Deutscher Atomausstieg: Ein Etappensieg
Die deutschen AKWs sind bald Geschichte. Jetzt muss die Regierung den Atomausstieg in Europa forcieren. Ein Instrument dafür hätte sie.
D en Gegner:innen des Atomausstiegs ist auch nichts zu billig. Der CDU-Wirtschaftsrat beschwört eine „große Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland“ herauf, FDP-Frontmann Wolfgang Kubicki spricht von einem „dramatischen Irrtum“, der „schmerzhafte Konsequenzen“ haben werde. Das ist das letzte Aufbäumen notorischer Atomkraft-Fans. Die Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima ignorierend, schüren sie bewusst diffuse Ängste. Dabei ist der deutsche Atomausstieg gut vorbereitet und wird nicht zu Stromausfällen oder Nachteilen für den Wirtschaftsstandort führen.
Gerade der Regierungspartei FDP fällt es schwer, das AKW-Aus zu akzeptieren. Mit immer bizarreren Vorschlägen – wie zuletzt der Idee, die Meiler noch ein Jahr in Bereitschaft stehen zu lassen – klammern sich ihre Leute an eine Hochrisikotechnologie, deren strahlende Hinterlassenschaften unzählige künftige Generationen belasten wird. Zum Glück wird das nichts mehr ändern: Am kommenden Wochenende werden die letzten drei deutschen AKWs abgeschaltet. Der deutsche Ausstieg ist ein großartiger Etappensieg – nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Wort gehalten und am verschobenen Abschaltdatum festgehalten. Aber das sollte nicht den Blick darauf verstellen, dass Scholz andernorts wenig Ehrgeiz zeigt, um den Abschied von der Atomkraft zu forcieren. In Europa gibt es noch immer viel zu viele Meiler, Frankreich und andere Staaten wollen künftig viel Geld in die viel zu gefährliche und auch viel zu teure Atomenergie stecken.
Die deutsche Politik ist daran nicht unbeteiligt. Deutschland hat mitzuverantworten, dass im Zuge der sogenannten Taxonomie Atomkraft bei privaten Finanzinvestitionen als nachhaltig eingestuft wird. Die EU will allen Ernstes bei staatlichen Förderungen Atomkraft den erneuerbaren Energien gleichstellen – das muss die deutsche Regierung verhindern. Und nicht nur das: Sie hat jetzt über dem verstaatlichten Energiekonzern und AKW-Betreiber Uniper ein Instrument, um auch in anderen Ländern den Ausstieg voranzutreiben. Sie muss es nur nutzen wollen.
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