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Sören Pellmann in seinem Wahlbezirk in Leipzig Foto: Thomas Victor

Linkspartei in der KriseMehr Pellmann wagen

Beinahe wäre die Linke aus dem Bundestag geflogen. Auch dank Sören Pellmann kam es nicht dazu. Was lässt sich aus seinem Erfolg für die Partei lernen?

Anna Lehmann
Rieke Wiemann
Von Anna Lehmann und Rieke Wiemann aus Berlin/leipzig

D er Mann, der der Linken den Arsch gerettet hat, kommt als letzter zur Fraktionssitzung. Aktentasche in der Hand, graues Hemd, Brille, leicht nach vorn geneigt. Eine Haltung, die große Menschen einnehmen, wenn sie versuchen, nicht aus der Menge herauszuragen.

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Sören Pellmann ist seit 2017 für die Linke im Bundestag. Bislang ein typischer Hinterbänkler, sagen Fraktionskollegen, einer der wenig sagte, kaum auffiel. Das hat sich mit der letzten Bundestagswahl über Nacht geändert. „Sören, unser Held“ begrüßen ihn die Ge­nos­s:in­nen zur ersten Sitzung der Fraktion Anfang Oktober. Dass sie sich an jenem Dienstag unter der Reichstagskuppel treffen, dass es sie als Fraktion überhaupt noch gibt, das verdanken sie auch Sören Pellmann.

Der 44-Jährige hat eines von drei Direktmandaten für die Linke gewonnen. Wenn eine Partei in drei Wahlkreisen die Mehrheit der Erststimmen bekommt, dann darf sie Mitglieder gemäß ihrem Zweitstimmenergebnis in den Bundestag entsenden, auch wenn dieses Ergebnis unter 5 Prozent liegt. So wie es der Linkspartei am 26. September passiert ist.

Nur noch 4,9 Prozent der Wäh­le­r:in­nen stimmten bei der Bundestagswahl für die Linke. Ein Absturz um fast 5 Prozentpunkte. Seitdem steht die Partei unter Schock. Dass die Linke in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin wohl mitregieren kann, ändert nichts am bundesweiten Problem: Wenn die Entwicklung so weitergeht, wird es existenzbedrohend. Und bei der Frage, wie sich die Linke von dieser Niederlage erholt, wie sie sich bundesweit wieder aufrappeln kann, da schauen jetzt viele auf Sören Pellmann. „Ich bin bereit, mehr Verantwortung in der Fraktion zu übernehmen“, sagt er.

Kann dieser Mann die Linke retten? Und wenn ja, wie lautet die Formel?

Einen ersten Hinweis liefern drei Fotos an der Wand seines Berliner Bundestagsbüros: Sie zeigen das Leipziger Rathaus, das Verwaltungsgericht und den „Uniriesen“, ein Hochhaus, das einst die Universität und nun den MDR beherbergt. Sören Pellmann ist Leipziger, dort geboren und geblieben. „Für die Leute vor Ort da zu sein, das war ein wesentlicher Grund, warum wir es geschafft haben, das Mandat zu verteidigen“, sagt er.

Zu Besuch in einem Wahlkreis, zu dem ganz unterschiedliche Stadtteile gehören, darunter auch Grünau, wo die SED einst für 85.000 Menschen Plattenbauwohnungen errichten ließ. Hier wuchs Sören Pellmann mit seinen zwei Schwestern auf. Heute leben noch 44.000 Menschen in den Plattenbauten.

Viele Leipziger kennen noch Sörens Vater Dietmar Pellmann, der die Leipziger PDS nach der Wende prägte. So wie jene ältere Dame, die in Grünau mit ihrem Hund spazieren geht. Sie sei froh, dass Pellmann junior sein Mandat verteidigen konnte. „Ich kannte seinen Vater sehr gut“, sagt die 68-Jährige, die seit 1980 in Grünau wohnt. „Sören ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten. Er interessiert sich für die Wünsche der Bürger.“ Auch außerhalb des Wahlkampfes sei er oft im Viertel zu sehen, sagt sie. „Vor seinem Wahlkreisbüro veranstaltet er Events für Kinder, mal wird eine Suppe gekocht, mal werden Luftballons verteilt.“

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Nicht nur Grünau, auch das ländlich geprägte Liebertwolkwitz gehört zu Pellmanns Wahlkreis, hier hat er nicht punkten können, 25 Prozent stimmten für den AfD-Kandidaten. Das alternative Connewitz ist dagegen eine Hochburg der Linken, 42 Prozent der Wäh­le­r:in­nen gaben Pellmann hier ihre Stimme. Eine Mutter, die mit ihren Kindern auf einer Brache nahe dem Connewitzer Kreuz spielt, hat Pellmann aus Überzeugung gewählt, wie sie sagt. „Er war der einzige Kandidat, der während des Wahlkampfes präsent war in Connewitz, ich habe ihn häufig vorm Rewe gesehen.“ Ihre Haare hat sie feuerrot gefärbt. Die Linke, sagt sie, gehöre in den Bundestag, denn es sei die Partei, die sich am ehesten für soziale Gerechtigkeit einsetze. Ein Mann mit abrasierten Haaren sagt über Pellmann: „Obwohl er im Bundestag sitzt, ist er ein cooler Lokalpolitiker. Ich habe mich mit ihm im Juli über eine Stunde beim Schönauer Parkfest unterhalten, er ist sehr angenehm.“

Beim Gespräch in seinem Bundestagsbüro erzählt Pellmann, sein Vater habe ihm eigentlich abgeraten, Berufspolitiker zu werden. Er solle sich nicht von der Politik abhängig machen, sich ein zweites berufliches Standbein suchen. Bis zum Einzug in den Bundestag arbeitete Sören Pellmann als Lehrer. Pellmann senior unterstützte den Sohn im Wahlkampf 2017, dessen Einzug in den Bundestag erlebte er nicht mehr, er starb wenige Monate vor der Bundestagswahl.

Kaum jemand hatte 2017 damit gerechnet, dass Pellmann junior das Direktmandat gewinnen würde. Er habe auch sofort begonnen, für seine Wiederwahl zu kämpfen, sagt Sören Pellmann. Und zwar vor Ort in Leipzig. Er blieb für die Linke Mitglied im Stadtrat, der im Rathaus tagt. Er ist dort Frak­tionsvorsitzender und Mitglied in 13 Gremien, vom Sozialausschuss über den Kleingartenbeirat bis zum Aufsichtsrat Städtisches Bestattungswesen Leipzig GmbH.

Die Linke setzt sich in Leipzig für Schulstandorte ein, für abgesenkte Haltestellen, für stabile Fahrpreise und Fahrradwege auf der Karl-Liebknecht-Straße. In seinen zwei Bürgerbüros in der Südvorstadt und in Grünau bietet Pellmann jede Woche Beratungen für Erwerbslose an. Pellmann, der Kümmerer. Diesen Spruch ließ er auch so auf seine Wahlplakate drucken.

Da wundert es nicht, dass Pellmann im Bundestag eher unauffällig blieb. Er wohnt in Leipzig, pendelt in den Sitzungswochen nach Berlin. Was in seiner Fraktion zuweilen belächelt wurde. Als er sich 2019 als stellvertretender Fraktionsvorsitzender bewarb, habe er von einigen Ge­nos­s:in­nen gehört, er habe durch sein kommunalpolitisches Engagement doch gar nicht die Zeit dafür, erzählt er. Gewählt wurde er nicht. Zwei Leute hätten sich inzwischen bei ihm entschuldigt.

Man könnte also sagen: It’s the Kommunalpolitik, stupid. Wenn die Linke bundespolitisch erfolgreich sein will, muss sie beweisen, dass der Sozialismus auch im Kleinen funktioniert.

Das war jedenfalls das Erfolgsrezept der PDS, die sich im Osten als Kümmerpartei profilierte. „Die PDS hat Probleme vom Kopf auf die Füße gestellt“, sagt der sächsische Landesvorsitzende Stefan Hartmann. Das müsse man sich bewahren. „Insofern brauchen wir mehr Pellmänner.“ Aber dass die Linke sich nicht dauerhaft auf populäre Direktkandidaten stützen kann, das weiß auch Hartmann. Die Linke brauche auch eine programmatische Erneuerung. „Kümmern allein reicht nicht mehr.“

In diesem Plattenbauviertel ist Sören Pellmann aufgewachsen Foto: Thomas Victor

Heißt: Neben dem Einsatz für Radwege und Schulstandorte muss die Linkspartei auch einige große Fragen für sich klären: Wie sieht eine Friedenspolitik aus, die nicht allein darauf setzt, dass Deutschland sich aus Konflikten raushält? Wie eine Reform der EU, die mehr ist als Dauerkritik am neoliberalen Status quo? Wie eine Einwanderungpolitik, die nicht pauschal offene Grenzen postuliert? Und wie gelingt eine Klimawende, die sozial gerecht ist? Diese Debatten werden der Partei Schmerzen bereiten. Und es wird nicht nur um Positionen, sondern auch um Posten und Personen gehen.

Die derzeit prominenteste Persönlichkeit, die die Linke hat, ist Sahra Wagenknecht. Sie ist auch die, die am stärksten polarisiert. Im Gegensatz zum Rest der Partei ist sie dauerpräsent in der Öffentlichkeit. Wagenknecht hat auf viele dieser großen Fragen bereits Antworten gefunden. Und diese fallen oft etwas anders aus, als auf Parteitagen von der Mehrheit der Ge­nos­s:in­nen beschlossen. Beim Thema EU zog Wagenknecht einst auch den Austritt aus dem Euro in Betracht, Zuwanderung in den Arbeitsmarkt sieht sie kritisch und die Klimapolitik nicht als Kernthema der Linken. In ihrem aktuellen Buch „Die Selbstgerechten“ teilt sie gegen jene aus, die die Klimakrise und Identitätsdebatten über „wirkliche“, über soziale Probleme stellen. Aktuell trenden ihre impfskeptischen Beiträge in sozialen Medien.

Viele Ge­nos­s:in­nen kriegen mittlerweile Herzrasen, wenn sie den Namen Wagenknecht hören. In Gesprächen hört man immer wieder, sie möge die Partei verlassen. „Wagenknecht lebt davon, der Linken zu schaden, es wäre besser für alle, wenn sie ginge“, sagt ein Vorstandsmitglied. Namentlich will die Person nicht genannt werden. Noch nicht.

Auch Sören Pellmann ist Teil dieses Konflikts. Er gehöre klar zum Wagenknecht-Lager und habe stets Partei für sie ergriffen, heißt es, wenn man in der Fraktion herumfragt. Dass er 2019 die Wahl zum Fraktionsvize verloren hat, mag wohl vor allem daran gelegen haben, dass ihn das Wagenknecht-Lager nominierte, weniger an ihm als Person oder seinem kommunalpolitischen Engagement. Nach diesem Muster verläuft die Meinungsbildung in der Bundestagsfraktion, aber auch in der Partei seit Jahren: Entscheidend ist weniger, welche Position jemand vertritt, sondern welches Lager.

Wie hältst dus mit Wagenknecht? ist eines der entscheidenden Kriterien. Als Sören Pellmann Sahra Wagenknecht im Juni zu einer Wahlkampfveranstaltung nach Leipzig einlud, schrieb ihm Juliane Nagel eine Mail. Nagel, eine Frau mit markanten Gesichtszügen, ist in Sachsen fast noch prominenter als Pellmann. Das von ihr mitgegründete Linxxnet in Leipzig-Connewitz ist Treffpunkt für eine linke Szene, die weit über ihre Partei bis ins autonome Spektrum reicht. Die 42-Jährige gewann in diesem Wahlkreis 2014 das einzige Direktmandat für die Linke im sächsischen Landtag und verteidigte es 2019.

Wagenknecht verhöhne Menschen, die von Diskriminierung betroffen seien und spiele sie gegen „Normale“ aus, schrieb Nagel an Pellmann und den Vorstand. Sie forderte, die Veranstaltung abzusagen. „Eine Antwort habe ich bis heute nicht erhalten“ erzählt Nagel am Telefon. Stattdessen zitierte bald darauf der Spiegel aus der Mail.

