Ernährung und Genuss in Bayern: Blasse Würste und Stierhoden

Wer nach Bayern kommt, ist schnell vollständig von Fleisch- und Wurstwaren umgeben – warum nur? Eine Abrechnung mit der bayerischen Gastronomie.

Weißwürste im Kochwasser.

Blasse Würstchen werden gezuzelt – und sind Teil der Fleischberge Foto: Norbert Wilhelmi/imago

Bayern könnte so schön sein – Bamberg, Tegernsee, Schloss Neuschwanstein –, wenn da nicht das Essen wäre. Das besteht vor allem aus Fleisch: Weißwurst, Leberkäse, Schweinsbraten, Schweinshaxe, das ganze Programm bis hin zu Innereien.

Nichts gegen Fleisch, auch nichts gegen die bayerische Art, es zuzubereiten: erst durch den Fleischwolf drehen, dann zusammenpressen, danach kochen oder braten. Auch nichts gegen die bayerische Fülle, die Fleischberge ragen nicht selten über den Tellerrand hinaus.

Als Willkommensdinner ist das für nichtbayerische Carnivoren durchaus eine geschätzte Alternative zur Krossener Straße in Berlin-Friedrichshain, in der vegane asiatische Restaurants miteinander konkurrieren. Endlich hemmungslos dem Fleisch frönen, ohne dass jemand am Nachbartisch verächtlich von seiner Salatbowl rüberschaut und seiner Nachbarin zuflüstert: „In zwei Jahren Diabetes, in fünf Jahren sterben die an Darmkrebs. Und jetzt schon der ökologische Fußabdruck …“

Aber nach zwei Tagen in Bayern ist Schluss mit lustig, dann kann sich einer schon beim Anblick von blassen Würsten, Kälberfüßen und Stierhoden der Magen umdrehen. Da geht nichts mehr mit der Konsistenz gepresster Fleischmasse. Das beliebteste Fastfood in München ist ein Leberkäsebatzen in einem Brötchen, das die Baye­r:in­nen liebevoll Leberkassemme nennen. Auf der Suche nach etwas Vegetarischem hat man die Wahl vor allem zwischen Obazda und Knödel. Die Bayern bilden sich sonst was auf ihre Knödeldiversität ein: Semmelknödel, Breznknödel, Kartoffelknödel, Serviettenknödel, Speckknödel. Aber auch so ein Knödel folgt dem Prinzip: alles zusammen in die Rührmaschine, knautschen, ab in den Topf.

Bedienungen mit dem Charme eines Pitbulls

Nicht­baye­r:in­nen haben es in Bayern nicht nur auf der Suche nach Nichtfleischlischem schwer, sie müssen in den Restaurants – sorry, Wirtshäusern – zudem damit klarkommen, mit dem Charme eines Pitbulls bedient zu werden. Einfach weil man nicht aus Bayern kommt.

Das bayerische Bedienpersonal ist zwar auch bei Einheimischen bekannt für seine Unfreundlichkeit und Hektik, mit der die Fleischplatten, zack, zack, auf die Tische geknallt werden. Kein „Bitteschön“, kein „Lassen Sie es sich schmecken“, nur ein gebelltes „An Guad’n“. Wenn man ihnen mit echt bayerischem Dialekt begegnet, kann es sein, dass sie diese Mühe mit einem dezenten Kopfnicken honorieren. Einmal genickt, ist genug gesagt.

Auf keinen Fall darf man den Fehler begehen, auf Bayerisch zu bestellen, wenn man es nicht beherrscht. Da werden die Kell­ne­r:in­nen zwieda und grantig, wie die Baye­r:in­nen schlechte Laune bezeichnen. Den Versuch werten sie als Anschleimen, kommt gar nicht gut an. Die Preißn, also alle, die aus Berlin und Brandenburg kommen, können sie noch weniger ausstehen. Eigentlich können sie niemanden außerhalb Bayerns leiden. Nicht­baye­r:in­nen sollten besser mit bayerischen Freun­d:in­nen essen gehen und diese auch bestellen lassen. Aber gegen die Fleischberge können die auch nichts tun.

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