Ökonomen warnen vor Rechtsextremismus: Rechtsextremismus frisst Wohlstand

Wirtschaftssorgen stärken Ultrarechte – doch die Ultrarechten schaden auch der Wirtschaft. Das Ergebnis: eine Giftmischung für die Konjunktur.

Ein T-Shirt mit der Aufschrift "Wir sind nicht rechtsextrem wir haben nur extrem Recht!" liegt auf einem Stapel rechtsextremer Mottoshirts.

Rechtsextremismus und Polarisierung sind Gift für die Konjunktur Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Eine keineswegs falsche, aber etwas zu simple Diagnose lautet so: Trudelt die Wirtschaft, frisst sich Unsicherheit ins Leben vieler Menschen. Hat die Mittelschicht Abstiegsängste, so wächst der Rechtsextremismus. Weniger gängig, aber ebenso richtig ist: Wächst der Rechtsextremismus, dann geht es auch mit der Wirtschaft bergab.

Zwei Studien machen das sehr deutlich: Harte rechtsextreme Weltbilder verbreiten sich immer mehr in der gesellschaftlichen Mitte, so eine aktuelle Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Waren vor einigen Jahren noch 2 bis 3 Prozent der Bevölkerung von autoritären und eth­no­na­tio­na­lis­ti­schen Ansichten befallen, so sind es heute rund 8 Prozent. Und 20 Prozent werden einem Graubereich zugeordnet, der zumindest Teile der Weltbilder der „harten Rechten“ unterstützt.

Heute werden ultrarechte Ansichten selbstbewusst vertreten, nicht nur hierzulande: In den USA etwa hat sich in den höheren Einkommensklassen der Anteil jener, die eine „Militärherrschaft“ für eine gute Sache halten, innerhalb von zwei Jahrzehnten auf 16 Prozent verdreifacht.

Die führenden Wirtschaftsforschungs­institute haben in ihrer Gemeinschafts­prognose dieser Tage nicht nur auf Inflation, eine schmerzhafte Rezession von 0,6 Prozent, Auswirkungen staatlicher Sparpolitik und unklarer Regierungspolitik als Risikofaktoren hingewiesen, sondern auch auf „das gesellschaftliche Klima“.

Klima des Geschreis

Rechtsextremismus und Polarisierung sind Gift für die Konjunktur. In den nächsten Jahren geht die Boomergeneration in Rente, und die Medizin sorgt für steigende Lebenserwartung. Um das Verhältnis der arbeitenden zu den Rentnerkohorten stabil zu halten, bräuchte Europa 2050 1,2 Milliarden Einwohner. Das ist völlig unmöglich, doch jede Regierung bräuchte heute eine vernünftige Migrationsstrategie. Die wird aber durch eine xenophobe Stimmung verunmöglicht.

Vernünftige Wirtschaftspolitik verlangt auch: Problemanalyse, ambitionierte Ziele, schlaue Kompromisse. Der sachliche Kompromiss ist im Klima des Geschreis jedoch beinahe unmöglich. Die fossilen Energien werden nie mehr so billig wie früher, massive Investitionen in billige Erneuerbare sind auch ein ökonomischer Imperativ. Aber jeder Regierungsplan gerät sofort in den Strudel wahnhaft ideologischen Haders.

Wer den „Verbrennermotor“ aus dogmatischer Verbohrtheit bewahren will, verteidigt „unsere deutsche Autoindustrie“ nicht – er ruiniert sie. Man wünschte sich auf manchen politischen und medialen Angsterzeugungsprodukten Warnhinweise wie auf Kippenpäckchen: Rechtsextremismus und ideologische Paranoia gefährden Ihren Wohlstand.

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Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.

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