Das Verhältnis zu Pellmann, mit dem sie auch im Stadtrat sitzt, bezeichnet sie als „nüchtern“. Auch Äußerungen von ihm in einem Interview mit der Zeit, das Anfang Oktober erschien, erstaunen sie: Pellmann stellte darin die Frage, wie viele Menschen wir in unser Sozialsystem aufnehmen könnten und merkte an: Integration habe Grenzen. „Ich kenne ihn eigentlich als verlässlichen Kämpfer an der Seite von Geflüchteten“, sagt Nagel.

Pellmann gibt das Kompliment zurück. „Julianes Politik im Stadtrat zu Sozialpolitik, Kinderarmut und Mieten hat Hand und Fuß.“ Aber eine Auseinandersetzung über Wagenknecht zu führen, dazu habe er mitten im Wahlkampf keinen Nerv gehabt. Das habe er Nagel damals auch so geschrieben. Per SMS.

Der Streit um Wagenknecht bringt den besonnenen Mann auch im Herbst noch aus der Ruhe. „Ich weiß nicht, wie man darauf kommt, dass ich, nur weil ich eine ihrer Aussagen unterstütze, gleich in ihrem Lager bin.“ Er sehe ja vieles auch kritisch: Wagenknechts Haltung zu den Coronamaßnahmen etwa, ihre Impfskepsis. Er sei in keiner der vielen Strömungen der Linken organisiert, sagt Pellmann. Und überhaupt: „Ich halte das Flügeldenken für zeitlich überholt.“

Straßenszene in Leipzig-Grünau Foto: Thomas Victor

Letztlich steht hinter dem Streit um Wagenknecht etwas anderes. Die Linkspartei hat im vergangenen Jahrzehnt ein Drittel ihrer Mitglieder verloren, die meisten sind verstorben. Ein Drittel ist neu hinzugekommen: Sie sind meist jung, wohnen in Städten und tummeln sich in sozialen und ökologischen Bewegungen. Mit den DDR-sozialisierten Rentnern in Grünau verbindet sie biografisch wenig.

2018 gründeten einige von ihnen – auch in Abgrenzung zum linken Flügel um Wagenknecht – eine eigene Strömung, die Bewegungslinke, die schnell an Einfluss gewann. Sie wollen, dass die Linke neben den Themen Sozialstaat, Mieten und Hartz IV mindestens genauso engagiert für Klimagerechtigkeit, Antirassismus und Minderheitenrechte kämpft. Bei der Auseinandersetzung um Wagenknecht geht es also im Kern um das künftige Profil und die Ausrichtung der Partei.

Der 31-jährige Maximilian Becker aus Leipzig sitzt seit dem Frühjahr für die Bewegungslinke im Parteivorstand. Dort hat er dafür geworben, dass die Linke als eine Schlussfolgerung aus dem Wahldesaster nun verstärkt auf Klimapolitik setzt. Mit dem Ansatz der Kümmererpartei, wie ihn Pellman vertritt, fremdelt Becker. Das ist ihm zu sehr von oben herab. „Ich möchte nicht die Kämpfe für die Menschen führen, sondern sie bestärken, ihre Kämpfe selbst zu führen.“ Zumal der Ansatz in Leipzig ja auch nur halb funktioniert habe, sagt Becker. Nagels Standing in Connewitz und ihre Verankerung in den linken Strukturen vor Ort hätten maßgeblich zu Pellmanns Erfolg beigetragen.

„Das Linxxnet ist ohne Zweifel ein Teil des Erfolgs“, sagt Pellmann. Aber interessiert hätten sich die Leute in Connewitz vor allem für Mietenpolitik. Eines der klassischen Themen, für die die Linke gewählt werde. Er glaube nicht, dass Klimaschutz das zweite Standbein der Linken werde.

Anders als Wagenknecht macht er aber kein Entweder-Oder daraus, er will nicht polarisieren, sondern integrieren. Mit Erwerbslosen in Grünau sprach er im Wahlkampf über Hartz IV, mit Mietern in Connewitz über einen Mietendeckel und mit Schülern und Klimawissenschaftlern über die Erd­erwärmung. „Hätte ich verschiedene Gruppen gegeneinander ausgespielt, hätte es nicht funktioniert mit dem Direktmandat“, sagt Pellmann.

Vielleicht ist das am Ende der entscheidende Merksatz für die Linke: Dass es nur funktioniert, wenn die Linken in all ihrer Verschiedenheit miteinander klarkommen, wenn sie ihre Heterogenität als Stärke begreifen, um einen Konsens daraus zu schmieden, der auch eine Gesellschaft tragen kann.

