder gesagt bekommen, was sie enthielt und bedeutet.

  • Naja vielleicht sollte man das öl und Gas von den Iranern Russen kathar und wie sie alle heißen durch mehr Bahn statt Auto und weniger heizen verwenden und damit den staatlichen Terroristen das Geld zu entziehen.is ein Traum aber sie sind alle käuflich

    • @prius:

      Hat ja bei den Ukraine-Sanktionen gut geklappt. Und was aus den Palästinensern wird, interessiert ohnehin niemanden.

  • Eine internationale Treuhandschaft wäre nur möglich, wenn die Hamas vollständig entmachtet wäre, weil Sie mit Sicherheit diesen Treuhandplan mit allen Mitteln (des Terrors) bekämpfen wird, um wieder an die Macht zu kommen.



    Aber wie oben richtig geschrieben, muss erst einmal klar sein, dass es den Gaza Streifen und seine Bewohner nach diesem Krieg noch geben wird.

    Der richtige Weg zu einem nachhaltigen Frieden im Nahen Osten kann erst beschritten werden, wenn die Spirale des Hasses durchbrochen wird und sich die Friedfertigen und Vernünftigen beider Seiten durchsetzen.



    Dem stehen sowohl die terroristische Hamas als auch Netanjahu, seine rechtsradikalen Mitregierenden und die militanten Siedler im Wege.



    Den wirklich richtigen Weg beschreitet die Arabisch-Jüdische Graswurzelbewegung Standing together



    www.theguardian.co...-offer-hope-israel



    Wenn dies weiter Schule macht oder sogar offizielle Regierungspoltik würde - unter Netanjahu leider undenkbar - würde ich dem Nahen Osten eine Chance geben.

    • @Der Anfang:

      Das primäre Problem ist nicht Netanyahu. Die israelische Bevölkerung wählt strukturell zu 2/3 rechts bis extremrechts. Unter den Ultraorthodoxen und Ultrarechten wirkt der wertfreie Lappen Netanyahu, den nichts außer Machterhalt und Gefängnisvermeidung interessiert, ja fast schon normal.

      • @GuidoH:

        "Das primäre Problem ist nicht Netanyahu."

        Diesem Satz stimme ich zu. Das primäre Problem ist der Terror von Hamas und die Unterstützung von Hamas durch Iran und andere Staaten, die sich die Auslöschung des Staates Israel auf die Fahnen geschrieben haben. Selbst wenn Israels Streitkräfte es schaffen sollten, die Hamas zu zerschlagen, woran ich ernsthafte Zweifel habe, wird bald danach eine neu, noch brutalere Organisation, gefördert von Iran und anderen, an deren Stelle treten und dort weitermachen, wo Hamas aufhören musste. Allerdings ist es eher wahrscheinlich, dass Hamas gar nicht gestoppt werden kann, denn die Hamas zugrundeliegende Ideologie eines kompromisslosen politischen Islamismus lässt sich nicht durch Bomben, Granaten oder Panzer zerstören, die ist in den Köpfen der Menschen so unausrottbar wie auch der Antisemitismus.

      • @GuidoH:

        Die Ultraorthodoxen (Haredim) sind ein innenpolitisches Problem, aber nicht für den Frieden mit den Palästinensern. Da sind die Nationalreligiösen das Problem. Auch wenn beide Gruppen in der israelischen Regierung vertreten sind und die Nationalreligiösen teilweise auch zu religiösem Fundamentalismus neigen, sind das unterschiedliche Gruppierungen und Weltanschauungen.

      • @GuidoH:

        Nur mal zur Einordnung, wenn wir uns eine der beiden letzten (Landtags)Wahlen in Deutschland ansehen: www.zeit.de/thema/...Fwww.google.com%2F



        Das wären für die CSU 37,0%, Freie Wähler 15,8%, AFD 14,6 %. Das wäre dann zusammen 67,4 % der bayrischen Bevölkerung, die rechts bis extremrechts wählt, etwa 2/3. Und jetzt?

