Kritik an „Pinky Gloves“: Die Jungs vom Entschärfungsteam
Zwei Männer erfinden pinke Latexhandschuhe, mit denen Frauen benutzte Tampons entnehmen und entsorgen können. Bitte was?
Wenn Männer etwas speziell nur für Frauen erfinden, kommt dabei häufig nichts Gutes raus. Das beweist die neueste Erfindung: „Pinky Gloves“ – rosafarbene Latexhandschuhe, mit denen menstruierende Menschen Tampons und Binden entnehmen und entsorgen können. „Entwickelt“ wurden die Handschuhe von Eugen Raimkulow und André Ritterswürden. Am Montagabend haben sie ihre Idee stolz in der Vox-Sendung „Höhle der Löwen“ vorgestellt. „Echte Frauenversteher“ seien sie, deswegen hätten sie diese Handschuhe entwickelt: „Hygienisch, diskret und perfekt für unterwegs“. Ein Dreiklang, der auf jeden Kurzen zutreffen würde.
Die Männer in der Fernsehjury waren begeistert, der Unternehmer Ralf Dümmel investierte dann tatsächlich. Twitter-User*innen waren dagegen entsetzt – und schrieben wütende Kommentare. Ihr grundsätzlicher Tenor: „Habt ihr den Verstand verloren? Wir helfen euch gerne suchen, ihr Larrys.“
Es sind nämlich tatsächlich Fragen offen geblieben: Was glauben die beiden, wie sich Menstruierende vorher die Tampons entfernt haben? Blut am Finger, warum sollte das ein Problem sein? Kennen sie das Prinzip von Hygienebeutel und Toilettenpapier nicht? Und für wen halten die sich eigentlich? Als sei die Periode und alles was dazu gehört nicht stigmatisiert genug, jetzt brauchen wir auch noch ein Entschärfungsteam, um uns umzustöpseln? Ganz zu schweigen von dem Müll, den die Handschuhe verursachen.
Die Erfinder Raimkulow und Ritterwürden sahen sich daraufhin veranlasst, ein Statement auf ihrem Instagram-Account zu veröffentlichen. In dem zweiminütigen Video erklären sie, dass es natürlich nicht ihre Absicht gewesen sei, die Periode als etwas Ekliges darzustellen. Im Gegenteil: Enttabuisieren wollten sie sie. Und natürlich sei das Produkt für den Fall konzipiert, dass es mal kein Toilettenpapier und keine Möglichkeit zum Hände waschen gebe, wie beispielsweise auf Festivals oder an Raststätten.
Alles noch schlimmer machen
Es ist nicht verwunderlich, dass sie mit diesem Statement alles noch schlimmer machen. Die Kommentator*innen zerrissen das Statement präzise. So empörend diese Situation ist, gleichzeitig bietet die ganze Situation spannende Einblicke in das, was Männer eigentlich von der Periode wissen – nämlich sehr wenig offenbar. Selbst wenn sie mit einer Frau zusammen sind, ist die Periode wahrscheinlich nur dann Thema, wenn es ihretwegen keinen Sex gibt. Auch die Handschuherfinder sind auf ihre Idee gekommen, weil sie im Badmülleimer ihrer WG in Toilettenpapier eingewickelte Tampons gesehen haben. „Ziemlich unangenehm“ sei das gewesen.
Dieses Unwissen und dieser aufgebauschte Ekel hat sich bei vielen Frauen tief eingebrannt. In vielen Religionen gelten menstruierende Menschen als unrein, schmutzig, dürfen keine religiösen Stätten betreten oder an Ritualen teilnehmen. Auch in einer angeblich aufgeklärten Gesellschaft sitzt die Scham tief. Wir werden Expert*innen dafür, Tampons aufs Klo zu schummeln, der Kauf bedeutet für viele junge Frauen eine ungeheure Überwindung, und in der Werbung wird die Diskretion als oberstes Gut gepriesen. Drogendealer gehen offener mit ihrem Beruf um, als Frauen mit ihrer Periode.
Es scheint aber, als sei das Einsetzen und das Entfernen besonders schambehaftet. So gibt es Tampons mit Applikationshilfen, die vor allem in den USA beliebt sind. In Blogposts oder Reddit-Threads betonen US-Amerikanerinnen in Europa, wie unangenehm es für sie ist, sich den Tampon mit dem Finger einzuführen.
Dabei dürfte nicht nur das Blut ein Problem sein. Es ist der Akt der Penetration. Ich wurde schon öfter von jungen Männern gefragt, ob ich beim Einsetzen von Tampons nicht auch geil werde. Und nein, die Männer waren nicht jung genug, um so dumm zu sein. Diese Vorstellung, dass sich die Frau selbst berührt, ist immer noch unanständig. Die Vagina ist kein normales Körperteil, sondern wird auf das Sexuelle reduziert.
Tabuzone und Battlefield
Der Unterleib der Frau ist selbst für sie eine Tabuzone und ein Battlefield für den Kapitalismus, die aus der Scham Geld macht – sei es mit Applikatoren, mit speziellen Intimreinigungsmittel, Scheidenduschen oder eben „pinky gloves“.
Bei Männern ist es kein Problem, wenn sie zwischen Himmel und Hölle einfach mal ihren Penis rauspacken, um zu pinkeln. Da fragt keiner danach, was sie denn tun, wenn es keine Möglichkeiten zum Händewaschen gibt.
Vielleicht sollte ich eine Firma gründen, die eine schwarze Becherglaszange für den Mann verkauft. Damit sie nicht ihren eigenen verschwitzten Penis zum Urinieren anfassen müssen. Ich würde ihn „Penis Master“ nennen, und es würde ihn mit BBQ-Geruch geben. Werbespruch „Master your penis, master the world!“ Wer investiert in mich?
Und eine letzte Frage an die beiden Gründer aus der Fernsehshow: Wenn ich jetzt wirklich doch einen Handschuh benutzen will, um meinen Tampon zu entfernen, warum reicht dann nicht ein normaler Latexhandschuh?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Nach Hinrichtung von Jamshid Sharmahd
„Warum haben wir abgewartet, bis mein Vater tot ist?“
Strategien gegen Fake-News
Das Dilemma der freien Rede