Sören Pellmann hätte für den Einstieg schon mal eine Idee. Als Lehrer ist er mit seinen Schü­le­r:in­nen zu Beginn eines Schuljahres immer auf Klassenfahrt gefahren. „Da lernen sie sich noch mal anders kennen. Da erleben sie, wie jemand sozialisiert ist und lernen einander zu vertrauen.“ Auf so eine Klassenfahrt würde er mit den anderen 38 Ge­nos­s:in­nen seiner Fraktion gehen, inklusive Sahra Wagenknecht. Und mit Maximilian Becker würde er gern mal ein Bier trinken. „Das haben wir in vier Jahren noch nie gemacht.“

Es wäre ein Anfang.

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38 Kommentare

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  • Jede sinnvolle Außenpolitik und jede echte Friedenspolitik hat beidseitig offene Staatsgrenzen als Ziel. So einfach ist das.

  • Die Linke kann auch anders, Pellmann macht einfach intensive Basisarbeit, aber das sollte jeder wertschätzen: Er vermittelt die Inhalte der Partei praktisch an die Menschen, die sehen direkt, dies ist die Linke und die machen das und dies, hier schau mal selbst. Das finde ich sehr gut und ich hätte mir davon mehr gewünscht. Aber das ist ja nur ein Teil der Lösungsbeschreibung.

    Der andere Teil heißt Peter Radunski und bedeutet: Campaigning. Dieses US-amerikanische Wort bezeichnet die Art, wie eine Partei politische Botschaften und Inhalte in einem Wahlkampf platzieren kann. Es geht im Kern um eine inhaltliche Arbeit, die nur für die drei Monate Wahlkampf gedacht sind. Anders formuliert, sind es Entscheidungshilfen für die Bürger, die hier erkennen können, wann und wie sich Parteien und Politiker positionieren.

    Ein wirklich guter Wahlkampf startet ein Jahr vorher, das wäre also September 2020 gewesen. Da werden dann von Wahlkampfmanagern immer im Dialog mit Entscheidern Themen und Umfragewerte verglichen, ausgewertet, ausgelotet, es werden in kleinen Versammlungen Reden gehalten, die eine Botschaft transportieren sollen. Es werden Wahlergebnisse aus der Vergangenheit analysiert, so dass drei Monate vorher Call-Center bereit stehen, wo Bürger angerufen, mobilisiert werden. Es wird penibel darauf geachtet, dort zu punkten, wo das überhaupt möglich ist. Die Linke braucht keine Plakate und Werbung im Grunewald oder in einer Villengegend, sondern sie muss sehr präzise in den Gebieten auftreten, wo sie überhaupt gewinnen kann.

    Das hat Markus Wolf bereits mit der Gruppe Ulbricht bei der Komintern hoch und runter gemacht, es ist, wenn man dies als Ausgangspunkt nehmen will, auch für ganz alte Hasen echt nichts Neues. Aber es muss getan werden. Und Pellmann hat über vier Jahre seinen Acker bestellt, dann gibt's auch eine Ernte. Kontinuität zahlt sich aus. Gegen die AfD in Sachsen lohnt ein jahrelanges Negativ-Campaigning. Es gibt viel zu gewinnen und wenig zu verlieren.

  • vorort den kümmerer abgeben, machen auch die destruktiven braunen - jeder auf seine weise. dass daraus denn eine akzeptable bundespolitik abzuleiten sei, erschliesst dich mir nicht so recht.

