Debatte um Wehrpflicht: Schöne neue Bundeswehr
Durch den Krieg in der Ukraine kehrt eine altbekannte Debatte zurück: die Wehrpflicht. Und plötzlich gibt es viele Fans.

Sein vermeintlich progressiver Vorschlag: Er will alle Geschlechter verpflichten. Denn die neue Wehrpflicht solle „freier, sogar fröhlicher“ sein und „für alle Milieus, für alle Geschlechter“ gelten. Superdivers also soll sie sein, unsere neue Bundeswehr.
Ein Wohlfühlort für Transpersonen, BiPoCs, Menschen mit Behinderung – geradezu verlockend. Es würde zwar „Jahre dauern, die Bundeswehr so umzubauen, dass sie zugänglicher wäre“, aber das stört den Autor nicht: Man solle „lieber heute als morgen damit beginnen“.
Die vergangenen Jahre haben mehr als deutlich gezeigt, dass die Bundeswehr dringend reformiert werden müsste. Die Strukturen sind patriarchal, rassistisch und diskriminierend auf vielen Ebenen. Eine Reform ist zu begrüßen, kann aber nicht mithilfe einer Wehrpflicht durchgedrückt werden.
Aussetzung der Wehrpflicht wurde erkämpft
Denn ein Wehrdienst innerhalb der bestehenden Strukturen zu absolvieren, kann ganze Generationen von jungen Menschen traumatisieren. Dieser Preis wäre definitiv zu hoch für die „schöne neue Bundeswehr“.
Generationen junger Menschen haben in Deutschland dafür demonstriert, gestritten und geklagt, bis die Wehrpflicht endlich ausgesetzt wurde. Noch heute haben Boomer-Männer großen Redebedarf über ihre eigene Befragung als Kriegsdienstverweigerer oder ihre Musterung. Viele werden bei dieser Erinnerung wieder sehr emotional.
In Europa und in der Nato finden sich heute nur noch sehr wenige Staaten, die an der Wehrpflicht festhalten. Daher schließt Martin Machowechz seine Argumentation auch relativ kontextlos mit dem Argument, dass man „in Israel, einem Land, das von vielen Seiten bedroht wird“, nie auf die Idee käme, die Wehrpflicht abzuschaffen. Davon abgesehen, dass Deutschland aktuell gar nicht bedroht wird, ist der Vergleich Deutschlands mit Israel, insbesondere bezogen auf militärische Aufrüstung, aus naheliegenden Gründen irritierend.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell