Klimabewegung in der Klemme: Die Greta-Krise
Wie ist es möglich, so viel Aufmerksamkeit und Zustimmung zu erzeugen – und trotzdem ändert sich nichts? Ein Appell zum Aushalten von Widersprüchen.
G reta Thunberg ist eine kluge junge Frau. Nicht bloß im Verhältnis zu ihren Kritikern, deren Strunzdummheit nicht nur aus Strammrechts- und FDP-Lautsprechern dröhnt, sondern in Form von, nun ja, „Kabarett“ auch im öffentlichen Fernsehen versendet wird – ungefähr so lustig wie ein Grillabend beim Ortsvereinsvorsitzenden der AfD von Niedertrachtlingen. Von klugen Menschen kann man, taz-Leserinnen und -Leser werden es wissen, einiges verlangen; grenzenloser und naiver Optimismus gehört nicht unbedingt dazu.
Daher ist die doppelte Aussage von Greta Thunberg in Bezug auf die „Klimabewegung“ – Wir haben viel erreicht! Und: Wir haben (beinahe) nichts erreicht! – eine sehr genaue Beschreibung des derzeitigen Status: Öffentlichkeit wurde hergestellt, das Bewusstsein erweckt, Diskurse wurden begonnen. Doch in der Praxis ist davon kaum etwas angekommen.
An auch ökologisch entscheidenden Machtpositionen schalten Menschen, denen Klima, Umwelt und Natur wurst sind. Solange die Nationen im Wettbewerb miteinander stehen und Wirtschaftskriege gegeneinander oder Wirtschaftsbündnisse gegen Menschen und Landschaften führen, verlaufen alle Versuche, die Probleme in größerem Zusammenhang anzugehen, im Sand. Was die Ökologie anbelangt, hat sich also eine neue Schere aufgetan: die von öffentlichem Gerede und wirklichem Handeln. Nicht neu, das.
Was aber mag es sein, was zwischen Reden und Handeln vermittelt, einmal im Sinn von Umsetzung, das andere mal im Sinn von Verhinderung? Es gibt ein schmutziges Wort dafür: Politik. Und was gerade mit der Klimabewegung passiert, zwischen der künstlichen Aufregung über ein „Oma“-Lied und einer juristischen Kampagne gegen Organisationsformen der demokratischen Zivilgesellschaft, ist unter anderem Ausdruck einer Krise, die für jede soziale Bewegung unausweichlich ist. Spätestens beim Erreichen des Punktes, an dem Vernunft und Moral an die Interessen von Macht und Kapital rühren.
Die Frage tut sich auf: Wie ist es möglich, so viel Aufmerksamkeit, ja sogar so viel Zustimmung zu erzeugen – und trotzdem ändert sich nichts? Wer oder was macht so was? Um den Verlust der politischen Unschuld kommt niemand herum. Weder eine Person noch eine Bewegung.
Man sollte daher die Doppelaussage „Wir haben viel erreicht“ und „Wir haben nichts erreicht“ nicht als Eingeständnis des Scheiterns ansehen, sondern als Zäsur. Wenn es weitergehen soll, müssen die Protagonisten und Sympathisanten der Klimabewegung erkennen, dass die Zeit der „vor-politischen“, der moralischen, wissenschaftlichen und appellativen Aktivität vorbei ist. Was in der Aufmerksamkeitsökonomie und in der Symbolsprache der Personalisierung erreicht werden konnte, wurde erreicht. Nun schlägt das Imperium zurück, und die Rebellen drohen an Erschöpfung oder Hysterisierung zugrunde zu gehen.
Übermächtige Feinde, faule Kompromisse
Doch könnte das Ende einer „Welle“ des Widerstands durchaus auch Vorbereitung einer zweiten Welle sein. Ein Bindeglied dafür mag vielleicht Antonio Gramscis Aufforderung sein, in sich einen Pessimismus des Geistes und einen Optimismus des Handelns zu vereinen. Und das ist nicht der einzige Widerspruch, den man auszuhalten lernen muss.
Denn es sind nicht nur der übermächtige Feind und der „faule Kompromiss“ („grüner Kapitalismus“ als Treffpunkt von Start-up-Hype und Fridays for Future), es sind auch innere Widersprüche, die immerhin erkannt werden müssen. Klima- und Naturschutz, ökologische Vernunft und soziale Verantwortung, zum Beispiel muss man sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen, eine klassische Untugend des Kleinbürgertums, nämlich die Inszenierung eigener moralischer Überlegenheit, in neuem Gewand zu zelebrieren. Und das Zweitdümmste ist es, das Ganze auch noch als Generationenkonflikt zu interpretieren (das Erstdümmste ist natürlich die Links-rechts-Blindheit, das Drittdümmste, sich von Konzernen und Medien zu Tode umarmen zu lassen).
Während die Klima- und Umweltbewegung sich an ihrer unaufhaltsamen Politisierung zu spalten droht, droht sich auf der anderen Seite die Linke, die Partei ebenso wie die Bewegung, an der Ökologie zu spalten. Hier wie dort gibt es Menschen, die sich durch besondere Dummheit, Dogmatik und Hysterie hervortun. Da gibt es Leute, die Klimaschutz als Religionsersatz pflegen und deren eifernde Besserwisserei noch den Einsichtigsten in die Flucht schlagen. Auf der anderen Seite gibt es Leute, die der festen Überzeugung sind, dass man nicht nur traditionelle Ideen von Arbeit, sondern auch Dinge wie „das Auto“ als Relikte der Industriegesellschaft erhalten müsse.
Uns droht, soviel ist sicher, sowohl eine ökologische als auch eine soziale Katastrophe (so viel zum Pessimismus des Geistes) und weder ist eine ohne die andere zu denken, noch kann eine auf Kosten der anderen verhindert werden. Die Antwort auf diese Dialektik kann nur eine ökologische Linke beziehungsweise eine linke Ökologie geben, als Grundlage für einen Optimismus des Handelns.
Dem Planeten ist es vollkommen egal, ob seine Menschen-Parasiten ihn retten wollen oder nicht. Die Natur auf ihm macht, was sie immer macht, sie versucht sich anzupassen, was einem Teil hervorragend und einem anderen Teil überhaupt nicht gelingen wird. Den Menschen, die das verursacht haben, stehen Trauer, Scham und Wut zu. Auch die große Rettungsaktion der Welt vor dem Menschen aber wird die Fremdheit zwischen beidem nicht überwinden, so wenig wie die Entfremdung zwischen den Menschen selbst. Und doch hat beides auch die Chance für ein neues Bewusstsein. Was mich auf den seltsamen Gedanken bringt, dass nach der Zäsur dieser Tage für das Verhältnis Linke und Ökologie nicht nur ein politischer, sondern auch ein philosophischer Neubeginn vonnöten ist. Wenn es da einen Unterschied gibt.
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