  • Recherchiert eigentlich der Autor, bevor er schreibt? In den Wahlbezirken in Leipzig-Grünau , wo Pellmann hier im Artikel als Kümmerer gelobt wird, landet er wahlweise hinter hinter dem SPD, AfD und CDU auf Platz 2 bis 4, Prozente zwischen 15,4 und 21,3, weniger als seine Gesamtprozente im Wahlkreis. Gerettet hat ihn allein die städtischen "Lifestyle"linken Communitys in Leipzig-Süd und Connewitz mit 30er und 40er Prozentzahlen. Und bei den Zweitstimmen haben die Grünen den Wahlkreis knapp vor SPD und deutlich vor den Linken gewonnen. Ihre grüne Kandidatin Piechotta, Ärztin an der Unikilinik (und laut eigenem Bekunden demnächst auch Pendlerin) ist zum Glück über einen sicheren Listenplatz reingekommen. Ebenso die SPD-Frau Shtamer, ebenfalls eher auf dem linken Flügel zu finden und mit gutem Listenplatz. Diese sicheren Listenplätze waren im Leipziger Süden gut bekannt. Was sagt uns dies? Die linke Szene im Leipziger Süden hat dort am ehesten taktisch den Linken die Erststimme gegeben, und mit der Zweitstimme ihre eigentliche Präferenz dokumentiert. Mit Blick auf Pellmann aus dem ganzen nun einen Weg für die Linke zu konstruieren, erscheint mir da sehr gewagt.

    • @Hans aus Jena:

      Man kann auch in allen Teilen auf Platz 2 sein und insgesamt doch vorn liegen, wenn jeweils unterschiedliche Parteien Platz 1 einnehmen.

      • @meerwind7:

        !!

      • @meerwind7:

        Darum geht es gerade nicht. Er hat ja gewonnen. Nur eben wo (nicht in Grünauer Plattenbaugebiet, sondern in Connewitz bei den linken Hipstern) und aus welchen Grund (taktisches Wählen ?) - anders als der Artikel suggeriert.

    • @Hans aus Jena:

      ...sorry - Autorinnen.

  • Ich empfinde den Artikel schwach. Was soll er uns sagen?



    Und das ist doch Quaatsch:



    "wenn die Linken .. ihre Heterogenität als Stärke begreifen, um einen Konsens daraus zu schmieden, der auch eine Gesellschaft tragen kann." Das schafft ja nun GOTTSEIDANK auch die CDU/CSU nicxht mehr :-)

  • Sahra W. hat kein Direktmandat bekommen, aber viele Fans.



    Wenn die Wähler Kleinstparteien mit der Stimme für die Linke füttern, dürfen sie sich über das Ergebnis nicht wundern.



    Wäre ja mal ein historisches Experiment gewesen, rot rot grün.



    Vielleicht mit Wiederholungsauftrag.



    Jetzt bekommen alle Stillstand.



    Vier Jahre wird jetzt der Schwanz mit dem Hund wackeln.



    Danke liebe Grüne, für nix.



    Die haben sich sogar das billigste Versprechen, das Tempolimit, abkaufen lassen.



    Bei der FDP und dem sie stützenden Kapital läufts jetzt warm am Bein runter, täglich die nächsten vier Jahre.



    Die Linke ist zu nachgiebig geworden.



    Sonst hätte nicht ein Teil ihrer früheren Wähler radikaler gewählt.

  • "Wenn die Linke bundespolitisch erfolgreich sein will, muss sie beweisen, dass der Sozialismus auch im Kleinen funktioniert."

    Auch im Kleinen? Sozialismus funktioniert NUR im kleinen, wenn alle freiwillig mitmachen (Kibbuz). Ansonsten wäre ich mal um ein Beispiel dankbar, wo Sozialismus im großen funktioniert hätte

    • @Emmo:

      Kuba, Bolivien, Vietnam, Nepal

      Wären jetzt so die erstbesten Länder die mir einfallen.

  • Die Linke muss sich entscheiden, gilt die Solidarität im Zweifel dem homosexuellen, nicht-weißen Neoliberalen Anwalt aus der Großstadt oder dem „alten, weißen Mann“ aus der Provinz mit kleinem Einkommen.

    Ja, das Beispiele ist ein Klischee, aber es zeigt wo das Problem ist

    • @Paul Rabe:

      Sie muss sich nicht entscheiden, sie kann auch immer wieder darauf hinweisen, dass dieses Entweder-Oder Blödsinn ist. Es gibt ja auch den alten weißen neoliberalen Anwalt sowie die Homosexuelle aus der Provinz mit geringem Einkommen, nur dass die eben nicht so sichtbar ist. Diese Polarisierung zwischen homo/reich/städtisch/jung einerseits und andererseits weiß/working class/alt/hetero ist eine unzulässige Vereinfachung wenn nicht eine rechte Propagandalüge, das stimmt so einfach nicht!