      • @GuidoH:

        Und diese Waltentscheidung ist für Sie nicht verständlich nachdem jedes Nachbarland jeden Israelie töten möchte? In den Nachbarländern ist man zu 2/3 islamistisch.

  • Es geht um mehr. Die gesamte Siedlungpolitik des Staats Israel muss auf den Prüfstand. In der Westbank findet eine schleichende Vertreibung und Annektion statt.



    Und Netanhahu hat sein Schicksal an die radikalen Siedler gebunden. Eine rechtsextreme Regierung soll seinen Kopf in den Prizessen retten.



    Wenn wir das nicht unterbinden wird die Wunde noch die nächsten Jahrzehnte schwären. Das kann auch nicht im Interesse der israelischen Bevölkerung sein. In unserem ist es gewiss nicht.

    • @J_CGN:

      Wie sollen "wir" das denn unterbinden?

  • Es hat nicht funktioniert, den Vietcong zu vernichten, noch die Taliban, und es wird auch nicht funktionieren, die Hamas zu vernichten.

    • @Konfusius:

      In Gaza leben 2-3 Millionen Menschen für eine erfolgreiche Besatzung und Befriedung einer solchen Bevölkerung braucht man 50-75000 Soldaten, 40 Zivilisten auf einen Soldaten. Das ist der ERfahrungswert, das hat man weder in Vietnam noch Afghanistan erreicht. Aber in Japan, Kosovo, Deutschland etc. Natürlich braucht man auch einen Plan aber hat man das Gebiet erfolgreich besetzt kann man die Bevölkerung filtrieren und die Hamas ausschalten.

      • @Machiavelli:

        Wie soll das denn funktionieren? Selbst wenn die IDF mit 100.000 Soldaten in den Gazastreifen einrückt, muss doch klar sein, dass es in einem derartig unübersichtlichen Gelände mit vielen engen Gassen, Gebäuden, Ruinen und mutmaßlich ca. 250-300 km Tunnel, deren genauen Verlauf, Ausgänge usw. nur Hamas kennen, Israels Blutzoll sowie die Kollateralschäden unter den Zivilisten dermaßen groß werden dürfte, dass es eine Zivilgesellschaft wie die israelische schlichtweg zerreißen dürfte. Was Sie vorschlagen, wäre vielleicht militärisch möglich, aber politisch ist das nicht durchsetzbar, weil weder die israelische Innenpolitik noch die US-Außenpolitik bereit wären, den Preis dafür zu zahlen. Es gäbe hunderttausende von Toten, und die meisten von ihnen wären unbeteiligte Zivilisten. Solch ein Vorgehen wäre weder vom Selbstverteidigungsrecht der Völker noch vom humanitären Kriegsvölkerrecht gedeckt. Es ist die eine Sache, bei einem Luftschlag gegen ein (mutmaßlich?) militärisches Ziel den Tod einer begrenzten Anzahl Unbeteiligter in Kauf zu nehmen, aber es ist eine völlig andere Dimension, die Tötung hunderttausender Unbeteiligter vorsätzlich einzuplanen, um ein paar zehntausend Terroristen zu eliminieren.

      • @Machiavelli:

        Woher stammt denn dieser "Erfahrungswert"? Hat das in diesem Jahrtausend schon mal funktioniert?

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          In Deutschland und Japan. Generell gab es einige erfolgreiche Aufstandsbekämpfung in der Geschichte. Die Briten in Malaya bspw.

    • @Konfusius:

      Es hat mit dem VietCong eigentlich sehr gut funktioniert. Nach der Tet Offensive gab es so gut wie keine lebenden VietCong mehr. Aber da hat die Amerikaner der Mut verlassen.

    • @Konfusius:

      In Gaza leben ca. 2 Milionen Menschen, das Gebiet ist 360 qkm groß.

      Afghanistan hat ca. 40 Millionen Einwohner und 665280 qkm groß.

      Erkennen Sie den Unterschied?

