Essen aus Schüsseln: Die Bowl ist Quatsch

Sie sollen der Speisekarte Weltgewandtheit verleihen. Doch Bowls machen nicht satt und zeigen vor allem eins: den Siegeszug des Kapitalismus.

Eine Schüssel mit Essen

Wer eine Bowl isst, verspürt Sonne im Herzen und hat Meeresrauschen im Ohr Foto: imago

Für alle, die lange nicht mehr in einem großstädtischen Restaurant waren, zu Beginn eine kurze Erklärung: Eine Bowl ist ein Gericht, bei dem in einer Schüssel verschiedene, meist frische Zutaten angerichtet und serviert werden. Wer eine Bowl isst, verspürt Sonne im Herzen und hat Meeresrauschen im Ohr. Viele liebe Grüße aus Hawaii.

Das jedenfalls will der Gastro-Hype gerne erzählen. Früher hat man in der Mittagspause ein Tagesmenü gegessen, heute gibt es: Ratatouille Bowl, Falafel Bowl, Buddha Bowl, Superfood Truffle Bowl, Faschingbowl. Und wenn es so weiter geht, gibt es bald nichts anderes mehr. (Auch in der grundsätzlich sehr geschätzten taz-Kantine hat mit der Fajita Bowl oder der Regenbogenbowl die Bowlisierung der Gastronomie längst Einzug gehalten.)

Die Bowls sollen der Speisekarte Weltgewandtheit verleihen und sind in Wahrheit doch nur Ausdruck einer exotisierenden Spießigkeit. Und eines zeigt sich bei den Bowls besonders perfide: der Siegeszug des Kapitalismus. Denn Bowls sind grundsätzlich teuer, und die Hälfte des Preises geht offenbar schon für die Entwicklung der Namen drauf. Die sind natürlich fast immer englisch, es ist dieselbe Masche, nach der Haferschleim plötzlich Porridge heißt und hip sein soll.

Bowls sind schön bunt, sehen oft ganz hübsch aus. Weil es ja kein Essen ist, sondern healthy food, sind die Zutaten tendenziell ungekocht, sorry, raw, und tendenziell kaum gewürzt. Wir sind hier aber nicht bei Instagram und auch nicht auf dem Weg zum Yoga, wir haben Hunger!

Bowls machen nie richtig satt, die Portionen sind klein, mithilfe von mit optischen Täuschungen arbeitenden Tellerformen sieht man das aber nicht auf den ersten Blick. Für hungrige Menschen ist das ein Problem. Und erst recht für Menschen, die kein Fleisch essen, denn vegetarische und vegane Portionen sind sehr oft nicht ausreichend, weil die Gastronomie das immer noch für eine Diät hält.

Ein Beispiel: Die Vegan Boss Bowl, 14,90 Euro. Diese Bowl ist nicht mal eine Schüssel, sondern ein flacher Teller mit nur leicht erhöhtem Rand. Was ist drin? Ein bisschen Karottensalat, ein paar Maiskörner, rote Tupfer Paprika. Irgendein fleischloses Eiweiß. Quinoa, natürlich Quinoa, diese unschuldigen Körner, die wir den Be­woh­ne­r*in­nen der Anden wegessen. Ein paar schma­le Scheiben Avocado, natürlich Avocado, über deren Herkunft wir uns lieber keine Gedanken machen. Und Süßkartoffeln, natürlich Süßkartoffeln, die nur auf die Speisekarten gewandert sind, weil normale Kartoffeln halt zu kartoffelig sind. Darüber irgendeine helle Soße, die wahrscheinlich nicht Soße heißt, sondern Sauce mit irgendwas.

Kann man schon essen, nicht dass wir uns missverstehen, aber das Konzept ist falsch. Eine Bowl ist wie der erste Gang zum Büfett, bei dem man von allem erst mal nur einen Löffel voll nimmt. Mit dem problematischen Unterschied, dass man nicht noch mal hinkann, um sich eine richtige Portion zu holen. Die Bowls machen aus Sicht der Anbieter alles richtig, sie treffen den Nerv von Menschen, die sich nicht entscheiden können, die von allem was wollen – und dann nichts Richtiges bekommen.

Mögen die Bowls meinetwegen in der Erlebnisgastronomie der Shoppingmalls weiterleben. Aus den normalen Restaurants sollten wir sie schnell wieder verbannen. Und dann können wir uns wieder richtig lecker satt essen.

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Von 2011 bis April 2023 bei der taz. Zuletzt Reporter im Ressort Reportage & Recherche mit Schwerpunkt auf investigativen Recherchen. Er hat Sozialwissenschaften studiert und die Deutsche Journalistenschule in München absolviert. Themen u.a. Rechtsextremismus in Bundeswehr und Polizei (#Hannibal), Geheimdienste und Missstände in NGOs. Er gibt Seminare zur (Online-)Recherche. Sicher zu erreichen per Threema: 7D8P2XSV

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