    • @Paul Rabe:

      Das genau ist das Denken von Leuten, die irgendwann von den Linken zur AFD wandern. Das hier dargestellte Entwederorder akzeptiert ein Mensch nicht!

      • @John Connor:

        Es gibt aber diese Gegensätze.



        Teile der Linken sind nun mal dabei zu propagieren „die Vorherrschaft der alten weißen Männer zu brechen“



        Wer selber ein „alter weiser Mann“ ist und sieht, dass er nicht gerade zur Focus Gruppe der jenige gehört die bei manchen Linken die meiste Beachtung finden, der wechselt dann wirklich und die Linke sollte sich fragen ob man das will, es waren mal die treusten Stammwähler…

        • @Paul Rabe:

          Gegen alte "weise" Männer hat niemand was. Bloß diejenigen die sich ständig an der Bezeichnung alte "weiße" Männer reiben, fehlt es genau an dieser Weisheit und sind deshalb gemeint.

    • @Paul Rabe:

      Eben nicht entweder - oder!

      • @PauKr:

        Natürlich nicht "entweder-oder" - aber es geht a) um Prioriätäen beim Wahlkampf und b) in Teilen der Realpolitik dann doch um entweder/oder. Da konkurriert nämlich der Lifestyle-Linke (um mal das böse Wort zu verwenden) nicht mit neu eingewanderten Menschen um Billig-jobs und bezahlbare Wohnungen (auch wenn es längerfristig das Ziel sein sollte, dass es diese Konkurrenz gar nicht mehr geben sollte, aber dahin ist ein weiter Weg).

      • @PauKr:

        Es gibt aber oft konträre Interessenlagen. Beide Lager zu vertreten ist oft nur ein Lippenbekenntnis und jeder hier in der Provinz hat in den letzten Jahren gemerkt in welche Richtung im Zweifel der Hase läuft.

  • Klingt wirklich nach einem guten Typen!

  • Langfristig gesehen dürfte die Linke keine Zukunft haben. Eigentlich ist sie schon fast an dem Punkt. Ihre historische Funktion als Partei des Ostens geht zu Ende, ihre Funktion als Stachel im Fleisch der Agenda- SPD schwächt sich auch ab. Und zwar obwohl, und da hat Wagenknecht an einem zentralen Punkt Recht, es riesige Defizite bei der sozialen Gerechtigkeit gibt. Nichts anderes kann jedenfalls der Kernpunkt der Linken sein, auch wenn sie sich mit zunehmendem Erfolg damit möglicherweise selber abschafft.



    Ihre sogenannte Friedenspolitik hingegen, Antirassismus oder neuerdings Umweltschutz können allerhöchstens Beiwerk sein, für viele mögliche Wähler sind die diesbezüglichen Positionen und die Selbstgefälligkeit mit der sie vorgetragen werden sogar schlichtweg abschreckend.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Und der Krieg, in dem die Kinder der Armen der verschiedenen Länder für die Profite der Reichen sterben, der aber keinen Bäcker, keinen Markt und keine Schule rettet, der hilft genau wie für soziale Gerechtigkeit?

      Klimaschutz hilft für soziale Gerechtigkeit, denn Reiche können sich noch lange ein gutes Leben mit einem kaputten Klima leisten — Arme stehen vor den weggeschwemmten Trümmern ihrer Habe in der nur für den Vermieter wahlkampftauglich geretteten Mietwohnung.

      Vielleicht wird es Zeit für Linke, wieder verstärkt öffentlich zu erklären, warum sie bestimmte Positionen untertützen, und wie diese Positionen denen helfen, die wenig verdienen.

    • @Benedikt Bräutigam:

      So wie die Linke sich anstellt, sehe ich das genau so. Wir brauchen mehr linke Politik für mehr soziale Gerechtigkeit, aber keinen Dogmatismus oder einen Kessel Buntes. Die Idee mit der Klassenfahrt gefällt mir ...

  • "Wie eine Einwanderungpolitik, die nicht pauschal offene Grenzen postuliert?"



    Ich bin eher "no borders no nations", schon allein deswegen erschließt es sich mir ned, warum ausgerechnet bei dem Ziel "offene Grenzen" ne (hoffentlich mehheitlich) internationalistisch eingestellte Partei Abstriche machen sollte!