      • @Martin Sauer:

        "40 Millionen Einwohner"



        Auf Seiten der Taliban kämpften meines Wissens nach zu keinem Zeitpunkt mehr als 60.000 Mann gleichzeitig. Für die Hamas kursieren Zahlen von 15.000 bis 50.000 Mann. Das Terrain ist sicher ein anderes aber ich wäre skeptisch ob das per se ein Vor- oder Nachteil sein muss, vermute aber, dass es schon seine Gründe hat warum der Häuserkampf in Armeekreisen generell so gefürchtet ist.

      • @Martin Sauer:

        Das ist schon ein Argument. Andererseits, wie identifiziert man den Hamas-Terroristen, wenn er nicht gerade eine Kriegswaffe in der Hand hält?

    • @Konfusius:

      Vietcong und talib waren lokale Kämpfer gegen überseeische Mächte, die kein ernsthaftes Eigeninteresse hatten.

      Israel ist keine überseeische Macht sondern kämpft für das eigene überleben, auf der eigenen kleinen Scholle Land. Die Situationen sind ergo nur sehr bedingt vergleichbar. Dennoch klar ist ebenso wie der IS wird die Hamas im Untergrund fortbestehen, wenn hoffentlich auch ohne eigenen Staat.

      Insofern ist ihr vergleich in Teilen mMn doch etwas passend.

      • @Berglandraupe:

        "Israel ist keine überseeische Macht sondern kämpft für das eigene überleben, auf der eigenen kleinen Scholle Land."

        Warum besiedelt es dann das Westjordanland?

    • @Konfusius:

      Da Frieden mit der Hamas nicht möglich ist hat Israel zwei Optionen: Kämpfen oder Aufgeben. Und letztere wird idR aus guten Gründen nicht als echte Option gesehen.

      Ob die Hamas vernichtet werden kann ist a) nicht sicher zu beantworten (Auch Sie haben keine Glaskugel zur Hand) und - wichtiger - b) auch gar nicht relevant - es ist ja nicht so als ob Israel die Kampfhandlungen einstellt und sich von der Hamas wegbomben lassen würde wenn es davon überzeugt wäre dass die Hamas nicht zu vernichten ist.

      • @Questor:

        Es gab auch Zeiten in denen ein Frieden mit IRA, ETA, ... komplett unmöglich war. Und irgendwann war er es dann eben doch. Wenn man aber a priori schon ausschließt, dass eine positive Veränderung überhaupt möglich ist, bleibt einem eben nur eine negative Veränderung voranzutreiben. Fälle in denen man mit dieser Strategie am Ende dann doch erfolgreich war fallen mir spontan keine ein.

        • @Ingo Bernable:

          Zu ergänzen: die PLO und die Fatah.

        • @Ingo Bernable:

          Der Vergleich ist halt völlig schief, weil er komplett von den Zielen der Hamas und ihrem Antisemitismus absieht. Die IRA hat sich zu keinem Zeitpunkt die Vernichtung der Briten und ihres Staates auf die Fahnen geschrieben und es gibt auch keine mit dem Antisemitismus vergleichbare Ideologie, die so etwas fordern würde.

          • @Taugenichts:

            Demnach gäbe es den Terror der Hamas nicht wenn die Bewohner*innen Israels allesamt Atheisten wären, die Lage in Gaza aber ansonsten mit der derzeitigen identisch? Der Antisemitismus der Hamas ist primär ein so widerwärtiges wie wirkungsvolles Mobilisierungsinstrument, dennoch sehe ich nicht warum es grundsätzlich unmöglich sein sollte diesen Hass auf alles jüdische ebenso zu überwinden wie etwa den Hass auf alles englisch-anglikanische in Nord-Irland.

        • @Ingo Bernable:

          Mit der Fatah vielleicht.

          Abbas ist zwar auch korrupt, aber seine Korruptheit ist säkular - der will einfach irgendwann als reicher Mann in Frieden seinen Ruhestand genießen können - er will so enden wie Samir Geagea, und nicht wie Elie Hobeika.

          • @Ajuga:

            Na, da hat er in Netanyahu ja ein würdiges Gegenüber. Zwei korrupte Staatsmänner-Herzen im Gleichklang sozusagen.



            Da dürfte der israelisch-palästinensischen Aussöhnung eigentlich nichts im Weg stehen