    • @Hugo:

      Vielleicht weil die große Mehrheit anders denkt.



      Der Aufschwung der AfD nach 2015 zeigt, wie sehr Open-Border-Naivität ein Konjunkturprogramm für die Rechten ist.



      Die Linke wird um ein Godesberg in der Zuwanderungspolitik nicht herumkommen.

      • @Linksman:

        "Open-Border-Naivität". Wo sind unsere Grenzen offen? Die Grenzen sind dicht und es spielen sich wie gehabt an den Außengrenzen Dramen ab. Wenn "Linke" wie die AFD argumentieren. Ätzend!

    • @Hugo:

      ganz einfach - weil steuer- und sozialpolitik weiterhin nationalstaatlich organisiert sind

      • @Emmo:

        Was sich mit der globalen Mindeststeuer langsam ändert.

        Der nächste Schritt wären erst Europa- und dann Weltweit verbindliche Mindestlebensstandards — globale Sozialpolitik.

    • @Hugo:

      Danke für die Stimme aus dem Träumer-Lager. Auch große Ziele erfordern kleine Schritte. Der Rest steht im Artikel ...

      • @Christian Lange:

        Ja eben, der "kleine Schritt" wäre so als Verhandlungsbasis "open borders" und wenns nur irgendwie europaweit klappt...



        Und mal am Rande; ich halte eher die für "Träumer", die ernsthaft davon ausgehen, daß sowohl Nationalstaaten als auch die damit verbundenen, äh, Disharmonien in unzerstörbaren Stein gemeißelt sind.

  • Vielleicht hilft es ja schon, Themen in den Vordergrund zu stellen, die nicht nur 0,0x % Prozent der Bevölkerung betreffen. Wo sollen denn da die vielen Wähler auch herkommen? Herrn Becker fällt allen Ernstes nur Klimapolitik als Lösung ein, sondert zu allem Überfluss auch noch irgendwelche neoliberalen Parolen ab. Und Sarah Wagenknecht soll jetzt das eigentliche Problem sein ...?

  • Der letzte macht das Licht aus.



    Hüsteln. Abgang. Kein Applaus.

  • Das Problem der Linken ist das viele einer ideologischen, weltfremden "reinen Lehre" anhängen. Kein Mensch bei Verstand wird sowas wählen oder wollen. Wagenknecht liegt nicht in allen Themen richtig, aber deutlich besser als der übliche Parteidurchschnitt.

  • Oha, mit Wagenknecht auf Klassenfahrt, da steigt die Stimmung, ja da kommt Freude auf…

  • Die Linken werden es wohl weiter mit Sahra Wagenknecht und Sören Pellmann ertragen müssen … und umgekehrt. Wobei anzumerken ist, dass Wagenknecht als Spitzenkandidatin der NRW-Linken dort noch ein schlechteres Ergebnis eingefahren hat als die Partei im Bundesdurchschnitt. Das will uns was sagen?



    Es gibt kein Patentrezept, das den Niedergang der Linken aufhalten könnte, wenn es denn so sein soll, nur Hinweise, wie es anders laufen müsste … “Kümmerer“ mit kommunalpolitischer Erdung wie Pellmann und urbane, sozialökologische Bewegungslinke, nur gemeinsam sind beide erfolgreich oder eben zum Untergang verdammt.



    Was die Linke garantiert nicht braucht, sind dogmatische Sektierer.

    • @Abdurchdiemitte:

      Nunja: NRW hatte immer ein unterdurchschnittliches Ergebnis, da die Linke schwerpunktmäßig immer Ostpartei war/ist. Die aktuellen 3,7 % in NRW liegen an den bundesweiten 4,9 % sogar relativ nah dran.

      • @Linksman:

        Ja,aber eine Lokomotive,wie Gysi es war und sein könnte,ist und war sie nicht.

        Und jemand ,der von der AfD umworben wird,geht gar nicht in der Linken.

        Nein zu Bundeswehr im Ausland



        Und soziale Gerechtigkeit,gepaart mit Ökologischem, müssen Kernthemen der Linken bleiben .Diese Grundprinzipien sind Partei-Räson!